Irreführende Werbung mit „Geld-zurück-Garantie“ und nicht-amtlichem Gütesiegel

23. Mai 2014
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Urteil des LG Berlin vom 29.10.2013, Az.: 15 O 157/13

Wirbt ein Online-Shop mit einer „Geld-zurück-Garantie“, so müssen die Bedingungen für deren Inanspruchnahme klar und eindeutig sowie an für den Verbraucher leicht zugänglicher Stelle angegeben werden, anderenfalls liegt ein Verstoß gegen Wettbewerbsrecht vor.

Auch die Werbung mit einem „Shop Usability Award“ ohne Angabe der Kriterien für dessen Verleihung sowie mit einem eigens angefertigten Gütesiegel ist irreführend und daher unzulässig.

 Landgericht Berlin

Urteil vom 29.10.2013

Az.: 15 O 157/13

Tatbestand

Der Kläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben es gehört, die gewerblichen Interessen seiner Mitglieder zu wahren, insbesondere auf die Einhaltung der Regeln des lauteren Wettbewerbs zu achten. Zu seinen Mitgliedern gehören alle Industrie- und Handelskammern, der Deutsche Industrie- und Handwerkskammertag, etwa 800 Verbände der Wirtschaft, Handwerkskammern und sowie zahlreiche Unternehmen aus allen Branchen.

Die Beklagte betreibt den Webshop …x.de. Wegen der Einzelheiten des Auftritts wird auf die Anlagen K 3, K 4, K 7 und K 8 Bezug genommen.

Der Kläger sieht hierin unlauteren Wettbewerb. Wegen der Einzelheiten wird auf die Abmahnung vom 3. Januar 2013 Bezug genommen (Anlage K 10).

Der Kläger trägt vor:

– Ein Siegel „Deutscher Anbieter“ mit schwarz-​rot-​gold unterlegtem Strich existiere nicht und sei von der Beklagten frei erfunden. Es ähnele „offiziellen“ Siegeln, daher nähmen Verbraucher an, dass es der Beklagten von Dritter Seite verliehen, es einen nachprüfbaren Zertifizierungsprozess gebe und es sich um ein besonderes Qualitätsmerkmal handele, das durch einen Dritten überprüft werde. Die Irreführungsgefahr werde noch dadurch verstärkt, dass es neben zwei bekannten Siegeln geführt werde, §§ 5, 5 a UWG.

– Die Angabe „Über 100.000 Kunden. Bereits über 100.000 zufriedene …X-​Kunden in Deutschland, Österreich und der Schweiz“ und darüber zwei zitierte 5-​Sterne-​Bewertungen erwecke den Eindruck, dass sich 100.000 Kunden im Rahmen des internettypischen Bewertungssystems positiv über die Beklagte geäußert hätten. Laut „Shopauskunft“ (Anlage K 5) seien am 3. Januar 2013 nur 1657 und am 19. März 2013 2101 positive Voten (Anlage K 6) abgegeben gewesen. Ferner werde nicht erläutert, was „zufriedene Kunden“ heiße. Die Behauptung sei schlicht aus der Luft gegriffen und irreführend, §§ 5, 5 a UWG.

– Die Angabe „Kauf ohne Risiko – Mit Geld-​zurück-​Garantie“ im Header finde keine Erläuterung hinsichtlich der Garantie-​Bedingungen. Erst durch Eigenrecherche finde der Verbraucher im Footer unter „Bestellung“ in grauer Schrift auf grauem Grund dazu nicht ohne Schwierigkeiten lesbare Einzelheiten. Die Bedingungen seien sehr einschränkend, denn die Ware müsse unbenutzt und in Originalverpackung vorliegen, gelte nur auf drei Wochen nach Warenerhalt und nicht für gewerbliche Abnehmer. Das komme für den Adressaten unerwartet, und sei daher irreführend im Sinne von §§ 3, 4 Nr. 4 UWG, 5a Abs. 4, 6 Abs. 1 Nr. 3 TMG.

– Die Auszeichnung „Shop Usability Award“ in „der beste Webshop im Bereich Wellness, Beauty & Gesundheit“ sei für den Verbraucher nicht transparent. Herkunft und Prüfkriterien seien nicht angegeben, so dass nicht nachvollziehbar sei, was der Auszeichnung zugrunde liege. Klicke man das Siegel auf der Webseite an, gelange man auf die Startseite von Shoplupe GmbH, die ebenfalls keine weiteren Informationen enthält. In einer Unterseite erfahre man, dass die Verleihungskriterien geheim seien (Screenshot Seite 14 der Klageschrift wegen der Einzelheiten). Auswahl- und Vergabekriterien hätten offen gelegt werden müssen. Der Verbraucher rechne nicht damit, dass die Verleihung nur eine hinreichend hohe Geldzahlung erfordere und ansonsten unklar bleibe, aufgrund welche Kriterien die vermeintliche Auszeichnung vergeben worden sei, §§ 5, 5a UWG.

Er macht daneben eine Abmahnpauschale in Höhe von 219,35 EUR brutto geltend.

