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Ehefrau haftet nicht für Rechtsverletzungen des Ehemanns

23. Mai 2012
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"P2P" als Würfel.

Eigener Leitsatz:

Die Inhaberin eines Internetanschlusses haftet nicht für Urheberrechtsverletzungen, die ihr Ehemann im Rahmen der Nutzung von Peer-to-Peer-Netzwerken begeht. Sofern sie von den Geschehnissen keine Kenntnis hatte, kommt weder eine Haftung als Täterin oder Teilnehmerin noch eine Haftung unter dem Gesichtspunkt der Störerhaftung oder des gefahrerhöhenden Verhaltens in Betracht.

Oberlandesgericht Köln

Urteil vom 16.05.2012

Az.: 6 U 239/11

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 30.11.2011 verkündete Urteil der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 28 O 482/10 – abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin ist Inhaberin ausschließlicher Nutzungsrechte an einem Computerspiel, das der Spielbeschreibung zufolge First-Person-Shooter-Action mit Taktikelementen kombiniert. Ein von ihr mit der Erfassung von Urheberrechtsverstößen beauftragtes Unternehmen ermittelte, dass Dateien mit funktionsfähigen Versionen des Computerspiels am 04.11.2009 um 7:48 Uhr und am 11.11.2009 um 7:54 Uhr innerhalb von Peer-to-Peer-Netzwerken unter zwei IP-Adressen öffentlich zugänglich gemacht wurden, die gemäß der vom Landgericht Köln gestatteten Auskunft der Internetserviceproviderin jeweils dem damaligen Internetanschluss der Beklagten zugewiesen waren. Diese widersprach ihrer auf den Vorfall vom 04.11.2009 bezogenen Abmahnung durch die Klägerin vom 03.03.2010 unter dem 14.03.2010. Gegenüber der im Juli 2010 erhobenen Klage auf Unterlassung und Schadensersatz einschließlich Erstattung von Abmahnkosten hat sie sich damit verteidigt, dass auch ihr am 21.04.2010 verstorbener damaliger Ehemann den Internetanschluss genutzt und sich um alle damit zusammenhängenden Fragen gekümmert habe. Vor seinem Tod habe sie den Sachverhalt mit ihm nicht mehr erörtern können; danach habe sie auf dem Rechner keine auf die – bestrittene – Rechtsverletzung hindeutenden Dateien gefunden. Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht die Beklagte nach ihrem eigenen Vorbringen als Täterin der Urheberrechtsverletzung vom 11.11.2009 angesehen und antragsgemäß verurteilt. Dagegen richtet sich ihre mit fehlerhaften Feststellungen des Landgerichts begründete, den Klageabweisungsantrag weiter verfolgende Berufung. Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.

1. Im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht allerdings angenommen, dass das Computerspiel, an dem die Klägerin exklusive Nutzungsrechte (§ 31 Abs. 3 UrhG) innehat, im November 2009 zweimal über den Internetanschluss der Beklagten in sogenannten Internettauschbörsen (Peer-to-Peer-Netzwerken) den Tauschbörsenteilnehmern zum Herunterladen angeboten und öffentlich zugänglich gemacht wurde (§ 19a UrhG).

Weil das gesamte erstinstanzliche Vorbringen der Beklagten ihre Absicht erkennen lässt, mit den gleichen Argumenten wie gegenüber der Rechtsverletzung vom 04.11.2009 auch den erst im weiteren Prozessverlauf geltend gemachten Urheberrechtsverstoß vom 11.11.2009 in Abrede zu stellen, also insbesondere die Zuverlässigkeit der Ermittlungen anzuzweifeln und – angesichts der Verwaltung und überwiegenden Nutzung ihres Internetanschlusses durch ihren wenige Monate später verstorbenen damaligen Ehemann – auf ihre fehlende Kenntnis von dem behaupteten Verstoß zu verweisen, greift zwar keine Geständnisfiktion (§ 138 Abs. 3 ZPO). Die Begehung der Rechtsverstöße über den Internetanschluss der Beklagten steht jedoch fest, nachdem das Anbieten desselben Computerspiels innerhalb einer Woche unter zwei verschiedenen von der Klägerin ermittelten dynamischen IP-Adressen jeweils derselben zuvor unbekannten Anschlussinhaberin zugeordnet wurde. Denn dass es kurz nacheinander zweimal zu Fehlern bei der Erfassung und Zuordnung gekommen sein könnte, liegt so fern, dass Zweifel an Richtigkeit der Anschlussidentifizierung schweigen (§ 286 ZPO).

