Auch bei unterschiedlicher Markenkennzeichnung eines Produkts kann Herkunftstäuschung hervorgerufen werden

19. Januar 2018
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Mehrere Jeans-Hosen auf Holz Urteil des OLG Köln vom 14.07.2017, Az.: 6 U 197/16

Ausgangspunkt für die Gefahr der Herkunftstäuschung ist die hohe wettbewerbliche Eigenart eines Produkts. Im Bereich der Mode begründet sich diese meist aufgrund ästhetischer Merkmale. Werden diese nachgeahmt, kann auch trotz unterschiedlicher Marken-Kennzeichnung zweier Produkte, beim Verbraucher eine Herkunftstäuschung hervorgerufen werden. Für die Gefahr einer Täuschung über die betriebliche Herkunft reicht aus, dass der Verkehr bei einem nachgeahmten Produkt annimmt, es handele sich um eine neue Serie oder eine Zweitmarke oder es bestünden lizenz- oder gesellschaftsrechtliche Beziehungen zwischen den beteiligten Unternehmen.

Oberlandesgericht Köln

Urteil vom 14.07.2017

Az.: 6 U 197/16

 

Tenor

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 10.11.2016 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln – 81 O 72/16 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Gründe

I.

Die Antragstellerin verlangt von der Antragsgegnerin Unterlassung von Angebot, Bewerbung und Vertrieb einer Jeans, weil diese eine unlautere Nachahmung ihrer Produktgestaltung darstelle.

Die Antragstellerin ist ein italienisches Modeunternehmen, das unter der Marke „ Q “ Mode, unter anderem auch Jeans, vertreibt.

Die Antragstellerin vertreibt insbesondere die Modelle PX1A , PX2C und PX3D , mit denen sie bei Verkaufszahlen für das Modell PX1A von 2010-2015 ca. 940.000, für PX2C von 2012-2015 über 79.000, für PX3D von 2012 bis 2015 über 80.000 und Umsatzzahlen für P 78A ca. 37,2 Mio. €, für PX2C ca. 3,3 Mio. €, für PX3D mehr als 3,1 Mio. € einen erheblichen Erfolg erzielte. Das Jeansmodell der Antragstellerin gehört zu den 3 bis 5 am meisten in Deutschland verkauften Jeansmodellen.

Die besondere Gestaltung ihrer Jeans beschreibt die Antragstellerin wie folgt:

– V-förmige Nähte auf der Vorderseite der Hosenbeine,

– nicht verdeckte Knopfleiste am Hosenschlitz,

– zwei fast parallel geschwungene Nähte an den Vordertaschen,

– Gesäßtaschen aus drei sich überlappenden Teilen,

– zwei Reihen Doppelnähte auf der Hosenrückseite.

Die Antragsgegnerin vertreibt Mode unter der Marke „H “, die auf den jeweiligen Kleidungsstücken in unterschiedlicher Art angebracht ist. Darunter befindet sich das angegriffene Modell „H2 “, das folgende Optik aufweist:

Die Entscheidung enthält an dieser Stelle ein Bild oder eine Grafik. Die Entscheidung enthält an dieser Stelle ein Bild oder eine Grafik.

Zwischen der Antragstellerin und einem Händler ist ein weiteres Verfahren vor dem Landgericht Köln – 33 O 65/16 – anhängig. In diesem Verfahren ist ebenfalls Vortrag zum wettbewerblichen Umfeld erfolgt. Die Antragstellerin nahm die Hersteller und Händler der in diesem Verfahren als wettbewerbliches Umfeld benannten Jeanshosen wegen nach ihrer Auffassung unlauter nachgeahmter Jeans auf Unterlassung in Anspruch. Aufgrund der Darstellung des wettbewerblichen Umfelds in dem dortigen Verfahren hat die Antragstellerin auch die Antragsgegnerin in dem vorliegenden Verfahren auf Unterlassung in Anspruch genommen.

Die Gegenüberstellungen der Gestaltung der Antragstellerin und der angegriffenen Jeans der Antragsgegnerin ergibt folgendes Bild:

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Die Antragstellerin erwirkte vor der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln eine einstweilige Verfügung, mit der der Antragsgegnerin bei Meidung der üblichen Ordnungsmittel untersagt worden ist, im geschäftlichen Verkehr in Deutschland Hosen wie in der einstweiligen Verfügung wiedergegeben (s.o.) anzubieten und/oder zu bewerben und/oder zu vertreiben.

Gegen diese einstweilige Verfügung hat sich die Antragsgegnerin mit ihrem Widerspruch gewandt.

Die Antragstellerin hat behauptet, sie habe mit den von ihr beschriebenen Merkmalen insbesondere in der Kombination die erste Jeans auf den Markt gebracht. Der Verkehr sei bei Jeans im Übrigen daran gewöhnt, anhand der besonderen Designelemente zu differenzieren und hieran auch die Herkunft zu unterscheiden. Dem ist die Antragsgegnerin nicht entgegen getreten.

Die Antragstellerin hat zum wettbewerblichen Umfeld vorgetragen. Eine Schwächung der wettbewerblichen Eigenart durch andere, insbesondere im Parallelverfahren benannte Jeans sei nicht eingetreten. Der Antragstellerin seien die Jeans nicht bekannt gewesen und sie habe unverzüglich die Hersteller/Händler abgemahnt, soweit nach Durchführung eines Testkaufs Bedenken bestanden hätten.

