Als Information getarnte Werbung

23. Dezember 2013
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Eigener Leitsatz:

Presseverleger müssen nach dem deutschen Presserecht jede Veröffentlichung in ihren periodischen Druckwerken, für die sie ein Entgelt erhalten, eindeutig mit dem Begriff „Anzeige“ kennzeichnen, es sei denn, bereits durch die Anordnung und Gestaltung der Veröffentlichung ist für den Leser allgemein zu erkennen, dass es sich um eine Werbeanzeige handelt. Fehlt eine solche Kennzeichnung, ist von einer unlauteren Handlung auszugehen, da der Werbecharakter von geschäftlichen Handlungen verschleiert wird (§ 4 Nr. 3, 11 UWG).

Gerichtshof der Europäischen Union

Urteil vom 17.10.2013

Az.: C-391/12

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesgerichtshof (Deutschland) mit Entscheidung vom 19. Juli 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 22. August 2012, in dem Verfahren

RLvS Verlagsgesellschaft mbH

gegen

Stuttgarter Wochenblatt GmbH

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič, der Richter C. G. Fernlund und A. Ó Caoimh, der Richterin C. Toader (Berichterstatterin) sowie des Richters E. Jarašiūnas,

Generalanwalt: M. Wathelet,

Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 12. Juni 2013,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

– der RLvS Verlagsgesellschaft mbH, vertreten durch Rechtsanwalt A. Sasdi,
– der Stuttgarter Wochenblatt GmbH, vertreten durch Rechtsanwälte F.‑W. Engel und A. Rinkler,
– der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und J. Kemper als Bevollmächtigte,
– der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek, J. Vláčil und S. Šindelková als Bevollmächtigte,
– der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna und M. Szpunar als Bevollmächtigte,
– der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Owsiany-Hornung, V. Kreuschitz und M. van Beek als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 11. Juli 2013

folgendes

Urteil

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 7 der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) (ABl. L 149, S. 22, berichtigt im ABl. 2009, L 253, S. 18), und die Auslegung der Nr. 11 des Anhangs I dieser Richtlinie.

Das Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der RLvS Verlagsgesellschaft mbH (im Folgenden: RLvS) und der Stuttgarter Wochenblatt GmbH (im Folgenden: Stuttgarter Wochenblatt) wegen der Möglichkeit, RLvS zu untersagen, in einem Anzeigenblatt entgeltliche Veröffentlichungen ohne die Kennzeichnung als „Anzeige“ zu veröffentlichen oder veröffentlichen zu lassen.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Richtlinie 2005/29

Die Erwägungsgründe 6 bis 8 der Richtlinie 2005/29 lauten:

„(6) Die vorliegende Richtlinie gleicht … die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über unlautere Geschäftspraktiken einschließlich der unlauteren Werbung an, die die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher unmittelbar und dadurch die wirtschaftlichen Interessen rechtmäßig handelnder Mitbewerber mittelbar schädigen. Im Einklang mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip schützt diese Richtlinie die Verbraucher vor den Auswirkungen solcher unlauteren Geschäftspraktiken, soweit sie als wesentlich anzusehen sind, berücksichtigt jedoch, dass die Auswirkungen für den Verbraucher in manchen Fällen unerheblich sein können. Sie erfasst und berührt nicht die nationalen Rechtsvorschriften in Bezug auf unlautere Geschäftspraktiken, die lediglich die wirtschaftlichen Interessen von Mitbewerbern schädigen oder sich auf ein Rechtsgeschäft zwischen Gewerbetreibenden beziehen; die Mitgliedstaaten können solche Praktiken, falls sie es wünschen, unter uneingeschränkter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht weiterhin regeln. …

(7) Diese Richtlinie bezieht sich auf Geschäftspraktiken, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidungen des Verbrauchers in Bezug auf Produkte stehen. …

(8) Diese Richtlinie schützt unmittelbar die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher vor unlauteren Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern. Sie schützt somit auch mittelbar rechtmäßig handelnde Unternehmen vor Mitbewerbern, die sich nicht an die Regeln dieser Richtlinie halten, und gewährleistet damit einen lauteren Wettbewerb in dem durch sie koordinierten Bereich. Selbstverständlich gibt es andere Geschäftspraktiken, die zwar nicht den Verbraucher schädigen, sich jedoch nachteilig für die Mitbewerber und gewerblichen Kunden auswirken können. Die Kommission sollte sorgfältig prüfen, ob auf dem Gebiet des unlauteren Wettbewerbs über den Regelungsbereich dieser Richtlinie hinausgehende gemeinschaftliche Maßnahmen erforderlich sind, und sollte gegebenenfalls einen Gesetzgebungsvorschlag zur Erfassung dieser anderen Aspekte des unlauteren Wettbewerbs vorlegen.“

Nach Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 2005/29 bezeichnet der Ausdruck „Gewerbetreibender“ „jede natürliche oder juristische Person, die im Geschäftsverkehr im Sinne dieser Richtlinie im Rahmen ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit handelt, und jede Person, die im Namen oder Auftrag des Gewerbetreibenden handelt“. Nach Art. 2 Buchst. d der Richtlinie bezeichnet der Ausdruck „Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern“ „jede Handlung, Unterlassung, Verhaltensweise oder Erklärung, kommerzielle Mitteilung einschließlich Werbung und Marketing eines Gewerbetreibenden, die unmittelbar mit der Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung eines Produkts an Verbraucher zusammenhängt“.

Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29 bestimmt, dass diese „für unlautere Geschäftspraktiken im Sinne des Artikels 5 von Unternehmen gegenüber Verbrauchern vor, während und nach Abschluss eines auf ein Produkt bezogenen Handelsgeschäfts“ gilt.

Jedoch können die Mitgliedstaaten nach Art. 3 Abs. 5 der Richtlinie 2005/29 „für einen Zeitraum von sechs Jahren ab dem 12. Juni 2007 in dem durch diese Richtlinie angeglichenen Bereich nationale Vorschriften beibehalten, die restriktiver oder strenger sind als diese Richtlinie und zur Umsetzung von Richtlinien erlassen wurden und die Klauseln über eine Mindestangleichung enthalten. Diese Maßnahmen müssen unbedingt erforderlich sein, um sicherzustellen, dass die Verbraucher auf geeignete Weise vor unlauteren Geschäftspraktiken geschützt werden, und müssen zur Erreichung dieses Ziels verhältnismäßig sein. Im Rahmen der nach Artikel 18 vorgesehenen Überprüfung kann gegebenenfalls vorgeschlagen werden, die Geltungsdauer dieser Ausnahmeregelung um einen weiteren begrenzten Zeitraum zu verlängern.“

Ferner lässt die Richtlinie 2005/29 gemäß ihrem Art. 3 Abs. 8 „alle Niederlassungs- oder Genehmigungsbedingungen, berufsständischen Verhaltenskodizes oder andere spezifische Regeln für reglementierte Berufe unberührt, damit die strengen Integritätsstandards, die die Mitgliedstaaten den in dem Beruf tätigen Personen nach Maßgabe des Gemeinschaftsrechts auferlegen können, gewährleistet bleiben“.

Art. 4 der Richtlinie 2005/29 lautet:

„Die Mitgliedstaaten dürfen den freien Dienstleistungsverkehr und den freien Warenverkehr nicht aus Gründen, die mit dem durch diese Richtlinie angeglichenen Bereich zusammenhängen, einschränken.“

In Art. 5 („Verbot unlauterer Geschäftspraktiken“) der Richtlinie 2005/29 heißt es:

„(1) Unlautere Geschäftspraktiken sind verboten.

(2) Eine Geschäftspraxis ist unlauter, wenn

a) sie den Erfordernissen der beruflichen Sorgfaltspflicht widerspricht

und

b) sie in Bezug auf das jeweilige Produkt das wirtschaftliche Verhalten des Durchschnittsverbrauchers, den sie erreicht oder an den sie sich richtet oder des durchschnittlichen Mitglieds einer Gruppe von Verbrauchern, wenn sich eine Geschäftspraxis an eine bestimmte Gruppe von Verbrauchern wendet, wesentlich beeinflusst oder dazu geeignet ist, es wesentlich zu beeinflussen.

(5) Anhang I enthält eine Liste jener Geschäftspraktiken, die unter allen Umständen als unlauter anzusehen sind. Diese Liste gilt einheitlich in allen Mitgliedstaaten und kann nur durch eine Änderung dieser Richtlinie abgeändert werden.“

Art. 7 („Irreführende Unterlassungen“) der Richtlinie 2005/29 sieht in seinen Abs. 1 und 2 vor:

„(1) Eine Geschäftspraxis gilt als irreführend, wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände und der Beschränkungen des Kommunikationsmediums wesentliche Informationen vorenthält, die der durchschnittliche Verbraucher je nach den Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und die somit einen Durchschnittsverbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst oder zu veranlassen geeignet ist, die er sonst nicht getroffen hätte.

(2) Als irreführende Unterlassung gilt es auch, wenn ein Gewerbetreibender wesentliche Informationen gemäß Absatz 1 unter Berücksichtigung der darin beschriebenen Einzelheiten verheimlicht oder auf unklare, unverständliche, zweideutige Weise oder nicht rechtzeitig bereitstellt oder wenn er den kommerziellen Zweck der Geschäftspraxis nicht kenntlich macht, sofern er sich nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, und dies jeweils einen Durchschnittsverbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst oder zu veranlassen geeignet ist, die er ansonsten nicht getroffen hätte.“

In Anhang I („Geschäftspraktiken, die unter allen Umständen als unlauter gelten“) der Richtlinie 2005/29 werden in Nr. 11 als „irreführende Geschäftspraktiken“ Praktiken genannt, bei denen „redaktionelle Inhalte in Medien zu Zwecken der Verkaufsförderung eingesetzt [werden] und der Gewerbetreibende … diese Verkaufsförderung bezahlt [hat], ohne dass dies aus dem Inhalt oder aus für den Verbraucher klar erkennbaren Bildern und Tönen eindeutig hervorgehen würde (als Information getarnte Werbung). Die Richtlinie 89/552/EWG [des Rates vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit (ABl. L 298, S. 23)] bleibt davon unberührt.“