2. Es steht indes nicht fest und könnte selbst nach dem Vorbringen der Klägerin der Entscheidung nicht zu Grunde gelegt werden, dass gerade die Beklagte für die über den Internetanschluss begangenen Rechtsverletzungen verantwortlich ist und deshalb auf Unterlassung oder Schadensersatz haftet (§ 97 Abs. 1 und 2 UrhG).

a) Die Ansprüche des verletzten Rechteinhabers richten sich in erster Linie gegen den Verletzer, also denjenigen, der die Rechtsverletzung als Täter – selbst, gemeinsam mit anderen oder mittelbar über unselbständig handelnde Dritte – begeht. Für ein solches täterschaftliches Handeln der Beklagten hat die Klägerin keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte dargelegt und unter Beweis gestellt.

aa) Die Täterschaft des beklagten Anschlussinhabers ist als anspruchsbegründende Tatsache nach allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen vom Kläger darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Zu seinen Gunsten gelten dabei gewisse Beweiserleichterungen: Wird ein geschütztes Werk von einer IP-Adresse aus öffentlich zugänglich gemacht, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist; daraus ergibt sich eine sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers, der geltend macht, eine andere Person habe die Rechtsverletzung begangen (BGHZ 185, 330 = GRUR 2010, 633 = WPR 2010, 912 [Rn. 12] – Sommer unseres Lebens; vgl. Senat, GRUR-RR 2010, 173 [174]; Urt. v. 23.03.2012 – 6 U 67/11). Eine Umkehr der Beweislast ist damit aber ebenso wenig verbunden wie eine über seine prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 Abs. 1 und 2 ZPO) hinausgehende Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem Gegner alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen (vgl. BGH, NJW 2007, 155 [156] m.w.N.; Zöller / Greger, ZPO, 29. Aufl., vor § 284 Rn. 34; Prütting / Gehrlein / Laumen, ZPO, 4. Aufl., § 286 Rn. 73). Steht der Beweisführer – wie der Rechteinhaber in Bezug auf Vorgänge in der Sphäre des Anschlussinhabers – außerhalb des für seinen Anspruch erheblichen Geschehensablaufs, kann vom Prozessgegner (zur Vermeidung der Geständnisfiktion aus § 138 Abs. 3 ZPO) im Rahmen des Zumutbaren das substantiierte Bestreiten der behaupteten Tatsache unter Darlegung der für das Gegenteil sprechenden Tatsachen und Umstände verlangt werden (vgl. BGH, NJW 2008, 982 [Rn. 16]; OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 31.08.2010 – 11 U 7/10 [Rn. 31 bei juris]). Diese sekundäre Darlegungslast geht aber in der Regel nicht so weit, dass der Anschlussinhaber durch eigene Nachforschungen aufklären müsste, wer Täter der Rechtsverletzung ist (vgl. OLG Hamm, MMR 2012, 40).

