„S-Bahn“ nur Sachangabe?

21. März 2012
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Eigener Leitsatz:

Die Wortmarke "S-Bahn" ist nur teilweise eintragungsfähig. Der Begriff ist eine Kurzbezeichnung für "Schnellbahn, Stadtbahn" und stellt eine lediglich merkmalsbeschreibende Sachangabe für die beanspruchten Waren- und Dienstleistungen dar. Folglich fehlt es ihr am notwendigen Mindestmaß an Unterscheidungskraft. Ein solches besteht nur bezüglich der Waren der Klasse 16: Papier und Pappe (Karton), Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate) in Form von Globen und Wandtafelzeichengeräten; Klasse 28: Tennisschläger, Rollschuhe, Schlittschuhe.

Bundespatentgericht

Beschluss vom 14.03.2012

Az.: 26 W (pat) 21/11

 

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss der
Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamtes
vom 28. Januar 2011 aufgehoben, soweit die Löschung der Wortmarke
399 08 040 „S-Bahn“ auch für die Waren „Klasse 16: Papier
und Pappe (Karton), Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen
Apparate) in Form von Globen und Wandtafelzeichengeräten;
Klasse 28: Tennisschläger, Rollschuhe, Schlittschuhe“ angeordnet
worden ist. Insoweit wird der Löschungsantrag zurückgewiesen.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gr ü n d e

I.

Der Antragsteller, ein kommunaler Zweckverband, hat am 23. Februar 2009 beim Deutschen Patent- und Markenamt die Löschung der für die Antragsgegnerin seit 20. August 2002 – nicht aufgrund von Verkehrsdurchsetzung – eingetragenen, nach einer Teillöschung mit Wirkung vom 18. Februar 2009 noch für die Waren und Dienstleistungen

„Klasse 16: Papier, Pappe (Karton) und Waren aus Papier und Pappe (Karton),
nämlich Papierhandtücher, Filterpapier, Papierservietten, Papiertaschentücher,
Papierschmuck, Verpackungsbehälter, Verpackungstüten, Einwickelpapier;
Druckereierzeugnisse, Druckschriften, Broschüren, Magazine, Faltblätter, Prospekte, Plakate (Poster), Zeitungen, Zeitschriften, Bücher, nicht codierte Kundenkarten, nicht codierte Telefonkarten; Schreibwaren einschließlich Schreib- und Zeichengeräte; Schreibnecessaires; Postkarten, Ausweise, Telefonkarten; Büroartikel, nämlich Stempel, Stempelkissen, Stempelfarbe, Brieföffner, Papiermesser, Briefkörbe, Aktenordner, Schreibunterlagen, Locher, Hefter, Büro- und Heftklammern, Aufkleber, auch selbstklebend; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate) in Form von Druckereierzeugnissen, Spielen, Globen, Wandtafeln und Wandtafelzeichengeräten, Verpackungsmaterial aus Kunststoff, nämlich Hüllen, Beutel, Taschen, Folien, letztere auch selbstklebend und für Dekorationszwecke

Klasse 25: Bekleidungsstücke, insbesondere Sport-, Freizeit- und Kinderbekleidungsstücke; Schuhwaren, insbesondere Sport-, Freizeit- und Kinderschuhe; Strümpfe, Socken, Krawatten; Handschuhe; Kopfbedeckungen

Klasse 28: Spiele einschließlich elektrischer und elektronischer Spiele, Spielwaren; Turn- und Sportartikel, soweit in Klasse 28 enthalten (insbesondere Spielbälle, Tennisschläger, Roll- und Schlittschuhe); Christbaumschmuck; Spielkarten; Sportgeräte

Klasse 39: Transportwesen; Beförderung von Personen und Gütern mit Schienenbahnen, Kraftfahrzeugen, Luftfahrzeugen und Schiffen; Beförderung von Personen mit Schienenbahnen im Stadtschnellbahnzug-System; Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Schienenfahrzeugsystems, nämlich Gepäckträgerdienste, Gepäckaufbewahrung, Vermittlung der Beförderung von Personen und Gütern mit Schienenbahnen, Kraftfahrzeugen und Schiffen, Vermittlung von Parkplätzen und Mietkraftwagen, Erteilung von Fahrplan- und Verkehrsauskünften, auch mit Hilfe elektronischer Einrichtungen, Platzreservierung, Veranstaltung und Vermietung von touristischen Dienstleistungen im Reiseverkehr, insbesondere Veranstaltung und Vermittlung von Jugend-, Freizeit-, Informations- und Bildungsreisen zu Wasser, zu Lande und in der Luft; Veranstaltung und Vermittlung von Schienenreisen einschließlich Reisebegleitung; Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Planung, Buchung und Veranstaltung von Reisen; elektronische Sendungsverfolgung; Betreiben einer Schienenbahninfrastruktur, nämlich Steuerung von Verkehrsleit-, Betriebsleit- und Sicherheitssystemen einer Schienenbahninfrastruktur, soweit in Klasse 39 enthalten; Reisebegleitung, Vermittlung von Plätzen in Zügen, Bussen und Schiffen, auch für Kraftfahrzeuge; Vermittlung von Parkplätzen und Mietkraftwagen, auch mit Hilfe elektronischer Einrichtungen; Gepäckträgerdienste; Koffer-Kuli-Service; Vermietung von Schienenwegen, Touristik und Stadtinformationen“

geschützten Wortmarke 399 08 040

S-Bahn

beantragt, weil diese entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 1 – 3 MarkenG in das Markenregister eingetragen worden und nicht nachgewiesen sei, dass diese noch heute bestehenden Schutzhindernisse im Wege der Verkehrsdurchsetzung überwunden worden seien, § 8 Abs. 3 MarkenG.