Richtlinie 2010/13/EU

Im 82. Erwägungsgrund der Richtlinie 2010/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. März 2010 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste) (ABl. L 95, S. 1) heißt es, dass die Richtlinie 2005/29/EG „[a]bgesehen von den Praktiken, die unter die vorliegende Richtlinie fallen, … für unlautere Geschäftspraktiken [gilt], darunter auch für irreführende und aggressive Praktiken in audiovisuellen Mediendiensten“.

Art. 10 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2010/13 sieht vor:

„Gesponserte audiovisuelle Mediendienste oder Sendungen müssen folgenden Anforderungen genügen:

c) die Zuschauer müssen eindeutig auf das Bestehen einer Sponsoring-Vereinbarung hingewiesen werden. Gesponserte Sendungen sind – beispielsweise durch den Namen, das Firmenemblem und/oder ein anderes Symbol des Sponsors, etwa einen Hinweis auf seine Produkte oder Dienstleistungen oder ein entsprechendes unterscheidungskräftiges Zeichen – in angemessener Weise zum Beginn, während und/oder zum Ende der Sendung eindeutig zu kennzeichnen.“

Mit der Richtlinie 2010/13 wurde die Richtlinie 89/552 in der durch die Richtlinie 2007/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2007 (ABl. L 322, S. 27) geänderten Fassung aufgehoben. Art. 3f der Richtlinie 89/552 lautete in der Fassung der Richtlinie 2007/65:

„(1) Gesponserte audiovisuelle Mediendienste oder Sendungen müssen folgenden Anforderungen genügen:

a) Ihr Inhalt und – bei Fernsehsendungen – ihr Programmplatz dürfen keinesfalls so beeinflusst werden, dass die redaktionelle Verantwortung und Unabhängigkeit des Mediendiensteanbieters beeinträchtigt wird.

b) Sie dürfen nicht unmittelbar zu Kauf, Miete bzw. Pacht von Waren oder Dienstleistungen anregen, insbesondere nicht durch spezielle verkaufsfördernde Hinweise auf diese Waren oder Dienstleistungen.

c) Die Zuschauer müssen eindeutig auf das Bestehen einer Sponsoring-Vereinbarung hingewiesen werden. Gesponserte Sendungen sind – beispielsweise durch den Namen, das Firmenemblem und/oder ein anderes Symbol des Sponsors, etwa einen Hinweis auf seine Produkte oder Dienstleistungen oder ein entsprechendes unterscheidungskräftiges Zeichen – in angemessener Weise zum Beginn, während und/oder zum Ende der Sendung eindeutig zu kennzeichnen.

(2) Audiovisuelle Mediendienste oder Sendungen dürfen nicht von Unternehmen gesponsert werden, deren Haupttätigkeit die Herstellung oder der Verkauf von Zigaretten und anderen Tabakerzeugnissen ist.

(3) Beim Sponsoring von audiovisuellen Mediendiensten oder Sendungen durch Unternehmen, deren Tätigkeit die Herstellung oder den Verkauf von Arzneimitteln und medizinischen Behandlungen umfasst, darf für den Namen oder das Erscheinungsbild des Unternehmens geworben werden, nicht jedoch für bestimmte Arzneimittel oder medizinische Behandlungen, die in dem Mitgliedstaat, dessen Rechtshoheit der Mediendiensteanbieter unterworfen ist, nur auf ärztliche Verordnung erhältlich sind.

(4) Nachrichtensendungen und Sendungen zur politischen Information dürfen nicht gesponsert werden. Die Mitgliedstaaten können sich dafür entscheiden, das Zeigen von Sponsorenlogos in Kindersendungen, Dokumentarfilmen und Sendungen religiösen Inhalts zu untersagen.“

Deutsches Recht

§ 10 („Kennzeichnung entgeltlicher Veröffentlichungen“) des Landespressegesetzes Baden-Württemberg vom 14. Januar 1964 (im Folgenden: LPresseG) bestimmt:

„Hat der Verleger eines periodischen Druckwerks oder der Verantwortliche (§ 8 Abs. 2 Satz 4) für eine Veröffentlichung ein Entgelt erhalten, gefordert oder sich versprechen lassen, so hat er diese Veröffentlichung, soweit sie nicht schon durch Anordnung und Gestaltung allgemein als Anzeige zu erkennen ist, deutlich mit dem Begriff ‚Anzeige‘ zu bezeichnen.“

Mit dem LPresseG soll die Pressefreiheit gewährleistet werden. Die Presse dient nach § 1 LPresseG der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. In § 3 LPresseG heißt es, dass die Presse eine öffentliche Aufgabe erfüllt, wenn sie in Angelegenheiten von öffentlichem Interesse Nachrichten beschafft und verbreitet, Stellung nimmt, Kritik übt oder auf andere Weise an der Meinungsbildung mitwirkt.