Erst recht obliegt dem Anschlussinhaber nicht der Beweis des Gegenteils in dem Sinne, dass er sich bei jeder über seinen Internetzugang begangenen Rechtsverletzung vom Vorwurf der täterschaftlichen Begehung entlasten oder exkulpieren muss. Die oben erwähnte – tatsächliche – Vermutung seiner Verantwortlichkeit beruht nämlich (mangels einer dem § 831 Abs. 1 S. 2 BGB oder § 18 Abs. 1 S. 2 StVG entsprechenden Regelung) nicht auf einer gesetzlichen Wertung, sondern wie der (nach herrschender Meinung nicht auf individuelle Willensentschlüsse anwendbare) Beweis des ersten Anscheins (vgl. Zöller / Greger, a.a.O., Rn. 29, 31; Prütting / Gehrlein / Laumen, a.a.O., Rn. 25 ff., 37 m.w.N.) auf der Annahme eines der Lebenserfahrung entsprechenden Geschehensablaufs, wonach in erster Linie der Anschlussinhaber seinen Internetzugang nutzt, jedenfalls über die Art und Weise der Nutzung bestimmt und diese mit Tatherrschaft bewusst kontrolliert. Diese Annahme wird erschüttert und die Vermutungsgrundlage beseitigt, wenn Umstände feststehen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs – nämlich der Alleintäterschaft eines anderen Nutzers des Internetanschlusses – ergibt. Dafür wird es regelmäßig genügen, wenn Hausgenossen des Anschlussinhabers – wie sein Ehegatte – selbständig auf den Internetanschluss zugreifen können; mit dieser Begründung hat der Senat der Beklagten in erster Instanz bereits Prozesskostenhilfe für ihre Rechtsverteidigung bewilligt (Beschluss vom 24.03.2011 – 6 W 42/11 = MMR 2011, 396 m.w.N.).

Die Klägerin macht geltend, die Möglichkeit der tatsächlichen Nutzung von Internetanschlüssen durch mindestens eine weitere Person neben dem Anschlussinhaber sei der Standardfall, so dass bei Zugrundelegung der Auffassung des Senats die Vermutung regelmäßig leerlaufe und die Rechteinhaber praktisch rechtlos gestellt würden. Damit verkennt sie Begründung und Reichweite der in Rede stehenden Beweiserleichterungen, durch die kein zusätzlicher Tatbestand der täterschaftlichen Haftung von Internetanschlussinhabern geschaffen oder diesen die Führung des Negativbeweises aufgebürdet, sondern lediglich den beschränkten Wahrnehmungsmöglichkeiten der Rechteinhaber Rechnung getragen werden soll.

Nach ihrem Vorbringen muss es in Fällen der vorliegenden Art sogar bei der sekundären Darlegungslast des Anschlussinhabers sein Bewenden haben, weil danach schon kein Erfahrungssatz besteht, dass der Anschlussinhaber seinen Internetzugang vorwiegend selbst nutzt und kontrolliert, sondern der Standardfall die selbständige Nutzung durch weitere Personen ist.

bb) Im Streitfall hat die Beklagte vorgetragen, bis zur Abmahnung der Klägerin weder das streitbefangene Computerspiel gekannt noch um Software für die Teilnahme an Internettauschbörsen gewusst zu haben. Ihren Internetanschluss habe außer ihr – und sogar vorwiegend – ihr Ehemann genutzt, der den angeschlossenen Computer auch angeschafft und eingerichtet habe. Sie selbst habe sich für die Möglichkeiten einer Nutzung des Computers und des Internets nicht weiter interessiert, sondern lediglich Bewerbungen damit geschrieben. Unabhängig von ihren nachträglich recherchierten Angaben zur (WPA-) Verschlüsselung des kabellosen (WLAN-) Internetzugangs mit einem individuellen Passwort hat die Beklagte mit dieser Darlegung die ernsthafte Möglichkeit aufgezeigt, dass die in Rede stehenden Rechtsverletzungen – und zwar die vom 11.11.2009 ebenso wie diejenige vom 04.11.2009 – ohne ihr Wissen und ohne ihren Einfluss von ihrem inzwischen verstorbenen Ehemann im Rahmen seiner eigenständigen Internetnutzung begangen wurden. Der Sachvortrag ist nicht nur insgesamt anschaulich und detailreich (genaue Erinnerungen an ihr eigenes Verhalten zu den beiden fraglichen Tatzeitpunkten waren von der Beklagten füglich nicht zu erwarten), sondern auch sachlich gut nachvollziehbar und plausibel: Schon die Art des Computerspiels dürfte eher auf einen männlichen Nutzer hindeuten und die (in das Wissen des mit ihrem Ehemann befreundeten Zeugen U. gestellte) Darlegung der Beklagten, dass der Internetanschluss aus wirtschaftlichen Gründen auf ihren Namen angemeldet, aber überwiegend von ihrem nicht berufstätigen Ehemann genutzt worden sei, erscheint lebensnah und einleuchtend.

