Schadensersatzanspruch wegen unterbrochenem Telefonanschluss

02. August 2010
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Eigener Leitsatz:

Ist aufgrund eines Fehlers des Telekommunikationsanbieter der Telefonanschluss unterbrochen worden und auch sonst kein Telefonanschluss verfügbar, so steht einem Rechtsanwalt ein Anspruch auf Schadensersatz zu. Da die Kontaktaufnahme zu einem Rechtsanwalt in der Regel telefonisch erfolgt, ist davon auszugehen, dass dem Rechtsanwalt hierdurch ein Schaden entstanden ist. Wird die telefonische Erreichbarkeit dann infolge eine Notschaltung wiederhergestellt, ist ab diesem Zeitpunkt jedoch die Wahrscheinlichkeit eines Vermögenschadens zu verneinen.

Oberlandesgericht Köln

Beschluss vom 04.06.2010

Az.: 1 W 8/10

Tenor:     

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers vom 9. März 2010 wird der Beschluss des Landgerichts Köln vom 10. Februar 2010 – 20 O 266/09 – unter Zurückweisung des weitergehen-den Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinan-der aufgehoben.

Gründe
   
Die gemäß §§ 91a Abs. 2, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde des Klägers hat in der Sache teilweise Erfolg. Das Landgericht hat zu Unrecht dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits insgesamt auferlegt.
   
Der Auffassung des Landgerichts, wonach die vom Kläger erhobene Feststellungsklage von Anfang an wegen des fehlenden Feststellungsinteresses unzulässig gewesen ist, ist nach Ansicht des Senats nicht zu folgen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt, sofern lediglich reine Vermögensschäden in Rede stehen, das für die Zulässigkeit einer Feststellungsklage erforderliche rechtliche Interesse vor, wenn der Eintritt eines Schadens aufgrund der behaupteten Verletzungshandlung zumindest wahrscheinlich ist (vgl. BGH NJW 2006, 830 m. w. N.). Bei der Verletzung eines absoluten Rechtsguts genügt dagegen bereits die Möglichkeit eines Schadenseintritts, um das Feststellungsinteresse zu bejahen (vgl. BGH MDR 2007, 792; NJW 2001, 1432; NJW-RR 1988, 445). Anders, als der Kläger meint, stellt die zeitweilige Unterbrechung des Telefon- und Telefaxanschlusses seiner Kanzlei im Zeitraum vom 20. März bis zum 24. März 2009 keinen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und damit die Verletzung eines nach § 823 Abs. 1 BGB absolut geschützten Rechtsguts dar, weil es an der Betriebsbezogenheit des Eingriffs fehlt (vgl. BGH NJW 1983, 812; 1983, 2313; OLG Oldenburg VersR 1975, 866).

Die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts und damit das rechtliche Interesse an der vom Kläger begehrten Feststellung kann jedoch nicht mit der Begründung verneint werden, dass sich im Nachhinein erwiesen habe, dass dem Kläger tatsächlich kein Schaden entstanden sei. Diese vom Landgericht gezogene Schlussfolgerung ist nach Auffassung des Senats nicht haltbar. Die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts aufgrund der behaupteten Vertragsverletzung der Beklagten folgt hier, worauf der Kläger zutreffend hinweist, bereits daraus, dass der Kläger infolge der Unterbrechung des Telefonanschlusses Mandatsaufträge nicht entgegennehmen konnte, die ihm möglicherweise per Telefon oder Telefax erteilt worden wären, und ihm hierdurch Einkünfte entgangen sind. Nach Auffassung des Senats ist zur Darlegung des rechtlichen Interesses in Form der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts in diesem Fall nicht zu verlangen, dass der Rechtsanwalt darlegt und beweist, in welchem Umfang mit Mandatsaufträgen in dem fraglichen Zeitraum üblicherweise zu rechnen gewesen ist, oder er darlegt, dass er aufgrund konkreter Umstände mit der Übertragung eines Mandats rechnen durfte. Da die Kontaktaufnahme zu einem Rechtsanwalt in der Regel oder zumindest in einem Großteil der Fälle telefonisch erfolgt, ist die Beeinträchtigung des Telefonanschlusses einer Rechtsanwaltskanzlei grundsätzlich geeignet, einen Verdienstausfall des Rechtsanwalts nach sich zu ziehen, weil dieser an der Entgegennahme von Mandatsaufträgen gehindert ist. Von dem Verlust von Mandaten kann mit der für die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts zu fordernden Sicherheit jedenfalls dann ausgegangen werden, wenn der Rechtsanwalt seine Kanzlei mit voller Arbeitskraft betreibt. Ob sich letztlich die Gefahr eines Schadenseintritts konkretisiert oder nicht, ist für die Zulässigkeit der Feststellungsklage unerheblich.

