Keine Löschung von Negativ – Bewertungen

28. März 2011
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Eigener Leitsatz:

Ein eBay-Verkäufer, der bereits auf eine negative Bewertung eines Kunden reagiert hat, kann nicht die Löschung dieser negativen Bewertung verlangen. Die Plattform ermöglicht es gerade den beteiligten Parteien, sich über den Ablauf des Rechtsgeschäfts aus ihrer Sicht zu äußern. Jedenfalls im Eilverfahren besteht daher kein Löschungsanspruch, durch die Reaktion auf die negative Bewertung hat der Betroffene bereits ausreichend seine Rechte gewahrt. Daher ist es zuzumuten, den Ausgang eines Hauptsacheverfahrens abzuwarten.

Oberlandesgericht Düsseldorf

Beschluss vom 11.03.2011

Az.: I-15 W 14/11

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 20. Januar 2011 in der Fassung der Nichtabhilfeentscheidung vom 09. Februar 2011 wird zurückgewiesen.

 

Entscheidungsgründe:

Die sofortige Beschwerde ist statthaft und auch ansonsten zulässig, §§ 922 Abs. 1 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 2, 569 ZPO, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

 

I.
Die als gewerbliche Verkäuferin unter dem Nutzernamen "wwwkde" bei dem Internet-Auktionhaus A. auftretende Antragstellerin und die unter dem Mitgliedsnamen "s" registrierte Antragsgegnerin schlossen am 17. November 2010 unter Nutzung der Auktionsplattform A. einen Kaufvertrag über einen Monitor zu einem Kaufpreis von 144,90 €. Der Monitor wurde nach Eingang des Kaufpreises versandt. Die Antragsgegnerin machte im Folgenden von ihrem gesetzlichen Widerrufsrecht Gebrauch und sandte den Monitor an die Antragstellerin zurück. Es wurde dort festgestellt, dass er beschädigt war, weil – so die Antragstellerin – die Antragsgegnerin ihn nicht ordnungsgemäß verpackt hatte. Dies wurde der Antragsgegnerin zur Kenntnis gebracht, gleichzeitig wurde ihr mitgeteilt, dass vor dem Hintergrund der unsachgemäßen Verpackung eine Erstattung des Kaufpreises nicht in Betracht käme.

Die Antragsgegnerin gab am 21. Dezember 2010 um 16.56 Uhr auf der Internet-Plattform A. folgende Bewertung über die Antragstellerin ab:

"Finger weg!! Hat seine ware zurückerhalte, ich aber nie mein geld!!!!"

Die Antragstellerin stellte am 21. Dezember um 21.27 Uhr folgende Antwort ein:

"Fahrlässigkeit beschädigtes LCD bitte alles lesen auf unserer mich Seite Anfang".

Die Antragstellerin forderte die Antragsgegnerin mit eigenem Schreiben vom 21. Dezember 2010 sowie mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 22. Dezember 2010 auf, die Bewertung wieder zu löschen.

Die Antragstellerin hat den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt, durch die der Antragsgegnerin untersagt werden soll, im Internet im Rahmen des Auktionshauses A. über die Antragstellerin zu behaupten "Finger weg!! Hat seine ware zurückerhalte, ich aber nie mein geld!!!!"

Das Landgericht hat den Antrag zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, es fehle an einem Verfügungsgrund, da die Antragstellerin ihre Rechte schon dadurch hinreichend gewahrt habe, dass sie unter die Bewertung als Antwort geschrieben habe "Fahrlässigkeit beschädigtes LCD bitte alles lesen auf unserer mich Seite Anfang". Sie habe damit klargestellt, dass die Rückzahlung des Geldes offenkundig wegen der Rücksendung eines durch Fahrlässigkeit beschädigten LCD’s nicht erfolgt sei. Hinzu komme, dass auf der sogenannten mich Seite offenkundig die gesamte als Anlage AS 5 überreichte Korrespondenz in Bezug auf den Monitor nachlesbar gewesen sei.

