Vorzeitige Beendigung einer eBay-Auktion

15. Mai 2007
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Eigener Leitsatz:

1. Zwischen dem Anbieter und dem das höchste Gebot abgebenden Käufer bei eBay kommt ein verbindlicher Kaufvertrag auch dann zu Stande, wenn die Auktion vorzeitig beendet wird.

2. Durch ein Verklicken des Verkäufers bei vorzeitiger Beendigung einer eBay-Auktion kann er diese Erklärung nicht gem. § 119 Abs. 1 BGB anfechten, sofern der Anfechungsgegner erklärt hat, dass er die Erklärung gelten lässt, die der Anfechtende auch ohne seinen Irrtum abgegeben hätte. 

3. Kann der Verkäufer den ursprünglichen Kaufgegenstand nicht mehr herausgeben, so kann der Käufer den entgangenen Gewinn als Schadensersatz unmittelbar gegen den Verkäufer geltend machen. Der entgangene Gewinn besteht aus der Differenz zwischen dem eBay-Verkaufspreis und dem Preis, zu dem der Käufer den Kaufgegenstand hätte weiterveräußern können, wenn er den Kaufgegenstand erhalten hätte.

Landgericht Berlin

Urteil vom 15.5.2007

Az.: 31 O 270/05

Sachverhalt:

Der Bekl. führt regelmäßig Versteigerungen unter Pseudonym durch. Am 31.3.2005 stellte der Bekl. bei eBay unter seinem Pseudonym ein Flugzeug der Marke C ein. Das Angebot sollte am 10.4.2005 um 20.00 Uhr enden. Der Startpreis betrug 1,- €.

Die Kl. bot bei der Auktion mit und hatte im Zeitpunkt der Beendigung der Auktion das höchste Gebot i.H.v. 26.560 € abgegeben. Danach erhielten beide Parteien eine Benachrichtigung von eBay, dass die Auktion beendet sei, worin die Kl. nochmals als Käuferin des Flugzeugs bestätigt wurde. Der Bekl. schrieb der Kl. daraufhin, dass diese nicht denken solle, ein Flugzeug zum Spottpreis erworben zu haben, sondern er das Flugzeug noch behalten wolle und deshalb die Auktion vorzeitig beendete. In einem darauf folgenden Telefonat mit dem Ehemann der Kl. teilte der Bekl. mit, dass er das Flugzeug inzwischen anderweitig verkauft habe, der Ehemann bestand jedoch auf Vertragserfüllung. Eine Stunde später rief der Bekl. den Ehemann erneut an und entschuldigte sich. Der Ehemann der Kl. wies den Bekl. nochmals darauf hin, dass ein Vertrag zu Stande gekommen sei.

Schließlich teilte der Bekl. schriftlich mit, dass er sich geirrt habe. Er erklärte, das Flugzeug nicht verkaufen zu wollen und sich lediglich geirrt habe durch die Betätigung des falschen Buttons. Hilfsweise focht er seine Erklärung an. Mit Schreiben v. 22.4.2005 wurde der Bekl. zur Übergabe und Übereignung des Flugzeugs aufgefordert.

Die Kl. behauptet, der Bekl. reue seinen Verkauf, da die C tatsächlich einen Wert von 44.000 € habe. Nur deshalb habe er, der Bekl., die Auktion beendet, da er gemerkt habe, dass die Auktion nicht den von ihm gewünschten Preis erzielen würde. Sie führt weiter aus, dass sie das Flugzeug zu einem Preis von 44.000 € hätte weiterverkaufen können. Durch die Nichtlieferung des Flugzeuges sei ihr deshalb ein Schaden i.H.v. 17.440 € entstanden. Der Bekl. behauptet, er hätte am 9.4. mit seinem weiteren Flugzeug und einem Fluggast zu einem Rundflug starten wollen. Bei dem Startversuch sei jedoch keines der beiden Triebwerke angesprungen, weshalb er dem Gast daher angeboten habe, den Rundflug mit der streitgegenständlichen Maschine zu machen. Nach Einwilligung des Gasts und der Starteinleitung habe er feststellen müssen, dass das Triebwerk nicht genug Leistung für einen Rundflug entwickelt habe und er habe den Start deshalb abbrechen müssen.

