Störerhaftung für Urheberrechtsverletzungen von Dritten

17. März 2010
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Eigener Leitsatz:

Ein Webhoster-Betreiber, über dessen Internetseite u. a. Filme öffentlich zugänglich gemacht werden, haftet auch für Urheberrechtsverletzungen von Dritten als Mitstörer. Um weitere Rechtsverletzungen zu vermeiden, muss der Webhoster genau darlegen, welche Sicherheitsmaßnahmen hierfür künftig ergriffen werden sollen. Das bloße Anführen eines Films auf einer sog. Blacklist genügt hierfür jedoch nicht.

Landgericht Hamburg

Beschluss vom 10.12.2009

Az.: 308 O 667/09

Tenor

I. Im Wege einer einstweiligen Verfügung – der Dringlichkeit wegen ohne mündliche Verhandlung – wird der Antragsgegnerin bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens EUR 250.000,00; Ordnungshaft höchstens zwei Jahre)

v e r b o t e n ,

in der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen des Online-Dienstes www. r….com den Film „Der Vorleser“ (englisch: „The Reader“) öffentlich zugänglich zu machen.

II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens nach einem Streitwert von 25.000,00 EUR zu tragen.

Gründe

Der auf Antrag der Antragstellerin ergangenen Entscheidung liegen prozessual die Regelungen der §§ 935 ff., 938, 922 Zivilprozessordnung (ZPO) zugrunde, wobei die Zuständigkeit des Gerichts aus Art. 5 Nr. 3 EuGVVO i.V.m. § 32 ZPO folgt.

I.

Das Landgericht Hamburg ist zuständig. Die internationale Entscheidungszuständigkeit folgt aus Art. 5 Nr. 3 EuGVVO. Denn Gegenstand des Verfahrens ist ein deliktisches Verhalten der Antragsgegnerin in Form einer Verletzung von urheberrechtlich geschützten Nutzungsrechten in der Bundesrepublik Deutschland. Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Hamburg folgt aus § 32 ZPO.

II.

Der – verschuldensunabhängige – Verbots- bzw. Unterlassungsanspruch folgt aus den §§ 97, 94, 19a Urheberrechtsgesetz (UrhG), die Androhung der Ordnungsmittel aus § 890 ZPO.

1. Die Antragstellerin hat das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen des tenorierten aus § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG folgenden Unterlassungsanspruchs gegen die Antragsgegnerin dargelegt und glaubhaft gemacht.

2. Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass ihr die ausschließlichen Nutzungsrechte des Filmherstellers gemäß § 94 UrhG an dem streitgegenständlichen Film, wie sie im Tenor zu Ziff. I. benannt ist, zustehen.

3. Es ist weiter (durch eidesstattliche Versicherungen des Rechtsanwalts RA S. vom 04.12.2009) glaubhaft gemacht worden, dass am 27.11.2009 sowie am 30.11.2009 Dateien mit dem streitgegenständlichen Film über die Website www. r….com heruntergeladen und angesehen werden konnten. Da diese Nutzung des öffentlichen Zugänglichmachens gemäß § 94 UrhG ausschließlich der Antragstellerin vorbehalten und ohne deren Einverständnis erfolgt ist, war sie widerrechtlich.

4. Die Antragsgegnerin hat als Störerin für diese Rechtsverletzungen einzustehen. Die Kammer schließt sich insoweit den Ausführungen im Urteil des LG Hamburg vom 12.06.2009, Az.: 310 O 93/08 (BeckRS 2009 20149), an, in dem es u.a. heißt:

