„Gypsy Mania“

12. Januar 2012
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Eigener Leitsatz:

Das Zeichen Gypsy Mania fehlt für die beanspruchten Waren- und Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft. Die Wortkombination "Gypsy Mania" lässt sich zwar lexikalisch nicht nachweisen. Dennoch werden die angesprochenen inländischen Verkehrskreise die Wortkombination mit "Zigeunermanie, Zigeunerwahn oder Zigeunerfimmel" übersetzen und als Begeisterung oder Leidenschaft für die Kultur, die (Tanz-)Musik oder den traditionellen Kleidungsstil der Zigeuner bzw. der Sinti und Roma verstehen, zumal "gypsy" ein in Deutschland bekannter englischer Begriff und "Mania" mit dem deutschen Wort "Manie" fast identisch ist.

Bundespatentgericht

Beschluss vom 02.03.2011

Az.: 29 W (pat) 209/10

 

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2008 073 856.1

hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 2. März 2011 unter Mitwirkung der Vorsitzenden
Richterin Grabrucker sowie der Richterinnen Kortge und Dorn

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Wortfolge

Gypsy Mania

ist am 24. November 2008 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen
Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für nachfolgende Waren und
Dienstleistungen angemeldet worden:

Klasse 9: Tonträger;

Klasse 25: Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen;

Klasse 35: Dienstleistungen des Einzelhandels über das Internet
in den Bereichen: Tonträger und Datenträger,
Bekleidungsartikel, Schuhe und Textilwaren;

Klasse 41: Organisation und Durchführung von kulturellen und
musikalischen Veranstaltungen.

Mit Beschluss vom 28. September 2010 hat die Markenstelle für Klasse 35 die Anmeldung gemäß §§ 37 Abs. 1 und 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass die sprachüblich gebildete Zusammensetzung aus den auch im Inland bekannten englischen Wörtern "Gypsy" für "Zigeuner" und "Mania" für "Manie, Leidenschaft,Sucht, Wahnsinn, Fimmel" von den angesprochenen breiten Verkehrskreisen im Sinne einer Begeisterung für die Kultur der Sinti und Roma verstanden werde. In Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen liege daher ein beschreibender Hinweis auf deren Art und Thematik vor. Tonträger könnten Musik der Sinti und Roma wiedergeben und spezielle Bekleidung könne in der Tradition dieser Personengruppe ausgestaltet sein. Einzelhandelsdienstleistungen könnten der Beschaffung der vorgenannten Waren dienen und kulturelle und musikalische Veranstaltungen könnten sich thematisch mit der Kultur der Sinti und Roma befassen. Vergleichbare Begriffe wie "Gypsy-Jazz, Gypsy-Tanz, GYPSY FESTIVAL, GYPSY QUEENS & KINGS, Gypsy-Swing" sowie "Gothic Mania; Beckham-Mania, Obama-Mania, Mambo Mania, ABBA-Mania, pyro-mania" würden bereits benutzt, wie eine Internetrecherche ergeben habe (Bl. 29 – 40 VA). Im Übrigen hätten die vergleichbaren Anmeldungen 399 60 885.0 "Moviemania", 304 26 501.2 "DANCEMANIA",
307 79 168.8 "TECHNOMANIA", 30 2008 040 415.9 "DISCO MANIA",
399 50 789.2 "GYPSY STARS", 305 28 129.1, "gypsyguitar" und
30 2008 013 051.2 "Gypsy Passion" ebenfalls nicht zu einer Eintragung als Marke geführt.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders, mit der er sinngemäß beantragt,

den Beschluss der Markenstelle 35 des Deutschen Patent- und
Markenamtes vom 28. September 2010 aufzuheben,

hilfsweise,

den Beschluss der Markenstelle aufzuheben, soweit die Anmeldung
in Bezug auf folgende Waren und Dienstleistungen zurückgewiesen
worden ist:

Klasse 9: Tonträger, die mit Musikaufnahmen bespielt sind;

Klasse 25: Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen;

Klasse 35: Dienstleistungen des Einzelhandels über das Internet
in den Bereichen: Tonträger und Datenträger, Bekleidungsartikel,
Schuhe und Textilwaren;

Klasse 41: Organisation und Durchführung von musikalischen
Veranstaltungen.