Er beantragt,

[was erkannt ist]

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

– „Deutscher Anbieter“ sei kein Siegel. Der Farbbalken schwarz-​rot-​gold stehe laut Wikipedia für People´s Progressive Party in Guyana. Die inhaltliche Aussage treffe zu, da ihr Firmensitz in Deutschland sei, der Versand aus Deutschland erfolge und Verwaltung, Abwicklung und Korrespondenz von Deutschland aus geführt würden. Es werde kein besonderes Qualitätsmerkmal behauptet, sondern der Verbraucher werden so vor Anbietern mit Sitz im Ausland geschützt, bei denen etwaige Ansprüche gegen den Verkäufer erschwert seien. Gerade daraus, dass die Angabe nicht mit einem Link unterlegt sei, verdeutliche sich, dass es um ein Siegel oder Gütesiegel eines Dritten gehe.

Die Angabe „100.000 …“ lasse nicht darauf schließen, dass
– bereits über 100.000 Kunden positive Bewertungen abgegeben hätten und/oder
– über 100.000 Kunden mit 5 Sternen bewertet hätten und/der
– eine innere Verbindung zu den beiden Bewertungen bestehe.

Denn der Durchschnittsverbraucher wisse, dass zahlreiche Kunden gar keine Bewertung abgäben, jedoch durchaus zufrieden seien. Anzahl der Kunden sage zudem nichts über Anzahl der abgegebenen Bewertungen.

Sie habe nachweislich über 100.000 Kunden und über 100.000 Vertragsabwicklungen ohne Rückgabe oder Widerruf oder Mängelanzeige.

– Die Bedingungen der „Geld-​zurück-​Garantie“ seien erwartungsgemäß unter „Bestellung“ zu finden und gut lesbar.

– Teilgenommen werden könne an der Kür zum „Shop-​Usability-​Award“ gegen Zahlung einer einmaligen jährlichen Aufnahmegebühr. Alle registrierten Onlineshops würden von unabhängigen Gutachtern und nach objektiven Kriterien ausgesucht (etwa „Nutzerfreundlichster Online-​Shop“). Eine Platzvergabe der besten Onlineshops erfolge in den jeweiligen Kategorien (Anlagen B 3, B 5 und B 6 zu den Regeln für 2013). Der Award werde von namhaften Sponsoren und Medienpartner unterstützt.

Diese Infos zum Award seien bereits vor dem 22. März 2013 von ihrer Webseite aus per Link abrufbar gewesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

I.

Dem nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aktivlegitimierten Kläger stehen die geltend gemachten Unterlassungsansprüche nach §§ 8 Abs. 1, 3 UWG zu.

Dabei ist von dem Leitbild eines durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers auszugehen, der das fragliche Werbeverhalten mit einer der Situation angemessenen Aufmerksamkeit verfolgt.

Danach gilt Folgendes:

1. Die Angabe „Deutscher Anbieter“ führt die Beklagte auf einer farblich hervorgehobenen Medaillentafel neben den Siegeln „Trusted Shops Gurantee“ und „EHI Geprüfter Online-​Shop“. Für diese beiden hebt sie hervor, dass sie bei Trusted Shops und EHI Retail Institute zertifiziert sei. Der Verbraucher geht daher davon aus, dass auch die weitere Angabe, die in ihrer Aufmachung amtlichen Siegeln gleicht, ebenfalls der Beklagten von dritter Seite verliehen wurde, auch wenn Angaben zum Zertifizierer fehlen. Da sie auf gleicher Stufe mit den anderen Siegeln präsentiert wird, geht er jedenfalls nicht von einer Eigenverleihung aus. Die Angabe ist auch geeignet, den Wettbewerb zu beeinträchtigen, denn „Deutscher Anbieter“ wird dabei als Gegenstück des Handels- und Dienstleistungsgewerbes zu „Made in Germany“ des produzierenden Gewerbes verstanden und damit besonderes Vertrauen in den Anbieter zu begründen. Das wird durch die Verwendung der deutschen Nationalfarben unterstrichen, wie sie Kern zahlreicher amtlicher „Marken“ ist.

Die Angabe ist daher nach §§ 5, 5 a UWG irreführend.

2. Die Angabe „Über 100.000 Kunden. Bereits über 100.000 zufriedene …X-​Kunden in Deutschland, Österreich und der Schweiz“ ist jedenfalls in der konkret angegriffenen Darstellung irreführend im Sinne von §§ 5, 5 a UWG.