Dem Kläger stand nach dem bisherigen Sach- und Streitstand allerdings dem Grunde nach lediglich ein Schadenersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1 BGB wegen der von der Beklagten zu vertretenden Unterbrechung des Kanzleianschlusses des Klägers im Zeitraum vom 23./24 März 2009 zu.
   
Die Beklagte kann sich allerdings nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sie eine Bereitstellung des Anschlusses dem Kläger erst für den Zeitraum ab Juni 2009 verbindlich bestätigt hatte. Die Beklagte hatte vielmehr mit Schreiben vom 20. März 2009 dem Kläger die Bereitstellung des Anschlusses für den 23. März 2009 zugesagt. An dieser Erklärung muss sie sich festhalten lassen. Unstreitig wurde die telefonische Erreichbarkeit der Kanzlei des Klägers erst am 24. März 2009 durch eine Notschaltung wiederhergestellt. Die Beklagte hat die verspätete Zurverfügungstellung des Telefonanschlusses auch zu vertreten. Anhaltspunkte dafür, dass die Freischaltung des Anschlusses aus von ihr nicht zu vertretenden Gründen unterblieben ist, hat die insoweit gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB darlegungs- und beweisbelastete Beklagte nicht vorgetragen.

Der Kläger kann dagegen einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte nicht zusätzlich auf die fehlende Bereitstellung des Anschlusses durch die Beklagte ab dem 20. März 2009 stützen. Der Kläger ist insoweit dem Vorbringen der Beklagten im Schriftsatz vom 17. Juli 2009, wonach die Beklagte die Portierung und Freischaltung des Anschlusses am 20. März 2009 ohne eigenes Verschulden nicht mehr habe vornehmen können, weil ihr die Portierung durch den vorigen Telefonanbieter nicht rechtzeitig angezeigt worden sei und sie die für die Portierung notwendigen formellen Voraussetzungen für eine Freischaltung am 20. März 2009 nicht mehr habe herbeiführen können, nicht substantiiert entgegengetreten.

Für den Zeitraum vom 24. März bis zum 8. April 2009 vermag der Senat mit dem Landgericht die Wahrscheinlichkeit eines Vermögensschadens des Klägers infolge entgangener Mandatsaufträge ebenfalls nicht zu bejahen. Denn die für den Kanzleibetrieb und die Entgegennahme von Aufträgen wesentliche telefonische Erreichbarkeit der Rechtsanwaltskanzlei des Klägers war jedenfalls ab der von der Beklagten am 24. März 2009 eingerichteten Notschaltung wiederhergestellt. Dass es in der Folgezeit zu Ausfällen der Telefonanlage während eines Zeitraums gekommen ist, der aufgrund seines zeitlichen Umfangs geeignet war, einen Gewinnausfall herbeizuführen, hat der Kläger nicht hinreichend dargelegt.

Nach dem bisherigen Sach- und Streitstand sowie unter Berücksichtigung der Unsicherheit der Schadensentwicklung innerhalb des der Feststellungsklage zugrundeliegenden Zeitraums bis zur endgültigen Freischaltung des Telefonanschlusses am 8. April 2009 erscheint dem Senat eine Kostenaufhebung auch nach billigem Ermessen sachgerecht. Die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts wird durch die Dauer der Anschlussunterbrechung nicht in einem solchen Maße erhöht, dass eine Kostenquotelung entsprechend des Umfangs der von der Beklagten zu vertretenden Anschlussunterbrechung geboten gewesen wäre.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 2 ZPO.
   
Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren: bis 3.000,00 €.

 

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