Die Richtlinie 2005/29 wird in Deutschland mit dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (im Folgenden: UWG) umgesetzt. § 3 („Verbot unlauterer geschäftlicher Handlungen“) UWG bestimmt:

„(1) Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig, wenn sie geeignet sind, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen.

(2) Geschäftliche Handlungen gegenüber Verbrauchern sind jedenfalls dann unzulässig, wenn sie nicht der für den Unternehmer geltenden fachlichen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, die Fähigkeit des Verbrauchers, sich auf Grund von Informationen zu entscheiden, spürbar zu beeinträchtigen und ihn damit zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Dabei ist auf den durchschnittlichen Verbraucher oder, wenn sich die geschäftliche Handlung an eine bestimmte Gruppe von Verbrauchern wendet, auf ein durchschnittliches Mitglied dieser Gruppe abzustellen. …

(3) Die im Anhang dieses Gesetzes aufgeführten geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern sind stets unzulässig.“

Gemäß § 4 Nrn. 3 und 11 UWG handelt unlauter „insbesondere, wer … den Werbecharakter von geschäftlichen Handlungen verschleiert“ oder „einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln“.

§ 8 („Beseitigung und Unterlassung“) UWG sieht vor:

„(1) Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht bereits dann, wenn eine derartige Zuwiderhandlung gegen § 3 oder § 7 droht.

(2) Werden die Zuwiderhandlungen in einem Unternehmen von einem Mitarbeiter oder Beauftragten begangen, so sind der Unterlassungsanspruch und der Beseitigungsanspruch auch gegen den Inhaber des Unternehmens begründet.

(3) Die Ansprüche aus Absatz 1 stehen zu:

1. jedem Mitbewerber;

…“

Nach Nr. 11 des Anhangs des UWG ist eine unzulässige geschäftliche Handlung im Sinne des § 3 Abs. 3 UWG „der vom Unternehmer finanzierte Einsatz redaktioneller Inhalte zu Zwecken der Verkaufsförderung, ohne dass sich dieser Zusammenhang aus dem Inhalt oder aus der Art der optischen oder akustischen Darstellung eindeutig ergibt (als Information getarnte Werbung)“.

Sachverhalt des Ausgangsverfahrens und Vorlagefrage

Stuttgarter Wochenblatt gibt eine gleichnamige Wochenzeitschrift heraus. RLvS, die ihren Sitz in Stuttgart (Deutschland) hat, ist Verlegerin des Anzeigenblatts GOOD NEWS. In der Ausgabe von Juni 2009 veröffentlichte RLvS zwei Beiträge, für die sie von Sponsoren ein Entgelt erhalten hatte.

Der erste dieser beiden Beiträge, der unter der Rubrik „GOOD NEWS Prominent“ veröffentlicht wurde, nimmt eine Dreiviertelseite ein und trägt die Überschrift „VfB VIP-Geflüster“. Dabei handelt es sich um eine redaktionelle Bildberichterstattung über prominente Gäste, die beim Saisonabschluss des Fußballbundesligisten VfB Stuttgart anwesend waren. Zwischen der Titelzeile, die auch eine kurze Einleitung enthält, und der 19 Fotografien umfassenden Bildberichterstattung befindet sich ein Hinweis darauf, dass der Beitrag von Dritten finanziert wurde. Dieser Hinweis erfolgt durch grafische Hervorhebung des Firmennamens Scharr mit dem Zusatz „Sponsored by“. Unterhalb dieses Beitrags befindet sich im Umfang einer Viertelseite eine mit einem Trennstrich abgesetzte und mit dem Wort „Anzeige“ kenntlich gemachte Werbung, die eine Berichterstattung über den Beginn der Umbauarbeiten der Mercedes-Benz-Arena sowie eine Werbung für das Produkt „Scharr Bio Heizöl“ enthält, das vom Sponsor des redaktionellen Beitrags angeboten wird.

Der zweite, auf einer anderen Seite des Blattes unter der Rubrik „GOOD NEWS Wunderschön“ abgedruckte Beitrag ist Teil der Serie mit dem Titel „Wohin Stuttgarter verreisen“ und trägt den Titelzusatz „Heute: Leipzig“. Dabei handelt es sich im Umfang einer 7/8‑Seite um ein Kurzporträt der Stadt Leipzig. In der Titelzeile befindet sich mit dem Zusatz „Sponsored by“ ebenfalls ein grafisch hervorgehobener Hinweis auf das Unternehmen, hier Germanwings, das für diesen Artikel einen finanziellen Beitrag geleistet hatte. In der rechten unteren Ecke ist zudem eine Werbung für Germanwings abgedruckt, die ebenfalls mit dem Begriff „Anzeige“ kenntlich gemacht und mit einem Trennstrich vom Beitrag abgesetzt ist. Die Werbung enthält ein Gewinnspiel, bei dem die Teilnehmer u. a. zwei Flüge nach Leipzig gewinnen können, wenn sie eine Frage richtig beantworten, die sich auf die Frequenz der Flugverbindung des Sponsors zwischen Stuttgart und Leipzig bezieht.

