Wort-Bild-Marke „Bolschoi Staatsballett“ ist nicht zulässig

05. November 2013
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Eigener Leitsatz:

Die Wort-Bild-Marke „Bolschoi Staatsballett“ ist nicht eintragungsfähig. Es handelt sich hierbei um eine täuschende Angabe, weil unter dem Begriff „Staatsballett“ eine staatliche Trägerschaft erwartet wird. Etwas anderes würde sich nur dann ergeben, wenn der Verbraucher eine solche Bezeichnung nicht ernst nehmen kann.

Bundespatentgericht

Beschluss vom 14.10.2013

Az.: 27 W (pat) 38/13

 

betreffend die Markenanmeldung 30 2012 000 548.9

hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts durch Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, Richter Kruppa und Richter k.A. Schmid am 14. Oktober 2013

beschlossen:

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Entscheidungsgründe:

I.
Die Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung der Wort-Bild-Marke vom 7. Januar 2012 mit Beschlüssen vom 19. November 2012 und vom 5. April 2013 zurückgewiesen, nämlich für

09 Bespielte Bildträger aller Art

35 Dienstleistungen einer Werbeagentur, Werbung, insbesondere Fernsehwerbung, Kundengewinnung und Pflege durch Versandwerbung (Mailing), Organisation und Durchführung von Werbeveranstaltungen, Plakatanschlagwerbung, Planung von Werbemaßnahmen, Rundfunkwerbung, Sponsoring in Form von Werbung: Versandwerbung, Marketing (Absatzforschung); Verkaufsförderung (Salespromotion); Vermittlung von Verträgen für Dritte über den An- und Verkauf von Waren; Geschäftsführung für Künstler oder Ballettvereinigungen

41 Unterhaltung, kulturelle Aktivitäten, insbesondere Produktion von Ballett-, Theater- und Konzertaufführungen; Eintrittskartenvorverkauf (Unterhaltung); Organisation, Veranstaltung und Durchführung von Ballett-, Theater- und Konzertaufführungen

45 Handel mit Aufführungsrechten (Lizenzvergabe) für Ballett-, Theater- und Konzertaufführungen.

Dies ist damit begründet, dass „Bolschoi Staatsballett“ eine täuschende Angabe sei, wie das Bundespatentgericht zu „St. Petersburger Staatsballett“ entschieden habe.

Der Beschluss ist der Anmelderin am 12. April 2013 zugestellt worden.

Mit ihrer Beschwerde vom 8. Mai 2013 wendet sie sich gegen die Wertungen der Markenstelle und verfolgt ihren Eintragungsantrag weiter.

Unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen im Amtsverfahren vertritt die Anmelderin die Auffassung, vergleichbare Voreintragungen, wie „Moskauer Staatsballett, „Russian National Ballett“ und „Das russische Nationalballett“ sowie weiterer entsprechender Marken rechtfertigten die Eintragung des angemeldeten Zeichens. Darauf sei die Markenstelle nicht eingegangen.

Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,
die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. November 2012 und vom 5. April 2013 aufzuheben.

II.
Über die Beschwerde kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden. Die Anmelderin hat keine mündliche Verhandlung beantragt; der Senat hält sie auch nicht für geboten.

Die nach §§ 66, 64 Abs. 6 MarkenG zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.

Das angemeldete Zeichen mag mit dem Bildbestandteil und dem Wort „Bolschoi“, das zwar auf Russisch „groß“ bedeutet, deutschen Verbrauchern aber als Name eines Ensembles bekannt ist, Unterscheidungskraft aufweisen und insbesonders für Dienstleistungen einer Werbeagentur, die Organisation und Durchführung von Werbeveranstaltungen sowie Vermittlung von Verträgen nicht freihaltsbedürftig sein.

Da das angemeldete Zeichen den Bestandteil „Staatsballett“ enthält, steht aber das Schutzhindernis aus § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG einer Eintragung entgegen (vgl. Beschluss des Senats zu „St. Petersburger Staatsballett“ und HABM 1. Bk von 4. April 2001, R 468/1999-1 – International Star Registry).

