Eilantrag gegen Löschung von E-Mail-Daten des ehemaligen Ministerpräsidenten Mappus abgewiesen

28. September 2015
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blaues E-Mail Löschungssymbol auf weißem Hintergrund Beschluss des VGH Baden-Württemberg vom 16.10.2014, Az.: 10 S 2043/14

Ein Bürger hat mangels eines, das Geheimhaltungsinteresse des Betroffenen überwiegenden, öffentlichen Interesses an einer Veröffentlichung keinen Anspruch darauf, dass Sicherungskopien von E-Mail-Daten des ehemaligen Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg Stefan Mappus nicht gelöscht werden.

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg

Beschluss vom 16.10.2014

Az.: 10 S 2043/14

 

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 26. September 2014 – 4 K 4258/14 – wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000,– EUR festgesetzt.

Entscheidungsgründe

I.

Der Antragsteller begehrt im Hauptsacheverfahren u.a. Zugang zu den beim Staatsministerium Baden-Württemberg gespeicherten Sicherungskopien der E-Mail-Account-Daten des Beigeladenen, Ministerpräsident a.D. M., soweit sie umweltbezogene Informationen aus dem Zeitraum vom Januar 2010 bis Mai 2011 enthalten. Mit Bescheid vom 18.01.2013 sowie einem Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheid vom 14.05.2013 lehnte der Antragsgegner insoweit den Antrag des Antragstellers nach § 3 Abs. 1 LUIG i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 UIG sowie § 9 Abs. 1 Satz 1 UIG ab. Über die hiergegen beim Verwaltungsgericht Stuttgart erhobene Klage (4 K 2005/13) ist noch nicht entschieden. Mit rechtskräftigem Urteil vom 30.07.2014 (1 S 1352/13 – juris) entschied der erkennende Gerichtshof, dass dem Beigeladenen ein Anspruch auf Löschung der oben genannten Dateien zusteht, diese aber zuvor dem zuständigen Archiv zur Übernahme anzubieten sind. Im Hinblick auf die angekündigte alsbaldige Löschung der Daten beantragte der Antragsteller am 24.09.2014, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die sog. „M.-Email-Dateien“ bis zur rechtskräftigen Entscheidung über seinen Zugangsantrag nicht zu löschen und bei sich verfügbar zu halten. Hilfsweise beantragte er, den Antragsgegner zu verpflichten, die betreffenden Dateien nur unter der Bedingung dem Landesarchiv zu übergeben, dass diese jederzeit auf Anforderung des Antragsgegners oder eines Gerichts zurückzugeben sind. Mit Beschluss vom 26.09.2014 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag im Wesentlichen mit der Begründung ab, das Staatsministerium verfüge nicht mehr über die fraglichen Informationen, weil diese von Rechts wegen gelöscht werden müssten. Hinsichtlich des Hilfsantrags fehle bereits die Antragsbefugnis.

II.

Die Beschwerde des Antragstellers ist gemäß §§ 146, 147 VwGO zulässig, aber nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

Aus den in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes beschränkt ist, ergibt sich nicht, dass der angefochtene Beschluss abzuändern oder aufzuheben ist (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO). Zwar besteht im Hinblick auf die nunmehr für den 17.10.2014 angekündigte Löschung der umstrittenen Dateien und das Übernahmeangebot an das Landesarchiv ein Anordnungsgrund. Auch nach Auffassung des Senats ist aber ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.