Der Beschwerdeführer vertritt die Ansicht, der Grundsatz des rechtlichen Gehörs
sei verletzt worden, weil ihm keine Gelegenheit gegeben worden sei, sich vor Erlass des angefochtenen Beschlusses zu der darin vertretenen Begriffsbedeutung des angemeldeten Zeichens im Sinne von "Begeisterung für die Kultur der Sinti und Roma" zu äußern, die von der im Beanstandungsbescheid vorgenommenen Deutung "Leidenschaft zur Zigeunermusik" abweiche. Die einzige lexikalisch nachweisbare Bedeutung von "Gypsy" sei "Zigeuner(in)". Die von der Markenstelle angeführte Bedeutung "Kultur der Sinti und Roma" oder die vom Senat in seinem Hinweis angenommene Bedeutung eines bestimmten Jazzstils (sog. Gypsy-Jazz) seien lexikalisch nicht nachweisbar. Die Jazzrichtung werde mit "Gypsy Jazz" und nicht allein mit "Gypsy" bezeichnet. Der Wikipedia-Beleg sei weder zutreffend noch als Nachweis geeignet. "Mania" bedeute auch "Besessenheit" im Sinne eines abwertenden Sprachgebrauchs für zwanghaften Enthusiasmus, Zustand exzessiver Aktivität, "Wahnsinn" im medizinischen Sinne (Anlage 2 und 3, Bl. 48 f. GA) oder "Raserei" im Sinne von unsinnigem, wütendem Toben (Anlage 4, Bl. 50 GA).
Die Bedeutungen "Leidenschaft", "Sucht", "Begeisterung" oder "Fieber" für "Mania" würden auch nicht durch die Internetrecherche des Amtes belegt. Der angemeldeten Wortfolge lasse sich weder ein Hinweis auf "Kultur" noch auf "Sinti" oder "Roma" entnehmen. "Gypsy" werde allgemein für nomadische Gruppen verwendet, darunter auch Gruppen aus Indien, Irland und Südostasien (Anlage 5, Bl. 51 GA; Anlage 6, Bl. 52 GA). Die Wortfolge könne daher nur "Zigeunermanie, Zigeunerfimmel, Zigeunerbesessenheit oder Zigeunerwahnsinn" bedeuten. Die verfahrensgegenständliche Wortkombination werde zudem kaum verwendet – eine Google-Recherche mit dem Suchbegriff "Gypsy Mania" habe nur Einträge ergeben, die auf seine Aktivitäten oder eine Musikgruppe verwiesen (Anlage 7, Bl. 53 GA) – und sei in hohem Maße ungewöhnlich und phantasievoll. Bei den bekannten Verknüpfungen mit "Mania" beziehe sich "Mania" auf eine oder mehrere bestimmte Personen oder auf einen bestimmten Musik- oder Tanzstil. Bei der Kombination "Gypsy Mania" werde das Wort "Mania" mit der Bezeichnung für eine Volksgruppe an sich und nicht mit bestimmten Personen verbunden. Es fehle auch der Hinweis, auf welche Eigenschaft oder welchen Aspekt der Volksgruppe sich die "Mania" beziehen könnte. Der Sinn der Wortfolge bleibe also verschwommen, so dass sie sich auch nicht als Sachhinweis auf den Inhalt von Tonträgern oder von kulturellen und musikalischen Veranstaltungen eigne. Auch die in Klasse 25 beanspruchten Bekleidungswaren ließen sich nicht mit "Manie für Zigeuner" beschreiben. Die Internetbelege des Senats beträfen lediglich das Wort "Gypsy", aber nicht den angemeldeten Gesamtbegriff. Demzufolge sei die Wortfolge auch nicht zur Beschreibung der beanspruchten Einzelhandelsdienstleistungen mit den vorgenannten Waren geeignet.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache weder mit dem Haupt- noch mit dem
Hilfsantrag Erfolg.

Der Eintragung der angemeldeten Wortfolge "Gypsy Mania" als Marke gemäß
§§ 33 Abs. 2, 41 MarkenG steht hinsichtlich der beanspruchten Waren und Dienstleistungen das absolute Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen.