Die Prüfung ist insoweit auf ersichtliche Tatbestände beschränkt (§ 37 Abs. 3 MarkenG), weshalb keine Benutzungsform denkbar sein darf, in der das Zeichen nicht täuschend wirken kann (BGH GRUR 2002, 540, 541 – Omeprazok; BPatG GRUR-RR 2009, 131, 134 – DRSB-Deutsche Volksbank), wobei es auf die Verhältnisse des Anmelders mangels Bindung der Marke an einen Geschäftsbetrieb nicht ankommt. Unternehmensbezogene Angaben können daher im Anmeldeverfahren keine Täuschungsgefahr bewirken. Ob die Benutzung einer Marke am Marktwettbewerbs- oder standesrechtlich (BPatG Beschl. v. 8.7.2003 – 33 W (pat) 186/01, BeckRS 2009, 00954 – Rechtsberatung) erlaubt ist, ist nach dort geltenden Vorschriften zu prüfen. Das gilt auch für die Firmenwahrheit und für die Berechtigung zur Namensführung (BPatGE 42, 275 (281) Nr. 4 – Fr. Marc; zu Bildern: BPatG NJWE-WettbR 1999, 153 – Michael Schumacher; anders noch BPatGE 31, 115 – Bartels & Jaymes).

Wo aber eine Marke beim Anbieter eine staatliche Trägerschaft erwarten lässt, muss schon im Eintragungsverfahren die Berechtigung dazu geprüft werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Anmelder keine Beziehungen zu staatlichen Stellen hat und es nicht ein (einziges) „Bolschoi Staatsballett“ gibt.

Der Bundesgerichtshof und ihm nachfolgend das Oberlandesgericht München sa-hen einen Wettbewerbsverstoß durch Irreführung nach §§ 3, 5 Abs. 1 UWG darin, dass die Geschäftsbezeichnung „Bundesdruckerei“ geeignet ist, bei den Marktteilnehmern unzutreffende Vorstellungen über die geschäftlichen Verhältnisse hervorzurufen (BGH, Urt. v. 29. März 2007 – I ZR 122/04, GRUR 2007, 1079; nach-folgend OLG München, Urt. v. 19. Juni 2008 – 29 U 5133/03; BGH, Beschl. v. 11. Februar 2010 – I ZR 154/08, WRP 2010, 759). Das Landgericht Nürnberg hat dementsprechend im Juli 2009 der G… GmbH per einstweiliger Verfügung verboten, die Bezeichnung Stadtwerke zu benutzen (Beschl. v. 9. Dezember 2008 – 3 O 10286/08, IR 2009, 40).
Derartige Berühmungen sind nur dann nicht irreführend, wenn die Verbraucher sie nicht ernst nehmen („Lack-Doktor“ für Kfz-Reparaturbetriebe; OLG Köln GRUR 1983, 135 – König-Pilsener; OLG Bamberg GRUR-RR 2003, 344 – Deutschlands bestes Einrichtungshaus; zum Verlust der Reputation des Professorentitels: BGH GRUR 1992, 525; GRUR 1991, 144; GRUR 1989, 445; GRUR 1987, 839). Das EuG spricht insoweit vom erlaubten Bereich der Suggestion (GRUR 2001, 332 – Vitalite). Nicht irreführend sind auch falsche, aber sinnlose Informationen. All dies trifft für „Staatsballett“ jedoch nicht zu, da dieser Begriff üblich ist und die Verbraucher zu besonderen Qualitätserwartungen verleitet.

Damit ist diese Angabe dazu geeignet, das Publikum in seinen wirtschaftlichen Entschlüssen, wie dem Kauf einer Eintrittskarte und dem Besuch der Vorführung, zu beeinflussen.