Nach § 3 Abs. 1 UIG, auf den § 3 Abs. 1 LUIG verweist, hat jede Person nach Maßgabe dieses Gesetzes Anspruch auf freien Zugang zu Umweltinformationen, über die eine informationspflichtige Stelle verfügt, ohne ein rechtliches Interesse darlegen zu müssen. Nach § 2 Abs. 4 Satz 1 UIG i.V.m. § 3 Abs. 1 LUIG verfügt eine informationspflichtige Stelle über Umweltinformationen, wenn diese bei ihr vorhanden sind oder für sie bereit gehalten werden. Entgegen der vom Verwaltungsgericht wohl vertretenen Auffassung kommt es für das „Vorhandensein“ der Information allerdings nicht auf die rechtliche Verfügungsbefugnis, sondern auf die tatsächliche räumliche Verfügungsmöglichkeit der Behörde an, d.h. darauf, ob sich die Information – wie hier – im räumlichen Verfügungsbereich der in Anspruch genommenen Behörde befindet (vgl. Reidt/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Januar 2014, § 2 UIG Rn. 53 m.w.N.; Schomerus in Schomerus/Schrader/Wegener, UIG, Handkommentar, 2. Auflage, § 2 Rn. 13; a.A. zur früheren Rechtslage OVG NRW, Urteil vom 15.08.2003 – 21 B 375/03 – NVwZ-RR 2004, 169). Denn Art. 2 Nr. 3 der Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates (ABl. L 41, 26) – im folgenden Umweltinformationsrichtlinie – definiert den Begriff des Vorhandenseins dahingehend, dass sich die Umweltinformation im Besitz der Behörde befindet und von dieser Behörde erstellt oder bei ihr eingegangen ist. Die Berechtigung der Behörde zur Verfügung über die Daten fließt hingegen in die Prüfung eventuell vorliegender Ablehnungsgründe ein (dazu sogleich).

Der Senat lässt offen, ob die umstrittenen Dateien Umweltinformationen enthalten. Nach der hier allein in Betracht kommenden Legaldefinition des § 2 Abs. 3 Nr. 3 UIG, die gemäß § 3 Abs. 1 LUIG auch im Anwendungsbereich des Landesumweltinformationsgesetzes gilt, sind Umweltinformationen unabhängig von der Art ihrer Speicherung alle Daten über Maßnahmen oder Tätigkeiten, die sich auf die Umweltbestandteile im Sinne der Nummer 1 oder auf Faktoren im Sinne der Nummer 2 auswirken oder wahrscheinlich auswirken oder den Schutz von Umweltbestandteilen im Sinne der Nummer 1 bezwecken; zu den Maßnahmen gehören auch politische Konzepte, Rechts- und Verwaltungsvorschriften, Abkommen, Umweltvereinbarungen, Pläne und Programme. Als Umweltbestandteile werden in Nummer 1 beispielhaft genannt Luft und Atmosphäre, Wasser, Boden, Landschaft und natürliche Lebensräume einschließlich Feuchtgebiete, Küsten- und Meeresgebiete, die Artenvielfalt und ihre Bestandteile, einschließlich gentechnisch veränderter Organismen, sowie die Wechselwirkungen zwischen diesen Bestandteilen.

Zwar ist in Übereinstimmung mit dem weiten Begriffsverständnis der Umweltinformationsrichtlinie, zu deren Umsetzung die Bestimmung des § 2 Abs. 3 UIG dient (vgl. BT-Drucks. 15/3406, S. 11 und 14 f.), auch der Begriff der Umweltinformationen im Sinne des § 2 Abs. 3 UIG weit auszulegen (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 21.02.2008 – 4 C 13.07 -, BVerwGE 130, 223; OVG NRW, Urteil vom 01.03.2011 – 8 A 2861/07 – juris; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17. Dezember 2008 – 12 B 23.07 -, juris; jeweils m.w.N). Insbesondere das in § 2 Abs. 3 Nr. 3 UIG enthaltene Begriffspaar „Maßnahmen oder Tätigkeiten“ wird weit verstanden; es soll alle menschlichen Tätigkeiten erfassen. Für die Auswirkungen auf Umweltbestandteile oder Faktoren im Sinne des § 2 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. a) UIG ist ein potentieller Wirkungszusammenhang ausreichend; er muss allerdings hinreichend wahrscheinlich sein (OVG NRW, Urteil vom 01.03.2011 a.a.O. m.w.N.). Hinsichtlich § 2 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b UIG (Schutz von Umweltbestandteilen) muss der Schutz der Umweltmedien der Zweck – wenn auch nicht der Hauptzweck – der Maßnahme sein. Erfasst werden unmittelbar wie mittelbar den Umweltschutz fördernde Aktivitäten. Erforderlich ist auch hier lediglich eine hinreichend enge Beziehung zwischen der jeweiligen Tätigkeit oder Maßnahme und dem angestrebten Erfolg für die Umwelt (OVG NRW, Urteil vom 01.03.2011 a.a.O. m.w.N.).

