Irreführende Hotel-Werbung mit 6 Sternen an der Außenfassade

12. August 2014
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Urteil des OLG Celle vom 15.07.2014; Az.: 13 U 76/14

Die Werbung eines Hotels an seiner Außenfassade mit 6 Sternen ist irreführend, wenn es nicht über ein entsprechendes Qualitätszeichen verfügt, welches den besonderen Komfort und die Qualität des Hotels in Form von Sternenkategorien werbend zum Ausdruck bringen soll.

Oberlandesgericht Celle

Beschluss vom 15. Juli 2014

Az.: 13 U 76/14

 

Tenor

Es wird erwogen, die Berufung der Beklagten gegen das am 9. April 2014 verkündete Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hannover durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, soweit der Kläger seinen Unterlassungsantrag wie folgt ergänzt:

„…sofern der Beklagten keine gültige Klassifizierung – d. h. Einordnung des „G. H. M.“ als 6-Sterne-Hotel – einer neutralen Klassifizierungsstelle erteilt ist.“

Die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils dürfte von Amts wegen dahingehend zu ändern sein, dass die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz gegeneinander aufgehoben werden.

Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 5. August 2014.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

I.
Der Rechtssache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu noch fordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts. Ferner ist auch eine mündliche Verhandlung nicht geboten. Die Berufung hat nach derzeitigem Beratungsstand schließlich offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Soweit das Landgericht die Beklagte zur Unterlassung und zur Zahlung von Abmahnkosten in Kosten von 219,35 € verurteilt hat, ist dies zu Recht erfolgt.

Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gem. § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 UWG, §§ 3, 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG gegenüber der Beklagten zu, wie auf dem Foto Anlage K 1 zur Antragsschrift mit jeweils 6 fünfzackigen in einer waagerechten Reihe angebrachten Sternen auf der Marmorverkleidung der Fassade rechts und links der Eingangstür ihres am E.-A.-P. in H. gelegenen Hotels „G. H. M.“ zu werben.

1. Der Unterlassungsantrag des Klägers ist dahingehend zu ergänzen, dass die an den Säulen des Eingangsbereiches jeweils angebrachte Sternenreihe dann nicht mehr zu beanstanden wäre, wenn die Beklagte eine entsprechende Klassifizierung von einem neutralen Dritten mit entsprechender Kompetenz nach objektiven Prüfkriterien erhalten hätte. Dabei kann die Sterneklassifizierung nicht nur durch ein Zertifikat des D. H.- und G. (…) verliehen werden, sondern auch von einer anderen Einrichtung, die eine Klassifizierung der Qualität eines Hotels aufgrund objektiver Kriterien vornimmt.

2. Die Verwendung der Sternenreihe stellt jedoch keinen Verstoß gegen Nr. 2 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG dar, der Vorrang vor § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG hätte (vgl. Dreyer/Weidert in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 3. Aufl., Anh. § 3 Abs. 3 II. Nr. 2 Rdnr. 3). Unter erstgenannte Bestimmung fallen nur Zeichen, die ausdrücklich verliehen werden und deren Verwendung von der Genehmigung der vergebenden Stelle abhängt (Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl., Anh. zu § 3 III Nr. 2 Rdnr. 2.4). Ein Qualitätszeichen, das eine besondere Qualität des fraglichen Unternehmens oder Produktes werbend zum Ausdruck bringt, aber nicht die vergebende Stelle erkennen lässt, erfüllt nicht die nach Nr. 2 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG erforderliche Voraussetzung, dass die erforderliche Genehmigung des Dritten fehlt (vgl. OLG Köln, Urteil vom 23. Februar 2011 – 6 U 159/10, juris Rdnr. 10; Weidert in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, a. a. O., Anh. § 3 Abs. 3 II. Nr. 2 Rdnr. 7; Sosnitza in Ohly/Sosnitza, UWG, 6. Aufl., Anh. (zu § 3 Abs. 3) Nr. 2 Rdnr. 9).

