Urteile aus der Kategorie „AGB-Recht“

31. Juli 2023 Top-Urteil

Wie dürfen personenbezogene Daten verarbeitet werden?

Außenfassade des Europäischen Gerichtshof mit Flaggen der Mitgliedsstaaten.
Urteil des EuGH vom 04.07.2023 (Az.: C‑252/21)

Bei einem Verfahren vor dem OLG Hamburg zwischen den "Meta Platforms" und dem Kartellamt über die erlassene Verfügung gegen Meta, die AGB und Nutzungsbedingungen abzuändern, legte das OLG dem EuGH mehrere Vorlagefragen für ein Vorabentscheidungsverfahren vor. Neben weiteren, die Zuständigkeit des Kartellamts betreffenden Fragen, wollte das OLG den Umgang mit personenbezogenen Daten geklärt wissen. Darunter fiel die Frage, ob eine wirksame und vor allem freiwillige Einwilligung in die Nutzung von personenbezogenen Daten bei marktübergreifenden Sozialen-Netzwerken überhaupt möglich ist. Der EuGH urteilte, dass es grundsätzlich möglich ist, eine wirksame, freiwillige Einwilligung abzugeben, dies wird aber an bestimmte Merkmale gebunden, da davon ausgegangen werden kann, dass zwischen den "Meta Platforms" und dem Nutzer ein Ungleichgewicht herrscht. Den Nutzern muss beispielsweise die Möglichkeit gegeben werden, bestimmte Datenverarbeitungsvorgange einzeln zu verbieten. Weiterhin wollte das OLG wissen, ob eine Speicherung der in Art. 9 Abs. 1 DSGVO genannten Daten bei Plattformen, die diese Daten betreffen, über sog. "Facebook-Business-Tools" oder die Einsichtnahme über Cookies oder ähnliche Speicherungsmöglichkeiten bereits als Verarbeitung im Sinne der Norm gesehen werden kann. Art. 9 Abs. 1 DSGVO verbietet grundsätzlich die Verarbeitung der dort genannten personenbezogenen Daten. Diese Frage bejahte der EuGH. Weiterhin bestimmt die DSGVO auch, dass personenbezogene Daten nur verwendet werden dürfen, wenn dies für die Vertragserfüllung notwendig oder zur Wahrung von berechtigtem Interesse ist. Hier fragt das OLG danach, ob sich Meta auf diese Regelung berufen kann, wenn in den AGB und Nutzungsbedingungen geregelt ist, dass für die Nutzung der Meta Plattformen die Verarbeitung dieser Daten notwendig ist. Bezüglich der Notwendigkeit antwortete der EuGH, dass die Verarbeitung der Daten objektiv unerlässlich für die Erfüllung sein muss und nicht lediglich im Vertrag erwähnt sein muss oder bloß nützlich ist. Bezüglich des berechtigten Interesses antwortete der EuGH, dass dies nur gegeben sein kann, wenn der Betreiber angibt, welches Interesse er schützen möchte, wenn die Verarbeitung der Daten nur innerhalb der nötigen Grenzen geschieht und wenn die Interessen des Nutzers am Schutz seiner Grundrechte und Grundfreiheiten das berechtigte Interesse des Betreibers nicht übersteigt.

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31. Juli 2023

Selbstabholung und anschließende Verwertung eines vermieteten Fahrzeugs ist verbotene Eigenmacht

Auto und Autoschlüssel auf Fahrzeugbrief
Urteil des OLG Frankfurt am Main vom 25.05.2023, Az.: 2 U 165/21

Das OLG Frankfurt am Main bestätigte die Annahme des LG Frankfurt am Main vom 14.10.2021, dass es sich bei dem eigenmächtigen Abholen eines vermieteten Fahrzeugs durch den Vermieter infolge des Zahlungsverzugs um verbotene Eigenmacht i.S.d. §§ 858, 862 BGB handelt. Die Beklagte bietet ein sogenanntes „Cash & Drive“-Modell an, bei dem Personen, die sich in finanzieller Notlage befinden und wenig kreditwürdig sind, ihr Auto an das Pfandleihhaus gegen Bargeld verkaufen können und gleichzeitig einen befristeten Mietvertrag zur weiteren Nutzung ihres Fahrzeugs abschließen. Die in den AGB zum Mietvertrag enthaltenen Klauseln sehen vor, dass die Vermieterin dazu berechtigt ist - bei ausbleibender Zahlung oder Ende des Mietverhältnisses - das Fahrzeug eigenmächtig und ohne Ankündigung abholen zu lassen, um es im Anschluss zu verwerten. Diese Bestimmungen sind laut den Gerichten wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam. Die Klägerin kann daher Schadensersatz von der Beklagten aufgrund der Wegnahme des Fahrzeugs sowie Nutzungsentschädigung wegen der Vorenthaltung verlangen.