1. a) Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer
Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend
kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen
anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR 2008, 608, 611
Rdnr. 66 f. – EUROHYPO; BGH GRUR 2010, 825, 826 Rdnr. 13 – Marlene-
Dietrich-Bildnis II; 935 Rdnr. 8 – Die Vision; GRUR 2006, 850, 854
Rdnr. 18 – FUSSBALL WM 2006). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht
darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und
Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2006, 233, 235 Rdnr. 45
– Standbeutel; 229, 230 Rdnr. 27 – BioID; a. a. O. Rdnr. 66 – EUROHYPO;
BGH GRUR 2008, 710 Rdnr. 12 – VISAGE; GRUR 2009, 949 Rdnr. 10 –
My World; a. a. O. – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 – BerlinCard;).
Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis
begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. – Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2009, 411 Rdnr. 8 – STREETBALL; 778, 779 Rdnr. 11 – Willkommen im Leben; 949 f. Rdnr. 10 – My World; a. a. O. – FUSSBALL WM 2006). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2006, 411, 412 Rdnr. 24 – Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943, 944 Rdnr. 24 – SAT 2; BGH a. a. O. – FUSSBALL WM 2006). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428, 431 Rdnr. 53 – Henkel; BGH GRUR 2001, 1151, 1152 – marktfrisch; MarkenR 2000, 420, 421 – RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Ausgehend hiervon besitzen Wortmarken
dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise
lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674, 678 Rdnr. 86 – Postkantoor; BGH GRUR 2009, 952, 953 Rdnr. 10 – DeutschlandCard; a. a. O. 854 Rdnr. 19 – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 – BerlinCard; a. a. O. – marktfrisch; GRUR 2001, 1153 – anti KALK) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die – etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a.
BGH a. a. O. – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2003, 1050, 1051 – Cityservice;
GRUR 2001, 1043, 1044 – Gute Zeiten – Schlechte Zeiten). Darüber
hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die
sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und
Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger
beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in
einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH a. a. O. 855 Rdnr. 28 f. –
FUSSBALL WM 2006). Dabei gilt, dass je bekannter der beschreibende
Begriffsgehalt für die Waren oder Dienstleistung ist, desto eher wird er
auch nur als solcher erfasst, wenn er im Zusammenhang mit der Kennzeichnung
der Ware oder Dienstleistung in Erscheinung tritt (BPatG GRUR 2007, 58, 60 – BuchPartner). Hierfür reicht es aus, dass ein Wortzeichen,
selbst wenn es bislang für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen
nicht beschreibend verwendet wurde oder es sich gar um eine
sprachliche Neuschöpfung handelt, in einer seiner möglichen Bedeutungen
ein Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen kann
(EuGH GRUR 2004, 146, 147 f. Rdnr. 32 – DOUBLEMINT; 674, 678
Rdnr. 97 – Postkantoor; 680, 681 Rdnr. 38 – BIOMILD; GRUR 2003, 58, 59
Rdnr. 21 – Companyline); dies gilt auch für ein zusammengesetztes Zeichen,
das aus mehreren Begriffen besteht, die nach diesen Vorgaben für
sich genommen schutzunfähig sind, sofern das Gesamtzeichen nicht infolge
einer ungewöhnlichen Veränderung – etwa syntaktischer oder semantischer
Art – hinreichend weit von der bloßen Zusammenfügung ihrer
schutzunfähigen Bestandteile abweicht (EuGH MarkenR 2007, 204, 209
Rdnr. 77 f. – CELLTECH; a. a. O. Rdnr. 29 – BioID; a. a. O. Rdnr. 98 –
Postkantoor; a. a. O. Rdnr. 39 f. – BIOMILD; a. a. O. Rdnr. 28 – SAT 2).

Von diesen Grundsätzen ist auch bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft
von Wortfolgen auszugehen, ohne dass unterschiedliche Anforderungen
an die Unterscheidungskraft von Wortfolgen gegenüber anderen
Wortmarken gerechtfertigt sind (EuGH GRUR 2010, 228, 231 Rdnr. 36
– Vorsprung durch Technik; GRUR 2004, 1027, 1029 Rdnr. 32 u. 36, 1030
Rdnr. 44 – DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT; BGH a. a. O. Rdnr. 12
– My World; GRUR 2009, 778, 779 Rdnr. 12 – Willkommen im Leben). Vielmehr
ist in jedem Fall zu prüfen, ob die Wortfolge einen ausschließlich
produktbeschreibenden Inhalt hat oder ihr über diesen hinaus eine, wenn
auch noch so geringe Unterscheidungskraft für die angemeldeten Waren
oder Dienstleistungen zukommt (BGH a. a. O. – My World u. Willkommen
im Leben).

b) Das DPMA hat in seinem Beschluss die Eintragung der angemeldeten
Wortfolge zu Recht versagt, weil diese nur einen im Vordergrund stehenden,
die beanspruchten Waren und Dienstleistungen beschreibenden Begriffsinhalt
hat.