Dass die Klägerin, die einer Zugriffsmöglichkeit und eventuellen Haftung des verstorbenen Ehemannes der Beklagten zunächst nicht widersprochen hatte (Schriftsatz vom 22.09.2010, Seiten 2 und 3), sich nach der Entscheidung des Senats im Prozesskostenhilfeverfahren erster Instanz zum Zugriff des Ehemanns auf den Internetanschluss zulässigerweise (§ 138 Abs. 4 ZPO) mit Nichtwissen erklärt (Schriftsatz vom 13.04.2011, Seite 2) und das Angebot der Beklagten, zum Beweis den Zeugen U. zu vernehmen, als untauglich zurückgewiesen hat (Schriftsatz vom 23.02.2012, Seite 2), kann ihr nach Lage der Dinge nicht zum Prozesserfolg verhelfen. Denn nachdem die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast genügt hat, war es wiederum Sache der (primär) beweisbelasteten  Klägerin, die plausible Gegendarstellung der Beklagten zu entkräften oder zusätzliche für ihre Täterschaft sprechende Umstände darzulegen und unter Beweis zu stellen. Trotz eingehender Erörterung der Beweissituation  in der Berufungsverhandlung hat sich die Klägerin indessen darauf beschränkt, die von ihr nachgewiesene korrekte Ermittlung des an den Rechtsverletzungen beteiligten Internetanschlusses zu betonen und zu erklären, dass sie über keine weiteren Beweismittel verfüge (Schriftsatz vom 10.04.2012, Seite 2), was erkennbar den Verzicht auf die mögliche Benennung des von der Beklagten namhaft gemachten Zeugen U. oder der Beklagten selbst (§§ 373, 445 Abs. 1 ZPO) einschließt.

Keine andere Beurteilung ergibt sich, wenn an der – mit dem eigenen Vorbringen der Klägerin schwerlich zu vereinbarenden (vgl. oben zu aa) – tatsächlichen Vermutung einer täterschaftlichen Verantwortung der beklagten Anschlussinhaberin festgehalten und angenommen wird, dass diese die für die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs sprechenden Umstände nicht nur nachvollziehbar darlegen, sondern im Falle ihres erheblichen Bestreitens durch den Gegner auch beweisen muss. Denn solche Umstände stehen hier fest. Unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des schriftsätzlichen Vorbringens der Parteien ist der Senat nämlich von der ernsthaften Möglichkeit einer Alleintäterschaft des verstorbenen Ehemannes der Beklagten auch ohne Rücksicht auf mögliche ergänzende Angaben des von ihr benannten Zeugen U. überzeugt (§ 286 ZPO). Ausschlaggebend dafür ist die Erwägung, dass die Klägerin ihr Bestreiten einer eigenen Zugriffsmöglichkeit des Ehemannes nicht näher begründet hat, obwohl  sie naheliegt und das Gegenteil angesichts unstreitiger Indizien wie der Art des Computerspiels und der Zeitpunkte der zu Lebzeiten des Ehemannes erfassten Rechtsverletzungen ganz unwahrscheinlich erscheint.