Stuttgarter Wochenblatt ist der Ansicht, dass die beiden fraglichen Veröffentlichungen gegen § 10 LPresseG verstießen, weil sie nicht deutlich als Anzeigen gekennzeichnet seien. Da Sponsoren für die Veröffentlichungen bezahlt hätten, handele es sich um entgeltliche Veröffentlichungen im Sinne dieser Bestimmung.

Das von Stuttgarter Wochenblatt im ersten Rechtszug angerufene Landgericht Stuttgart untersagte RLvS antragsgemäß, in dem Blatt GOOD NEWS entgeltliche Veröffentlichungen ohne die Kennzeichnung als „Anzeige“ zu veröffentlichen oder veröffentlichen zu lassen, wie dies in den beiden in Rede stehenden Beiträgen der Ausgabe Juni 2009 geschehen sei, die nicht schon durch ihre Anordnung und Gestaltung allgemein als Anzeige zu erkennen seien. Die dagegen gerichtete Berufung von RLvS beim Oberlandesgericht Stuttgart blieb erfolglos.

Mit der Revision beim vorlegenden Gericht verfolgt RLvS ihren Antrag auf Abweisung der Klage von Stuttgarter Wochenblatt weiter. Sie macht geltend, § 10 LPresseG sei nicht anwendbar, da er gegen Unionsrecht verstoße.

Der Bundesgerichtshof hat Zweifel, ob die uneingeschränkte Anwendung des § 10 LPresseG im Rahmen von § 4 Nr. 11 UWG im Einklang mit dem Unionsrecht steht, insbesondere in Anbetracht der vollständigen Angleichung der Vorschriften über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern durch die Richtlinie 2005/29. Da im Ausgangsverfahren das erstinstanzliche und das Berufungsgericht der Klage von Stuttgarter Wochenblatt auf der Grundlage von § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 10 LPresseG stattgegeben haben, möchte der Bundesgerichtshof die Frage offenlassen, ob die streitigen Veröffentlichungen möglicherweise auch gegen § 3 Abs. 3 UWG in Verbindung mit Nr. 11 des Anhangs zu dieser Vorschrift sowie gegen § 4 Nr. 3 UWG verstoßen, die im Wesentlichen Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken in Verbindung mit Nr. 11 ihres Anhangs I sowie Art. 7 Abs. 2 dieser Richtlinie entsprechen.

Der Bundesgerichtshof weist darauf hin, dass § 10 LPresseG, dessen Bestimmungen sich fast wortgleich in nahezu allen Presse- oder Mediengesetzen der deutschen Bundesländer fänden, eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG darstelle. § 10 LPresseG verfolge zwei Ziele. Zum einen solle eine Irreführung der Leser verhindert werden, die daraus resultiere, dass die Verbraucher häufig Werbemaßnahmen, die als redaktionelle Inhalte getarnt seien, unkritischer gegenüberstünden als einer Wirtschaftswerbung, die als solche erkennbar sei. Zum anderen diene das Gebot der Trennung der Werbung vom redaktionellen Teil der Erhaltung der Objektivität und Neutralität der Presse und solle – auch außerhalb des geschäftlichen Verkehrs – der Gefahr eines sachfremden Einflusses auf die Presse begegnen. Dieses presse- und medienrechtliche Trennungsgebot erfülle eine wichtige Funktion zum Schutz der Objektivität und Neutralität der Presse und des Rundfunks, die allein durch ein lauterkeitsrechtliches Verbot der redaktionellen Werbung nicht erfüllt werden könnte.

Der Bundesgerichtshof hat unter diesen Umständen beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Stehen Art. 7 Abs. 2 und Nr. 11 des Anhangs I in Verbindung mit Art. 4 und Art. 3 Abs. 5 der Richtlinie 2005/29 der Anwendung einer nationalen Vorschrift (hier: § 10 LPresseG) entgegen, die neben dem Schutz der Verbraucher vor Irreführungen auch dem Schutz der Unabhängigkeit der Presse dient und die im Gegensatz zu Art. 7 Abs. 2 und Nr. 11 des Anhangs I der Richtlinie jede entgeltliche Veröffentlichung unabhängig von dem damit verfolgten Zweck verbietet, wenn die Veröffentlichung nicht durch die Verwendung des Begriffs „Anzeige“ kenntlich gemacht wird, es sei denn, schon durch die Anordnung und Gestaltung der Veröffentlichung ist zu erkennen, dass es sich um eine Anzeige handelt?

Zur Vorlagefrage

Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Richtlinie 2005/29 unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens dahin auszulegen ist, dass sie der Anwendung einer nationalen Bestimmung entgegensteht, wonach Presseverleger jede Veröffentlichung in ihren periodischen Druckwerken, für die sie ein Entgelt erhalten, speziell kennzeichnen müssen – im vorliegenden Fall mit dem Begriff „Anzeige“ –, es sei denn, durch die Anordnung und Gestaltung der Veröffentlichung ist allgemein zu erkennen, dass es sich um eine Anzeige handelt.