aa) Das Anmeldezeichen setzt sich aus den einfachen englischen Substantiven
"Gypsy" mit der Bedeutung "Zigeuner(in)" (http://dict.leo.org) und
"Mania" mit den Übersetzungsmöglichkeiten "Manie, Fimmel, Raserei,
Wahnsinn und Wahn" (http://dict.leo.org) zusammen. Die Wortkombination
"Gypsy Mania" lässt sich zwar lexikalisch nicht nachweisen (http://dict.leo.-
org). Dennoch werden die angesprochenen inländischen Verkehrskreise
die Wortkombination mit "Zigeunermanie, Zigeunerwahn oder Zigeunerfimmel"
übersetzen und als Begeisterung oder Leidenschaft für die Kultur,
die (Tanz-)Musik oder den traditionellen Kleidungsstil der Zigeuner bzw.
der Sinti und Roma verstehen, zumal "gypsy" ein in Deutschland bekannter
englischer Begriff und "Mania" mit dem deutschen Wort "Manie" fast
identisch ist. Das Wort "Mania" stammt ursprünglich aus dem Griechischen
mit der Bedeutung "Raserei" (http://de.wikipedia.org/wiki/Mania)
und wird, wie eine Internetrecherche des Amtes und des Senats gezeigt
hat, bereits zahlreich im Inland im Sinne von Leidenschaft, Begeisterung
oder Fieber verwendet (vgl. "Gothic Mania", "Beckham-Mania", "Obama-
Mania", "Mambo Mania", "ABBA-Mania", "pyro-mania”, Anlagen zum angefochtenen Bescheid, Bl. 35 – 40 VA; oder "Disco Mania, Anzeige in LottaLeben.net "Stadthalle Fürth: Disco Mania – Das Tanzfieber greift um
sich”).

bb) In Bezug auf die in Klasse 9 beanspruchten Tonträger und die in Klasse 41
angemeldete Organisation und Durchführung von kulturellen und musikalischen
Veranstaltungen weist die angemeldete Wortfolge darauf hin, dass
sich die Tonträger und die Veranstaltungen inhaltlich sehr intensiv mit der
Kultur oder der (Tanz-)Musik der Sinti und Roma (Anlage zum Beanstandungsbescheid vom 14. Mai 2009, Bl. 8 – 11 VA; Anlagen zum angefochtenen Beschluss, Bl. 30 – 33 VA) befassen und damit der Begeisterung
ihrer Anhänger Ausdruck verleihen können. Der Begriff "gypsy music" oder
"Zigeunermusik" ist seit Jahrhunderten allgemein bekannt (Sadie, The
New GROVE Dictionary of Music and Musicians, 20 Bände, 1980, Stichwort:
Gypsy music; Vierbändiges Musiklexikon des Verlages J.B. Metzler,
2. Aufl. 2005, Stichwort: ZIGEUNERMUSIK; von Schoenebeck/Reiß/Noll,
Musiklexikon – Daten, Fakten und Zusammenhänge, 2. Aufl. 1996, Stichwort:
Zigeunermusik; Der Brockhaus Musik – Komponisten, Interpreten,
Sachbegriffe, 3. Aufl. 2006, Stichwort: Zigeunermusik, Anlagen zum Protokoll
der mündlichen Verhandlung vom 2. März 2011, Bl. 61 – 81 GA). Auch
der "Gypsy Jazz" bzw. "Zigeunerjazz" ist seit den 30er Jahren des
20. Jahrhunderts eine bekannte Musikstilrichtung (Anlage zum angefochtenen
Bescheid, Bl. 29 VA, sowie Anlage zum o. g. Protokoll, Bl. 82 – 84
GA; Der Brockhaus, a. a. O., Stichwort: Zigeunerjazz; von Schoenebeck/
Reiß/Noll, a. a. O. Stichwort: Zigeunermusik a. E.). Die angesprochenen
breiten Verkehrskreise werden bei Tonträgern oder musikalischen
Veranstaltungen, die mit "Gypsy Mania" gekennzeichnet sind, davon ausgehen,
dass sie entweder für leidenschaftliche Fans von "Zigeunermusik"
oder "Zigeunerjazz" bestimmt sind oder sich überaus intensiv dieser Musik
widmen. Aus diesem Grund wirkt sich auch die hilfsweise geringfügige
Einschränkung des Waren-/Dienstleistungsverzeichnisses auf "Tonträger,
die mit Musikaufnahmen bespielt sind", nicht zugunsten des Anmelders
aus.