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Verwendung von Sternen ohne einen bestimmten Zusatz bei dem durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher den Anschein erwecken würde, die Sterne seien vom D. H.- und G. (…) vergeben worden (so aber LG Koblenz, Urteil vom 17. Dezember 2013 – 4 HKO 86/13, juris Rdnr. 21, LG Aurich, Urteil vom 15. September 2009 – 3 O 191/09, Rdnr. 16). Von einem solchen von dem Kläger behauptetes Verkehrsverständnis kann nach dem substantiierten Vorbringen der Beklagten nicht ausgegangen werden. Nach dem Inhalt der als Anlage B4 vorgelegten E-Mail der D. N. vom 13. Januar 2014 sind von den 37.442 zur Hotellerie zugehörenden Betriebe lediglich 8.635 (Stand: Juli 2013) von der D. klassifiziert, mithin 23 %. Da im Übrigen unstreitig geblieben ist, dass insbesondere Internet-Hotelbuchungssysteme die dort aufgeführten Hotels mit Sternen klassifizieren und die Beklagte die von der D. verwandten Plakette nicht benutzt, sind die an der Hotelfassade angebrachten Sternenreihen nicht als Qualitätskennzeichen einer bestimmten Güte- bzw. Zertifizierungsstelle zu erkennen.

3. Die an der Fassade unter dem Namen des Hotels angebrachten Reihen mit jeweils 6 fünfzackigen Sterne stellen eine irreführende Werbung i. S. des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG dar.

a) Durch die Eingangstür findet eine räumliche Trennung der beiden Marmorsäulen im Eingangsbereich statt, so dass der durchschnittliche Verbraucher die auf den beiden Säulen angebrachten Sternenreihen nicht als „12-Sterne-Werbung“ versteht, sondern als auf jeder Säule hervorgehobene „6-Sterne-Werbung“.

Die Verwendung einer Reihe von 6 Sternen auf der Außenfassade eines Hotelbetriebs wird von den angesprochenen Verkehrskreisen dahingehend verstanden werden, dass sich dahinter eine „offizielle“ Klassifizierung, d. h. Einordnung des Hotels in eine bestimmte Komfort- und Qualitätskategorie, verbirgt (vgl. nur OLG Schleswig, Urteil vom 18. Mai 1999 – 6 U 87/98, juris Rdnr. 3; LG Koblenz, Urteil vom 9. Juli 2013, a. a. O., juris Rdnr. 26, LG Koblenz, Urteil vom 17. Dezember 2013 – 4 HKO 86/13, juris Rdnr.20; LG Oldenburg, Urteil vom 29. November 2006 – 5 O 1583/06, juris Rdnr. 16 für Reisebusse; Sosnitza in Ohly/Sosnitza, a. a. O., Anhang (zu § 3 Abs. 3) Nr. 2 Rdnr. 9; Link in jurisPK UWG, 3. Aufl., § 5 Rdnr. 375; Schönheit, RRa 2009, 127 (129)). Es ist üblich, dass Hotels in durch die Anzahl der Sterne gekennzeichneten Kategorien eingeteilt sind und damit auch nach außen werben, um den Kunden auf diese Weise ihren Qualitäts- und Ausstattungsstandard auf den ersten Blick nahe zu bringen.

Soweit üblicherweise mit einer Einteilung von einem bis fünf Sternen gerechnet wird, spricht dies nicht gegen das Verständnis eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbrauchers, das auch eine Auszeichnung eines Hotelbetriebs mit sechs Sternen von einer unabhängigen Stelle vergeben wird, um einen besonders gehobenen Hotelbetrieb zu kennzeichnen.