Daraufhin habe er den vor Ort befindlichen Luftfahrzeugprüfer gebeten, die Ursache für die ungenügende Leistung des Flugzeugs zu finden und um unverzügliche telefonische Mitteilung der Ursache gebeten. Am Abend habe er dann eine Benachrichtigung erhalten, wonach 4 der 6 Zylinder Druckverluste von unter 40 psi aufgewiesen hätten. Nach Vorgaben des Luftfahrtbundesamts seien Druckverluste von weniger als 60 psi bei Zylinderaggregaten unzulässig, und entsprechende Maschinen würden als nicht lufttüchtig erachtet. Die Untersuchung habe für ihn eine maßgebliche Änderung der Beschaffenheit dargestellt, nachdem er das Flugzeug bei eBay als exzellent und ohne Wartungsrückstände beschrieben hatte. Er habe das Flugzeug seit 2004 nicht mehr geflogen und es damals voll funktionstüchtig in den Hangar eingestellt.

Nachdem ihm der Defekt bekannt geworden sei, habe er sich entschlossen, sein Angebot bei eBay zurückzunehmen und die eingegangenen Gebote zu streichen. Am 10.4. um 8:00 Uhr habe er das Angebot beenden wollen. Dabei habe er versehentlich auf den Button: „den Artikel an den bzw. die Höchstbietenden zu verkaufen und das Angebot beenden“ statt auf den Button: „alle Gebote streichen und das Angebot vorzeitig zu beenden“ geklickt.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

1. Dem Kl. steht gegen den Bekl. zunächst ein Anspruch auf Übergabe und Übereignung des Flugzeugs … gem. § 433 Abs. 1 BGB Zug um Zug gegen Zahlung von 26.500 € zu.

a) Die Parteien haben am 10.4. einen wirksamen Kaufvertrag gem. § 433 BGB geschlossen. Bereits mit Einstellung des Angebots bei eBay durch den Bekl. hat sich dieser den Geschäftsbedingungen des lnternetportals eBay unterworfen. Eines gesonderten Hinweises in seiner Artikelbeschreibung über das Zustandekommen eines Vertrags bedurfte es nicht, da bereits mit Eröffnung eines Anbieterkontos bei eBay den AGB zugestimmt wird.

Indem der Bekl. am 10.4. das Angebot vorzeitig beendete, ist mit der Kl. ein wirksamer Kaufvertrag über das streitgegenständliche Flugzeug zu Stande gekommen zum Preis von im Zeitpunkt des Abbruchs höchsten Gebots i.H.v. 26.560 €.

b) Der Kaufvertrag ist auch nicht durch die Anfechtung des Bekl. unwirksam geworden. Zunächst konnte der Bekl. die Eingabe beim Beenden der Versteigerung wegen Erklärungsirrtum gem. § 119 Abs. 1 Fall 2 BGB anfechten. „Verklickt“ sich der Anfechtende bei Abgabe einer elektronischen Willenserklärung mit der Maustaste, so handelt es sich um einen Erklärungsirrtum gem. § 119 Abs. 1 Fall 2 BGB (AG Bad Homburg NJW-RR 2002, 1282). Der Bekl. hat hinreichend vorgetragen, dass er sich in einem Irrtum befand. Nach den vorgetragenen Umständen war das Anklicken der Option „Auktion sofort zum Höchstgebot beenden“ sinnlos und unverständlich. Der Bekl. wollte das Flugzeug – gleich aus welchen Gründen – zu diesem Zeitpunkt nicht verkaufen bzw. versteigern (z.B. um es weiter zu nutzen oder weil Sachmängel vorlagen). Aus seiner Sicht konnte nur ein Anklicken der Beendigung der Auktion insgesamt sinnvoll und nachvollziehbar sein. Als empfangsbedürftige und formfreie Willenserklärung war die Anfechtungserklärung per Mail möglich und wirksam. Ebenso erfolgte sie ohne schuldhaftes Zögern und somit unverzüglich, da der Bekl. unter Angabe des Anfechtungsgrunds – des Verklickens – anfocht, nachdem er seinen Irrtum bemerkte. Trotz grds. wirksamer Anfechtung muss sich der Bekl. jedoch aus Gründen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes am Vertrag festhalten lassen. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn sich der Anfechtungsgegner bereit erklärt, die Erklärung gelten zu lassen, die der Anfechtende ohne seinen Irrtum abgegeben hätte (Larenz/Wolff, Allg. Teil des bürgerlichen Rechts, 9. Aufl., § 36, S. 680). Grundsätzlich soll das Anfechtungsrecht kein verstecktes Reurecht gewähren (MüKo-Kramer, BGB, 4. Aufl., Rdnr. 115 zu § 119 BGB). Wird die Anfechtung zugelassen, obwohl der Anfechtungsgegner den Anfechtenden an seiner ursprünglich gewollten Erklärung festhalten will, besteht eine große Gefahr für die Rechtssicherheit. Dem Anfechtenden würde auf der Grundlage seiner Behauptung, er habe sich versprochen, verschrieben, vergriffen oder verklickt, deren Darlegung und Beweis in der Regel leicht gelingt, die Loslösung sowohl von dem Erklärten als auch von dem Gewollten ermöglicht. Nach der h.L. soll der Anfechtende daher an seinem wirklichen Willen festgehalten werden. Der Anfechtende verhält sich rechtsmissbräuchlich, wenn er den Vertrag nicht mit dem von ihm gewollten Inhalt gelten lassen lässt. Der Bekl. wollte nach seinem Vorbringen statt auf den Button: „den Artikel an den bzw. die Höchstbietenden zu verkaufen und das Angebot beenden“ auf den Button: „alle Gebote streichen und das Angebot vorzeitig beenden“ klicken. I.E. führt aber diese vom Bekl. gewollte Erklärung nicht dazu, dass ein Kaufvertrag nicht zu Stande gekommen ist.