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde. Sie führt aus, es sei zwar richtig, dass sie im Rahmen des Bewertungssystems von A. aus der Not heraus Stellung bezogen habe, allerdings nur durch einen kurzen Hinweis. Anlass sei gewesen, dass sie bereits nach der Abgabe der Bewertung merkliche Umsatzeinbußen habe verzeichnen müssen, die offensichtlich auf die Bewertung zurückzuführen gewesen seien, die natürlich direkt nach Abgabe im Bewertungssystem ganz oben zu finden gewesen sei. Ob der potentielle Kunde die "mich-Seite" wirklich lese, müsse arg in Zweifel gezogen werden. Er nehme vielmehr vorrangig negative Bewertungen zur Kenntnis und verlasse die Seite des Anbieters wieder. Das System von A. könne nicht zur Folge haben, dass von negativen Bewertungen Betroffene ihre Ansprüche nicht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes geltend machen könnten. Hier überwiege ihr Interesse an einer Unterlassung, zumal bei gewerblichen Händlern auch nur eine geringe Anzahl negativer Bewertungen ausreiche, um das Nutzerkonto durch A. zu sperren. Die Antragsgegnerin habe zudem durch ihre Formulierung "Finger weg" eindringlich und reißerisch vor der Eingehung von Verträgen mit ihr gewarnt, während sie selbst bei ihrem Kommentar sachlich und wertfrei gewesen sei.

Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht vorgelegt. Zur Begründung hat es unter anderem darauf verwiesen, es sei in keiner Weise glaubhaft gemacht worden, dass die Antragstellerin nach Abgabe der Bewertung Umsatzeinbußen erlitten habe.

II.
Die sofortige Beschwerde ist nicht begründet. Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zu Recht zurückgewiesen.

1.
Ob es bereits an einem Verfügungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB fehlt, weil es sich bei den beanstandeten Äußerungen weder um (unwahre) Tatsachenbehauptungen noch um die Grenze zur Schmähkritik überschreitende Werturteile handelt, bedarf keiner abschließenden Entscheidung durch den Senat. Allerdings ist die angegriffene Aussage "hat seine ware zurückerhalte, ich aber nie mein geld" im Kern nicht einmal unwahr. Ob sie gleichwohl wegen ihres eigentlichen Inhaltes, Abgabe einer Negativbewertung über einen gewerblichen Verkäufer bei A., einen Unterlassungsanspruch tragen könnte, weil sie bei den Adressaten die – unzutreffende – Vorstellung hervorruft, sie habe den gezahlten Kaufpreis zu Unrecht nicht zurückerhalten, lässt sich anhand des Vortrages der Antragstellerin nicht feststellen. Immerhin schuldet der Verbraucher nach Ausübung des Widerrufsrechts bei Rückgabe eines beschädigten Kaufgegenstandes nicht den Kaufpreis sondern Wertersatz und dies auch nur unter den gesetzlich geregelten Voraussetzungen, §§ 312 ff., 355 f., 357 Abs. 3 i.V.m. 346 Abs. 2 und 3 BGB. Zur Höhe eines solchen Anspruchs und zur Einhaltung der gesetzlichen Hinweispflichten fehlt es an Vortrag, sodass nicht angenommen werden kann, dass die angegriffene Äußerung ersichtlich unwahr ist.

Bei der Einleitung "Finger weg" handelt es sich um ein Werturteil, mit welchem die Grenze zur Schmähkritik nicht überschritten worden wäre. Es ist wegen der besonderen Bedeutung der Meinungsfreiheit und ihres durch das Grundgesetz gebotenen Schutzes ein strenger Maßstab anzulegen. Unter Berücksichtigung der Umstände ist eine bloße Diffamierung des Antragstellers durch die beanstandete Äußerung nicht festzustellen. Zugunsten der Antragsgegnerin wäre auch zu berücksichtigen, dass sie trotz Rücksendung der Ware ihr Geld nicht zurückerhalten hat, ohne dass die Antragstellerin hierzu offenkundig berechtigt wäre.

