„ICK BIN ‚NE JUTE“

24. Oktober 2011
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Eigener Leitsatz:

Die Wort-/Bildmarke "ICK BIN ‚NE JUTE" besitzt lediglich im Bezug auf Schirme und Verpackungen aus Leder  hinreichende Unterscheidungskraft, da die Wortfolge hier als Hinweis auf die Herkunft dieser Waren verstanden werden kann. Soweit die beanspruchten Waren aus Jute hergestellt werden können, fehlt es an der erforderlichen Unterscheidungskraft, da hier lediglich das Material beschrieben wird.

Bundespatentgericht

Beschluss vom 19.09.2011

Az.: 27 W (pat) 534/10

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2009 006 917.4

hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
19. September 2011 durch Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, Richter Kruppa und
Richterin Werner

beschlossen:

1. Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 18 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 10. Februar 2010 wird aufgehoben, soweit damit die Anmeldung für die Waren der

Klasse 18: Verpackungsbeutel, -hüllen und -taschen aus Leder, Regenschirme, Sonnenschirme

zurückgewiesen worden ist.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Markenstelle für Klasse 18 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit
Beschluss vom 10. Februar 2010 die Wort- /Bildmarke 30 2009 006 917.4

(Abbildung)

für die Waren

Klasse 18: Taschen, nämlich Aktentaschen, Badetaschen, Campingtaschen,
Einkaufstaschen, Handtaschen, Jagdtaschen, Kindertragetaschen, Schultaschen, Sporttaschen, auch Handkoffer, Reisekoffer, Einkaufsnetze, Rucksäcke, Kleidersäcke, Schulranzen; Verpackungsbeutel, -hüllen und -taschen aus Leder; Regenschirme, Sonnenschirme;

Klasse 22: Verpackungsbeutel, -hüllen, -taschen aus textilem Material, auch Jute; Jutefasern für textile Zwecke; Hängematten; Netzstoffe; Verpackungen aus Stroh, Jute, Flachs, Sisal, Hanf, Rosshaar und/oder Kokusfasern;

Klasse 25: Bekleidung, Kopfbedeckungen, Schuhe, auch aus Papier, Lederimitat, Jute und anderen Naturprodukten, auch Stirnbänder, Schürzen, Gürtel

nach § 8 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 MarkenG als nicht unterscheidungskräftige sowie beschreibende Angabe zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, bei der angemeldeten Marke handle es sich um eine spruchartige Wortfolge. Diese nehme das Publikum nicht in gleicher Weise wahr wie andere Markenkategorien. Bei Wortfolgen, welche entweder vordergründig eine Werbefunktion hätten oder sich in gesellschaftspolitischen oder in Aufmerksamkeit erregenden bzw. persönliche Gefühle und Empfindungen ausdrückenden Aussagen erschöpften, schließe das angesprochene Publikum gewöhnlich nicht auf die Herkunft der Waren. Die vermittelte Sachaussage sei hier ohne weiteres erkennbar. Sie enthalte die Information, dass die Trägerin derartig beschrifteter Waren eine Gute bzw. die Ware gut bzw. aus dem Material Jute sei. Die spruchartige Wortfolge beinhalte zwar nicht für alle Waren einen beschreibenden Sachhinweis, es handle sich jedoch um einen Sinnspruch, eine Botschaft an die Umwelt, die in der zwischenmenschlichen Kommunikation ohne weiteres als Ausdruck persönlicher Gefühle gebräuchlich sei. Derartige Redewendungen fänden in vielfältiger Weise als Aufmerksamkeit erregende Botschaft oder als Beschriftung von Geschenk- und Souvenirartikeln Verwendung. Der vorliegende Ausspruch sei lediglich geeignet, die Gefühle der Käuferschaft anzusprechen oder zum Ausdruck zu bringen, aber nicht, eine Vorstellung über die Herkunft der Waren aus einem bestimmten Unternehmen
zu vermitteln. Dass es sich bei der angemeldeten Marke um einen mundartlichen Ausdruck handle, führe zu keinem anderen Ergebnis. Auch durch die graphische Gestaltung (mehrzeilige Schreibweise, unterschiedliche Schriftstärken, bündige Ausrichtung) erhalte das angemeldete Zeichen keine
Unterscheidungskraft. Die Graphik weise keine charakteristischen Merkmale auf,
aus denen der Verbraucher einen Herkunftshinweis ableite. Sie bewege sich im
Rahmen des zur Ausschmückung und Hervorhebung Üblichen.