Die Antragsgegnerin habe zu den von ihr benannten Modellen nicht vorgetragen, ab wann und in welchem Umfang der – vorsorglich bestrittene – Vertrieb in Deutschland erfolgt sein solle.

Sie habe mit einem Testkauf am 07.07.2016 erstmals Kenntnis von der angegriffenen Jeans erhalten.

Die Verwendung der wesentlichen Gestaltungsmerkmale bei der angegriffenen Jeans stelle sich vor dem Hintergrund der weiten Gestaltungsfreiheit als Nachahmung dar.

Diese Nachahmung sei auch unlauter. Zum einen komme ihren Jeansmodellen die erforderliche gewisse Bekanntheit zu. Dies ergebe sich neben Absatz- und Umsatzzahlen auch aus der vielfältigen Bewerbung, auch durch Modehäuser, und der Wahrnehmung in der Presse.

Es fehle an hinreichenden Kennzeichnungen zur Vermeidung einer Herkunftstäuschung.

Die Antragstellerin hat beantragt, die einstweilige Verfügung zu bestätigen.

Die Antragsgegnerin hat beantragt, die einstweilige Verfügung aufzuheben und den Antrag auf ihren Erlass zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin hat die wettbewerbliche Eigenart der Produkte der Antragstellerin in Abrede gestellt. Das wettbewerbliche Umfeld kenne alle Gestaltungsformen, teilweise auch in der Kombination wie bei den Jeans der Antragstellerin. Hierzu hat sie näher ausgeführt. Entweder hätten die Jeans nie wettbewerbliche Eigenart besessen oder diese sei nachhaltig geschwächt. Die angegriffene Jeans stelle auch keineswegs eine Nachahmung dar. Sie unterscheide sich erheblich, so bei der Knopfleiste, der Nahtführung bei den Vordertaschen, der Gürtelschlaufen, der Platzierung der Coin-Pocket, sowie einer abweichenden Gestaltung der Rückseite. Die angegriffene Jeans sei auch mehrfach und deutlich mit der Marke H gekennzeichnet. Da diese Marke von der Antragsgegnerin erfolgreich in den Markt eingeführt sei und Bekanntheit genieße, scheide eine Herkunftstäuschung aus.

Der Antragstellerin müsse das angegriffene Produkt in dem Parallelverfahren schon aus der Widerspruchsbegründung seit Juni 2016 bekannt sein, daher fehle es an der Dringlichkeit.

Das Landgericht hat die einstweilige Verfügung mit dem angefochtenen Urteil, auf das gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, bestätigt.

Ein Verfügungsgrund werde gemäß § 12 Abs. 2 UWG vermutet. Diese Vermutung sei nicht widerlegt. Zwar sei die Frist von einem Monat ab Kenntnisnahme von dem verletzenden Vertrieb verstrichen, wenn auf die Zustellung des Schriftsatzes am 22.06.2016 in dem Parallelverfahren abgestellt würde, weil der Antragsgegnerin zu diesen Zeitpunkt im Grundsatz bekannt geworden sei, dass die Antragstellerin die hier angegriffene Jeanshose vertreibe, und der Antrag erst am 03.08.2016 eingegangen sei.

Es lägen allerdings besondere Umstände vor, so dass die Dringlichkeit nicht entfallen sei. Zum einen sei in dem Schriftsatz eine Vielzahl von Hosenmodellen benannt worden. Zum anderen müsse zu der Monatsfrist auch der Zeitraum hinzugerechnet werden, der für den Testkauf erforderlich gewesen sei. Dieser sei mit weniger als 2 Wochen auch nicht zögerlich erfolgt.

Ein Verfügungsanspruch ergebe sich aus §§ 3, 4 Nr. 3a, § 8 UWG, weil die angegriffene Jeanshose, die die Antragsgegnerin vertreibe, eine unlautere Nachahmung sei.

Die wettbewerbliche Eigenart der Produktausstattung der von der Antragstellerin angeführten Jeans sei anzunehmen, weil diese eine besondere Form der Nahtführung aufweise. Diese sei bei Jeans ein wesentliches Merkmal, das auf die Herkunft hindeute. Dies gelte insbesondere für die Nähe auf den Gesäßtaschen.

Jedenfalls in der Gesamtheit der von der Antragstellerin dargelegten Merkmale, nämlich der V-Naht auf den Oberschenkeln, der sichtbaren Knopfleiste, der zwei Nähte unterhalb der Vordertaschen, der Doppelreihe Nähte oberhalb der Gesäßtaschen sowie der Gesäßtaschengestaltung sei die Jeans der Antragstellerin wettbewerblich eigenartig, auch wenn einzelne Elemente gängig oder jedenfalls von anderen Anbietern genutzt worden seien.

Die von der Antragsgegnerin vorgelegten Unterlagen zu einer Vielzahl von Jeans seien nicht geeignet, die wettbewerbliche Eigenart nachhaltig zu schwächen oder gar entfallen zu lassen. Zum Teil seien diese bereits erfolgreich abgemahnt oder auf Unterlassung in Anspruch genommen worden. Zum Teil weiche der Gesamteindruck erheblich ab, was das Landgericht hinsichtlich einzelner Jeanshosen dargestellt hat. Insgesamt sei auch nicht dargelegt, in welchem Umfang die jeweiligen Jeans verkauft worden seien, so dass eine Schwächung der wettbewerblichen Eigenart nicht angenommen werden könne.

