Streaming stellt keinen Verstoß gegen das Urheberrecht dar

20. Januar 2015
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Vater und Sohn sitzen vor einem Laptop und essen Popcorn. Urteil des AG Potsdam vom 09.04.2014,Az.: 20 C 423/13

Streaming ist keine rechtswidrige Vervielfältigung im Sinne des §16 UrhG. Vielmehr handelt es sich dabei um eine legale vorübergehende Vervielfältigung nach § 44 a Nr. 2 UrhG, deren einziger Zweck in der Sicherstellung der Übertragung liegt und die nach Herunterfahren des Computers ohnehin gelöscht wird. Solange keine Sicherungskopie der gestreamten Datei auf der Festplatte des Benutzers verbleibt, ist kein Urheberrechtsverstoß anzunehmen. Eine „eigene wirtschaftliche Bedeutung“, wie es § 44 a Nr. 2 UrhG verlangt, liegt bei einer vorübergehenden Speicherung gerade nicht vor.

Amtsgericht Potsdam

Urteil vom 09.04.2014

Az.: 20 C 423/13

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte keinen Anspruch gegenüber dem Kläger darauf hat,

a) dass dieser es zu unterlassen hat, das urheberrechtlich geschützte Werk „…“ oder Teile hiervon im Rahmen von Streaming im Internet zu vervielfältigen oder vervielfältigen zu lassen.

b) dass dieser verpflichtet ist, die Kosten i.H.v. 250,00 € zu tragen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert wird auf 1.080,50 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen Unterlassungs- und Schadenersatzansprüche, die die Beklagte durch ihre Prozessbevollmächtigten gegen ihn geltend macht. Die Beklagtenvertreter nehmen zur Zeit bundesweit über 10.000 Anschlussinhaber in Anspruch, weil über ihren Internetanschluss urheberrechtlich geschützte (Porno-)Filme angesehen worden seien. Der Kläger verfügt über einen Internetanschluss, den aber nicht er nutzte, sondern nur sein Sohn, Dr. … nutzt. Die Beklagte erwirkte einen Beschluss des Landgerichts Köln vom 12. August 2013, Geschäfts-Nr.: 226 O 87/13, wonach die Deutsche Telekom AG der Beklagten Auskunft darüber zu erteilen hatte, wessen Internetanschluss zu einem bestimmten Zeitpunkt einer bestimmten IP-Adresse zugeordnet war; in dem Beschluss heißt es unter anderem:

„Die Antragstellerseite ist aktivlegitimiert, weil sie Inhaberin des Urheberrechts bzw. eines anderen nach dem UrhG geschützten Rechts an dem Werk bzw. an den Werken „…“ ist.

Durch das unbefugte öffentliche Zugänglichmachen des geschützten Werks zu den aus der Anlage ersichtlichen Zeitpunkten über eine sog. Tauschbörse liegt zudem eine Rechtsverletzung i.S:v. § 19 a UrhG vor…“

Mit Schreiben vom 5. Dezember 2013 mahnten die Rechtsanwälte der Beklagten den Kläger im Auftrag der Beklagten dahin ab, er habe am 10. August 2013 eine Urheberrechtsverletzung begangen, weil er damals auf der Internetseite „…“ den (Porno-)Film „…“ im Wege des Streamens angesehen habe, wie die Ermittlungsfirma der Beklagten, die die IP-Adresse mit „79.226.79.38“ festgestellt habe, ermittelt habe; er solle deshalb bis 13. Dezember 2013 eine Unterlassungserklärung abgeben (Wert: 1.080,50 €) und 250,00 € Rechtsanwaltskosten als Schadenersatz zahlen. Am Ende des Schreibens hieß es: „Höchst vorsorglich weisen wir Sie nochmals darauf hin, dass bei fruchtlosem Fristablauf weitaus höhere Gebühren anfallen werden und unsere Mandantschaft sich das Recht vorbehält, gegen Sie eine einstweilige Verfügung zu beantragen.“ Die IP-Adresse war nicht dem Kläger zugewiesen, von dessen Internetanschluss das „…“-Portal auch nicht angeklickt worden war. Die Beklagte war auch nicht Inhaber der Rechte für den Film „…“, der nicht existiert. Das Landgericht Köln beabsichtigt, die Gestattungsanordnung vom 12. August 2013 aufzuheben, weil sie rechtswidrig ergangen sei.

Der Kläger ist der Auffassung, bereits daraus ergebe sich ein Beweisverwertungsverbot. Durch Ansehen eines Films im Wege des Streaming komme es auch nicht zu einer Urheberrechtsverletzung, da die dadurch bedingten Vervielfältigungen im Sinne von § 16 UrhG durch die Schranke des § 44a Nr. 2 UrhG gedeckt seien. Es komme hier nur zu einer vorübergehenden Speicherung, nämlich nur bis zum Programmabbruch bzw. zum Herunterfahren des Computers. Es handele sich um eine flüchtige oder begleitende Speicherung, die wesentlicher Teil eines technischen Verfahren sei und deren alleiniger Zweck eine rechtmäßige Nutzung sei, da, so der Europäische Gerichtshof, der bloße Werkgenuss rechtmäßig sei. Eine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung komme der Zwischenspeicherung nicht zu. Es greife jedenfalls die Schranke des § 53 UrhG.