Selbst in der Marke enthaltene aufklärende Zusätze würden eine registerrechtlich relevante Täuschungsgefahr nicht verhindern (BPatG GRUR 1995, 197 – Original Klosterpforte). Erst recht gilt dies für die stets denkbare Möglichkeit, die Marke mit einem die Täuschungsgefahr ausschließenden Zusatz zu benutzen (BPatG BlPMZ 1962, 50 – Ei-Nuss m. Anm. Heydt, GRUR 1962, 242). Selbst eine problemlose Benutzung in der Vergangenheit wäre nicht erheblich.

Die Feststellung der hier maßgeblichen „Ersichtlichkeit“ stützt sich auf Erfahrungswissen. Sie ist – anders als die „Offenkundigkeit“ im Sinne des § 291 ZPO – nicht durch Zeugenbeweis zu ermitteln (BGH GRUR 2004, 244 – Marktführerschaft) und keinem Gegenbeweis zugänglich (Bornkamm, WRP 2000, 830, (833, 835); kritisch Pantle, MDR 1993, 1166 ff.). § 291 ZPO gilt nur für Tatsachen, nicht aber für Rechts- oder Erfahrungssätze (Bornkamm WRP 2000, 830, 835). Für die Beurteilung des Zusatzes „Staats-“ können die unterzeichneten Richter das Verkehrsverständnis – auch im Kontext mit künstlerischen Darbietungen – aus eigener Anschauung beurteilen (vgl. BGH GRUR 1992, 406 – Beschädigte Verpackung I; GRUR 1990, 607 – Meister-Kaffee; Teplitzky, GRUR 1992, 821, 826).

Für die Berücksichtigung der Irreführung durch Berühmung staatlicher Trägerschaft schon im Eintragungsverfahren spricht auch der Gedanke des § 8 Abs. 2 Nr. 6 MarkenG sowie des Art. 7 Abs. 1 lit. h GMV, staatliche Hoheitszeichen vom Markenschutz auszuschließen, wenn kein Berechtigungsnachweis (§ 8 Abs. 4 S. 2 MarkenG, Art. 6ter Abs. 8 PVÜ) vorliegt. Die strenge Regelung in § 8 Abs. 2 Nr. 6 MarkenG umfasst auch „andere staatliche Hoheitszeichen im In- und Ausland“, also Staatssymbole, die der Selbstdarstellung des Staates dienen, integrierende Kraft haben, die Würde eines Staates erkennbar machen (BPatG, Beschl. v. 1.2.2005 – 33 W (pat) 342/01, BeckRS 2009, 15055 – Kampfschwimmer; EuGH GRUR 2010, 45 Rn. 40 – American Clothing Associates).

Darüberhinaus lässt sich auch aus den entsprechenden Voreintragungen kein An-spruch auf Eintragung der vorliegenden Markenanmeldung herleiten.

Es verbietet sich eine pauschale Betrachtungsweise, da jeder Fall gesondert unter Einbeziehung seiner Besonderheiten zu beurteilen ist.

Die Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer Marke ist außerdem keine Ermessens-, sondern eine Rechtsfrage, und selbst Voreintragungen identischer oder vergleichbarer Marken führen daher nicht zu einem Anspruch auf Eintragung (EuGH GRUR 2009, 667, 668 Rn. 18 – Volks.Handy, Volks.Camcorder, Volks.Kredit und Schwabenpost). Die Markenstelle hat sich damit ausreichend auseinandergesetzt und gezeigt, dass entsprechende Zeichen ebenfalls nicht eingetragen wurden.

Damit besteht auch kein Anlass für eine Erstattung der Beschwerdegebühr (§ 71 Abs. 3 MarkenG).

Die Rechtsbeschwerde ist zu der bisher nicht höchstrichterlich entschiedenen Frage, inwieweit eine Berühmung staatlicher Trägerschaft bereits im Eintragungsverfahren nach § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG geprüft werden kann, zuzulassen (§ 83 Abs. 2 MarkenG i. V. m. § 574 ZPO).

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