Die Antragsgegnerin hat dem Löschungsantrag innerhalb der in § 54 Abs. 2 S. 2
MarkenG bestimmten Frist widersprochen.

Die Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts hat am
28. Januar 2011 die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet. Zur Begründung hat sie ausgeführt, einer Eintragung des Zeichens habe im Eintragungs- und im Entscheidungszeitpunkt das Schutzhindernis des § 8 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG entgegengestanden. Dieses Schutzhindernis sei nicht im Wege der Verkehrsdurchsetzung überwunden worden, § 8 Abs. 3 MarkenG. Die im Auftrag der Antragsgegnerin von der infas Institut für angewandte Sozialwissenschaft GmbH im 1. Quartal 2001 erstellte Umfrage (im Folgenden: Infas-Umfrage) sowie das ebenfalls in deren Auftrag zum Befragungszeitraum August/September 2009 im September 2009 erstellte Gutachten der TNS Infratest Rechtsforschung (im Folgenden: TNS Infratest-Gutachten) reichten zum Nachweis der Verkehrsdurchsetzung des Zeichens nicht aus. Für den Zeitpunkt der Eintragung lägen die zur Annahme einer Verkehrsdurchsetzung notwendigen Anknüpfungstatsachen nicht vor, weil laut Infas-Umfrage im ersten Quartal des Jahres 2001 nur 43 % der Befragten davon ausgegangen seien, dass es sich bei „S-Bahn“ um eine unternehmensgebundene Bezeichnung handele. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem TNS Infratest-Gutachten. Die Markenabteilung hat sich mit den dort verwendeten Fragestellungen kritisch auseinandergesetzt und moniert, diese gäben zwar Auskunft über die Bekanntheit des Anbieters von Dienstleistungen, ließen jedoch die Zuordnung des eingetragenen Zeichens in seiner Verwendung als Marke zu einem bestimmten Erbringer bzw. Hersteller außer Betracht. Zu berücksichtigen sei insbesondere die frühere Monopolstellung der Antragsgegnerin.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde.

Sie beanstandet die Tatsachenfeststellungen der Markenabteilung als
widersprüchlich. Ein beschreibender Bezug zu Transportdienstleistungen ergebe
sich nicht; insbesondere sei nicht festzustellen, dass der Verkehr „S“ als Abkürzung für „schnell“ und „S-Bahn“ von Haus aus, d. h. vor jeglicher Benutzung, als Gattungsbezeichnung verstehe. Der Antragsteller, der für einen gattungsmäßigen Gebrauch des Begriffs die Beweislast trage, habe einen solchen Beweis weder geführt, noch führen können. Jedenfalls habe die Markenabteilung in der Frage der Schutzfähigkeit nicht hinreichend zwischen den einzelnen Waren und Dienstleistungen der verschiedenen Klassen differenziert. Die Entscheidung BGH GRUR 2006, 850, Tz. 45, 46 – Fußball WM 2006 lasse sich auf die Marke „SBahn“ nicht übertragen. In der Frage der Verkehrsdurchsetzung habe die Markenabteilung die Feststellungslast zu Unrecht der Antragsgegnerin auferlegt. Zudem habe sie die Verhältnisse auf dem Schienennahverkehrs-Markt außer acht gelassen, auf welchem seit 1994 kein Monopol mehr bestehe. Der Umstand, dass das TNS Infratest-Gutachten aus dem Jahre 2009 einen höheren Durchsetzungsgrad als die zuvor erstellte Infas-Umfrage belege, spreche dagegen, dass der Verkehr das Zeichen der Antragsgegnerin nur deshalb zuordne, weil er die erfragten Dienstleistungen nur als solche der ehemaligen Monopolistin kenne. In der Frage, ob die Marke beschreibend oder markenmäßig benutzt werde, wirkten sich verbleibende Zweifel der Markenabteilung ebenso wie in der Frage des Nachweises einer Verkehrsdurchsetzung im Löschungsverfahren jeweils zu Lasten des Antragstellers aus. Da es sich bei „S-Bahn“ nicht um einen glatt beschreibenden Begriff handele, reiche zum Nachweis einer Verkehrsdurchsetzung ein Zuordnungsgrad von über 50 % aus, dieser sei durch das TNS Infratest-Gutachten nachgewiesen. Die Antragsgegnerin regt hilfsweise die Zulassung der Rechtsbeschwerde zu der Frage an, ob im Rahmen eines Löschungsverfahrens bei der Frage der originären Schutzfähigkeit eines Zeichens das durch Benutzung geprägte Verkehrsverständnis und sein Beleg in Form von Verkehrsgutachten zu berücksichtigen seien, wenn das Zeichen zur Zeit der Eintragung bereits im Verkehr benutzt worden sei. Hieran schließe sich die Frage an, ob im Rahmen der Feststellung des zu einer Verkehrsdurchsetzung gem. § 8 Abs. 3 MarkenG erforderlichen Durchsetzungsgrades die durch Benutzung geprägte Verkehrsauffassung
maßgeblich sei und auf welchen Zeitpunkt es hierzu ankomme.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 28. Januar 2011 aufzuheben und den Löschungsantrag zurückzuweisen.