Aus den von der Antragsgegnerin angeführten Designstudien könne zwar auf einen vorbekannten Formenschatz geschlossen werden. Es werde aber nicht vorgetragen, dass diesem Formenschatz entsprechende Jeanshosen auch in Deutschland in Verkauf gelangt seien oder das wettbewerbliche Umfeld geprägt hätten.

Die Absatzzahlen für die Verfügungsmodelle sprächen für eine deutliche Steigerung der wettbewerblichen Eigenart bezogen auf die Merkmalskombination, wie sie von der Antragstellerin dargelegt worden sei.

Eine Nachahmung sei anzunehmen, weil die von der Antragstellerin als prägend genannten Merkmale des Jeansmodells bzw. der Jeansmodelle mit dem Modell der Antragsgegnerin zumindest hochgradig ähnlich seien. Die Unterschiede führten – was das Landgericht näher dargelegt hat – nicht zu einem anderen Ergebnis.

Auch die Gefahr einer Herkunftstäuschung bestehe. Zwar scheide eine unmittelbare Herkunftstäuschung aus, weil die Angabe des Markennamens auf dem Produkt der Antragsgegnerin eine solche ausschließe. Es komme aber zu einer Herkunftstäuschung im weiteren Sinn, weil bei einem relevanten Teil der Verbraucher angesichts der ähnlich gestalteten Hosen eine Zweitmarkenverwirrung entstehen könne.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Berufung. Das Landgericht habe die einstweilige Verfügung schon aufgrund der fehlenden Dringlichkeit nicht erlassen dürfen. Jedenfalls sei der Antragstellerin am 22.06.2016 bekannt gewesen, dass die Antragsgegnerin die angegriffene Jeanshose verkaufe. Dennoch habe sie den Verfügungsantrag erst am 03.08.2016 eingereicht.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts müsse hinsichtlich des Zeitpunktes der Kenntnis auf den 22.06.2016 abgestellt werden, weil es eines Testkaufes nicht bedurft habe. Auch die Anzahl der vorgelegten Hosen in dem Parallelverfahren könne kein anderes Ergebnis begründen. Jedenfalls sei ein Zuwarten von 14 Tagen für den Testkauf zu lang.

Es bestehe aber auch kein Verfügungsanspruch. Entgegen der Ansicht des Landgerichts fehlte den Jeanshosen der Antragstellerin jedenfalls die wettbewerbliche Eigenart. Das Landgericht habe die von der Antragsgegnerin vorgelegten Jeansmodelle aus dem wettbewerblichen Umfeld nicht ausreichend gewürdigt. Es habe lediglich erkannt, dass zahlreiche Merkmale, die die Antragstellerin als für ihr Modell prägend ansehe, gängig seien. Es habe aber die Schwächung der wettbewerblichen Eigenart zu Unrecht verneint.

Die Merkmale, die die Antragstellerin für ihre Jeanshose reklamiere, seien im wettbewerblichen Umfeld vorhanden. Dies sei bereits mit der Widerspruchsbegründung vorgetragen worden. Die Antragsgegnerin trägt weiter zu anderen Jeanshosen vor, die dem wettbewerblichen Umfeld entstammten. Insoweit wird auf die Berufungsbegründung Bezug genommen.

Auch die bereits bei dem Landgericht vorgelegten Modelle habe das Landgericht nicht zutreffend berücksichtigt. Vielmehr habe sich das Landgericht auf eine Übernahme des Vortrages der Antragstellerin beschränkt.

Es sei auch nicht zutreffend, dass die Antragstellerin konsequent ihre Rechte gegenüber möglichen Nachahmern verfolge. So habe die Antragsgegnerin auf ein Modell der Firma V hingewiesen, das die gleichen Merkmale aufweise, wie das Klagemodell. Insoweit würden rechtliche Schritte offensichtlich nicht eingeleitet. Vielmehr biete V weiterhin zahlreiche Modelle an, die die gleichen Merkmale aufwiesen, wie das Klagemodell.

Auch Modelle anderer Anbieter, die die gleichen Merkmale aufwiesen, würden nach wie vor angeboten.

Soweit das Landgericht beanstandet habe, dass die Antragsgegnerin keine Absatz- oder Umsatzzahlen zu den von ihr vorgetragenen Jeansmodellen genannt habe, verkenne es, dass es der Antragsgegnerin nicht möglich sei, entsprechende Zahlen vorzutragen. Sie habe vorgetragen, dass diese Modelle auf dem deutschen Markt angeboten würden. Auch habe sie vorgetragen, seit wann diese Modelle auf dem Markt seien und dass diese über Online-Shops bestellt werden könnten. Daher seien diese Modelle den interessierten Kunden bekannt.

Soweit aufgrund der Gestaltung ein Herkunftshinweis angenommen werden könne, habe das Landgericht verkannt, dass die Jeanshose der Antragstellerin gerade an der für die Gestaltung wesentlichen Gesäßtasche über ein silbernes Herz verfüge, das bei der Antragsgegnerin fehle. Dieses Merkmal sei für die Jeanshosen der Antragstellerin von großer Bedeutung, was auch im Internet und in der Werbung deutlich hervorgehoben werde. Hierin sehe der Verkehr den eigentlichen Herkunftshinweis, hinter dem die sonstigen Merkmale zurückträten.