Auf der anderen Seite besteht allerdings Einigkeit darüber, dass weder die alte noch die neue Umweltinformationsrichtlinie – und damit auch § 2 Abs. 3 UIG – bezwecken, ein allgemeines und unbegrenztes Zugangsrecht zu allen bei den Behörden verfügbaren Informationen zu gewähren, die auch nur den geringsten Bezug zu einem Umweltgut aufweisen. Vielmehr fallen Informationen nur dann unter das Zugangsrecht, wenn sie zu einer oder mehreren der in der Richtlinie angegebenen Kategorien gehören und einen nicht nur entfernten Umweltbezug aufweisen (vgl. zur Richtlinie 90/313/EWG EuGH, Urteil vom 12. Juni 2003 – C- 316/01 – Glawischnig -, juris Rn. 25; OVG NRW, Urteil vom 01.03.2011 a.a.O. m.w.N.).

Vorliegend bezieht sich der Antragsteller auf „alle bereitgehaltenen Informationen zum Komplex Baumfällungen für Stuttgart 21 im Oktober 2010 und damit zusammenhängenden Vorgänge, Ereignisse, Aktionen und Maßnahmen aller Art“. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat festgestellt, dass der Antragsteller einen Zusammenhang zwischen den Baumfällungen und den E-Mail-Postfachdaten nicht hinreichend substantiiert habe (VG Karlsruhe, Urteil vom 27.05.2013 – 2 K 3249/12 – juris). Allerdings ist dem Antragsteller zuzugeben, dass der Betroffene den Inhalt der begehrten Informationen noch nicht im Einzelnen kennt, weshalb die Substantiierungspflichten nicht überspannt werden dürfen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann auch nicht unterschieden werden zwischen unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen auf die Umwelt; dieses Kriterium hat keinen Eingang in die Umweltinformationsrichtlinie gefunden und ist deshalb zur Abgrenzung einer Umweltinformation von anderen, einem Antragsteller nicht zustehenden Informationen in der Sache untauglich (BVerwG, Urteil vom 21.02.2008 – 4 C 13.07 – a.a.O.; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 25. März 1999 – 7 C 21.98 -, BVerwGE 108, 369 = juris Rn. 28 zu § 3 Abs. 2 UIG a.F.)

Diese Frage bedarf aber keiner abschließenden Entscheidung, weil dem Informationsanspruch jedenfalls der Ablehnungsgrund des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG i.V.m. § 3 Abs. 1 LUIG entgegensteht. Danach ist der Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen abzulehnen, soweit durch das Bekanntgeben der Informationen personenbezogene Daten offenbart und dadurch Interessen der Betroffenen erheblich beeinträchtigt werden, es sei denn, die Betroffenen haben zugestimmt oder das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt. Bei der Bestimmung des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG i.V.m. § 3 LUIG handelt es sich um eine bereichsspezifische datenschutzrechtliche Regelung, die im Rahmen ihres Anwendungsbereichs dem Landesdatenschutzgesetz als besondere Rechtsvorschrift des Bundes oder des Landes gemäß § 2 Abs. 5 Satz 1 LSDG vorgeht (zu den Anforderungen an derartige Rechtsvorschriften vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30.07.2014 – 1 S 1352/13 – a.a.O.). Da § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG allerdings im Wesentlichen eine Generalklausel enthält, sind die Bestimmungen der Datenschutzgesetze zum einen als Auslegungshilfe heranzuziehen, zum anderen sind sie unmittelbar ergänzend einschlägig, wenn es sich um präzisierende Bestimmungen handelt, die im Umweltinformationsgesetz nicht enthalten sind (Reidt/Schiller a.a.O. § 9 UIG Rn. 6 m.w.N.) oder sich das Umweltinformationsrecht zu einer bestimmten datenschutzrechtlichen Frage nicht verhält.