Sie regt hilfsweise an, die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend, verweist auf die Entscheidung BGH GRUR 2009, 669 Tz. 25 –Post II und vertritt die Auffassung, dass sich „S-Bahn“ i. S. d. § 8 Abs. 1 Nr. 4 MarkenG zur Täuschung des Publikums eigne, sofern es zur Kennzeichnung bestimmter Dienstleistungen der Klasse 39 diene. Er erinnert an die Notwendigkeit zur Berücksichtigung von Fehlertoleranzen bei der Ermittlung von Zuordnungsgraden und führt klarstellend aus, der Begriff „S-Bahn“ stehe als Gattungsbezeichnung für Personennahverkehrsdienstleistungen, die dem Verkehr innerhalb eines Ballungsraumes oder dem Anschluss des Umlandes an einen Ballungsraum dienten, mittels schienengebundener Verkehrsmittel erfolgten, einem vereinfachten Tarifsystem unterlägen, sich durch dem örtlichen Bedarf angepasste Haltepunkte auszeichneten und mit schnell zu beschleunigenden S-Bahn-Zügen mit vielen Türen und einem ebenen Einstiegsniveau erbracht würden.

Ergänzend wird auf die beigezogenen Akten des Deutschen Patent- und Markenamtes Az. 399 08 040 6/39 und S 55/09 Lö Bezug genommen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 11. Januar 2011 haben die Parteien ihre gegenseitigen Standpunkte vertieft.

II.

Die gem. § 66 Abs. 1 MarkenG zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin hat in
der Sache nur in geringem Umfang Erfolg, denn mit Ausnahme der im Tenor genannten Waren hat die Markenabteilung auf Antrag zu Recht die Löschung der angegriffenen Marke „S-Bahn“ angeordnet, §§ 50, 54 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Sowohl im Eintragungszeitpunkt als auch zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag fehlte dem Markenwort, welches für einige der beanspruchten Dienstleistungen eine merkmalsbeschreibende Sachangabe darstellt, insoweit das notwendige Mindestmaß an Unterscheidungskraft, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Dieses Schutzhindernis ist nicht gem. § 8 Abs. 3 MarkenG im Wege der Verkehrsdurchsetzung überwunden worden.

In dem im Tenor genannten Umfang hat die Beschwerde hingegen Erfolg, weil
einer Eintragung zu den insoweit maßgeblichen Zeitpunkten keines der vom
Antragsteller bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung geltendgemachten
Schutzhindernisse des § 8 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 MarkenG entgegengestanden hat bzw. derzeit entgegensteht.

1.

Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG bedeutet die Eignung einer Marke, die mit ihr beanspruchten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie dadurch für den Verkehr von denen anderer Anbieter unterscheidbar zu machen (vgl. EuGH GRUR 2006, 233, 235, Rdn. 45 – Standbeutel; EuGH GRUR 2003, 604, 608,
Rdn. 62 – Libertel). Die Eintragung als Marke kommt nur in Betracht, wenn ein Zeichen diese Herkunftsfunktion erfüllen kann (vgl. EuGH GRUR 2003, 55, 57 f.,
Rdn. 51 – Arsenal Football Club; BGH MarkenR 2006, 395, 397, Rdn. 18
– FUSSBALL WM 2006, m. w. N.). Ist dies nicht der Fall, widerspricht es dem Allgemeininteresse, das fragliche Zeichen durch seine Eintragung ins Register zugunsten eines Anmelders zu monopolisieren und der Nutzung durch die Allgemeinheit dauerhaft zu entziehen (vgl. EuGH GRUR 2008, 608, 610, Rdn. 59
– EUROHYPO; EuGH GRUR 2004, 943, 944, Rdn. 26 – SAT.2; EuGH GRUR 2003, 604, 608, Rdn. 60 – Libertel). Die erforderliche Unterscheidungskraft ist zum einen solchen Angaben und Zeichen abzusprechen, die einen unmittelbar beschreibenden Sinngehalt aufweisen. Aber auch anderen Angaben kann die Unterscheidungskraft fehlen, etwa wenn sie sich auf Umstände beziehen, durch die ein enger beschreibender Bezug zu den beanspruchten Waren oder Dienstleistungen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2006, 850, Rdn. 28 – FUSSBALL WM 2006; BGH GRUR 2001, 162 – RATIONAL SOFTWARE CORPORATION).