Gegen den ihr am 12. Februar 2010 zugestellten Beschluss wendet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde vom 11. März 2010. Darin macht sie im Wesentlichen geltend, bei dem angemeldeten Zeichen stehe weder ein beschreibender Begriffsinhalt im Vordergrund noch handle es sich um eine gebräuchliche Wortfolge oder ein branchenübliches Werbemittel. Die Wortfolge sei interpretationsbedürftig dahingehend, dass die Trägerin derart beschrifteter Waren selbst, aber auch die Ware gut sein könne, oder dass es sich um das verarbeitete Material handle. Dabei seien die beanspruchten Waren wie z.
B. Taschen als Träger von derartigen Sinnsprüchen eher unüblich und würden
nicht genutzt, um persönliche Botschaften zu übermitteln. Insbesondere Taschen seien heute zu Statussymbolen geworden, die zwar ideologisch aber dabei nur hinsichtlich des Markennamens zur Schau getragen würden. Für Verpackungsbeutel oder gar Hängematten sei es untypisch und fern ab, diese mit emotionalen Botschaften zu versehen, und der Verbraucher würde diese auch nicht als solche erkennen. Bei den beanspruchten Waren sei jedenfalls eine herkunftshinweisende Verwendung der Wortfolge, etwa als eingenähtes Etikett, möglich. „ICK BIN ’NE JUTE“ sei zumindest wegen der graphischen Elemente eintragbar.

Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 18 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 10. Februar 2010 aufzuheben und das angemeldete Zeichen wie beantragt einzutragen.

II.

Die nach § 66 Abs. 1 MarkenG zulässige Beschwerde der Anmelderin hat in der
Sache teilweise Erfolg.

1. Da die Anmelderin keinen Antrag auf Anberaumung einer mündlichen
Verhandlung gestellt hat und der Senat eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich erachtet, kann im schriftlichen Verfahren entschieden werden, nachdem die Anmelderin ausreichend Gelegenheit hatte, ihre Beschwerde zu begründen, und zu den Hinweisen der Gerichts Stellung genommen hat (§ 69 MarkenG).

2. Der Registrierung des angemeldeten Zeichens als Marke für die streitgegenständlichen Waren mit Ausnahme der im Tenor Genannten steht das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen.

a) Für die Beurteilung, ob einer Bezeichnung die erforderliche Unterscheidungskraft fehlt, ist auf die Hauptfunktion einer Marke abzustellen, derzufolge diese den Abnehmern die Ursprungsidentität von Waren (und Dienstleistungen) garantieren soll, indem sie es ihnen ermöglicht, diese ohne Verwechslungsgefahr von Waren (oder Dienstleistungen) anderer Herkunft zu unterscheiden, auch wenn eine Marke zusätzlich weitere Funktionen, etwa Werbefunktion, haben kann (vgl. EuGH GRUR 2004, 1027, 1029 – Das Prinzip der Bequemlichkeit; BGH GRUR 2009, 949, Rn. 28 – My World).

Kann einer Wortfolge ein für die fraglichen Waren beschreibender Begriffsinhalt
zugeordnet werden oder handelt es sich sonst um einen Begriff, den die Verbraucher – auch bei graphischer Gestaltung – nicht als Unterscheidungsmittel auffassen, fehlt jegliche Unterscheidungskraft (vgl. BGH GRUR 2003, 1050, 1051 – Cityservice). Die Unterscheidungskraft ist zum einen im Hinblick auf die angemeldeten Waren und zum anderen im Hinblick auf die beteiligten Verbraucher zu beurteilen, wobei – wie auch hier – auf die mutmaßliche Wahrnehmung durch einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der fraglichen Waren und Dienstleistungen abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2004, 943 – SAT.2).