b) Eine Haftung der Beklagten als Teilnehmerin einer fremden Haupttat (vgl. §§ 26, 27 StGB, § 830 Abs. 2 BGB) würde neben einer Teilnahmehandlung wenigstens bedingten Vorsatz in Bezug auf die Haupttat voraussetzen, der das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit einschließen muss (BGHZ 158, 236 [250] = GRUR 2004, 860 = WRP 2004, 1287 – Internet-Versteigerung I; BGHZ 185, 330 = GRUR 2010, 633 = WPR 2010, 912 [Rn. 16] – Sommer unseres Lebens; BGH, GRUR 2011, 152 = WRP 2011, 223 [Rn. 30] – Kinderhochstühle im Internet). Dies kann nach dem Vorbringen der Klägerin nicht festgestellt werden. Selbst wenn die Beklagte – wofür Anhaltspunkte fehlen – allgemein gewusst und gebilligt hätte, dass ihr Ehemann den Internetzugang zur Teilnahme an Peer-to-Peer-Netzwerken nutzte, ergab sich daraus noch nicht, dass sie von den konkret in Rede stehenden Rechtsverletzungen Kenntnis hatte (vgl. BGHZ 180, 134 = GRUR 2009, 597 = WRP 2009, 730 [Rn. 14] – Halzband, zur Nutzung eines eBay-Kontos durch die Ehefrau).

c) Entgegen der Auffassung der Klägerin haftet die Beklagte als Inhaberin des Internetanschlusses für die streitbefangenen Urheberrechtsverletzungen auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Störerhaftung oder unter dem Gesichtspunkt des gefahrerhöhenden Verhaltens aus der Verletzung einer Verkehrspflicht.

aa) Als Störer kann analog § 1004 BGB bei der Verletzung absoluter Rechte auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beiträgt (BGH, GRUR 2011, 152 = WRP 2011, 223 [Rn. 45] – Kinderhochstühle im Internet). Dabei kann als Beitrag auch die Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten genügen, sofern der in Anspruch Genommene die rechtliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte (BGH, GRUR 2004, 438 [442] – Feriendomizil I). Da die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen haben, setzt die Haftung des Störers nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allerdings die Verletzung zumutbarer Verhaltenspflichten, insbesondere von Prüfpflichten, voraus. Ob und inwieweit dem Störer als in Anspruch Genommenem eine Prüfung zuzumuten ist, richtet sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung seiner Funktion und Aufgabenstellung sowie mit Blick auf die Eigenverantwortung desjenigen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar vorgenommen hat (BGHZ 185, 330 = GRUR 2010, 633 = WPR 2010, 912 [Rn. 19] – Sommer unseres Lebens; GRUR 2011, 1038 = WRP 2011, 1609 [Rn. 20] – Stiftparfüm; vgl. BGH [V. Zivilsenat], GRUR 2011, 321 [Rn. 15]). Eine Prüfpflicht kann bereits mit Inbetriebnahme einer technischen Einrichtung entstehen, setzt dann aber eine schon dadurch eintretende Gefährdung absoluter Rechtsgüter Dritter voraus (vgl. BGHZ 185, 330 = GRUR 2010, 633 = WPR 2010, 912 [Rn. 24] – Sommer unseres Lebens; BGH [V. Zivilsenat], GRUR 2011, 321 [Rn. 16]).

bb) Im Verhältnis der Beklagten zu ihrem verstorbenen Ehemann ist hier keine solche Verletzung zumutbarer Prüfpflichten festzustellen.

Im Streitfall sind keine konkreten Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Beklagte wusste oder annehmen musste, ihr Ehepartner werde über ihren Internetanschluss Rechtsverletzungen begehen, die sie durch zumutbare Maßnahmen verhindern konnte. Insbesondere ist nicht feststellbar, dass es auch noch nach der Abmahnung der Klägerin zu Urheberrechtsverstößen unter Benutzung des Internetzugangs gekommen ist.

Von einer anlasslosen zumutbaren Prüf- und Kontrollpflicht der Beklagten gegenüber ihrem Ehemann ist dagegen nicht auszugehen. Wie der Senat bereits an anderer Stelle (Beschluss vom 24.03.2011 – 6 W 42/11 = MMR 2011, 396) näher ausgeführt hat, bestehen im Verhältnis einer Ehefrau als Internetanschlussinhaberin zu ihrem Ehemann als überwiegendem Nutzer eines solchen Anschlusses keine vergleichbaren Kontrollpflichten wie im Verhältnis der Eltern zu ihren – insbesondere minderjährigen – Kindern oder anderen Hausgenossen.