Das Angebot des Bekl. als Versteigerer war verbindlich und nicht widerruflich. Das folgt aus § 9 Ziff. 1 der AGB von eBay; dort wird die gesetzlich (§ 130 Abs. 1 Satz 2 BGB) vorgesehene Möglichkeit des vorherigen oder gleichzeitigen Widerrufs der Willenserklärung ausgeschlossen. Die Besonderheiten von Internetauktionen erfordern die Unwiderruflichkeit der Vertragsangebote; der Bieter wäre der Willkür des Anbieters ausgesetzt, wenn dieser es sich jederzeit überlegen könnte, ob er ein Angebot gelten lassen will oder nicht (vgl. KG NJW 2005, 1053 [= MMR 2005, 709]; LG Berlin NJW 2004, 2831 f.). Auch die eBay-Grundsätze für das vorzeitige Beenden von Angeboten und das Streichen von Geboten, auf die sich der Bekl. beruft, betonen ausdrücklich, dass alle bei eBay eingestellten Artikel grds. verbindliche Angebote sind und dass nur in Ausnahmefällen eine Auktion vorzeitig beendet werden darf.

Hätte der Bekl. die Internetauktion durch „richtiges“ Klicken unter Berufung auf die eBay-Grundsätze vorzeitig beendet und die bis dahin abgegebenen Gebote gestrichen, hätte dies die Wirksamkeit seines zuvor abgegebenen Angebots nicht berührt (vgl. KG und LG Berlin, a.a.O.; LG Coburg MMR 2005, 330 f.). Die eBay-Grundsätze nennen als Gründe für eine vorzeitige Beendigung einen Irrtum über die Beschaffenheit des Artikels oder die zwischenzeitliche Veränderung der Beschaffenheit. Damit soll indes keine zusätzliche Handhabe geschaffen werden, sich auf rechtlich nicht ohne weiteres einzuordnende Art und Weise von der Willenserklärung zu lösen. Nach der gesetzlichen Regelung kann der Erklärende eine verbindliche oder nicht (mehr) widerrufliche Willenserklärung (§ 130 Abs. 1 Satz 2 BGB) nur im Wege der Anfechtung wieder beseitigen. Diesen Grundsatz bestätigt § 9 Nr. 3 der AGB von eBay, indem dort festgelegt wird, dass bei vorzeitiger Beendigung der Onlineauktion – was nur auf der Grundlage der genannten eBay-Grundsätze geschehen kann – der Vertrag mit dem zu diesem Zeitpunkt Höchstbietenden zu Stande kommt. Die in den eBay-Grundsätzen aufgeführten Gründe für das vorzeitige Beenden von Angeboten bzw. das Streichen von Geboten, nämlich der Irrtum über die Beschaffenheit der Kaufsache oder deren zwischenzeitliche Veränderung, nehmen ausdrücklich auf die Irrtumsanfechtung des § 119 BGB Bezug. Der Anbieter kann zwar auf Grund der eBay-Grundsätze tatsächlich die Onlineauktion vorzeitig beenden; am Bestand der von ihm abgegebenen Willenserklärung ändert diese Maßnahme allein jedoch nichts, wenn er nicht gleichzeitig über einen Anfechtungsgrund verfügt und nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen die Anfechtung erklärt.