Danach handelt es sich bei den streitgegenständlichen Dateien um personenbezogene Daten, die durch die Bekanntgabe offenbart würden. Solche sind nach der Legaldefinition des § 3 Abs. 1 LDSG Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Betroffener). Die E-Mail-Postfach-Daten des Beigeladenen betreffen Einzelangaben über dessen sachliche Verhältnisse, nämlich dessen Kommunikation mit Dritten, und sind daher personenbezogene Daten (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30.07.2014 – 1 S 1352/13 – juris; ebenso schon VG Karlsruhe, Urteil vom 27.05.2013 – 2 K 3249/12 – a.a.O.). Der Senat schließt sich insoweit der Rechtsauffassung des 1. Senats der erkennenden Gerichtshofs an.

Durch die Bekanntgabe würden die Interessen des Betroffenen erheblich beeinträchtigt. Die Erheblichkeit setzt voraus, dass dem Geheimhaltungsinteresse ein gewisses Gewicht zukommt; dieser Begriff ist mithin im Lichte des Datenschutzrechts auszulegen. So entfällt die Erheblichkeit etwa dann, wenn die personenbezogenen Daten ohnehin bekannt oder allgemein zugänglich sind oder wenn es in Bezug auf die persönlichen Verhältnisse lediglich um Daten wie Name, Beruf, Dienststellung und Ähnliches geht (Reidt/Schiller a.a.O. § 9 UIG Rn. 14 m.w.N.). Eine solche Fallgestaltung liegt hier ersichtlich nicht vor. Den Interessen des Beigeladenen kommt aber insbesondere auch deshalb ein erhebliches Gewicht zu, weil er nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG i.V.m. § 15 Abs. 4 LDSG einen Anspruch auf Löschung der umstrittenen Dateien hat. Denn die Kenntnis der umstrittenen Dateien ist nicht mehr notwendig zur Erfüllung der Zwecke des § 15 Abs. 4 LDSG, zu dem sie gespeichert worden sind (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30.07.2014 – 1 S 1352/13 – a.a.O.). Der Senat sieht keinen Anlass, von der eingehend begründeten Rechtsauffassung des 1. Senats des erkennenden Gerichtshofs abzuweichen, der die Beschwerde auch nicht substantiiert entgegengetreten ist. Zwar macht der Antragsteller zutreffend geltend, dass das genannte Urteil ihm gegenüber keine Rechtskraft entfaltet. Bei der im Rahmen der Erheblichkeitsprüfung gebotenen Gewichtung des Geheimhaltungsinteresses des Betroffenen kann aber nicht außer Acht gelassen werden, dass mit dem Vorliegen eines rechtskräftig festgestellten Löschungsanspruchs des Beigeladenen ein auch grundrechtlich gestützter gewichtiger datenschutzrechtlicher Belang vorliegt. Danach besteht ein individuelles Geheimhaltungsinteresse des Beigeladenen im Rahmen des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG, weil andernfalls sein Löschungsanspruch vollständig entwertet würde. Die Datenerhebung unterlag einer strikten Bindung an die in § 15 Abs. 4 LDSG genannten Zwecke. Der Löschungsanspruch besteht, weil diese strikte Zweckbindung entfallen ist (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30.07.2014 – 1 S 1352/13 – a.a.O.). Nach dem Umweltinformationsgesetz werden die Daten jedoch zweckfrei weitergegeben; die antragstellende Person ist mithin nicht gehindert, die erlangten Daten ohne jede Zweckbindung weiterzuverwenden (vgl. Karg in Gersdorf/Paal, Informations- und Medienrecht, Kommentar, 2014, § 9 UIG Rn 12 f. m.w.N.). Bei Bekanntgabe der umstrittenen personenbezogenen Dateien nach dem Umweltinformationsgesetz liefen die durch § 15 Abs. 4 LDSG gesetzten Grenzen für die Erhebung und Verwendung der genannten Sicherungskopien mithin ins Leere.

§ 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG i.V.m. § 3 Abs. 1 LUIG begründet auch keine neue Zweckbestimmung, die dem Löschungsanspruch des Beigeladenen nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 15 Abs. 4 LDSG entgegenstehen könnte. Zwar ist gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 1 LSDG die Nutzung personenbezogener Daten auch für andere als die ursprünglichen Zwecke zulässig, wenn eine Rechtsvorschrift dies vorsieht. § 15 Abs. 4 LSDG schließt aber als Spezialregelung die Anwendung des § 15 Abs. 2 und Abs. 3 LSDG aus (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30.07.2014 – 1 S 1352/13 – a.a.O.).