Der Kläger beantragt,

festzustellen, dass die Beklagte keinen Anspruch gegenüber dem Kläger darauf hat,

a) dass dieser es zu unterlassen hat, das urheberrechtlich geschützte Werk „…“ oder Teile hiervon im Rahmen von Streaming im Internet zu vervielfältigen oder vervielfältigen zu lassen.

b) dass dieser verpflichtet ist, die Kosten in Höhe von 250,00 € zu tragen.

Für die ordnungsgemäß geladene Beklagte ist im Termin am 9. April 2014 niemand erschienen.

Der Kläger beantragt,

den Erlass des Versäumnisurteils.

Die Beklagte meint, ein Beweisverwertungsverbot greife hier selbst dann nicht, wenn die Datenerlangung rechtswidrig gewesen wäre. Im Fall des hier gegebenen On-Demand-Streaming habe der Zuschauer die volle Steuerung über das Werk und den Zeitpunkt des Anschauens, es gebe hier also Gemeinsamkeiten mit dem Filesharing, da Daten auf dem Rechner des Zuschauers hinterlegt würden, wodurch § 16 UrhG verletzt sei. Eine Vervielfältigung habe hier stattgefunden, nämlich eine Speicherung, da die einzelnen Teile des Films in der richtigen Reihenfolge im Endgerät vorhanden gewesen seien. Für den Fall vollständiger Filme, wie hier bei „…“ angesehen greife für die Privilegierung nach § 53 UrhG nicht, da es sich hier um einen offensichtlich rechtswidrig eingestellten Inhalt gehandelt habe. § 44a Nr. 2 UrhG greife ebenfalls nicht, da die Zwischenspeicherung eine eigenständige Nutzungsmöglichkeit durch Vor- und Zurückspulen bzw. durch dauerhafte Speicherung durch Umbenennung der Datei biete. Eine rechtswidrige Nutzung sei durch die Vorschrift nicht abgedeckt, es werde nur die erforderliche Hilfsspeicherung erfasst.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist als negative Feststellungsklage zulässig. Dem Kläger steht ein Interesse auf Feststellung, § 256 Abs. 1 ZPO, dahin zu, dass die Beklagte keine Ansprüche gegen ihn hat, nachdem sie ihm mit einer kurzen, einwöchigen Frist abgemahnt und weitere Schritte – eine einstweilige Verfügung – angedroht hat.

Die Klage ist auch begründet. Es war hier, da durch Versäumnisurteil entschieden wird, gemäß § 331 Abs. 1 ZPO nur von dem tatsächlichen Vorbringen des Klägers auszugehen. Ein Anspruch auf Unterlassung, § 97 Abs. 1 UrhG, bzw. auf Schadenersatz, § 97 Abs. 2 UrhG, steht der Beklagten danach schon deshalb nicht zu, weil jedenfalls der Kläger nicht die „…“-Seite angeklickt und den Film „…“ – der nach dem Vorbringen des Klägers gar nicht erst existiert -, nicht angesehen hat und, wie gemäß § 331 Abs. 1 ZPO ebenfalls als zugestanden anzusehen, die Beklagte seinen Internetanschluß auch nicht (ordnungsgemäß) ermittelt hat, was sie im Übrigen auch nicht substantiiert und nur ohne Beweisantritt vorträgt. Vor diesem Hintergrund kann zur Zeit dahinstehen, dass das Gericht das „Streaming“ nicht als rechtswidrige Vervielfältigung im Sinne von § 16 UrhG ansieht, da es sich dabei im Sinne von § 44a Nr. 2 UrhG um eine jedenfalls vorübergehende Vervielfältigung handelt, solange die Beklagte nicht vorträgt und beweist, der Kläger habe eine Sicherungskopie der gestreamten Datei auf seiner Festplatte gespeichert, es sich um eine flüchtige oder begleitende Vervielfältigung handelte, die spätestens beim Herunterfahren des Computers gelöscht wird, die wesentlicher Teil des technischen Verfahrens „Streaming“ ist, dessen alleiniger Zweck es ist, eine rechtmäßige Übertragung zu ermöglichen, wobei es dem Europäischen Gerichtshof zufolge hier allein auf die Rechtmäßigkeit der durch die Vervielfältigung ermöglichten Wiedergabe ankommt. Eine „eigene wirtschaftliche Bedeutung“, das heißt, einen Vorteil, der sich nicht schon aus der Nutzung des geschützten Werkes ergibt, bietet die vorübergehende Speicherung ohnehin nicht (siehe dazu insgesamt etwa Dreyer, in: Dreyer/Kotthoff UrhR, 3. Aufl., § 44a Rn. 3-16; Dreier, in: Dreier/Schulze, UrhG., 4. Aufl. § 44a Rn. 4, 8 und 9; Stieper, in: MMR 2012, 12).

Der Streitwert war, § 3 ZPO mit 1080,50 €, dem Wert, den die Beklagte dem geltend gemachten Recht in ihrer Abmahnung beigemessen hat, festzusetzen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 2 ZPO.

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