Der Begriff „S-Bahn“, eine Kurzbezeichnung für „Schnellbahn, Stadtbahn“ (vgl.
Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 7. Auflage 2011, Stichwort „S-Bahn“),
bezeichnet eine „elektrisch betriebene, auf Schienen laufende Bahn für den Personenverkehr in Großstädten und Stadtregionen“ (vgl. Duden, Deutsches Universalwörterbuch, ebenda). Dies ist im Eintragungszeitpunkt nicht anders gewesen: Wie die entsprechenden Einträge im Brockhaus, Enzyklopädie, Bd. 16, 1974, Stichworte „S-Bahn, Schnellbahnen“, belegen, hat man unter diesem Begriff vor gut 35 Jahren „alle Schienenbahnen auf besonderem kreuzungsfreien Bahnkörper innerhalb der Großstädte oder zur Verbindung des Stadtkernes (City) mit den Vororten (Hoch- und Untergrundbahnen) sowie in sonstigen dicht besiedelten Ballungsräumen zur Bewältigung des Massenverkehrs“ verstanden. Ein weiteres Beispiel für die beschreibende Verwendung des Begriffs „S-Bahn“ zur Bezeichnung eines Nahverkehrsmittels für die Zeit vor Eintragung stellt der Wortlaut des § 61 Abs. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Sicherung der Eingliederung Schwerbehinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft (Schwerbehindertengesetz – SchwbG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. August 1986 (BGBl I S. 1421, 1550), zuletzt geändert durch Art. 9 des Gesetzes vom 19. Dezember 1997, BGBl I S. 3158) dar: „Nahverkehr im Sinne dieses Gesetzes ist der öffentliche Personenverkehr mit (…) 3. S-Bahnen in der 2. Wagenklasse“. Dieser Wortlaut entspricht dem des heutigen § 147 SGB IX (Art. 1 des Gesetzes vom 19. Juni 2006, BGBl. I, 1046). Zur beschreibenden Verwendung von „S-Bahn“ in einer Anzahl weiterer Normen und Quelltexte hat der Antragsteller in seinen Schriftsätzen vom 8. Juni 2009 und 25. Januar 2010 zahlreiche Belege zur Akte gereicht. In den Deutschen Sprachgebrauch sind und waren bereits im Jahre 1989 lexikalisch nachweisbare Begriffskombinationen wie „S-Bahnhof, S-Bahn-Station“ und „S-Bahn-Wagen“ (vgl. Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 2. Aufl. 1989 und 7. Aufl. 2011 (zusätzlich: „S-Bahn-Surfen“), jew. z. Stw.) eingegangen, in denen „S-Bahn“ als Sachhinweis benutzt wird. Die Beispiele „Breisgau S-Bahn GmbH, Orthenau S-Bahn GmbH und Zweisystem-S-Bahn“ zeigen schließlich, dass auch Unternehmen, die nicht mit der Antragsgegnerin verbunden sind, „S-Bahn“ derzeit als Bestandteil ihrer Unternehmensbezeichnungen nutzen.

Wird „S-Bahn“ zur Kennzeichnung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen der Klassen 16, 25, 28 und 39 eingesetzt, richtet sich das Zeichen neben dem ebenfalls angesprochenen Fachverkehr für Transport- und Reisedienstleistungen vorwiegend an den allgemeinen, durchschnittlich aufmerksamen Verbraucher in seiner Eigenschaft als Marktteilnehmer und am öffentlichen Leben Teilnehmender, dem das Zeichen im Zusammenhang mit Dienstleistungen des schienengebundenen Personennahverkehrs entgegentritt. Wie die Infas-Umfrage aus dem Jahr 2001 gezeigt hat, war der Begriff „S-Bahn“ 97% aller Befragten bekannt.

Bei dieser Sachbezeichnung handelt es sich mithin um eine solche, die der Verkehr wegen ihrer allgemeinen Bekanntheit, aufgrund der Präsenz dieses Themas in Politik, Wirtschaft und Medienberichterstattung (vgl. die öffentlichen Diskussionen um den Wegfall des Monopols der Antragsgegnerin für Nahverkehrsbahnen im Jahre 1994, zur S-Bahn-Streckenführung im Projekt Stuttgart 21, um den Transrapid, die Berichterstattung zu Verspätungen auf Strecken der Berliner S-Bahn) und ihrer begrifflichen Eindeutigkeit ausschließlich als Sachbegriff auffasst, sofern ihm „S-Bahn“ im Zusammenhang mit Dienstleistungen des schienengebundenen Personennahverkehrs begegnet.

Für die in Klasse 39 beanspruchten Dienstleistungen „Transportwesen; Beförderung von Personen und Gütern mit Schienenbahnen, Beförderung von Personen mit Schienenbahnen im Stadtschnellbahnzug-System“ wird der Verkehr „S-Bahn“ daher lediglich als merkmalsbeschreibende Sachangabe, jedoch nicht als Herkunftshinweis auffassen.

Für die in den Klassen 16 und 28 beanspruchten Waren mit Ausnahme der im Tenor genannten kann „S-Bahn“ entweder eine Merkmalsbeschreibung von Form, Thema oder Inhalt darstellen bzw. ihren Bestimmungszweck beschreiben, oder es kann sich bei ihnen um typische Merchandisingartikel handeln, die mit S-Bahn-Motiven oder dem Schriftzug „S-Bahn“ versehen sein können. „Sportgeräte“, bei denen es sich beispielsweise um Skier oder Fahrräder handeln kann, werden regelmäßig im schienengebundenen Personennahverkehr befördert. Sie können, etwa durch ein günstiges Verpackungsmaß, Eigenschaften aufweisen, die sie zum Transport in einer „S-Bahn“ besonders geeignet erscheinen lassen. Ein enger funktionaler Bezug zu ihnen besteht zudem dadurch, dass „S-Bahnen“ ebenso wie
Regionalzüge besondere Vorrichtungen zum Transport von Skiern und Fahrrädern aufweisen können. Einen Hinweis auf den Hersteller dieser Waren wird der angesprochene allgemeine Endverbraucher einer Kennzeichnung mit dem Markenwort daher nicht entnehmen.