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07. Juli 2023

Klauseln der AGB der Sparkasse gültig

Urteil des LG Berlin vom 04.12.2018, Az.: 16 O 428/17

Klauseln in der AGB der Sparkasse, wonach Vertragsbestandteile mit Zustimmung des Kunden, oder ausbleibender Ablehnung, nachträglich geändert werden können, sind wirksam. Es handelt sich zwar um AGB, jedoch fallen diese nicht unter die Inhaltskontrolle gemäß der §§ 307. ff. BGB, da diese Vorschriften nur für von Rechtsvorschriften abweichende oder ergänzende Regelungen gelten. Die fraglichen Klauseln aber entsprechen den gesetzlichen Regelungen des § 675 g BGB. Und selbst wenn sie unter die Inhaltskontrolle fallen würden, würden die Klauseln in bestimmten Fällen der Geschäftsbeziehung, wie etwa ein Vertrag über Bankschließfächer, wirksam bleiben, da sie alle Voraussetzungen dafür erfüllen.

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03. Juli 2023

Personalvermittlungsprovisionen liegen im unternehmerischen Risiko des Arbeitgebers

Drei Würfel mit den Buchstaben "AGB" liegen auf einem Vertragswerk; darüber wird eine Lupe gehalten
Pressemitteilung des BAG zum Urteil vom 20.06.2023, Az.: 1 AZR 265/22

Arbeitsvertragsklauseln, die den Arbeitnehmer zur Rückerstattung einer durch den Arbeitgeber gezahlten Vermittlungsprovision verpflichten, wenn dieser das Arbeitsverhältnis vor Ablauf einer konkreten Frist eigenständig kündigt, benachteilige den Arbeitnehmer unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB. Der Arbeitnehmer habe nach Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG ein Recht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes. Rechtfertigende Gründe für eine Einschränkung dieses Rechts im Wege einer solchen Arbeitsvertragsklausel sind nicht ersichtlich. Vielmehr trage der Arbeitgeber das unternehmerische Risiko für kostspielige Personalbeschaffungsmaßnahmen selbst.

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30. Juni 2023

Reservierungsverträge zum gebührenpflichtigen Vorbehalt von Immobilienkäufen müssen der AGB-Kontrolle standhalten

Immobilienzeitung mit Haus im Hintergrund
Urteil des BGH vom 20.04.2023, Az.: I ZR 113/22

Vereinbaren ein Immobilienmakler und ein Kaufinteressent während eines bereits bestehenden Immobilienmaklervertrags einen gebührenpflichtigen und zeitlich begrenzten Reservierungsvertrag, wodurch dem Interessenten eine konkreten Immobilie vorbehalten wird, so stellt dies eine der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle unterliegende Nebenabrede zum Maklervertrag dar. Dies entschied der BGH entgegen vorinstanzlicher Entscheidungen. Ein solcher Vertrag benachteilige den Kunden unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, wenn eine Rückerstattungsmöglichkeit für den Fall, dass der Immobilienkauf scheitert, vollständig ausgeschlossen ist und zudem fraglich bleibt, welche nennenswerte Gegenleistung des Maklers eine solche Gebühr rechtfertigen könnte. Von einer ausreichenden Gegenleistung kann laut BGH nur ausgegangen werden, wenn der Reservierungszeitraum so lange andauert, dass ein anderweitiger Verkauf nach Ablauf der Frist nahezu ausgeschlossen ist.

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16. Januar 2023

Ticketerstattung bei Leistungsstörung durch den Veranstalter

Urteil des LG München I vom 09.06.2021, Az.: 37 O 5667/20

Der Kunde hat bei einer Leistungsstörung nach dem Kauf von Veranstaltungstickets auf dem Weg der Kommission ausschließlich Ansprüche gegen den Veranstalter. Etwaige Klauseln in den AGBs des Händlers, die Vorverkaufsgebühren von der Erstattung ausschließen, sind unwirksam. Diese würden das Durchführungsrisiko unzulässigerweise auf die Seite des Kunden verlegen. Außerdem führt auch das fehlende Ausweisen der Gebühren in den AGBs zu einer Unzulässigkeit der Klausel, da für den Kunden keine Möglichkeit zur Risikoabschätzung gegeben wird. Vergleichbar ist das mit der gesetzlich geregelten „Gutscheinlösung“, wonach auch der gesamte Preis in Form eines Gutscheins erstattet werden muss.

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29. November 2022

AGB-Klausel zur Fernabschaltung unwirksam

Mann in einem Tesla
Urteil des BGH vom 26.10.2022, Az.: XII ZR 89/21

Eine AGB-Klausel, die dem Vermieter einer Autobatterie nach Beendigung des Vertragsverhältnisses die Fernsperrung der Auflademöglichkeit erlaubt, ist wegen unangemessener Benachteiligung des Mieters unwirksam. Durch die Klausel erlangt der Vermieter nämlich Zugriff auf die Batterie und mittelbar auch den Zugriff auf das E-Fahrzeug, das für den Mieter infolge der Batteriesperrung nutzlos wird. Zwar besteht ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Verhinderung der weiteren (Ab-)Nutzung der Mietsache nach Beendigung des Vertragsverhältnisses, dieses rechtfertigt jedoch aufgrund der gesetzlichen Risikoverteilung bei Mietverhältnissen keinen derartigen weiten Eingriff in die Rechtssphäre des Mieters, so der BGH bei seiner Urteilsbegründung.