b) Das „G. H. M.“ ist – unstreitig – nicht von einer neutralen Stelle mit 6 Sternen ausgezeichnet worden. Soweit sich die Beklagte darauf beruft, dass es sich bei dem Hotel tatsächlich um ein Hotel der Spitzenklasse handele, steht dies einer Irreführung nicht entgegen. Eine Irreführung ist bereits dann festzustellen, wenn mit einem Qualitätskennzeichen geworben wird, ohne dass diese von einer unabhängigen Stelle vergeben worden ist. Ohne Bedeutung für die Irreführung ist daher, ob die erforderliche „Genehmigung“ hätte erteilt werden müssen, ob ein Rechtsanspruch auf die Erteilung besteht und ob die Dienstleistung die mit dem Zeichen verbürgte Qualität aufweist (Weidert in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, a. a. O., Anh. § 3 Abs. 23 II. Nr. 2 Rdnr. 12; Köhler/Bornkamm in Köhler/Bornkamm, a. a. O. Nr. 2 Anh. zu § 3 III Rdnr. 2.5; vgl. auch Begründung des Gesetzesentwurfes der Bundesregierung zu Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG Nr. 2 BT-Drucksache 16/10145 S. 31).

c) Bei der Verwendung der Sternenreihe im Eingangsbereich des Hotels handelt es sich um eine geschäftliche Handlung.

Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG ist eine „geschäftliche Handlung“ jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, dass mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt. Das Vorbringen der Beklagten, dass in den vergangenen drei Jahren im Durchschnitt nur 0,26 % ihrer Gäste ohne vorherige Reservierung über Telefon, Fax oder Internet spontan ein Zimmer gebucht haben, ist unerheblich. Denn die überwiegende Anzahl der Hotelgäste wird die beiden Sternenreihe beim Betreten des Hotels zur Kenntnis nehmen und davon ausgehen, dass dem Hotel der Beklagten von einer unabhängigen Stelle 6 Sterne verliehen worden seien.

Das Merkmal des „objektiven Zusammenhangs“ in § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG ist funktional zu verstehen und setzt voraus, dass die Handlung bei objektiver Betrachtung darauf gerichtet ist, durch Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidung der Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer den Absatz oder Bezug von Waren oder Dienstleistungen des eigenen oder eines fremden Unternehmens zu fördern (BGH, Urteil vom 10. Januar 2013 – I ZR 190/11 – standardisierte Mandatsbearbeitung, juris Rdnr. 17). Die von den Gästen des Hotels so verstandene besondere Qualifizierung ist geeignet, ihre Zufriedenheit mit den von ihnen in Anspruch genommenen Leistungen der Beklagten zu fördern und die Entscheidung zu beeinflussen, bei zukünftigen Aufenthalten in H. wieder das „G. H. M.“ zu buchen. Maßgeblich dürfte sich dies auch auf die Akzeptanz der von der Beklagten angebotenen Preise auswirken. Nach der Verkehrsauffassung rechtfertigt eine höhere Anzahl von Sternen einen höheren Preis bzw. lässt er einen angebotenen niedrigeren Preis als besondere Gelegenheit erscheinen.

d) Die im Rahmen des § 5 UWG erforderliche Relevanz der geschäftlichen Handlung ist gegeben. Eine Werbung ist nur dann irreführend, wenn sie geeignet ist, bei einem erheblichen Teil der umworbenen Verkehrskreise ihre Vorstellungen über das Angebot hervorzurufen und die zu treffende Markenschließung in wettbewerblich relevanter Weise zu beeinflussen (BGH, Urteil vom 26. Februar 2009 – I ZR 219/06 – Thermoroll, juris Rdnr. 18). Dies ist aus den vorgenannten Gründen anzunehmen.

Entgegen den Ausführungen der Beklagten zur Erkennbarkeit der Sternenreihe ergibt sich aus den von der Klägerin als Anlage K1 vorgelegten Lichtbildern, dass sich die Sterne von dem Marmor ausreichend abheben, um ohne weiteres wahrgenommen werden zu können. Auf den von der Beklagten als Anlage B1 vorgelegten Lichtbilder sind die Sterne – trotz der geringeren Bildschärfe – gleichfalls zu erkennen. Der Senat kann hier auf Grundlage der vorgelegten Lichtbilder sicher davon ausgehen, dass die überwiegende Anzahl der Gäste des „G. H. M.“ beim Betreten des Hotels mit der der Situation angemessenen Aufmerksamkeit die beiden Sternenreihen bemerken wird.