§ 9 Abs. 1 Satz 1 UIG geht allerdings dem allgemeinen Datenschutzrecht insoweit vor, als die Bestimmung über das Landesdatenschutzgesetz hinausgehend die Übermittlung und Weitergabe von personenbezogenen Daten erlaubt, sofern hieran ein überwiegendes öffentliches Interesse besteht. Entgegen der Auffassung des Antragsstellers sieht der Senat aber kein überwiegendes öffentliches Interesse an der Bekanntgabe im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz UIG gegeben.

Dieses öffentliche Interesse überwiegt nur, wenn mit dem Antrag ein Interesse verfolgt wird, das über das allgemeine Interesse hinausgeht, das bereits jeden Antrag rechtfertigt. Es genügt nicht das allgemeine Interesse der Öffentlichkeit, Zugang zu Informationen über die Umwelt zu erhalten. Anderenfalls überwöge das öffentliche Interesse stets; die Abwägung im Einzelfall wäre entbehrlich (BVerwG, Urteil vom 24.09.2009 – 7 C 2.09 – juris).

Zwar macht der Antragsteller zu Recht geltend, dass für den Anspruch auf Zugang zu Umweltinformationen ein rechtliches Interesse nicht dargelegt werden muss (vgl. § 3 Abs. 1 UIG) und dass er als Repräsentant des öffentlichen Interesses agiert. Im Rahmen der in § 9 Abs. 1 Satz 1 UIG gebotenen Abwägung zwischen dem Bekanntgabeinteresse und dem Geheimhaltungsinteresse ist das öffentliche Informationsinteresse aber gleichwohl zu gewichten. Bei der Gewichtung ist zu berücksichtigen, dass – selbst dann, wenn Umweltinformationen in Rede stehen – der Bezug des Auskunftsersuchens zu den mit der Umweltinformationsrichtlinie verfolgten Zwecken gering ist. Dem Vorbringen des Antragstellers lässt sich entnehmen, dass es ihm in erster Linie um die Aufklärung der Rolle des Beigeladenen bei dem sog. „Schwarzen Donnerstag“ geht, d.h. bei dem Polizeieinsatz zur Räumung des Stuttgarter Schlossparks im Zusammenhang mit den Bauarbeiten für das Projekt Stuttgart 21, während die Umweltinformationsrichtlinie und die zu ihrer Umsetzung erlassenen nationalen Gesetze durch den erweiterten Zugang zu umweltbezogenen Informationen das Umweltbewusstsein schärfen und u.a. durch einen freien Meinungsaustausch letztlich den Umweltschutz verbessern wollen (vgl. etwa Erwägungsgrund 1). Auch in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wird insoweit der Nutzen der Bekanntgabe für den Umweltschutz in die Abwägung eingestellt (BVerwG, Urteil vom 24.09.2009 – 7 C 2.09 – a.a.O.). Demgegenüber kommt dem Geheimhaltungsinteresse des Beigeladenen ein besonderes Gewicht zu, weil die datenschutzrechtlichen Bestimmungen des § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG i.V.m. § 15 Abs. 4 LDSG eine Ausprägung seines Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung sind. Hinzu kommt, dass das Geheimhaltungsinteresse des Betroffenen kein rein privates Interesse ist; vielmehr besteht an der Wahrung des Datenschutzes im Rahmen einer geordneten Datenerhebung und -verwendung sowie am Schutz der Grundrechte auch ein hohes Allgemeininteresse, das zugunsten des Geheimhaltungsinteresses streitet (vgl. Reidt/Schiller a.a.O. § 9 UIG Rn. 1 m.w.N.).