Insgesamt müsse daher davon ausgegangen werden, dass die wettbewerbliche Eigenart der Jeanshose der Antragstellerin erheblich geschwächt sei.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts liege auch keine Nachahmung vor. Es seien nicht sämtliche Merkmale übernommen worden, die die Jeanshose der Antragstellerin prägten. Vielmehr wiesen die sich gegenüberstehenden Produkte erhebliche Unterschiede auf, die auch zu einem abweichenden Gesamteindruck führten.

Während die Knopfleiste bei dem Produkt der Antragstellerin vollständig offen sei, sei die Knopfleiste bei dem Modell der Antragsgegnerin teilweise verdeckt. Die seitliche Naht neben der Knopfleiste weise erhebliche Unterschiede auf. Vor diesem Hintergrund könne nicht mehr von einer hochgradigen Ähnlichkeit gesprochen werden. Es müsse auch berücksichtigt werden, dass auch andere Jeanshosen aus dem wettbewerblichen Umfeld die gleichen Ähnlichkeiten aufwiesen.

Insbesondere die Ausgestaltung der Knopfleiste sei im wettbewerblichen Umfeld gängig. Der Verkehr würde vor diesem Hintergrund die Unterschiede bewusst wahrnehmen. Hierdurch werde auch die Ähnlichkeit im Gesamteindruck erheblich verringert.

Die Gesäßtaschen seien ebenfalls nicht übereinstimmend gestaltet. Vielmehr wiesen auch diese erhebliche Unterschiede auf, die die Antragsgegnerin im Einzelnen aufzählt und bildlich darstellt. Auf die Darstellung in der Berufungsbegründung S. 33 ff. wird Bezug genommen.

Auch insoweit gäbe es zahlreiche Modelle aus dem wettbewerblichen Umfeld, die ähnliche Gestaltungen aufwiesen, die die Antragsgegnerin im Einzelnen benennt.

Unter Berücksichtigung der Vielfalt und Abweichungen könne das Produkt der Antragsgegnerin nicht als Nachahmung des Produkts der Antragstellerin angesehen werden.

Eine Herkunftstäuschung liege ebenfalls nicht vor. Die unmittelbare Herkunftstäuschung werde durch die Herkunftshinweise auf der Jeanshose der Antragsgegnerin, die diese im Einzelnen benennt, ausgeschlossen.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts scheide auch eine mittelbare Herkunftstäuschung aus. Dabei müsse im Ausgangspunkt berücksichtigt werden, dass die Kennzeichnung mit einer unterschiedlichen Herstellerangabe gegen die Annahme einer Herkunftstäuschung spreche. Für eine andere Beurteilung fehlten hinreichende Anhaltspunkte.

Es könne nicht ausreichen, wenn die Gestaltungsmerkmale Ähnlichkeiten aufwiesen. Es müsse berücksichtigt werden, dass die sich gegenüberstehenden Zeichen keine Ähnlichkeiten aufwiesen. Auch sei es lebensfremd, dass eine Jeans in identischer oder nahezu identischer Form unter einer Zweitmarke in Verkehr gebracht würde, was die Antragsgegnerin ebenfalls weiter begründet. Auch die Annahme eines Lizenzproduktes sei abwegig.

Die Antragsgegnerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Landgerichts Köln vom 10.11.2016 – Az. 81 O 72/16 – aufzuheben, die einstweilige Verfügung des Landgerichts Köln vom 04.08.2016 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Berufung der Antragsgegnerin zurückzuweisen.

Die Antragstellerin verteidigt das angegriffene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Antragstellerin hat keinen Erfolg und ist daher zurückzuweisen. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin bestehen Anordnungsgrund und –anspruch.

1. Das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass ein Anordnungsgrund vorliegt, und dass insbesondere die Dringlichkeit, die gemäß § 12 UWG zu vermuten ist, nicht widerlegt ist.

Die Dringlichkeit kann entfallen, wenn der Antragsteller längere Zeit zuwartet, obwohl er die Rechtsverletzung und die Person des Verantwortlichen kennt oder sich der sich aufdrängenden Kenntnis verschließt und dadurch zu erkennen gibt, dass es ihm nicht eilig ist (vgl. OLG Köln, Urteil vom 27.07.2014 – 6 U 197/13, WRP 2014, 1085 – L-Thyrox). Die Dringlichkeitsfrist beginnt mit der Kenntnisnahme aller relevanten Umstände, wobei notwendige Recherchen zur sorgfältigen Klärung nicht dringlichkeitsschädlich sind (vgl. OLG Köln, WRP 2014, 1085 – L-Thyrox).

Fraglich ist, wie lange die Frist dauert, bis von einer Selbstwiderlegung auszugehen ist. Der Zeitraum ist umstritten (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Aufl., § 12 Rn. 3.15b; Feddersen in Teplitzky aaO, Kap. 54 Rn. 25, jeweils mwN). Der Senat sieht die Frist von einem Monat als maßgeblich an. Es sind aber auch die Besonderheiten des Einzelfalles zu berücksichtigen (vgl. OLG Köln WRP 2014, 1085 – L-Thyrox).

Vorliegend hatte die Antragstellerin am 07.07.2016 Kenntnis von allen Umständen, die den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung rechtfertigten, nachdem die Antragstellerin das Produkt aus einem Testkauf erhalten hatte.

Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin kann nicht auf den Zeitpunkt der Zustellung des Schriftsatzes in dem Parallelverfahren abgestellt werden, mit der die Antragstellerin im Grundsatz Kenntnis von der Existenz der Jeans der Antragsgegnerin hatte. Denn allein aufgrund von Lichtbildern, wie sie in dem Parallelverfahren eingereicht wurden, kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit beurteilt werden, ob eine unlautere Nachahmung vorliegt oder nicht. Wie im Einzelnen noch dazulegen sein wird, muss insoweit eine Gegenüberstellung unter Berücksichtigung des Gesamteindrucks erfolgen. Der Gesamteindruck kann aber insbesondere bei einem Kleidungsstück nur durch das Gegenüberstellen der konkreten Produkte bestimmt werden. Auf einem Lichtbild wird nicht hinreichend deutlich, welchen Eindruck das ggf. nachahmende Produkt im Einzelnen macht. So kann im vorliegenden Fall nicht beurteilt werden, ob und in welchem Umfang die Nähte an der Vorderseite tatsächlich wahrgenommen werden. Auch kann nicht ausreichend zuverlässig beurteilt werden, inwieweit die Knopfleiste des Produkts der Antragsgegnerin tatsächlich verdeckt ist. Schließlich erscheint auch die Beurteilung der Gestaltung der Nähte an den Gesäßtaschen problematisch, weil auch insoweit nicht hinreichend deutlich erkennbar wird, wie diese tatsächlich wirken. Diese Faktoren können auf einem Lichtbild allein durch eine divergierende Beleuchtung oder die Wahl des Winkels, aus dem das Lichtbild angefertigt wird, beeinflusst werden, ohne dass dies auf dem Lichtbild oder aus sonstigen Gründen erkennbar wäre. Daher ist die Durchführung eines Testkaufes als notwendige Ermittlungsmaßnahme anzusehen, die bei der Dringlichkeitsfrist nach der dargestellten Rechtsprechung des Senats nicht zu berücksichtigen ist.

Der Zeitraum des Testkaufes von etwa 14 Tagen ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Zwar ist es im Grundsatz – wie auch das Landgericht mit Recht angenommen hat – auch dringlichkeitsschädlich, wenn mit einer Ermittlungsmaßnahme zu lange zugewartet würde. Bei einem Zeitraum von zwei Wochen, der für die Auswertung eines Schriftsatzes im Rahmen des genannten Parallelverfahrens, in dem etwa 60 Hosen aus dem dortigen wettbewerblichen Umfeld vorgetragen worden sind, und die Ausführung des Testkaufes benötigt wurde, kann allerdings noch nicht von einer Selbstwiderlegung ausgegangen werden. Auch ist nicht zu beanstanden, wenn die Antragstellerin sodann die Monatsfrist ab dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme nahezu ausgeschöpft hat.

2. Der Antragstellerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß §§ 3, 4 Nr. 3 a, § 8 Abs. 1, 3 Nr. 1 UWG zu, so dass auch ein Verfügungsanspruch besteht. Auf die Begründung der angefochtenen Entscheidung kann zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen werden. Ergänzend ist im Hinblick auf die Berufungsbegründung folgendes auszuführen:

a. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat angeschlossen hat (vgl. z.B. OLG Köln, Urteil vom 18.12.2015 – 6 U 44/15, juris), kann der Vertrieb eines nachahmenden Erzeugnisses wettbewerbswidrig sein, wenn das nachgeahmte Produkt über wettbewerbliche Eigenart verfügt und besondere Umstände hinzutreten, die die Nachahmung unlauter erscheinen lassen. So verhält es sich, wenn die Nachahmung geeignet ist, eine Herkunftstäuschung hervorzurufen und der Nachahmer geeignete und zumutbare Maßnahmen zur Vermeidung der Herkunftstäuschung unterlässt. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen, so dass bei einer größeren wettbewerblichen Eigenart und einem höheren Grad der Übernahme geringere Anforderungen an die besonderen Umstände zu stellen sind, die die Wettbewerbswidrigkeit der Nachahmung begründen und umgekehrt (BGH, WRP 2010, 94 = GRUR 2010, 80 Tz. 21 – LIKEaBIKE; WRP 2012, 1379 = GRUR 2012, 1155 Tz. 16 – Sandmalkasten; WRP 2013, 1188 = GRUR 2013, 951 Tz. 14 – Regalsystem; WRP 2013, 1339 = GRUR 2013, 1052 Tz. 15 – Einkaufswagen III; Senat, GRUR-RR 2014, 25, 26 f. – Kinderhochstuhl „Sit up“, jeweils mwN).

Dabei bedarf es einer Unterscheidung zwischen der Vorschrift des § 4 Nr. 9 UWG a.F. und des § 4 Nr. 3 UWG n.F. nicht, weil diese Vorschrift inhaltlich nicht geändert wurde und die Verletzungshandlung im Jahr 2016 erfolgte, als bereits § 4 Nr. 3 UWG n.F. in Kraft getreten war.

aa) Die Antragstellerin ist unstreitig aktivlegitimiert, die streitgegenständlichen Ansprüche geltend zu machen.

bb) Das Landgericht hat mit Recht angenommen, dass die Jeanshose der Antragstellerin in ihrer konkreten Form bezogen auf die Endverbraucher eine wettbewerbliche Eigenart aufweist, die als hoch anzusehen ist.