Für die in Klasse 25 beanspruchten Waren ist „S-Bahn“ ebenfalls nicht schutzfähig (vgl. hierzu BGH GRUR 2010, 73 – Marlene-Dietrich-Bildnis II; BGH GRUR 2010, 1100 – TOOOR!; BGH GRUR 2006, 850, 857 (Nr 43–46) – FUSSBALL WM 2006; BPatG PAVIS PROMA 26 W (pat) 26/10 – Clubschiff; Lerach, GRUR 2011, 872 f). Unabhängig von der konkreten Präsentation des Zeichens auf Etiketten, Aufnähern oder der Verpackung dieser Waren wird der Verkehr das Markenwort entweder als Hinweis darauf verstehen, dass es sich um die Berufskleidung der bei den Betreibern einer „S-Bahn“ Beschäftigten oder um Merchandisingartikel handelt. Als Herkunftshinweis wird der Verkehr das Zeichen im Zusammenhang mit diesen Waren hingegen nicht auffassen.

Was die übrigen in Klasse 39 beanspruchten Dienstleistungen betrifft, vermag
„S-Bahn“ den Bestimmungszweck des „Betreibens einer Schienenbahninfrastruktur“ und der „Vermietung von Schienenwegen“ zu bezeichnen. Auch die Dienstleistung „elektronische Sendungsverfolgung“ kann für eine „S-Bahn“ bestimmt sein, sofern sie der Überwachung und Lokalisierung von Sendungen eines Kurierdienstes dient, der sich des Transportmittels „S-Bahn“ bedient. Zu den weiteren, in Klasse 39 beanspruchten Dienstleistungen besteht ein enger sachlicher beschreibender Bezug, welcher sich für die beanspruchten Vermittlungs-, Reservierungs-, Vermietungs- und Informationsdienstleistungen schon daraus ergibt, dass diese im Waren- und Dienstleistungsverzeichnis u. a. unter dem Oberbegriff „Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Schienenfahrzeugsystems“ bzw. mit Bezug zu „Schienenreisen“ oder „Schienenwegen“ beansprucht werden. „Tourist- und Stadtinformationen“ können das lokale S-Bahn-Netz und deren Nutzung betreffen. Reisedienstleistungen können im Verbund mit der Beförderung durch den schienengebundenen Personennahverkehr beispielsweise in Form eines Kombitickets für die Anreise mit der „S-Bahn“ und die Fahrt mit einem Ausflugsdampfer oder eine Veranstaltung am Zielort angeboten werden. Wird „SBahn“ zur Veranstaltung und Vermietung derartiger Dienstleistungen verwendet, wird der Verkehr die angegriffene Marke stets nur als Sachhinweis, jedoch nicht als betrieblichen Herkunftshinweis auffassen. Dies trifft auf den Zeitpunkt der Eintragung im August 2002 in gleicher Weise zu.

Da der angegriffenen Marke mit Ausnahme der im Tenor bezeichneten Waren für alle weiteren beanspruchten Waren und Dienstleistungen sowohl im Eintragungszeitpunkt, als auch im Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegengestanden hat und noch entgegen steht, kann dahinstehen, inwieweit „S-Bahn“ als merkmalsbeschreibende Angabe für einige dieser Waren und Dienstleistungen zugleich freihaltebedürftig ist bzw. gewesen ist, § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Auch der Vortrag des Antragstellers zu möglichen weiteren Schutzhindernissen der § 8 Abs. 2 Nr. 3 und 4 MarkenG ist angesichts dessen nicht entscheidungserheblich.

2.

Einer Löschung von „S-Bahn“ für die unter Ziffer 1. bezeichneten Waren und
Dienstleistungen steht nicht entgegen, dass das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2
Nr. 1 MarkenG im Wege der Verkehrsdurchsetzung überwunden worden wäre, § 8 Abs. 3 MarkenG. Denn bei „S-Bahn“ handelt es sich nicht um ein Zeichen, dass
sich i. S. d. § 8 Abs. 3 MarkenG in den beteiligten Verkehrskreisen durchgesetzt hätte.

Eine Verkehrsdurchsetzung dieses Zeichens ist für die Waren und Dienstleistungen, für welche es Schutz beansprucht, weder amts- noch gerichtsbekannt. Und die zum Nachweis einer Verkehrsdurchsetzung vorliegenden Beweisergebnisse, insbesondere die ermittelten Zuordnungsgrade, lassen eine entsprechende rechtliche Bewertung nicht zu (vgl. hierzu Ströbele, Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl., Rn. 457 zu § 8).

Die Frage, ob sich eine Marke in den beteiligten Verkehrskreisen i. S. d. § 8 Abs. 3 MarkenG durchgesetzt hat, ist auf Grund einer Gesamtschau der Gesichtspunkte zu beantworten, die zeigen können, dass die Marke die Eignung erlangt hat, die fraglichen Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Dienstleistung damit von den Leistungen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. EuGH, GRUR 1999, 723, Tz. 54 – Chiemsee zu Art. 3 III MarkenRL; BGH GRUR 2008, 710, Tz. 26 – VISAGE).

Dabei kann für die Feststellung des im Einzelfall erforderlichen Durchsetzungsgrades nicht von festen Prozentsätzen ausgegangen werden. Sofern nicht besondere Umstände eine abweichende Beurteilung rechtfertigen, kann allerdings die untere Grenze für die Annahme einer Verkehrsdurchsetzung nicht unterhalb von 50% angesetzt werden (vgl. BGH GRUR 2001, 1042, 1043 – REICH UND SCHOEN; GRUR 2008, 510, Rdn. 23 – Milchschnitte).