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18. Juli 2022

EuGH: Wer darf Facebook verklagen?

Würfel mit Paragraphenzeichen und DSGVO Gesetzesbezeichnung auf Tastatur
Urteil des EuGH vom 28.04.2022, Az.: C-319/20

Der EuGH klärte die Frage, ob ein Verband eines Mitgliedstaates der EU Verbraucherinteressen auch vertreten darf, wenn er nicht von einer konkret betroffenen Person dazu aufgefordert wurde. Dabei geht es in erster Linie um den Schutz der Verbraucher bei der Verarbeitung personenbezogener Daten - also Datenschutz. Im vorliegenden Fall hat die Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. gegen Meta Platforms Ireland Limited (Facebook) geklagt, weil die Aufforderung zur Zustimmung personenbezogener Daten bei der Nutzung von Spielen von Drittanbietern auf Facebooks Website, sowie damit einhergehende Zustimmungen zu den AGB´s der Spieleanbieter, eine unlautere Geschäftspraxis darstellten, durch die Verbraucher benachteiligt würden. Der EuGH urteilte, dass der Verband auch dann klagen dürfe, wenn die Möglichkeit besteht, dass eine Person verletzt wurde, ohne dass diese jedoch konkret individualisiert sein muss oder gar den Verband mit der Klage beauftragt wurde. Dies sei insbesondere der Fall, da hierdurch ein stärkerer Verbraucherschutz gewährleistet würde. Potenziellen Datenschutz-Lücken müsse auch dann begegnet werden können, wenn noch niemand konkret diese Verletzung "bemerkt" habe und dann zusätzlich rechtliche Schritte eingeleitet hat. Die Aufgabe der Überprüfung von Datenschutz-Auflagen sollte logischerweise nicht nur den Verbrauchern obliegen, sondern gerade durch dafür vorgesehene Institutionen und Verbände erfolgen können, die über die notwendige Expertise verfügen. Dieser Auffassung folgte auch der EuGH und stellte zudem fest, dass dadurch insbesondere die Daten von Kindern geschützt würden.

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01. Juli 2022 Top-Urteil

Streit um „Pumuckl-Ausstrahlung“ – kein Schadensersatz

Hand hält Fernbedienung vor Fernseher
Urteil des OLG München vom 24.03.2022, Az.: 29 U 2009/20

Die Drehbuchautorin der Serie „Pumuckls Abenteuer“ klagte wegen der wiederholten Fernsehausstrahlung im Jahr 2019 der Folge „Pumuckls neues Heim“ gegen den Bayrischen Rundfunk (BR) auf Schadensersatz in Höhe von EUR 32.722,67. Zwar wurde im Jahr 2002 eine „Buy-Out-Vereinbarung“ zwischen den Parteien geschlossen, wonach dem Beklagten zunächst ein einfaches Nutzungsrecht nach § 31 Abs. 2 UrhG eingeräumt wurde, allerdings wurde dieses einfache Nutzungsrecht durch einen zweiten Vertrag bis zum 31.12.2012 beschränkt, so dass zum Zeitpunkt der Ausstrahlung keine vertragliche Beziehung mehr zwischen der Drehbuchautorin und dem BR bestand. Erstinstanzlich hatte der Beklagte einen Betrag von EUR 3.067,76 anerkannt. Das OLG München schätzte den Schadensersatz für die wiederholte Ausstrahlung mangels eigener Lizenzierungspraxis der Klägerin und feststellbarer branchenüblicher Vergütungssätze ebenfalls auf diesen anerkannten Betrag.

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23. Februar 2022 Top-Urteil

Irreführende Werbeangaben über zusammengesetzte Garantie

Eine Hand hält eine Sprechblase mit der Aufschrift Werberecht
Urteil des OLG Frankfurt vom 11.11.2021, Az.: 6 U 121/21

Die Betreiberin einer Internetplattform, die gewerbliche Verkäufer und Käufer von generalüberholten Elektrogeräten zusammenbringt, warb mit einer Garantie von 36 Monaten. Ein durchschnittlicher Verbraucher erwartet danach eine selbstständige Garantie von 36 Monaten durch die Betreiberin der großen Plattform. Tatsächlich setzt sich diese allerdings aus der gesetzlichen Gewährleistung von 24 Monaten durch den Verkäufer und einer erst im Anschluss daran startenden Garantie von 12 Monaten durch die Plattform selbst zusammen. Das erschwert die Abwicklung bei Mängeln für den Käufer rechtlich und tatsächlich sehr, zumal dieser nun auch das Risiko einer möglichen Insolvenz des kleineren Verkäufers tragen muss. Die Werbung ist somit irreführend, woran auch das Angebot einer „Streitschlichtung“ durch die Plattform-Betreiberin nichts ändert. Das OLG Frankfurt würde die Werbung nur dann als zulässig bewerten, wenn durch einen Sternchenverweis auf nähere Modalitäten hingewiesen werden würde.

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