Zunächst ist festzustellen, dass die Frage des vorlegenden Gerichts nicht die Anwendung nationaler Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie 2005/29 betrifft, die u. a. in § 3 und im Anhang des UWG enthalten sind, sondern die Anwendung einer Bestimmung, die in den verschiedenen deutschen Bundesländern in im Wesentlichen ähnlicher Form vorhanden ist und die Tätigkeit der Presse regelt, hier § 10 LPresseG. Nach den Ausführungen des vorlegenden Gerichts handelt es sich bei § 10 LPresseG um eine gesetzliche Vorschrift im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG, die dazu bestimmt sei, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Das UWG schütze sowohl die Interessen von Verbrauchern und Mitbewerbern der Unternehmen, die unlautere geschäftliche Handlungen ausübten, als auch die Interessen „sonstiger Marktteilnehmer“. So könnten nach § 8 Abs. 3 UWG alle Mitbewerber die Einhaltung dieser Bestimmung verlangen.

Der Ausgangsrechtsstreit betrifft auch nicht die beiden mit dem Begriff „Anzeige“ gekennzeichneten Werbebeiträge. Gegenstand dieses Rechtsstreits ist nämlich nur, dass RLvS es unterlassen hat, die beiden Beiträge des Blattes GOOD NEWS über ein Fußballspiel bzw. die Stadt Leipzig mit dem Begriff „Anzeige“ zu kennzeichnen, und dadurch gegen § 10 LPresseG verstoßen hat. Mit der Vorlagefrage soll demnach nur geklärt werden, ob die Richtlinie 2005/29 unter diesen Umständen der Anwendung einer solchen, durch nationales Recht begründeten Pflicht zur Kennzeichnung dieser beiden Beiträge auf den Presseverleger entgegensteht.

Hierzu ist festzustellen, dass die Richtlinie 2005/29 die Regeln über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern in der Tat vollständig harmonisiert. Daher sind nur die in Anhang I dieser Richtlinie aufgelisteten 31 Geschäftspraktiken „unter allen Umständen“ in den Mitgliedstaaten als unlauter anzusehen und gehört die Möglichkeit der Mitgliedstaaten, in ihrem Gebiet Maßnahmen aufrechtzuerhalten oder einzuführen, die bezwecken oder bewirken, dass Geschäftspraktiken aus Gründen der Aufrechterhaltung der Medienvielfalt als unlauter eingestuft werden, nicht zu den in den Erwägungsgründen 6 und 9 sowie in Art. 3 der Richtlinie genannten Ausnahmen von ihrem Anwendungsbereich (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. November 2010, Mediaprint Zeitungs- und Zeitschriftenverlag, C‑540/08, Slg. 2010, I‑10909, Randnrn. 26, 27 und 34).

Allerdings sind solche Erwägungen unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens nur relevant, sofern die jeweiligen Geschäftspraktiken, hier die Veröffentlichung von redaktionellen Inhalten durch einen Presseverleger, tatsächlich in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2005/29 fallen.

Selbst wenn eine nationale Bestimmung tatsächlich dem Verbraucherschutz dient, was das vorlegende Gericht zu klären hat, damit festgestellt werden kann, ob eine solche Bestimmung in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2005/29 fällt, ist darüber hinaus erforderlich, dass die von der nationalen Bestimmung erfassten Verhaltensweisen Geschäftspraktiken im Sinne von Art. 2 Buchst. d dieser Richtlinie sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. Januar 2010, Plus Warenhandelsgesellschaft, C‑304/08, Slg. 2010, I‑217, Randnr. 35, und Mediaprint Zeitungs- und Zeitschriftenverlag, Randnr. 16, sowie Beschluss vom 27. Mai 2011, Wamo, C‑288/10, Slg. 2011, I‑5835, Randnrn. 28 und 29).

Das ist dann der Fall, wenn sich die betreffenden Praktiken in den Rahmen der Geschäftsstrategie eines Wirtschaftsteilnehmers einfügen und unmittelbar mit der Absatzförderung und dem Verkauf seiner Produkte und Dienstleistungen zusammenhängen, so dass sie Geschäftspraktiken im Sinne von Art. 2 Buchst. d der Richtlinie 2005/29 darstellen und damit in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen (vgl. Urteile vom 23. April 2009, VTB-VAB und Galatea, C‑261/07 und C‑299/07, Slg. 2009, I‑2949, Randnr. 50, sowie Plus Warenhandelsgesellschaft, Randnr. 37).

Auch wenn die Richtlinie 2005/29 den Begriff der Geschäftspraktiken mit einer besonders weiten Formulierung definiert (vgl. Urteil Mediaprint Zeitungs- und Zeitschriftenverlag, Randnr. 17, und Beschluss Wamo, Randnr. 30), müssen diese Praktiken gleichwohl gewerblicher Natur sein, d. h. von Gewerbetreibenden ausgeübt werden, und zudem unmittelbar mit der Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung ihrer Produkte an Verbraucher zusammenhängen.