Etwas anderes folgt auch nicht aus der „Halzband“-Entscheidung des BGH (BGHZ 180, 134 = GRUR 2009, 597 = WRP 2009, 730). Dort ging es darum, dass der beklagte Ehemann das Passwort zu seinem eBay-Mitgliedskonto nicht unter Verschluss gehalten, sondern in dem auch seiner Ehefrau zugänglichen Schreibtisch so verwahrt hatte, dass diese ohne Schwierigkeiten davon Kenntnis nehmen konnte. Der Bundesgerichtshof hat angenommen, dass er damit seine nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay bestehende Pflicht, die Zugangsdaten so geheimzuhalten, dass Dritte davon keine Kenntnis erlangen können, in einer Weise verletzt habe, die seine Haftung für die von seiner Ehefrau möglicherweise unter Verwendung dieser Daten begangenen Rechtsverletzungen begründen kann (zur vertraglichen Haftung nach Rechtsscheingrundsätzen, für die es nicht bereits ausreicht, dass der Kontoinhaber die Zugangsdaten nicht hinreichend vor dem Zugriff des Handelnden geschützt hat, vgl. BGH [VIII. Zivilsenat], NJW 2011, 2421).

Für die Überlassung eines Internetanschlusses gelten in Bezug auf die Störerhaftung für die Verletzung absoluter Rechte jedoch andere Maßstäbe (vgl. BGHZ 185, 330 = GRUR 2010, 633 = WPR 2010, 912 [Rn. 15] – Sommer unseres Lebens). Denn beide Konstellationen sind nicht miteinander vergleichbar.

Im Streitfall geht es nicht um ein eBay-Mitgliedskonto, über das Rechtsgeschäfte abgewickelt werden, für das besondere Regeln gelten und dessen Nutzung bereits für sich genommen eine gewisse erhöhte Gefahr von Verletzungen fremder Kennzeichen- oder Urheberrechte begründen mag. Es geht vielmehr um die Nutzung eines auf den Namen eines Ehegatten laufenden Internetanschlusses, der – wie ein Telefonanschluss – regelmäßig von beiden Ehegatten gemeinsam benutzt wird (weshalb die Inanspruchnahme von Telefondienstleistungen durch einen Ehepartner grundsätzlich von § 1357 Abs. 1 BGB gedeckt ist, BGH [III. Zivilsenat], NJW 2004, 1593). Hier kann der Inhaber nicht ohne besonderen Anlass für alle Kommunikation, die über diesen Anschluss stattfindet, verantwortlich gemacht werden.

cc) Aus den vorstehenden Erwägungen erhellt zugleich, dass die vom Anschlussinhaber dem Ehepartner eingeräumte Möglichkeit, Telefon oder Internet unbeaufsichtigt für eigene Zwecke – und damit unter Umständen auch für unerlaubte Handlungen – zu nutzen, kein relevantes gefahrerhöhendes Verhalten (Ingerenz) im Sinne einer Verletzung von Verkehrspflichten (vgl. BGHZ 173, 188 [Rn. 22, 36] = GRUR 2007, 890 = WRP 2007, 1173 – Jugendgefährdende Medien bei eBay; BGH, Urteil vom 09.11.2011 – I ZR 150/09 – Basler-Haar-Kosmetik [Rn. 60] m.w.N.) dastellt, die seine Mithaftung begründet.

3. Scheitert eine Haftung der Beklagten nach alledem schon dem Grunde nach, kommt es auf ihre mögliche Höhe nicht weiter an.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat hat gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zugelassen, weil die Verantwortlichkeit von Internetanschlussinhabern für eine Verletzung von Urheberrechten durch ihre Ehegatten höchstrichterlich bisher noch nicht hinreichend geklärt erscheint und von allgemeiner Bedeutung ist.

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