Internationaler Handel begründet Freihaltebedürfnis

05. September 2011
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Eigener Leitsatz:

Da es sich bei dem Zeichen "BOA" um die portugiesische Bezeichnung für "gut" handelt, könnte diese als unmittelbar produktbeschreibender Hinweis auf deren Qualität dienen. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Portugal als EU-Mitglied für die BRD ein wichtiger Handelspartner ist, ist von einem schutzwürdigem Interesse der am Im- und Export beteiligten Fachkreise auszugehen, sodass in Bezug auf die angemeldeten Waren ein Freihaltebedürfnis besteht. Allerdings besteht kein Freihaltebedürfnis für die angemeldeten Dienstleistungen, da  Portugiesisch in den einschlägigen Dienstleistungsbereichen nicht als Fachsprache etabliert ist.

Bundespatentgericht

Beschluss vom 10.05.2011

Az.: 28 W (pat) 502/11

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2009 050 725.2

hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
10. Mai 2011 durch die Vorsitzende Richterin Klante, die Richterin Martens und
den Richter Schell

beschlossen:

1. Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 12 vom 28. Oktober 2010 wird aufgehoben, soweit die Anmeldung darin für die Dienstleistungen

Bauwesen; Reparaturwesen; Installationsarbeiten; Transportwesen; Verpackung und Lagerung von Waren; Veranstaltung von Reisen; Beförderung von Personen mit Fahrzeugen; Vermietung von Fahrzeugen

zurückgewiesen worden ist.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Angemeldet zur Eintragung in das Markenregister für die nachfolgenden Waren
und Dienstleistungen der Klassen 12, 37 und 39

Fahrzeuge sowie deren Teile und Zubehör; Apparate zur Beförderung auf dem Lande, in der Luft oder zu Wasser; Räder für Fahrzeuge;
Bauwesen; Reparaturwesen; Installationsarbeiten; Transportwesen; Verpackung und Lagerung von Waren; Veranstaltung von Reisen; Beförderung von Personen mit Fahrzeugen; Vermietung von Fahrzeugen

ist die Wortmarke

BOA.

Die Markenstelle für Klasse 12 hat die Anmeldung nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2
MarkenG zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, bei dem Markenwort
handle es sich um den portugiesischen Begriff für „gut“, der für erhebliche Teile
des inländischen Verkehrs in diesem Bedeutungsgehalt auch verständlich sei.
Damit sei das Markenwort für die beanstandeten Waren und Dienstleistungen als
qualitätsberühmendes, zur Erfüllung der Herkunftsfunktion ungeeignetes Werbeschlagwort zu werten, an dem auch ein rechtserhebliches Freihaltebedürfnis
bestehe.

Gegen diesen Beschluss hat der Anmelder Beschwerde eingelegt und zur
Begründung vorgetragen, ein schutzwürdiges Freihaltungsbedürfnis an dem
Markenwort „BOA“ könne im vorliegenden Fall bereits deshalb nicht bestehen,
weil die angesprochenen Durchschnittsverbraucher sowie der Fachhandel nicht
über die erforderlichen Sprachkenntnisse verfügten, um das Markenwort überhaupt
verstehen zu können. Die führende Welthandelssprache sei Englisch, wohingegen Portugiesisch im Vergleich zu den Übrigen Welthandelssprachen für den deutschen Handel keine Bedeutung zukomme. Auch an den inländischen Schulen und Universitäten werde diese Sprache nicht als Pflichtfach gelehrt, so dass selbst relevante Akademikerkreise die portugiesische Sprache nicht verstehen
könnten. Bestenfalls werde der überwiegende Teil der angesprochenen
Verkehrskreise bei dem Markenwort „BOA“ an die gleichnamige Riesenschlange
denken, zumal bereits Kleinkindern diese Schlangenart in Zoos gezeigt werde. In
dem von der Markenstelle angenommenen Bedeutungsgehalt sei das Markenwort
in Deutschland ungebräuchlich und beinhalte keine im Vordergrund stehende
Sachaussage. Bei dieser Sachlage könnten der angemeldeten Marke keine absoluten Schutzhindernisse entgegengehalten werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die nach § 64 Abs. 6 MarkenG zulässige Beschwerde ist nur teilweise begründet.
Im Hinblick auf die verfahrensgegenständlichen Waren steht der beantragten
Eintragung der Anmeldemarke bereits das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2
MarkenG entgegen.