Doch auch über einen entsprechenden Anfechtungsgrund verfügt der Bekl. nicht und hat die Anfechtung auch nicht erklärt. In Betracht kommen würden lediglich die infolge des Druckverlusts defekten Zylinder des streitgegenständlichen Flugzeugs. Dies wäre jedoch auch kein zulässiger Anfechtungsgrund i.S.d. § 119 Abs. 2 BGB. Nur vorübergehende Erscheinungen wie ein unschwer durch Reparatur zu behebender Druckverlust des Zylinders sind keine verkehrswesentlichen Eigenschaften einer Sache. Zudem würde hier dann auch der Vorrang der Mängelhaftung eingreifen; das Anfechtungsrecht des Verkäufers ist in solchen Fällen ausgeschlossen, weil er sich sonst seiner Mängelhaftung entziehen könnte (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl. 2007, § 119 Rdnr. 28).

Der Bekl. ist somit grds. zur Herausgabe des Flugzeugs, Zug um Zug gegen Zahlung des Kaufpreises i.H.v. [euro ] 26.560 verpflichtet.

2. Auf die Hilfsanträge der Kl. war dem Bekl. gem. § 255 ZPO eine Frist zur Erfüllung zu setzen und er für den Fall der Nichterfüllung zum Schadensersatz zu verurteilen. Der Einwand des Bekl., zur Herausgabe des Flugzeugs wegen des zwischenzeitlichen Weiterverkaufs an einen Herrn L nicht mehr in der Lage zu sein, ist unerheblich. Zwar kann nach der Schuldrechtsreform der Unmöglichkeitseinwand nicht mehr mit dem Rechtsgedanken des § 283 a.F. BGB verneint werden (ehemals grundlegend RGZ 54, 28 ff.), da diese Ansicht durch die neue Fassung des Schuldrechts als überholt angesehen wird (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl., Rdnr. 34 zu § 275 BGB m.W.Nw.). Der Bekl. hat jedoch die Unmöglichkeit allein mit dem behaupteten Weiterverkauf nicht ausreichend dargetan. Handelt es sich bei der behaupteten unmöglichen Leistung um eine solche, die der Schuldner bei Mitwirkung eines Dritten erbringen könnte, muss er auch darlegen und beweisen, dass der Dritte die erforderliche Mitwirkung verweigert oder von grob unverhältnismäßigen Forderungen abhängig macht (vgl. Palandt/Heinrichs, a.a.O.). Der Bekl. hat nicht dargelegt, dass der Käufer L nicht zu einem erneuten Verkauf an ihn, den Bekl., bereit ist bzw. diesen Verkauf von unverhältnismäßigen Forderungen abhängig gemacht hat.

Sofern der Bekl. nicht innerhalb der gesetzten Frist das Flugzeug übereignet, hat er der Kl. Schadenersatz gem. §§ 283, 280 Abs. 1 BGB zu leisten. Der Bekl. hat dann seine Hauptleistungspflicht aus dem Kaufvertrag gem. § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB, das Flugzeug zu übergeben und zu übereignen, nicht erfüllt.

Der Kl. ist infolge der Nichterfüllung des Kaufvertrags ein Schaden i.H.v. 17.440 € wegen entgangenen Gewinns entstanden. Sie hätte das Flugzeug für 44.000 € weiterveräußern können und an den Bekl. lediglich 26.560 € als Kaufpreis zu zahlen gehabt. Die Kl. hat schlüssig und substanziiert vorgetragen, woraus sich ihr Schaden ergibt. An diesen Vortrag sind keine zu strengen Anforderungen zu stellen. Es genügt, wenn Ausgangs- und Anknüpfungstatsachen vorgetragen werden. Es müssen nur die Umstände dargelegt und i.R.d. § 287 ZPO bewiesen werden, aus denen sich nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge oder den besonderen Umständen des Falls die Wahrscheinlichkeit des Gewinneintritts ergibt (Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl. 2007, § 252 Rdnr. 5). Nach der freien Überzeugung des Gerichts wurde der Klägervortrag durch die Zeugenaussage des Herrn J bewiesen.

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