Zwar kann die Richtlinie 2005/29 nach der Definition des Begriffs des Gewerbetreibenden in Art. 2 Buchst. b dieser Richtlinie in einer Situation anwendbar sein, in der die Geschäftspraktiken eines Wirtschaftsteilnehmers von einem anderen Unternehmen ausgeübt werden, das im Namen und/oder Auftrag dieses Wirtschaftsteilnehmers tätig wird, so dass die Bestimmungen dieser Richtlinie in bestimmten Situationen sowohl diesem Wirtschaftsteilnehmer als auch diesem Unternehmen entgegengehalten werden können, wenn beide der Definition des Gewerbetreibenden entsprechen.

Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens ist jedoch unstreitig, dass die betreffenden Veröffentlichungen – zwei Beiträge mit informativem und darstellendem redaktionellem Inhalt – nicht geeignet sind, das Produkt des Presseverlegers, im vorliegenden Fall ein kostenloses Anzeigenblatt, zu bewerben, sondern die Produkte und Dienstleistungen von Unternehmen, die nicht am Ausgangsverfahren beteiligt sind.

Auch wenn solche Veröffentlichungen somit unter der Voraussetzung, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zu einer solchen kommerziellen Mitteilung hergestellt werden könnte, als Geschäftspraktiken angesehen werden können, würde es sich um einen Zusammenhang mit den Produkten und Dienstleistungen dieser Unternehmen, im Ausgangsverfahren Scharr und Germanwings, handeln. Zudem ist unstreitig, dass RLvS nicht im Sinne von Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 2005/29 im Namen und/oder Auftrag dieser Unternehmen gehandelt hat. Zwar würde diese Richtlinie in Anbetracht ihres persönlichen Anwendungsbereichs in einem solchen Fall dazu dienen, die Verbraucher der Produkte und Dienstleistungen dieser Unternehmen sowie deren rechtmäßig handelnde Mitbewerber zu schützen.

Da jedoch solche Veröffentlichungen des Presseverlegers, mit denen Produkte und Dienstleistungen Dritter – eventuell mittelbar – beworben werden können, nicht geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers bei seiner Entscheidung, das – im Übrigen gratis verteilte – Blatt zu erwerben oder zur Hand zu nehmen, wesentlich zu beeinflussen (vgl. zu diesem Gesichtspunkt Urteil Mediaprint Zeitungs- und Zeitschriftenverlag, Randnrn. 44 und 45), kann eine solche verlegerische Praxis für sich genommen nicht als „Geschäftspraktik“ dieses Verlegers im Sinne von Art. 2 Buchst. d der Richtlinie 2005/29 angesehen werden.

Unter solchen Umständen ist es nicht Aufgabe der Richtlinie 2005/29, einen Mitbewerber des betreffenden Presseverlegers zu schützen, weil dieser Veröffentlichungen vorgenommen hat, die geeignet waren, die Produkte oder Dienstleistungen von Inserenten zu bewerben, die diese Veröffentlichungen gesponsert haben, ohne dass – entgegen den Anforderungen des § 10 LPresseG – eine Kennzeichnung mit dem Begriff „Anzeige“ erfolgt wäre.

Diese Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Richtlinie 2005/29 wird erstens durch Nr. 11 des Anhangs I dieser Richtlinie bekräftigt. Unbeschadet der Richtlinie 89/552 gilt es nämlich nach dieser Nr. 11 unter allen Umständen als unlauter, wenn ein Gewerbetreibender redaktionelle Inhalte in Medien zu Zwecken der Verkaufsförderung eines Produkts einsetzt, ohne dass aus dem Inhalt oder aus für den Verbraucher klar erkennbaren Bildern und Tönen eindeutig hervorgeht, dass er diesen redaktionellen Inhalt bezahlt hat, eine Praxis, die gemeinhin „als Information getarnte Werbung“ genannt wird.

Zwar ist in diesem Zusammenhang nicht ausgeschlossen, dass ein Presseverleger in seinen Produkten oder in anderen Medien selbst eine als unlauter anzusehende Geschäftspraktik gegenüber dem betreffenden Verbraucher, hier dem Leser, ausübt, indem er z. B. Gewinnspiele, Rätsel oder Preisausschreiben anbietet, die Gewinnchancen eröffnen und dadurch den Verbraucher veranlassen können, das betreffende Produkt – die Zeitung – zu kaufen (vgl. hierzu im Kontext von Art. 30 EG, jetzt Art. 36 AEUV, Urteil vom 26. Juni 1997, Familiapress, C‑368/95, Slg. 1997, I‑3689, Randnr. 28). Nr. 11 des Anhangs I der Richtlinie 2005/29 dient aber als solche nicht dazu, Presseverlegern die Verpflichtung aufzuerlegen, etwaige unlautere Geschäftspraktiken von Inserenten zu verhindern, für die insoweit möglicherweise ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung der Produkte oder Dienstleistungen der Inserenten an Verbraucher hergestellt werden könnte.