Schlagwortartige Wortkombinationen, wie die hier vorliegende Markenanmeldung "ICK BIN ’NE JUTE", unterliegen weder strengeren noch geringeren, sondern den gleichen Schutzvoraussetzungen wie andere Marken. Allein die Tatsache, dass ein Zeichen von den angesprochenen Verkehrskreisen als Werbeslogan wahrgenommen wird, reicht – für sich gesehen – nicht aus, um die für die Schutzfähigkeit erforderliche Unterscheidungskraft zu verneinen (vgl. EuGH GRUR 2010, 228, Tz. 44 – Vorsprung durch Technik). Es ist auch nicht erforderlich, dass schlagwortartige Wortfolgen einen selbständig kennzeichnenden Bestandteil enthalten oder in ihrer Gesamtheit einen besonderen phantasievollen Überschuss aufweisen (vgl. BGH GRUR 2002, 1070, 1071 – Bar jeder Vernunft). Auch bei schlagwortartigen Wortfolgen ist die für die Schutzfähigkeit erforderliche Unterscheidungskraft zu verneinen, wenn – wie bei anderen Markenkategorien auch – ein zumindest enger beschreibender Bezug im eingangs dargelegten Sinn zu den jeweils konkret beanspruchten Waren oder Dienstleistungen vorliegt und die graphische Gestaltung dies nicht überwindet. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass das Publikum in Slogans oder schlagwortartigen Wortfolgen regelmäßig dann keinen Herkunftshinweis sieht, wenn diese eine bloße Werbefunktion ausüben – diese kann z. B. darin bestehen, die Qualität der betreffenden Waren oder
Dienstleistungen anzupreisen – es sei denn, dass die Werbefunktion im Vergleich zur Herkunftsfunktion offensichtlich von untergeordneter Bedeutung ist (vgl. EuGH GRUR 2004, 1027, 1029 Tz. 35 – Das Prinzip der Bequemlichkeit).

b) Nach diesen Grundsätzen fehlt der angemeldeten Wortfolge „ICK BIN ’NE
JUTE“ für sämtliche beschwerdegegenständlichen Waren mit Ausnahme von Verpackungsbeuteln, -hüllen und -taschen aus Leder, Regenschirmen und Sonnenschirmen jegliche Unterscheidungskraft. Bezüglich der versagten Waren weist das Zeichen einen ohne weiteres erkennbaren beschreibenden Begriffsinhalt hinsichtlich des verwendeten Materials auf, der dazu führt, dass das angemeldete Zeichen nicht als Marke verstanden wird.

Wie die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat, handelt es sich bei „ICK BIN ´NE JUTE“ um eine schlagwortartig gebildete und auch in Anbetracht des Dialekts allgemein verständliche Wortfolge, wobei auch der Satzaufbau keine schutzbegründenden Besonderheiten enthält. Die vermittelte Sachaussage ist ohne weiteres klar erkennbar. Sie enthält lediglich eine allgemeine, den Leser direkt ansprechende Information dahingehend, dass das Produkt ganz oder teilweise aus Jute ist.

Dass diese Aussage hier im Dialekt vermittelt wird und in einer Aussageform, in
der die Ware in der Ichform von „sich spricht“, führt nicht zur Kenzeichnungskraft. Aussagen in Dialektform sind ebenso gebräuchlich wie personifizierte Aussagen „von“ Waren, wie die folgenden Beispiele zeigen: „Ich bin zwei Öltanks“, „Ich war eine Dose“, „Ich war ein Pulli“ u. a.

Soweit die beanspruchten Waren aus Jute hergestellt sein können, handelt es sich daher bei der Wortfolge „ICK BIN ’NE JUTE“ um eine weithin verständliche „Aussage“ der Ware über sich selbst. Handelt es sich dabei – wie hier – um eine sachliche Aussage, so fehlt Unterscheidungskraft.