Für die Annahme wettbewerblicher Eigenart genügt es, dass der Verkehr bei den in Rede stehenden Produkten Wert auf deren betriebliche Herkunft legt und aus deren Gestaltung Anhaltspunkte dafür gewinnen kann. Dafür wiederum ist maßgeblich, ob sich das unter Rückgriff auf vorhandene Formen und Stilelemente entwickelte Leistungsergebnis von anderen vergleichbaren Erzeugnissen in einem Maß abhebt, dass hierdurch im angesprochenen Verkehr die Vorstellung ausgelöst wird, dieses Produkt stamme aus einem bestimmten Betrieb (BGH, WRP 2012, 1379 = GRUR 2012, 1155 Tz. 19 – Sandmalkasten; WRP 2013, 1339 = GRUR 2013, 1052 Tz. 18 – Einkaufswagen III; Senat, GRUR-RR 2013, 24, 25 – Gute Laune Drops, jeweils m. w. N.). Der Gesamteindruck eines Erzeugnisses kann dabei durch Gestaltungsmerkmale bestimmt oder mitbestimmt werden, die für sich genommen nicht geeignet sind, im Verkehr auf dessen Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen hinzuweisen. Derartige Gestaltungsmerkmale können in ihrem Zusammenwirken eine wettbewerbliche Eigenart verstärken oder begründen, da dieser von dem Gesamteindruck abhängt, den die konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale des jeweiligen Erzeugnisses vermitteln (BGH, WRP 2010, 94 = GRUR 2010, 80 Tz. 34 – LIKEaBIKE; WRP 2013, 1188 = GRUR 2013, 951 Tz. 19 – Regalsystem; WRP 2013, 1339 = GRUR 2013, 1052 Tz. 20 – Einkaufswagen III). Dabei kann auch die als neu empfundene Kombination bekannter Gestaltungselemente eine wettbewerbliche Eigenart begründen (BGH, WRP 2006, 75 = GRUR 2006, 79 Tz. 26 – Jeans I; WRP 2008, 1510 = GRUR 2008, 1115 Tz. 22 – ICON). Abzustellen ist nicht auf einzelne Gestaltungsmerkmale, sondern auf den durch seine prägenden Merkmale hervorgerufenen Gesamteindruck des jeweiligen Produkts (BGH, WRP 2010, 94 = GRUR 2010, 80 Tz. 32 – LIKEaBIKE; Senat, WRP 2013, 1500 = GRUR-RR 2014, 65, 66 – Pandas).

Im Bereich der Mode begründet sich die wettbewerbliche Eigenart in der Regel aufgrund ästhetischer Merkmale. Das ist zum einen der Fall, wenn die – nicht technischen, sondern ästhetischen – Merkmale einer Ware, insbesondere die Gestaltung ihrer äußeren Form sowie das sonstige Design, die Ware so individualisieren, dass der Verbraucher annimmt, so gestaltete Produkte müssten aus derselben betrieblichen Herkunftsstätte stammen. Es genügt zum anderen aber auch, dass das Produkt für ihn spezielle Besonderheiten aufweist, die es von allen anderen unterscheidet. Diese können insbesondere im ästhetischen Bereich in einer überdurchschnittlichen individuellen schöpferischen Gestaltung liegen. In der Regel ist es aber auch gerade hier die Kombination bestimmter einzelner Merkmale, die der Verkehr als Hinweis auf die Herkunft oder auf modische Besonderheiten ansieht (vgl. von Hellfeld in Kirchner/Kirchner-Freis, Handbuch Moderecht, Seite 167 f.).

Auf dieser Grundlage hat das Landgericht der Jeanshose der Antragstellerin in ihrer konkreten Aufmachung wettbewerbliche Eigenart zuerkannt. Auch die Antragsgegnerin hat nicht aufgezeigt, dass zum Zeitpunkt der Markteinführung Wettbewerber Produkte mit einer auch nur ähnlichen Gesamtwirkung angeboten haben. Vielmehr hebt sich die Gestaltung unstreitig deutlich von den auf dem Markt befindlichen üblichen Gestaltungen ab. Dies hat das Landgericht ausführlich und zutreffend dargestellt.

Für das Design des Produkts der Antragstellerin sind – wie die Antragstellerin zutreffend dargelegt hat – zahlreiche Gestaltungselemente prägend. So zeichnet sich die Jeanshose durch die V-förmigen Nähte auf der Vorderseite der Hosenbeine, die nicht verdeckte Knopfleiste am Hosenschlitz, zwei fast parallel geschwungene Nähte an den Vordertaschen, Gesäßtaschen aus drei sich überlappenden Teilen und durch zwei Reihen Doppelnähte auf der Hosenrückseite aus, wie die Antragstellerin vorgetragen hat.

Das Herz, das die Antragstellerin an der Gesäßtasche angebracht hat, ist hingegen für die Gestaltung nicht maßgeblich, weil es auf die Gestaltung der Jeanshosen insgesamt ankommt und das Herz als Marke wahrgenommen wird, so dass der Vorrang des Markenrechts zu beachten ist (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm aaO, § 4 Rn. 3.30). Tatsächlich ist das Herz auch als Marke eingetragen.
Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin ist die wettbewerbliche Eigenart durch Produkte des Umfelds nicht maßgeblich geschwächt worden.