Es mag zwar sein, dass die Behauptung allein vom Verbraucher als marktschreierische, reklamehafte belanglose Anpreisung verstanden wird. Allerdings belässt es die Beklagte nicht dabei, sondern fügt als Beleg in einem Fenster beispielhaft zwei 5-​Sterne-​Bewertungen auszugsweise an. Damit erweckt sie den Eindruck, sie hätte eine entsprechende Anzahl positiver Rückmeldungen seitens ihrer Kunden erhalten und diese seien – wenn auch nicht zwingend Online abrufbar – dokumentiert. Dass dies zuträfe, behauptet die Beklagte indes selbst nicht. Sie begründet die Zahl 100.000 damit, dass sie nachweislich über 100.000 Kunden und über 100.000 Vertragsabwicklungen ohne Rückgabe oder Widerruf oder Mängelanzeige belegen könne. Ob ein Kunde seine Zufriedenheit positiv zur Kenntnis gibt oder er seine Unzufriedenheit bloß nicht artikuliert, sind aber zwei grundlegend verschiedene Angelegenheiten. Der Schluss, wer nicht murrt, ist ebenfalls zufrieden, nur zu träge, sich entsprechend zu entäußern, geht fehl.

3. Die „Geld-​zurück-​Garantie“ stellt eine Verkaufsförderungsmaßnahme nach § 4 Nr. 4 UWG dar (vgl. BGH GRUR 2009, 1064 – Geld-​zurück-​Garantie II – Rn. 21f. nach beck-​online).

Die Bedingungen für deren Inanspruchnahme müssen klar und eindeutig sein. Dazu gehört es auch, dass die Erläuterungen für den Verbraucher leicht zugänglich sowie klar und unzweideutig angegeben sind (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 TMG), er also hinreichend Gelegenheit hat, sich über die einzelnen Bedingungen zu informieren. Dies kann etwa über einen Link geschehen, wenn die Erläuterung nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Garantie-​Versprechen erfolgt. Wegen der von derartigen Maßnahmen ausgehenden hohen Attraktivität als Verkaufsförderungsmaßnahme für den Kunden, die einen risikolosen Kauf auf Probe verspricht, und damit die Kaufentscheidung positiv zu beeinflussen besonders geeignet ist, sowie der damit einhergehenden nicht unerheblichen Missbrauchsgefahr (vgl. BGH a.a.O. Rn. 27), dürfen die Regeln dafür aber nicht versteckt werden, insbesondere wenn hohe Hürden für die Inanspruchnahme der „Geld-​zurück-​Garantie“ aufgestellt werden.

Der Verbraucher erwartet bei einem solchen Versprechen insbesondere eine Besserstellung gegenüber seinen ohnehin bestehenden Rechten aufgrund gesetzlichen Rücktritts- oder Widerrufsvorschriften. Je weniger diese Erwartungen erfüllt werden sollen, desto plakativer muss auf das Regelwerk der Garantie hingewiesen werden.

Die Beklagte wirbt mit „Sicherheit mit Geld-​zurück-​Garantie“ auf ihrem Medaillenspiegel. Eine danach erforderliche Verlinkung auf die auf der Unterseite „Bestellung“ niedergelegten Bedingungen fehlt. Dem Verbraucher ist es nicht zuzumuten, die Webseite nach entsprechenden Informationen, die auf Unterseiten abgelegt sind, zu durchsuchen. Zumal die eigentliche Garantieleistung, nämlich im Kern eine nur um eine (von zwei auf drei) Woche(n) verlängerte Rücktritts-​/Widerrufsfrist, marginal ist und den geweckten Erwartungen – andere Marktteilnehmer setzen hier etwa mit weit längeren Fristen und weniger strengen Anforderungen an den Zustand der Ware bei Rücksendung erwartungsvolle Maßstäbe – nicht einmal ansatzweise gerecht wird. Eine Geld-​zurück-​Garantie, bei der er die Ware nicht einmal testen kann, ist aber ihr Versprechen nicht wert.

Die Maßnahme ist nach §§ 3, 5a Abs. 4 UWG unlauter.

4. Die Werbung mit dem „Shop Usability Award“ für „der beste Webshop im Bereich Wellness, Beauty & Gesundheit“ ist nach § 5 UWG unzulässig.

Denn jedenfalls die Kriterien für dessen Verleihung in 2012 waren geheim, wie der Kläger substantiiert vorträgt. Soweit die Beklagte sich auf die Vergabebedingungen für 2013 (Verleihung am 12. September 2013) stützt, die auf der Webseite shop-​usability.award.de ausführlicher und transparenter erscheinen, kommt es darauf nicht an, weil Streitgegenstand die Werbeauftritt der Beklagten im Winter 2012/13 sind.

Eine Award-​Verleihung nach geheimen Regeln, zu denen auch eine schlichte Käuflichkeit gehören kann, erwartet der Verbraucher nicht – und ist in seinen Augen auch ihren Namen nicht wert -, sondern vielmehr dass die Wahl verifizierbar ist.

Die für den Unterlassungsanspruch als Voraussetzung erforderliche Wiederholungsgefahr ergibt sich aus dem Verletzungsgeschehen; sie hätte nur durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt werden können (BGH GRUR 1985, 155, 156 – Vertragsstrafe bis zu … I – m.w.N.).

II.

Der Anspruch auf Erstattung der Abmahnpauschale ergibt sich aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG.

Die Zinsentscheidung stützt sich auf §§ 288, 291 BGB.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 S. 1, 2 ZPO.

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