        „Als Störer haftet in analoger Anwendung der §§ 823, 1004 Abs. 1 BGB derjenige auf Unterlassung, der – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung eines geschützten Gutes beiträgt (vgl. nur BGH GRUR 2007, 708, 711 – Internet-Versteigerung II; BGH GRUR 2004, 860, 864 – Internetversteigerung I). Weil die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die nicht selbst die rechtswidrige Beeinträchtigung vorgenommen haben, setzt die Haftung des Störers die Verletzung von Prüfungspflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich grundsätzlich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (vgl. BGH GRUR 2007, 708, 711 – Internet-Versteigerung II; BGH GRUR 2004, 860, 864 – Internetversteigerung I; jeweils m. w. N.). Eine erhöhte Prüfungspflicht besteht jedenfalls dann, wenn das Unternehmen vom Rechtsinhaber auf eine klare Rechtsverletzung hingewiesen worden ist. Dann muss nicht nur der Zugang zu der konkreten Datei unverzüglich gesperrt (§ 10 S. 1 Nr. 2 TMG bzw. § 11 S. 1 Nr. 2 TDG), sondern darüber hinaus Vorsorge getroffen werden, dass es möglichst nicht zu weiteren derartigen Rechtsverletzungen kommt (vgl. BGH, GRUR 2007, 708, 712 – Internetversteigerung II; OLG Köln, ZUM 2007, 927ff, RZ 13 – zitiert nach juris; zum Wettbewerbsrecht: BGH NJW 2008, 758, 762 – jugendgefährdende Medien bei X).

        Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe sind die Beklagten für die festgestellten Rechtsverletzungen verantwortlich:

        Die Beklagten haben willentlich kausal zur Verletzung des geschützten Rechtsgutes beigetragen. Als solcher Beitrag kann auch die Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten genügen, sofern der in Anspruch genommene die rechtliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte (vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 14.01.2009, Az. 5 U 113/07, Rz. 81 – Usenet I, zitiert nach juris). Vorliegend hat die Beklagte zu 1 mit dem Dienst r…share eine Plattform zur Verfügung gestellt, über die die Musikwerke widerrechtlich öffentlich zugänglich gemacht werden können…“

Die Antragsgegnerin hat hier aufgrund Schreibens der Antragstellerin vom 27.11.2009 Kenntnis davon, dass die streitgegenständlichen Musikaufnahmen über ihren Dienst heruntergeladen werden konnten. Die Antragstellerin hat weiter (durch eidesstattliche Versicherung des Rechtsanwalts RA S. vom 04.12.2009) glaubhaft gemacht, dass der Film auch am 30.11.2009 – unter anderen URL – abrufbar war. Das begründet die Haftung der Antragsgegnerin. Es reicht nicht aus, nur die ihr von der Antragstellerin mitgeteilten URL zu löschen. Denn hierdurch wird nur verhindert, dass die identische Datei nicht mehr aufgerufen werden kann, nicht aber, dass der Film erneut öffentlich zugänglich gemacht wird. Die Antragsgegnerin hätte daher besondere Vorsorge treffen müssen, um weitere Rechtsverletzungen möglichst zu verhindern (vgl. dazu: OLG Hamburg NJOZ 2008, 4927, 4942ff – r…; LG Hamburg aaO). Die Antragsgegnerin hat Gelegenheit gehabt, auf die Abmahnung zu reagieren und darzulegen, welche Maßnahmen sie gegen erneute gleiche Verletzungen ergriffen hat. Sie hat lediglich mitgeteilt, dass die Dateien mit dem streitgegenständlichen Film auf eine Blacklist gesetzt worden sind, welche konkreten Maßnahmen sie ergriffen hat, ist nicht dargelegt worden.

5. Die danach der Antragsgegnerin zurechenbare widerrechtliche Nutzung begründet die Vermutung einer Wiederholungsgefahr. Zur Ausräumung dieser Vermutung wäre neben einer Einstellung der Nutzung die Abgabe einer ernsthaften, unbefristeten, vorbehaltlosen und hinreichend strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung erforderlich gewesen (vgl. Schricker/Wild, Urheberrecht, 3. Aufl., § 97 Rz. 42; Dreier/Schulze, UrhG, 3. Aufl., § 97 Rn. 41, 42; v. Wolff in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 3. Aufl., § 97 Rn. 34, 35), wie sie erfolglos verlangt worden ist. Insbesondere genügt die Löschung der von der Antragstellerin konkret bezeichneten Dateien nicht zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr.

III.

Es besteht auch ein Verfügungsgrund. Dieser folgt grundsätzlich bereits aus der Wiederholungsgefahr, zu deren Beseitigung durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung die Antragsgegnerin sich nicht veranlasst gesehen hat. Im Übrigen hat die Antragstellerin die Sache selbst geboten zügig behandelt.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Der Gegenstandswert ist nach den §§ 53 Abs. 1 Nr. 1 Gerichtskostengesetz (GKG), 3 ZPO geschätzt worden.

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