Demgegenüber stehen Grundrechte des Antragstellers nicht in Rede. Soweit er sich auf ein unionsrechtlich geschütztes Informationszugangsrecht beruft, ist dem entgegenzuhalten, dass auch das Unionsrecht diesen Informationszugang nicht unbedingt und uneingeschränkt gewährt. Die Umweltinformationsrichtlinie berechtigt die Mitgliedstaaten vielmehr, die Bekanntgabe von Umweltinformationen zum Schutz der Vertraulichkeit personenbezogener Daten abzulehnen und verpflichtet sie, die Anforderungen der Richtlinie 95/46/EG vom 24.10.1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum Datenverkehr einzuhalten (Art. 4 Abs. 2 Buchst. f), UA 2 und 3 RL 2003/4/EG). Auch das Unionsrecht erkennt somit an, dass datenschutzrechtlichen Belangen im Rahmen einer einzelfallbezogenen Abwägung Vorrang zukommen kann. Der vom Antragsteller in Bezug genommene Art. 42 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 12.12.2007 befasst sich mit dem Zugang zu Dokumenten der Europäischen Union und ist daher im vorliegenden Zusammenhang nicht einschlägig.

Schließlich ist in die Abwägung einzustellen, dass sich das Umweltinformationsgesetz zu der Frage der Rechtmäßigkeit der Datenerhebung und -speicherung nicht verhält, sondern nur die Berechtigung zur Übermittlung der Daten an Dritte betrifft. Insoweit kommt den Bestimmungen des Umweltinformationsgesetzes kein spezialgesetzlicher Vorrang im Sinne von § 2 Abs. 5 Satz1 LDSG vor einem eventuellen Löschungsanspruch zu. Zwar wird eine gewisse Vorwirkung des Zugangsanspruchs einer Person insofern anzunehmen sein, als sich die Behörde dem Informationszugangsanspruch nicht durch Datenlöschung faktisch entziehen darf. Eine solche Fallgestaltung liegt hier aber nicht vor; vielmehr wurde die Behörde zur Löschung rechtlich verpflichtet. Insoweit streitet das öffentliche Interesse an der Umsetzung rechtskräftiger Urteile ebenfalls zugunsten des Geheimhaltungsinteresses des Beigeladenen.

In Bezug auf die vom Antragsteller angeführte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 30.09.2014 – I ZR 490/12 – liegen noch keine Entscheidungsgründe vor. Aus der Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs Nr. 137/2014 wird aber erkennbar, dass die vom Bundesgerichtshof entschiedene Fallkonstellation mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar sein dürfte. Bei den offenbar rechtswidrig erlangten und anschließend von der Presse veröffentlichen E-Mails handelte es sich offensichtlich um eine private Korrespondenz, die nicht den Bindungen des Landesdatenschutzgesetzes bei der Verarbeitung von personenbezogenen Daten durch öffentliche Stellen unterlag (vgl. § 1 LDSG). Im Übrigen ist die Abwägung zwischen dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit, namentlich durch eine hier nicht in Rede stehende Presseberichterstattung, stets eine Frage der konkreten Umstände des jeweiligen Falles.

Entgegen der Ansicht des Antragstellers wird durch die hier vertretene Auffassung das Umweltinformationsrecht nicht vollständig entwertet und auch kein genereller Vorrang des Datenschutzes begründet. Wie ausgeführt, bedarf es vielmehr jeweils der konkreten Feststellung, dass personenbezogene Daten vorliegen, sowie einer einzelfallbezogenen Abwägung des Gewichts der betroffenen Belange, die nach den jeweiligen Umständen ggf. auch zu Gun-sten des Bekanntgabeinteresses ausfallen kann.

Schließlich hat der Hilfsantrag ebenfalls keinen Erfolg. Aus den vorstehenden Gründen besteht auch kein Anspruch des Antragstellers, die Bereitstellung der umstrittenen Dateien durch das Landesarchiv sicherzustellen.

Ist nach alledem ein Anspruch des Beigeladenen auf Zugang zu den umstrittenen Dateien nicht ersichtlich, muss der Umstand, dass ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung voraussichtlich vollendete Tatsachen geschaffen werden, zurücktreten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 63 Abs. 2, § 47, § 53 Abs. 2 und § 52 Abs. 2 GKG. Der Senat sieht davon ab, den Streitwert im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren, weil die Entscheidung in der Hauptsache faktisch vorweggenommen wird (vgl. Nr. 1.5 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013, Sonderbeilage zur VBlBW Januar 2014).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

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