Handelt es sich um einen Begriff, der die fraglichen Dienstleistungen ihrer Gattung nach glatt beschreibt, kommt ein Bedeutungswandel und damit eine Verkehrsdurchsetzung erst bei einem deutlich höheren Durchsetzungsgrad in Betracht (BGH GRUR 2006, 760, Rdn. 20 – LOTTO). Denn ein sehr bekannter beschreibender Begriff kann Unterscheidungskraft i. S. d. Art. 3 Abs. 3 MarkenRL (§ 8 Abs. 3 MarkenG) nur bei einer langen und intensiven Benutzung der Marke erlangen (für eine sehr bekannte geografische Herkunftsangabe EuGH, GRUR 1999, 723, Tz. 50 – Chiemsee; Fezer, MarkenR, 3. Aufl., § 8 Rdn. 436d). Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof auch nach Inkrafttreten des Markengesetzes im Einzelfall eine sehr hohe oder eine nahezu einhellige Verkehrsdurchsetzung als notwendig angesehen (vgl. BGHZ 156, 112, 125 – Kinder I; BGH GRUR 2006, 760, Rdn. 24 – LOTTO; GRUR 2007, 1066 Rdn. 34 – Kinderzeit), wobei die Voraussetzungen der Verkehrsdurchsetzung eines glatt beschreibenden Begriffs nicht so hoch angesiedelt werden dürfen, dass eine Verkehrsdurchsetzung in der Praxis von vornherein ausgeschlossen wird (BGH GRUR 2009, 669, Rdn. 27 – POST II).

Nach Maßgabe dieser Beurteilungskriterien hat sich das Zeichen „S-Bahn“ für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht i. S. d. § 8 Abs. 3 MarkenG im Verkehr durchgesetzt. Die Ergebnisse der beiden zur Akte gereichten demoskopischen Gutachten und Umfragen lassen eine solche Feststellung weder für sich genommen, noch in Verbindung mit den weiteren, zum Nachweis einer Verkehrsdurchsetzung zur Akte gereichten Belegen zu. Die Auswertung beider Befragungen hat Zuordnungsgrade ergeben, die sich für die zur Beurteilung der Verkehrsdurchsetzung maßgeblichen, beteiligten Verkehrskreise nach Abzug der Fehlertoleranzen jeweils unterhalb der 50 %- Schwelle bewegen. Und besondere Umstände, die es rechtfertigen könnten, die Untergrenze für die Annahme einer Verkehrsdurchsetzung unterhalb dieser Schwelle anzusetzen, sind weder vorgetragen worden, noch sonst ersichtlich.

Angesichts dessen bieten die bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vorgelegten Nachweise, insbesondere das TNS Infratest-Gutachten, in diesem dem Amtsermittlungsgrundsatz unterliegenden Löschungsverfahren zugleich weder Anhaltspunkte für weitere, auf die Frage der Verkehrsdurchsetzung gerichtete Ermittlungen (vgl. BGH GRUR 2009, 669 – 672 – POST II), noch geben sie Anlass zu einer Zurückverweisung der Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt gem. § 70 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG.

Die ermittelten Zuordnungsgrade, welche zugunsten der Antragsgegnerin als zutreffend unterstellt werden können, sind für die hier in Rede stehenden
Dienstleistungen nicht geeignet, eine Verkehrsdurchsetzung des angegriffenen
Zeichens zu belegen.

Auf der Grundlage des TNS Infratest-Gutachtens, welches sich auf den Personennahverkehr in Städten oder deren Umland bezieht, kommt eine Verkehrsdurchsetzung des Zeichens „S-Bahn“ lediglich für die in Klasse 39 beanspruchen Dienstleistungen „Transportwesen; Beförderung von Personen und Gütern mit Schienenbahnen, Beförderung von Personen mit Schienenbahnen im Stadtschnellbahnzug-System“ in Betracht und betrifft mithin ausschließlich Dienstleistungen, für welche „S-Bahn“ eine glatt beschreibende Sachangabe darstellt. Die angesichts dessen erforderliche nahezu einhellige Verkehrsdurchsetzung (Ströbele, Ströbele/Hacker, a. a. O., Rn. 411, 417 zu § 8 m. w. N.) ist nach den Ergebnissen des Gutachtens jedenfalls nicht erreicht worden, denn die Umfrage hat einen Zuordnungsgrad von 57,3% im Verkehrskreis der „Nutzer von S-Bahnen und anderen Nahverkehrszügen in Städten bzw. in deren Umland“, von 51,9% im Verkehrskreis der „(potentiellen) Nutzer von S-Bahnen und anderen Nahverkehrszügen in Städten und deren Umland“ und von 48% der insgesamt Befragten ergeben.

Selbst ein Zuordnungsgrad von 50% in den gem. § 8 Abs. 3 MarkenG maßgeblichen Verkehrskreisen wird durch diese Ergebnisse jedoch nicht erreicht. Für die Feststellung der Verkehrsdurchsetzung ist, worauf der Antragsteller zu Recht hingewiesen hat, die hier bei 3,3% liegende Fehlertoleranz zu berücksichtigen, wobei der untere Wert nach Abzug des möglichen Abweichungsbereichs maßgeblich ist (vgl. BPatG GRUR 2007, 324, 329 – Kinder (schwarz-rot); GRUR 2007, 593, 596 – Ristorante). Dies hat zur Folge, dass von den genannten Werten jeweils 3,3% in Abzug zu bringen sind und die erwähnte 50%-Grenze somit nur noch für den beschränkten Kreis derjenigen Befragten überschritten ist, bei welchen es sich um „Nutzer von S-Bahnen und anderen Nahverkehrszügen in Städten bzw. in deren Umland“ handelt.