Wäre zweitens anzunehmen, dass sich ein Medienunternehmen gegenüber einem seiner Mitbewerber, der redaktionelle Inhalte veröffentlicht, die von Unternehmen gesponsert werden, die damit den Verkauf ihrer Produkte fördern wollen oder zu fördern hoffen, ohne deutlich darauf hinzuweisen, dass sie die Veröffentlichungen bezahlt haben, auf die Richtlinie 2005/29 berufen kann, würde eine solche Anwendung der Richtlinie im audiovisuellen Bereich mit den Verpflichtungen kollidieren, die den Anbietern audiovisueller Mediendienste mit der Richtlinie 2010/13 auferlegt werden, deren Art. 10 Abs. 1 Buchst. c eben dieses Sponsoring audiovisueller Sendungen regelt.

Wie jedoch u. a. der deutschen („Abgesehen von den Praktiken, die unter die vorliegende Richtlinie fallen“), der englischen („Apart from the practices that are covered by this Directive“), der französischen („Outre les pratiques couvertes par la présente directive“), der italienischen („In aggiunta alle pratiche oggetto della presente direttiva“) und der rumänischen („Pe lângă practicile aflate sub incidența prezentei directive“) Fassung des 82. Erwägungsgrundes der Richtlinie 2010/13 zu entnehmen ist, erfasst diese Richtlinie andere Praktiken als die Richtlinie 2005/29. Auch mit Art. 3f der Richtlinie 89/552 in der durch die Richtlinie 2007/65 geänderten Fassung würde eine solche Auslegung kollidieren.

Daher kann in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens, auch wenn nach den Feststellungen des vorlegenden Gerichts, denen die deutsche Regierung entgegentritt, die Anwendung des § 10 LPresseG auf die streitigen Veröffentlichungen im Kontext des § 4 Nr. 11 UWG sowohl dem Schutz der Unabhängigkeit der Presse als auch dem Schutz der Verbraucher vor Irreführungen dient, dies nicht dazu führen, dass die Anwendung der Richtlinie 2005/29 auf Geschäftspraktiken oder diese Praktiken ausübende Personen ausgeweitet wird, die nicht in ihren Anwendungsbereich fallen.

Schließlich gibt die Richtlinie 2005/29, insbesondere Nr. 11 ihres Anhangs I, unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens zwar den inserierenden Unternehmen auf, deutlich darauf hinzuweisen, dass sie einen redaktionellen Medieninhalt finanziert haben, wenn dieser Inhalt dazu dient, ein Produkt oder eine Dienstleistung dieser Gewerbetreibenden zu bewerben, doch entspricht in Wirklichkeit die Verpflichtung der Presseverleger nach § 10 LPresseG im Wesentlichen den Verpflichtungen, die der Unionsgesetzgeber den Medienanbietern im Rahmen der Richtlinien 89/552 und 2010/13 für den audiovisuellen Bereich auferlegt hat, wenn ihre audiovisuellen Dienste oder Sendungen von Drittunternehmen gesponsert werden.

Da der Unionsgesetzgeber noch kein Sekundärrecht dieser Art für die Printmedien erlassen hat, bleiben die Mitgliedstaaten befugt, unter Beachtung der Bestimmungen des Vertrags, insbesondere derjenigen über den freien Dienstleistungsverkehr und die Niederlassungsfreiheit, den Presseverlegern die Pflicht aufzuerlegen, die Leser auf das Sponsoring von redaktionellen Inhalten aufmerksam zu machen.

Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass es unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens nicht möglich ist, sich gegenüber Presseverlegern auf die Richtlinie 2005/29 zu berufen, so dass die Richtlinie unter diesen Umständen dahin auszulegen ist, dass sie der Anwendung einer nationalen Bestimmung nicht entgegensteht, wonach Presseverleger jede Veröffentlichung in ihren periodischen Druckwerken, für die sie ein Entgelt erhalten, speziell kennzeichnen müssen – im vorliegenden Fall mit dem Begriff „Anzeige“ –, es sei denn, durch die Anordnung und Gestaltung der Veröffentlichung ist allgemein zu erkennen, dass es sich um eine Anzeige handelt.

Kosten

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:

Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens ist es nicht möglich, sich gegenüber Presseverlegern auf die Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) zu berufen, so dass die Richtlinie unter diesen Umständen dahin auszulegen ist, dass sie der Anwendung einer nationalen Bestimmung nicht entgegensteht, wonach Presseverleger jede Veröffentlichung in ihren periodischen Druckwerken, für die sie ein Entgelt erhalten, speziell kennzeichnen müssen – im vorliegenden Fall mit dem Begriff „Anzeige“ –, es sei denn, durch die Anordnung und Gestaltung der Veröffentlichung ist allgemein zu erkennen, dass es sich um eine Anzeige handelt.

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