cc) Die in Klasse 25 beanspruchten Bekleidungsstücke, Schuhwaren und
Kopfbedeckungen können im typischen Stil der Sinti und Roma gestaltet
sein. Wie eine Internetrecherche des Senats ergeben hat, wird solche Bekleidung bereits regelmäßig mit "Gypsy" bezeichnet (Schuhe des Herstellers
Fornarina mit dem Zusatz "Gypsy"; "brauner Gipsy Hut" des Herstellers
Mimi-Vintage; "Volantrock ´Gypsy´ grün (http://out-of-india.de; Kostüme
"Tänzerin Gypsy" (http://cgi.ebay.de), "Gipsy de Luxe" (http://kostuem-
paradies.de), mehrere "Gypsy-Damenkostüme" (http://amazon.de)).
In der Modebranche wird sogar vom "Gipsy-Chic" gesprochen (Fashion
Week New York: Ralph Lauren, http://modedesigner.jimdo.com)). Der Zusatz
"Mania" bringt entweder zum Ausdruck, dass der Erwerber oder Träger
dieser Bekleidung eine große Leidenschaft für den "Zigeuner(mode)-
stil" empfindet oder dass die Bekleidung in besonders ausgeprägtem Maße
diesem Modestil entspricht.

dd) Alle vorgenannten Ausführungen lassen sich auch auf die in Klasse 35 angemeldeten Einzelhandelsdienstleistungen übertragen, weil diese sich auf
dieselben Waren sowie auf vergleichbare Produkte, nämlich Datenträger
und Textilwaren, beziehen.

c) Die Bezeichnung "Gypsy Mania" ist zwar eine sprachliche Neuschöpfung,
aber der Verkehr ist daran gewöhnt, im Geschäftsleben ständig mit neuen
Begriffen konfrontiert zu werden, durch die ihm sachbezogene Informationen
lediglich in einprägsamer Form übermittelt werden sollen. Der Durchschnittsverbraucher wird auch bisher noch nicht verwendete, ihm aber
gleichwohl verständliche Sachaussagen als solche und nicht als betriebliche
Herkunftshinweise auffassen (BPatG 26 W (pat) 90/09 – brand
broadcasting m. w. N.). So liegt der Fall auch bei der hier angemeldeten,
nicht ungewöhnlich gebildeten Wortkombination.

d) Unterscheidungskraft erlangt die Wortfolge "Gypsy Mania" auch nicht
durch eine gewisse inhaltliche Unschärfe, weil sich sämtliche mögliche Bedeutungen auf ohne weiteres verständliche Sachaussagen beschränken
(vgl. BGH GRUR 2009, 778, 780 Rdnr. 17 – Willkommen im Leben; GRUR
2000, 882 f. – Bücher für eine bessere Welt).

e) Das Anmeldezeichen vermittelt dem angesprochenen breiten Publikum
daher nur einen Sachhinweis auf Art, Thema oder Bestimmung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen, nämlich dass sie im Zusammenhang mit einer großen Begeisterung für die Kultur, die (Tanz-)Musik oder den traditionellen Kleidungsstil der Sinti und Roma stehen. Damit eignet
sich die angemeldete Wortfolge für die angemeldeten Waren und Dienstleistungen nicht als betrieblicher Herkunftshinweis.

2. Da es bereits an jeglicher Unterscheidungskraft mangelt, kann dahingestellt
bleiben, ob der angemeldeten Bezeichnung auch ein schutzwürdiges
Interesse der Mitbewerber an seiner freien Verwendbarkeit entgegen steht
(§ 8 Abs.2 Nr. 2 MarkenG).

3. Soweit der Anmelder eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs rügt, weil
ihm keine Gelegenheit gegeben worden sei, sich vor Erlass des angefochtenen
Beschlusses zu der vom Beanstandungsbescheid abweichenden
Deutung des angemeldeten Zeichens zu äußern, ist ein etwaiger Verstoß
geheilt, weil er im Beschwerdeverfahren ausreichend Gelegenheit zur
Stellungnahme hatte. Er konnte mit seiner Beschwerdebegründung auf
den ausführlichen Hinweis des Senats reagieren und hätte an der mündlichen
Verhandlung teilnehmen können.

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