Die mit Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Markenrichtlinie übereinstimmende Bestimmung
des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG verfolgt das im Allgemeininteresse liegende
Ziel, sämtliche Zeichen und Angaben, die Merkmale der beanspruchten Waren
oder Dienstleistungen beschreiben können, zur ungehinderten Verwendung durch
die Mitbewerber freizuhalten (vgl. EuGH, GRUR 2004, 674, 676, Rdn. 54 ff. –
Postkantoor). Dieser Ausschlusstatbestand erfasst deshalb solche Zeichen und
Angaben, die zur Bezeichnung von Merkmalen der beanspruchten Waren oder
Dienstleistungen dienen können, sofern diese Merkmale für die angesprochenen
Abnehmerkreise relevant sein können (vgl. EuGH, GRUR 2004, 680, 681 Rdn. 35 f. – BIOMILD). Dies gilt auch für fremdsprachige Begriffe, wobei insbesondere bei Wörtern, die den gängigen Welthandelssprachen Englisch, Französisch, Italienisch, Portugiesisch und Spanisch zuzuordnen sind, von einer grundsätzlichen Eignung zur Beschreibung i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 auszugehen ist (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 Rdn. 328 ff.).

Bei dem Markenwort „BOA“ handelt es sich um den portugiesischen Begriff für
„gut“ (vgl. Langenscheidt Taschenwörterbuch, Portugiesisch-Deutsch – boa), wie
dies die Markenstelle zutreffend dargelegt hat. Dass dieser Bedeutungsgehalt für
die verfahrensgegenständlichen Waren als unmittelbar produktbeschreibender
Hinweis auf deren Qualität dienen kann, liegt auf der Hand und bedarf keiner
näheren Ausführungen (in diesem Sinne bereits HABM, R1126/05-4 – BOA). Ob
die fragliche Bezeichnung tatsächlich bereits zu beschreibenden Zwecken für die
einschlägigen Waren oder Dienstleistungen im inländischen Verkehr verwendet
wird oder nicht, ist insoweit ohne Belang, da es lediglich darauf ankommt, ob das
Zeichen zu diesem Zweck dienen kann, wie dies der Wortlaut des § 8 Abs. 2 Nr. 2
MarkenG eindeutig klarstellt. Soweit der Anmelder sinngemäß geltend macht, die
Schutzfähigkeit der Marke ergebe sich schon daraus, dass der angesprochene
Verkehr nicht über die notwendigen Sprachkenntnisse verfüge, um die Marke
überhaupt mit dem entsprechenden Bedeutungsgehalt zu verstehen, ist dem nicht
zu folgen. Denn zu den maßgeblichen inländischen Verkehrskreisen zählt neben
den angesprochenen Endverbrauchern immer auch der mit den fraglichen Waren
befasste Handel (vgl. EuGH GRUR 2006, 411 ff., Rdn. 24 – Matratzen Concord/
Hukla; EuGH GRUR 1999, 723, 725, Rdn. 29 – Chiemsee). Diese Fachkreise
verfügen aber aufgrund ihrer Tätigkeit über besonders qualifizierte Sprachkenntnisse, so dass ihnen die Bezeichnung „BOA“ in ihrem deutschsprachigen Begriffsgehalt ohne weiteres verständlich ist. Der Tatbestand des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist aber bereits dann erfüllt, wenn der beschreibende Bedeutungsgehalt eines Markenworts von den am zwischenstaatlichen Handelsverkehr beteiligten inländischen Fachkreisen erkannt wird (vgl. hierzu auch Ströbele, MarkenR 2006, 433, 435, m. w. N.).