Zu den beteiligten Verkehrskreisen i. S. d. § 8 Abs. 3 MarkenG, also zu allen Kreisen, in denen die Marke Verwendung finden oder Auswirkungen zeitigen kann (vgl. Ströbele, Ströbele/Hacker, a. a. O., Rn. 405 zu § 8), gehören für das Zeichen „S-Bahn“ jedoch nicht nur Nutzer und potentielle Nutzer der Nahverkehrszüge. Aufgrund der oben erwähnten Präsenz dieses Begriffs in Politik, Wirtschaft und Medienberichterstattung zählt zu den beteiligten Verkehrskreisen vielmehr jeder Verkehrsteilnehmer mit Ausnahme derjenigen, die eine Benutzung des Transportmittels "S-Bahn" für sich kategorisch ablehnen (vgl. BGH GRUR 2006, 760-763 – Lotto), mithin auch derjenige, der sich überwiegend in Gebieten aufhält, in denen es keinen öffentlichen Personennahverkehr gibt und derjenige, der dieses Transportmittel bislang noch nicht genutzt hat, jedoch zu einer Nutzung in Zukunft bereit ist. Beteiligt sind insbesondere auch diejenigen Fachkreise, die sich mit der Planung des ÖPNV oder der Erbringung dieser Dienstleistungen befassen
(vgl. Ströbele, Ströbele/Hacker, a. a. O., Rn. 406 zu § 8). Ist jedoch das Ergebnis der Antworten aller im Jahre 2009 Befragten für die Verkehrsdurchsetzung maßgeblich, liegt der Zuordnungsgrad mit 48% – 3,3% bereits deutlich unter der grundsätzlich nicht zu unterschreitenden 50%-Grenze (vgl. Ströbele, Ströbele/Hacker, a. a. O., Rdn. 414, 415 zu § 8).

Die im Auftrag der Antragsgegnerin im 1. Quartal 2001 erstellte Infas-Umfrage
reicht zum Nachweis einer Verkehrsdurchsetzung bereits deshalb nicht aus, weil
nach ihrem Ergebnis bereits vorbehaltlich der Berücksichtigung von Fehlertoleranzen lediglich 43% der Befragten den Begriff „S-Bahn“ einem bestimmten Unternehmen zugeordnet haben.

Obwohl die Antragsgegnerin eine Fülle von ergänzenden Materialien zur Akte gereicht hat, genügen die sich hieraus ergebenden Anknüpfungspunkte weder für sich genommen, noch in Verbindung mit den vorgelegten demoskopischen Umfragen zum Nachweis einer Verkehrsdurchsetzung. Wie die bereits erwähnten Beispiele des Antragstellers „Breisgau S-Bahn GmbH, Orthenau S-Bahn GmbH und Zweisystem-S-Bahn“ zeigen, verwenden auch Unternehmen, die nicht mit der Antragsgegnerin verbunden sind, „S-Bahn“ als Bestandteil ihrer Unternehmensbezeichnungen. Eine Kennzeichnung von Zügen, Fahrkarten, Fahrplänen und sonstigen, den schienengebundenen Personennahverkehr betreffenden Bekanntmachungen mit „S-Bahn“ fasst der Verkehr, wie ausgeführt, als Sachhinweis auf. In den zur Akte gereichten Anzeigen und Ausdrucken von Internetseiten wird der Begriff „S-Bahn“ überwiegend nicht markenmäßig, sondern beispielsweise zu Werbezwecken als Bestandteil des Ausdrucks „mit der S-Bahn fahren“ verwendet. Ihnen Vortrag im Schriftsatz vom 23. April 2010 dazu, dass Tochtergesellschaften der Antragsgegnerin in den Jahren 2004 – 2009 ca. … Euro in Werbung in vestiert hätten, hat die Antragsgegnerin weder beispielsweise durch eine eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht, noch dahingehend konkretisiert, dass diese Ausgaben gerade die Bewerbung der hier angegriffenen Marke „S-Bahn“ betreffen. Die in demselben Dokument auf zwischen … und … Euro bezifferten Umsätze durch Fahrgelder betreffen schließlich nur die S-Bahn-Tochtergesellschaft Berlin und ermöglichen keine Aussage in Bezug auf das Bundesgebiet.

Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass im Löschungsverfahren für den
Erhalt der Marke eine nachträgliche Verkehrsdurchsetzung ausreicht (vgl BGH
GRUR 2009, 954 – Kinder III; BPatG GRUR 2007, 324, 327 – Kinder (schwarzrot);
Ströbele, Ströbele/Hacker, a. a. O., Rn. 455 zu § 8) lässt sich eine solche
aufgrund der zur Akte gereichten Anknüpfungspunkte somit nicht feststellen. Die vorhandenen Anknüpfungspunkte führen vielmehr zur Verneinung einer Verkehrsdurchsetzung des Zeichens „S-Bahn“.

Aus den vorstehenden Gründen hat die Markenabteilung mit Ausnahme der im
Tenor genannten Waren zu Recht die Löschung der Marke 399 08 040 „S-Bahn“
angeordnet, und der Beschwerde der Antragsgegnerin musste insoweit der Erfolg versagt bleiben.

3.