2.
Jedenfalls fehlt es an einem Verfügungsgrund, §§ 935, 940 ZPO. Dieser besteht in der objektiv begründeten Besorgnis, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts des Gläubigers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte, weswegen der Gläubiger bis zur Entscheidung in der Hauptsache einer einstweiligen Sicherung seines Anspruchs bedarf.

Die Antragstellerin bedarf jedoch schon deshalb keines vorläufigen Rechtsschutzes mehr, weil sie ihre Rechte einstweilen selbst gewahrt hat. Wie dem als Anlage AS 6 zur Antragsschrift überreichten Screenshot ihres Bewertungsprofils beim Internetauktionshaus A. entnommen werden kann, hat sie auf die negative Bewertung durch die Antragsgegnerin reagiert und wie oben dargestellt geantwortet.

Die Plattform des Internetauktionshauses A. wird unter Anerkennung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen genutzt. Diese enthalten Regelungen zum Bewertungssystem, denen sich sowohl Verkäufer als auch Käufer unterwerfen. Dieses Bewertungssystem bietet im Konfliktfall beiden Vertragsparteien die Möglichkeit, unverzüglich ihre Sicht der Dinge zu schildern. Die Antragstellerin hat diese Möglichkeit, der Negativbewertung durch die Antragsgegnerin inhaltlich entgegenzutreten und hierdurch ihre Rechte einstweilen zu wahren, genutzt. Unter diesen Umständen ist es ihr grundsätzlich zuzumuten, den Ausgang eines etwaigen Hauptsacheverfahrens abzuwarten (Senat, Beschluss vom 28. Dezember 2010, I-15 W 70/10).

Besondere Umstände, die es hier rechtfertigen könnten, ausnahmsweise einen Verfügungsgrund anzunehmen, sind nicht dargetan. So ist die angegriffene Äußerung weder offenkundig unwahr noch ersichtlich unzulässig oder ungerechtfertigt, wie die Antragstellerin meint. Ob sie gegen § 6 Nr. 3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Internetplattform A. verstößt, weil sie eine unzutreffende Bewertung enthält, lässt sich, wie unter 1. dargestellt, nicht ohne weiteres, erst Recht nicht im Eilverfahren, klären. Die Antragstellerin hat auch die behaupteten Umsatzeinbußen unmittelbar nach Abgabe der negativen Bewertung nicht glaubhaft gemacht.

Gleiches gilt für ihre pauschale Behauptung, bei gewerblichen Händlern reiche eine geringe Anzahl negativer Bewertungen aus, um ihr Nutzerkonto bei A. zu sperren. Dass ihr selbst eine solche Sperrung droht, bringt sie nicht vor. Hinzu kommt, dass weder dargetan wurde noch ersichtlich ist, dass sich die Negativbewertung durch die Antragsgegnerin bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache wirklich derart nachteilig auf den Geschäftsbetrieb der Antragstellerin auswirkt. Nach ihrem Bewertungsprofil (AS 6, Bl. 21-25 GA) hat die Antragstellerin (Stand 22.Dezember 2010) in den letzten 12 Monaten 99,9 % positive Bewertungen gehabt, es waren insgesamt 4586. In diesem Zeitraum gab es aber auch vier negative Bewertungen. Dennoch hat es offenkundig eine Vielzahl von Bestellungen gegeben. Dass bei ausschließlich positiven Bewertungen deutlich mehr Bestellungen bei ihr eingegangen wären, behauptet die Antragstellerin nicht. Die Kunden von A. lassen sich somit durch das Bewertungssystem nicht nachweisbar in der von der Antragstellerin behaupteten Weise beeinflussen. Die Negativbewertung der Antragsgegnerin ist eingerahmt von einer Vielzahl durchweg positiver Bewertungen durch andere Kunden der Antragstellerin und war bereits am 22. Dezember 2010 weit nach hinten gerutscht (Bl. 24 GA). Dass der Antragstellerin ein Zuwarten auf eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht zuzumuten wäre, nimmt der Senat nach alldem nicht an.

III.
Beschwerdewert: 7.500,00 €

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