Zur Strafbarkeit des Einlösens fremder Online-Gutscheine

13. März 2014
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Beschluss des LG Gießen vom 29.05.2013, Az.: 7 Qs 88/13

Das Einlösen eines für den Empfänger erkennbar versehentlich zugeschickten Online-Gutscheins ist nicht strafbar.

Landgericht Gießen

Beschluss vom 29.05.2013

Az.: 7 Qs 88/13

Tenor

Die Beschwerde wird als unbegründet verworfen.

Die Staatskasse hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Staatsanwaltschaft Gießen ermittelt gegen unbekannt wegen des Verdachts der Unterschlagung und des Computerbetrugs.

Die Anzeigeerstatterin kaufte und bezahlte beim Internet-Anbieter … einen Geschenkgutschein über 30,- €, den sie per Internet an die zu Beschenkende unter der Email-Adresse „…“ versenden wollte. Durch einen Eingabefehler der Anzeigeerstatterin versandte sie den Gutschein an die Email-Adresse „…“. Eine derzeit unbekannte Person hat den für sie erkennbar nicht bestimmten Online-Gutschein der Fa. … durch Eingabe des Gutschein-Codes bei einer Bestellung eingelöst.

Die Staatsanwaltschaft beantragte beim Amtsgericht einen Durchsuchungsbeschluss gemäß § 103 StPO gegen die Fa. …, um die zu der genannten Email-Adresse gehörenden weiteren Daten zu erlangen, mit denen eine Identifizierung der den Gutschein einlösenden Person erfolgen sollte.

Das Amtsgericht wies den Antrag zurück, da eine Strafbarkeit der unbekannten Person nicht in Betracht komme.

Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer Beschwerde, der das Amtsgericht nicht abhalf.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Das Amtsgericht hat den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses mit zutreffenden Gründen abgelehnt, da es an einem Tatverdacht fehlt.

Das Einlösen des erkennbar irrtümlich an die unbekannte Person versandten Gutscheins ist nicht strafbar.

1. Für eine Strafbarkeit wegen Unterschlagung (§ 246 StGB) fehlt es an einer beweglichen Sache, da es sich lediglich um einen „virtuellen“ Gutschein handelt.

2. Weil der den Gutschein einlösenden Person weder gegenüber der Anzeigerstatterin, noch gegenüber der Fa. … oder der zu Beschenkenden eine Vermögensbetreuungspflicht oblag, liegt keine Untreue (§ 266 StGB) vor.

3. Die Vorschriften bezüglich des strafbaren Umgangs mit Daten (§§ 202a bis 202c, 303a und 303b StGB) sind nicht einschlägig.

4. Der Betrugstatbestand des § 263 StGB greift nicht, weil es an der Täuschung und Irrtumserregung einer natürlichen Person fehlt.

5. Schließlich scheidet eine Strafbarkeit wegen Computerbetrugs gemäß § 263a StGB aus.

a) Eine Beeinflussung des Ergebnisses eines Datenverarbeitungsvorgangs durch unbefugte Verwendung von Daten (§ 263a Abs. 1 Variante 3 StGB) liegt nicht vor.

Wie das Amtsgericht bereits ausgeführt hat, ist die Verwendung der Daten dann unbefugt, wenn sie gegenüber einer natürlichen Person Täuschungscharakter hätte (vgl. Fischer, StGB, 60. Aufl., § 263a StGB Rdnr. 11). Abzustellen ist dabei auf die Berechtigte des Datenverarbeitungsvorgangs, die Fa. …, der gegenüber die unbekannte Person den Code zur Einlösung des Gutscheins eingab. Nicht erfasst von § 263a StGB ist die nur im Verhältnis zu einem Dritten – hier der Anzeigeerstatterin – unberechtigte Datenverwendung (vgl. Fischer, StGB, 60. Aufl., § 263a Rdnr. 11b).

Mit der Eingabe des Gutschein-Codes hat die unbekannte Person die Fa. … bzw. deren Mitarbeiter aber nicht über eine entsprechende Berechtigung getäuscht. Denn durch die Einlösung des Gutscheins wird gegenüber der Fa. … nicht zugleich konkludent die entsprechende materielle Berechtigung, d.h. der Anspruch, behauptet. Ein Mitarbeiter der Fa. … hätte sich bei Vorlage eines entsprechenden Gutscheins in Papierform nämlich keine Gedanken über die Berechtigung der Inhabers des Gutscheins gemacht, sondern lediglich überprüft, ob der Gutschein von der Fa. … an den Einlöser ausgegeben wurde (vgl. BGHSt 46, 196 – Verfügung über eine irrtümliche Kontogutschrift). Denn die Fa. … wird mit der Einlösung von ihren Leistungspflichten frei.

Auch eine Täuschung durch Unterlassen liegt nicht vor. Eine solche betrugsspezifisch täuschende Verwendung des Gutscheins wäre nur gegeben, wenn die unbekannte Person auf die fehlerhafte Zusendung des Gutscheins hätte hinweisen müssen. Eine Strafbarkeit durch Unterlassen eines solchen Hinweises setzt eine entsprechende Offenbarungspflicht im Sinne einer Garantenpflicht nach § 13 StGB voraus. Eine Garantenpflicht besteht jedoch nicht (vgl. BGHSt 39, 392 – Verfügung über eine irrtümliche Kontogutschrift). Es ist weder eine gesetzliche noch eine vertragliche Pflicht der unbekannten Person gegenüber der Fa. … zur Offenbarung der fehlenden materiellen Berechtigung ersichtlich. Auch hat die unbekannte Person die „Gefahrenlage“ nicht herbeigeführt, da ihr der Gutschein unaufgefordert zugesandt wurde. Schließlich ergibt sich eine solche Pflicht nicht aus dem Grundsatz von Treu und Glauben, da auch insoweit ein besonders Vertrauensverhältnis vorausgesetzt wird.

Es fehlt damit an einem gegenüber der Fa. … täuschenden Charakter der Einlösung des Online-Gutscheins.

b) Ebenso ist die 4. Variante des § 263a StGB (Beeinflussung durch sonstige unbefugte Einwirkung auf den Ablauf) nicht erfüllt.

Zwar kommt dieser Variante nach dem gesetzgeberischen Konzept eine Auffangfunktion für solche strafwürdigen Manipulationen zu, die nicht unter die Varianten 1 bis 3 fallen (vgl. Fischer, § 263a Rdnr. 18). Jedoch stellt das datenverarbeitungstechnisch richtige Einlösen eines Gutscheins keine derartige Manipulation dar. Gegenüber der Fa. … wird nicht unbefugt gehandelt. Denn auf die Anweisung für den Verarbeitungsvorgang wird nicht manipulativ eingewirkt, auch der maschinelle Ablauf des Programms wird nicht verändert. Das lediglich im Verhältnis zur Anzeigeerstatterin materiell unberechtigte Verwenden des Gutscheins wird von § 263a StGB auch in dieser Variante nicht erfasst.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 StPO.

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