Die wettbewerbliche Eigenart eines Produkts kann verloren gehen, wenn seine konkrete Ausgestaltung oder seine Merkmale auf Grund der Entwicklung der Verhältnisse auf dem Markt, beispielsweise durch eine Vielzahl von Nachahmungen, nicht mehr geeignet sind, die angesprochenen Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen (BGH, Urteil vom 24.05.2007 – I ZR 104/04, GRUR 2007, 984 – Gartenliege). Der Anspruch aus § 4 Nr. 9 UWG aF bzw. § 4 Nr. 3 UWG nF entfällt aber nicht bereits dadurch, dass andere Nachahmer mehr oder weniger gleichzeitig auf den Markt kommen. Andernfalls könnte sich jeder Nachahmer auf die allgemeine Verbreitung der Gestaltungsform durch die anderen Nachahmer berufen und dem betroffenen Hersteller des Originals würde die Möglichkeit der rechtlichen Gegenwehr genommen (BGH, Urteil vom 24.03.2005 – I ZR 131/02, GRUR 2005, 600 – Handtuchklemmen, mwN).

Es ist Sache des Anspruchsgegners, darzutun und gegebenenfalls zu beweisen, dass die in Rede stehenden Merkmale einzeln oder auch in der fraglichen Verbindung bereits vorbekannt oder inzwischen üblich geworden sind (BGH, Urteil vom 06.11.1997 – I ZR 2102/95, GRUR 1998, 477 – Trachtenjanker; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Aufl. 2015, § 4 Rn. 3.78). Insbesondere muss er die Marktbedeutung von Produkten darlegen, mit denen er die wettbewerbliche Eigenart des nachgeahmten Produkts in Frage stellen will (BGH, GRUR 2005, 600 – Handtuchklemmen; OLG Köln, Urteil vom 18.12.2015 – 6 U 44/15, – Crocs, juris, mwN). Dazu ist es allerdings nicht zwingend erforderlich, Absatzzahlen der Wettbewerber zu benennen, die dem Anspruchsgegner in der Regel nicht bekannt sein werden. Bei der Prüfung der „hinreichenden Bekanntheit“ des nachgeahmten Produkts kann diese nicht nur aus hohen Absatzzahlen, sondern beispielsweise auch aus entsprechenden Werbeanstrengungen abgeleitet werden (vgl. OLG Köln, Urteil vom 18.12.2015 – 6 U 44/15, – Crocs, juris, mwN).

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass sich die Antragsgegnerin nicht mit Erfolg auf den Vertrieb anderer Nachahmungsprodukte berufen kann, solange Ansprüche wegen dieser Produkte nicht durch Verwirkung untergegangen sind (vgl. OLG Köln, Urteil vom 18.12.2015 – 6 U 44/15, – Crocs, juris, mwN)

Nach diesen Grundsätzen hat die Antragsgegnerin die Schwächung der wettbewerblichen Eigenart nicht hinreichend dargelegt. Denn – wie die Antragstellerin im Rahmen der Berufungserwiderung mit Recht ausführt – beschränkt sich der Vortrag der Antragsgegnerin darauf, dass die von ihr im Einzelnen beschriebenen und in das Verfahren eingeführten Jeanshosen, die die wettbewerbliche Eigenart nach ihrer Auffassung schwächten, – teilweise bei größeren Internetportalen – käuflich erworben werden können. Auf der anderen Seite trägt die Beklagte selbst vor, dass sie keine Verkaufszahlen oder weitere Einzelheiten vorgetragen könne.

Damit wird schon aus dem eigenen Vortrag der Antragsgegnerin deutlich, dass sie selbst keine Vorstellung von der Marktpräsenz der jeweiligen Jeanshosen hat. Wenn aber bereits nach dem Vortrag der Antragstellerin nicht ansatzweise deutlich wird, welche Marktpräsenz ein Produkt aufweist, kann auch nicht von einer tatsächlichen Schwächung der wettbewerblichen Eigenart des Produkts der Klägerin ausgegangen werden.

Soweit die Beklagte vorträgt, es handele sich um Produkte bekannter Hersteller und diese könnten in deren Online-Shops, teilweise auch über größere Online-Shops wie beispielsweise Amazon erworben werden, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Denn allein die Tatsache, dass es sich um ein Produkt eines bekannten Herstellers handelt, begründet nicht die Annahme, dass dieses Produkt auch häufig veräußert oder intensiv beworben oder aus sonstigen Gründen bekannt wurde. Hierzu wären weitere Angaben erforderlich gewesen, auch wenn diese nicht die Umsatzzahlen, sondern beispielsweise die Verkaufsposition des Onlinehändlers im fraglichen Segment oder die Anzahl der Produktbewertungen benennen. Entsprechendes wird indes von der Antragsgegnerin nicht dargelegt. Dies gilt auch, soweit die Antragsgegnerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung zu weiteren Modellen verschiedener Jeanshosen vorgetragen hat.

Es ist auch zu berücksichtigen, dass die Jeanshose der Antragstellerin bereits seit langer Zeit auf dem Markt in einem hohen Maß präsent ist, so dass auch nur ein intensiver Vertrieb von ähnlichen Produkten die wettbewerbliche Eigenart schwächen würde (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.12.2014 – 15 U 94/14, MarkenR 2015, 102).

Vor diesem Hintergrund kommt es nicht darauf an, ob die weiteren zum wettbewerblichen Umfeld in das Berufungsverfahren eingeführten Jeanshosen überhaupt zu berücksichtigen sind. Allerdings ist dieser Vortrag, den die Antragstellerin bestritten hat, präkludiert und auch aus diesem Grund nicht zu berücksichtigen.