Zur Kennzeichnung der im Tenor genannten Waren der Klassen 16 und 28 hat „SBahn“ hingegen sowohl im Eintragungs- als auch im Löschungszeitpunkt über das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG verfügt. Da die Frage der Unterscheidungskraft stets konkret für die jeweils beanspruchten Waren und Dienstleistungen zu beurteilen ist, vermag eine Marke für bestimmte Waren unterscheidungskräftig zu sein, während ihr für andere die Unterscheidungskraft fehlt (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, 677, Rdn. 73 bis 78 – Postkantoor; GRUR 2007, 425, 426, Rdn. 32 – MT&C/BMW). Die im Tenor genannten Waren werden typischerweise weder mit einer „S-Bahn“ assoziiert, noch als Merchandisingartikel eingesetzt. Entgegen der von der Markenabteilung geäußerten Rechtsauffassung, die sich zur Begründung der fehlenden Unterscheidungskraft insoweit auf die Entscheidung „Fußball WM 2006“ (GRUR 2006, 850, 857) berufen hat, handelt es sich bei „S-Bahn“ zur Überzeugung des Senats nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache, dass auch insoweit nur als solches in seiner ursprünglichen – nicht markenmäßigen – Bedeutung verstanden werden könnte (vgl. BGH GRUR 2001, 1042 – REICH UND SCHOEN; BGH GRUR 2003, 1050 – Cityservice; BGH GRUR 2006, 850 , Rdn. 19 und 45 – FUSSBALL WM 2006, BGH GRUR 2007, 1071, 1072, Rdn. 25 – Kinder II). „S-Bahn“ bezeichnet keine bekannte Veranstaltung, die nur mit diesem Ereignis selbst in Verbindung gebracht werden könnte (vgl. BGH GRUR 2006, 850, 857 f, Rdn. 46 – FUSSBALL WM 2006) und stellt im Übrigen weder die Angabe einer Verkaufsstätte, eine geläufige Werbeaussage, noch eine ausschließlich werbewirksame Anpreisung, Redewendung, Grußformel, einen Ausruf oder eine mit diesen Angaben vergleichbare Bezeichnung dar, welcher stets jegliche Unterscheidungskraft fehlte (vgl. Ströbele, Ströbele/Hacker, MarkenG, Rn. 72 ff., 172 ff., 202 ff, MarkenG m. w. N. aus der Rspr.). Trifft der Verbraucher auf mit „S-Bahn“ gekennzeichnete Waren „Klasse 16: Papier und Pappe (Karton), Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate) in Form von Globen und Wandtafelzeichengeräten; Klasse 28: Tennisschläger, Rollschuhe, Schlittschuhe“, wird er keine Verbindung zu dem ihm bekannten Transportmittel herstellen. Insoweit ist nicht auszuschließen, dass der Verkehr „S-Bahn“ im Eintragungszeitpunkt in diesem eng begrenzten Kennzeichnungsbereich zumindest auch als Hinweis auf den Hersteller dieser Waren verstanden hat (vgl. BGH GRUR 2010, 825 – 828, Tz. 23 – Marlene-Dietrich-Bildnis II) und noch heute versteht.

Da „S-Bahn“ für die im Tenor genannten Waren keine merkmalsbeschreibende
Sachangabe darstellt, steht und stand im August 2002 einer Eintragung dieses
Zeichens insoweit auch nicht das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG
entgegen. Andere Löschungsgründe hat der Antragsteller in Bezug auf diese
Waren nicht vorgetragen. Mithin war die angefochtene Löschungsentscheidung
auf die Beschwerde der Antragsgegnerin in diesem geringen Umfang aufzuheben.

4.

Die Voraussetzungen zur Zulassung der Rechtsbeschwerde gem. § 83 Abs. 2
Nr. 1 und 2 MarkenG sind nicht gegeben, da weder eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden war, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordern.

Die Frage, ob im Rahmen der Feststellung des zu einer Verkehrsdurchsetzung
gem. § 8 Abs. 3 MarkenG erforderlichen Durchsetzungsgrades die durch Benutzung
geprägte Verkehrsauffassung maßgeblich ist und auf welchen Zeitpunkt
es hierzu ankommt, ist nicht entscheidungserheblich, da die Ergebnisse sämtlicher zur Frage der Verkehrsdurchsetzung vorgelegten demoskopischen Befragungen, wie ausgeführt, Durchsetzungsgrade aufweisen, die sich nach Abzug der Fehlertoleranzen bereits unterhalb der 50%- Schwelle bewegen.

Zur weiteren Frage der Antragsgegnerin, ob im Rahmen des registerrechtlichen
Löschungsverfahrens zur Beurteilung der Frage der originären Schutzfähigkeit
eines Zeichens gem. § 8 Abs. 1 Nr. 1, 2 MarkenG, das durch Benutzung geprägte
Verkehrsverständnis und sein Beleg in Form von Verkehrsgutachten zu berücksichtigen sind, wenn das Zeichen zur Zeit der Eintragung bereits im Verkehr benutzt worden ist, ist auf den im Löschungsverfahren geltenden Amtsermittlungsgrundsatz und auf die Feststellung des Europäischen Gerichtshofs zu verweisen, der in ständiger Rechtsprechung (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, Rdn. 86 – Postkantoor; EuGH GRUR 2004, 680, Rdn. 19 – BIOMILD; EuGH GRUR Int. 2011, 400, Rdn. 33, 46 – Zahl 1000) davon ausgeht, dass beschreibende Zeichen und Angaben „zwangsläufig“ nicht unterscheidungskräftig sind.

5.

Für eine Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens auf eine der Verfahrensbeteiligten gemäß § 71 Abs. 1 S. 1 MarkenG gibt die Sache schließlich keine Veranlassung.

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