Die beiden Säulen sind auch nicht so durch die Buchsbäume verdeckt, als dass die Sterne nicht mehr zu erkennen wären. Soweit das Landgericht festgestellt hat, die Sterne würden ein „Blinken“ hervorrufen, dass die Aufmerksamkeit in besonderem Maße auf sie lenken würde, kommt es darauf nicht entscheidungserheblich an.

e) Die Beklagte kann sich nicht auf Bestandsschutz berufen.

Es ist anerkannt, dass eine Irreführungsgefahr in besonderen Ausnahmefällen hinzunehmen ist, wenn die Belange der Allgemeinheit nicht in erheblichem Maße und ernstlich in Mitleidenschaft gezogen werden, weil nur eine geringe Irreführungsgefahr vorliegt (BGH, Urteil vom 7. November 2002 – I ZR 276/99 – Klosterbrauerei, juris Rdnr. 36). Eine solche Ausnahme kommt insbesondere dann in Betracht, wenn durch das Verbot ein wertvoller Besitzstand an einer Individualkennzeichnung zerstört würde (BGH, Urteil vom 7. November 2002, a. a. O.; Beschluss vom 16. August 2012 – I ZR 200/11 – Über 400 Jahre Brautradition, juris Rdnr. 2). Ein solcher Ausnahmefall ist nicht gegeben. Zwar hat die Beklagte behauptet, die Sterne würden sich bereits seit 2009 an ihrer Hotelfassade befinden, ohne dass es zu Beanstandungen oder sonstigen Beschwerden gekommen wäre. Jedoch bemisst sie nach ihrem Vortrag der Sternenreihe lediglich dekorative Bedeutung bei. Ein Zeitablauf von fünf Jahren ist er daher nicht geeignet, hier schutzwürdigen Interessen der Beklagten mehr Gewicht beizumessen als die dargestellte Irreführungsgefahr für die Verbraucher.

4. Der Kläger kann nach § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG die Erstattung der entstandenen Abmahnkosten verlangen.

II.
Die Kostenentscheidung des Landgerichts ist von Amts wegen gem. § 308 Abs. 2 ZPO von einer Quote von 80 % zu 20 % zu Lasten der Beklagten dahingehend abzuändern, dass die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben werden.

1. Soweit der Kläger mit seiner weitergehenden Klage – Verbot, in gedruckten Werbeunterlagen oder sonst werblich mit Hinweisen auf die Sterneklassifizierung zu werben – unterlegen ist, betrifft dies die üblichen Vertriebswege eines Hotelbetriebs über das Internet, Zeitungsanzeigen, Flyern etc. Deren Gewichtung kann nicht geringer bewertet werden, als dies bei dem ausgeurteilten Unterlassungstenor mit der Außenfassade der Fall ist.

Im Gegensatz dazu hat die nicht ausgeurteilte Einschränkung „sofern dem keine aktuell gültige Zertifizierung nach Maßgabe der deutschen Hotelklassifizierung zugrunde liegt“ kein besonderes Gewicht.

2. Die Kostenentscheidung des Gerichts der ersten Instanz kann auch im Rahmen eines Beschlusses nach § 522 Abs. 2 ZPO von Amts wegen korrigiert werden, da das Berufungsgericht mit der Sache befasst ist (KG Berlin, Beschluss vom 16. März 2009 – 8 U 216/08, juris Rdnr. 28; Elzer in Vorwerk/Wolf, Beck-OK ZPO, Stand: 15. März 2014, § 308 Rdnr. 44).

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