Insoweit kann auch nicht darauf verwiesen werden, es bestünden Verwendungsmöglichkeiten, bei denen das Zeichen einen Herkunftshinweis vermittelt. Angaben zum Material wirken in jeder Verwendungsform beschreibend und zwar in einem Maße, dass die Dialektausdrücke „Ick“ und „’ne“, die unterschiedlichen Schriftstärken und auch die einfache und werbeübliche graphische Gestaltung mit der vierzeiligen Anordnung und den unterschiedlichen Schriftgrößen und -stärken nicht geeignet sind, Unterscheidungskraft zu erzeugen.

Eine Aussage über die Trägerin der Ware kommt nur bei einer plakativen – ohnehin nicht markenmäßigen – Benutzungsform zum Tragen. Bei anderen Verwendungsformen, die nach der Rechtsprechung (vgl. BGH GRUR 2001, 240, 242 – Swiss Army; GRUR 2010, 1100 – Tooor!; GRUR 2010, 825 – Marlene-Dietrich- Bildnis II; BPatG, Beschluss vom 15.01.2010, Az: 27 W (pat) 250/09,
BeckRS 2010, 06996 – In Kölle jebore) nicht vernachlässigt werden dürfen, ist eine solche Interpretation nicht in dem Umfang zu erwarten, dass Unterscheidungskraft gegeben wäre.

Anders ist dies bei Verpackungen aus Leder. Hier kann die Wortfolge „ICK BIN
’NE JUTE“ nicht als Hinweis auf die Herkunft dieser Waren verstanden werden.
Auch bei Schirmen ist dies nicht zu erwarten, da Jute nicht als wasserdichtes oder -abweisendes Material bekannt ist und in Verbindung mit Sonnenschirmen nicht üblich ist.

Dass die Wortfolge „ICK BIN ’NE JUTE“ blickfangmäßig und dekorativ auf einzelnen Waren angebracht werden könnte – wie die Anmelderin nun auch mit ihrer Stellungnahme vom 10. August 2011 einräumt – und bei einer bestimmten Anbringung dann keinen Herkunftshinweis darstellt, sondern als Statement in Erscheinung tritt, beseitigt die Schutzfähigkeit nicht. Auf eine solche plakative Art der Anbringung ihrer Marke ist die Anmelderin im vorliegenden Fall nämlich nicht beschränkt. Es ist nicht ausgeschlossen, das Zeichen in einer Form an Waren anzubringen, bei der das Publikum darin einen Herkunftshinweis sehen wird. Statements und „Bekenntnisse“ erfolgen in der Regel nicht auf Einnähetiketten oder sonstigen Stellen, an denen sich üblicherweise (auch) Marken befinden. Ist aber eine Art der Zeichenverwendung nicht ausgeschlossen, bei welcher das Publikum das fragliche Zeichen als Herkunftshinweis nimmt, kann der Kennzeichnung das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden (vgl. BGH GRUR 2001, 240, 242 – Swiss Army; GRUR 2010, 1100 – Tooor!; GRUR 2010, 825 – Marlene-Dietrich-Bildnis II; BPatG, Beschluss vom 15.01.2010, Az: 27 W (pat) 250/09, BeckRS 2010, 06996 – In Kölle jebore).

Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die in Rede stehende
Wortfolge – etwa und insbesondere für aus Berlin stammende oder mit dieser
Stadt in Zusammenhang stehende Waren – nur als allgemeine Werbeaussage angesehen wird ohne Bezug zu einer bestimmten Ware und zu deren Herkunft aus einem individuellen Unternehmen. Mit einer allgemeinen Werbeaussage, wie etwa „super“ oder „erstklassig“, ist die angemeldete Marke nicht vergleichbar.

3. Für eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach § 71 Abs. 3 MarkenG besteht keine Veranlassung, zumal die Beschwerde nur teilweise Erfolg hat.

4. Der Senat sieht keinen Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen
(§ 83 Abs. 2 MarkenG i. V. m. § 574 ZPO), weil dies weder zur Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung geboten ist, noch Fragen von grundsätzlicher Bedeutung einer höchstrichterlichen Klärung bedürfen, noch der Senat mit dieser Entscheidung von anderen gerichtlichen Entscheidungen abweicht.

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