Im Hinblick auf die mit der Anmeldung beanspruchten Waren ist auch von einem
Außenhandel in relevantem Umfang auszugehen, da Portugal als Mitglied der
Europäischen Union ein wichtiger Handelspartner der Bundesrepublik Deutschland
ist. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es sich bei Portugiesisch um
eine relevante, zumal auch in Brasilien gesprochene Welthandelssprache handelt,
ist daher im vorliegenden Fall von einem schutzwürdigen Interesse der am Imund
Exporthandel beteiligten Fachkreise auszugehen, die Qualität ihrer Produkte
mit dem Sachhinweis „BOA“ beschreiben und die fraglichen Exportwaren unter
Verwendung des Begriffs mit entsprechenden Produktbeschreibungen oder Werbebroschüren versehen zu können. Soweit der Anmelder sinngemäß die Mehrdeutigkeit des Markenwortes geltend macht, da dieses auch eine südamerikanische Schlangenart bezeichne, vermag dies keine andere Wertung zu
begründen. Denn ein Wortzeichen ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung
bereits dann von der Eintragung ausgeschlossen, wenn es – wie hier –
zumindest in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der infrage
stehenden Waren bezeichnet (vgl. hierzu EuGH GRUR 2004, 146 – DOUBLEMINT).

Im Hinblick auf die beanspruchten Waren steht der Anmeldemarke somit als
unzweideutigem Sachhinweis auf deren Beschaffenheit ein Freihaltungsbedürfnis
i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen. Auf die Frage, ob dem Markenwort
auch die erforderliche Unterscheidungskraft i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG
abzusprechen ist, kommt es bei dieser Sachlage nicht mehr an.

Eine andere Beurteilung ergibt sich jedoch hinsichtlich der beanspruchten Dienstleistungen. Obwohl das Markenwort mit seinem Bedeutungsgehalt „gut“ grundsätzlich auch für diese Dienstleistungen als beschreibende Angabe in Betracht
kommt, scheidet ein schutzwürdiges Allgemeininteresse an der freien Verwendbarkeit des portugiesischen Begriffs „BOA“ im vorliegenden Fall aus. Denn dies würde voraussetzen, dass eine beschreibende Verwendung dieses Begriffs
ernsthaft in Betracht kommt – und zwar in dem für die Schutzfähigkeitsprüfung
ausschließlich maßgeblichen Geltungsbereich des Markengesetzes (vgl. hierzu
Ströbele, a. a. O., § 8 Rdn. 329). Im Unterschied zum Im- und Export von Waren
erscheint eine solche beschreibende Verwendung aber als ausgesprochen fernliegend, zumal sich Portugiesisch auf den hier einschlägigen Dienstleistungssektoren nicht als Fachsprache etabliert hat. Vielmehr sind hier fremdsprachige Leistungsbeschreibungen und werbemäßige Anpreisungen in der Regel in englischer Sprache gehalten. Der Senat konnte bei seinen Recherchen weder entsprechende Verwendungsbeispiele des fraglichen betreffenden portugiesischen Begriffs ermitteln noch sind sonst Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die angemeldete Marke in absehbarer Zukunft im Geltungsbereich des Markengesetzes zur Merkmalsbeschreibung der beanspruchten Dienstleistungen benötigt werden könnte. Ein Freihaltungsbedürfnis i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG scheidet unter diesen Umständen aus. Für eine Verneinung der Unterscheidungskraft fehlt es ebenfalls an entsprechenden Feststellungen, zumal jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft ausreicht, um das Schutzhindernis zu überwinden. Im vorliegenden Fall sind dabei aufgrund der dargelegten Erwägungen vornehmlich die inländischen Endabnehmer zu berücksichtigen, die das Markenwort „BOA“ mangels ausreichender Sprachkenntnisse nicht als portugiesischen Begriff erkennen bzw. wahrnehmen werden. Damit fehlt es an konkreten Anhaltspunkten dafür, dass die angesprochenen Verbraucher der Anmeldemarke bei einer branchenüblichen Verwendung keine individualisierende, betriebliche Hinweiswirkung zuordnen werden. Vielmehr ist die angemeldete Marke insoweit als hinreichend unterscheidungskräftig zu werten (vgl. hierzu EuGH GRUR 2004, 674, 678, Rdn. 99 – Postkantoor). Andere Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2
MarkenG sind ebenfalls nicht ersichtlich.

Somit war der angefochtene Beschluss der Markenstelle hinsichtlich der im Tenor
genannten Dienstleistungen aufzuheben und die weitergehende Beschwerde
zurückzuweisen. Die Entscheidung konnte dabei im vorliegenden Fall ohne
mündliche Verhandlung ergehen, da der Anmelder keinen Antrag auf Durchführung
einer mündlichen Verhandlung gestellt hat und ein solcher Termin auch nach Wertung des Senats nicht sachdienlich war.

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