Die Frage, wann Präklusion im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens anzunehmen ist, ist umstritten. Überwiegend wird die Auffassung vertreten, dass die Vorschriften der §§ 530, 531 Abs. 1 ZPO keine Anwendung finden, weil auch in erster Instanz verspätetes Vorbringen nicht zurückgewiesen werden kann. Allerdings sind neue Angriffs- und Verteidigungsmittel gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nur unter den dort genannten Voraussetzungen zuzulassen. Diese Vorschrift ist auch im Eilverfahren anzuwenden, soweit der fehlende Vortrag nicht auf die Besonderheiten des Eilverfahrens zurückzuführen ist. Dem kann dadurch Rechnung getragen werden, dass an den Vortrag zur fehlenden Nachlässigkeit (§ 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO) keine hohen Anforderungen gestellt werden (vgl. Feddersen in Teplitzky aaO, Kap. 55 Rn. 36a, mwN). Allerdings ist auch vor diesem Hintergrund nicht ersichtlich oder vorgetragen, dass der fehlende Vortrag nicht auf Nachlässigkeit beruht. Nach Einlegung des Widerspruchs mit Schriftsatz vom 16.08.2016 (Bl. 65 d.A.) hat die Antragstellerin ihren Widerspruch mit Schriftsatz vom 22.09.2016 (Bl. 76 d.A.) begründet und auch umfassend zum wettbewerblichen Umfeld vorgetragen. Weitere Angebote aus dem wettbewerblichen Umfeld hat sie mit Schriftsatz vom 12.10.2016 vorgetragen. Dass der Zeitraum von zwei Monaten nicht ausreichend gewesen wäre, eine umfassende Recherche über die am Markt vertriebenen Jeansmodelle durchzuführen, ist nicht ersichtlich, so dass auch vor diesem Hintergrund von einer Präklusion auszugehen ist. Auch vor diesem Hintergrund ist der Vortrag zu weiteren Jeansmodellen aus dem wettbewerblichen Umfeld nicht zu berücksichtigen.

Die vom Landgericht angenommene erhebliche Bekanntheit des Produkts der Antragstellerin spricht ebenfalls für die wettbewerbliche Eigenart. Das Gleiche gilt für den Erfolg des Produkts der Antragstellerin. So hat die Antragstellerin die Absatzzahlen für Deutschland vorgelegt. Das Modell „ PX1A “ wurde – was die Antragstellerin glaubhaft gemacht hat – in Deutschland seit dem Jahr 2010 vertrieben. Im Jahr 2015 wurden 308.000 Stück vertrieben. Insgesamt wurde dieses Modell in Deutschland etwa 940.000 Mal verkauft. Die Umsätze mit diesem Modell im Jahr 2012 beliefen sich auf 12 Mio. €. Die weiteren Modelle der Antragstellerin, die ebenfalls die prägenden Merkmale ausweisen, wurden insgesamt 79.000 bzw. 80.000 Mal veräußert. Mit diesen Modellen wurden in Deutschland in den Jahren 2012 bis 2015 Umsätze von ca. 6,4 Mio. € erwirtschaftet. Das Jeansmodell der Antragstellerin gehört damit zu den drei bis fünf in Deutschland am meisten verkauften Jeansmodellen.

Weiter hat die Antragstellerin die Bewerbung und Darstellung ihrer Modelle in den Medien hervorgehoben. Auch hierdurch wurde die wettbewerbliche Eigenart gestärkt.

Das Landgericht ist vor diesem Hintergrund zutreffend von einer hohen wettbewerblichen Eigenart ausgegangen.

cc) Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei dem beanstandeten Produkt um eine Nachahmung des Produkts der Antragstellerin handelt. Eine solche ist gegeben, wenn nach dem Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Erzeugnisse die Nachahmung nur geringfügige Abweichungen vom Original aufweist (BGH, WRP 2000, 493 = GRUR 2000, 521, 524 – Modulgerüst; WRP 2010, 1465 = GRUR 2010, 1125 Tz. 25 – Femur-Teil). Dabei kommt es darauf an, ob gerade die übernommenen Gestaltungsmittel die wettbewerbliche Eigenart des nachgeahmten Produkts begründen (BGH, WRP 2010, 1465 = GRUR 2010, 1125 Tz. 25 – Femur-Teil).

Die von der Antragstellerin hervorgehobenen Merkmale finden sich zu großen Teilen in dem Produkt der Antragsgegnerin wieder. Das Landgericht hat daher zutreffend angenommen, dass eine nachschaffende Übernahme vorliegt.

Wesentliche Elemente der Gestaltung sind die die V-förmigen Nähte auf der Vorderseite der Hosenbeine, die nicht verdeckte Knopfleiste am Hosenschlitz, zwei fast parallel geschwungene Nähte an den Vordertaschen, die Gesäßtaschen aus drei sich überlappenden Teilen und die zwei Reihen Doppelnähte auf der Hosenrückseite (s.o.). Diese Elemente stimmen bei den Produkten der Parteien überein, so dass auch von einem übereinstimmenden Gesamteindruck auszugehen ist.

Die Produktunterschiede können keinen anderen Gesamteindruck vermitteln. So wird der Verbraucher die Besonderheit der offenen Knopfleiste, die bei Jeanshosen eine Ausnahme darstellt, bei beiden Jeanshosen wahrnehmen. Die leichte Überdeckung bei der Hose der Antragsgegnerin tritt dabei ebenso in den Hintergrund wie die leicht unterschiedliche Gestaltung der Naht neben und unter der Knopfleiste.

Auch die leicht unterschiedliche Gestaltung der Gesäßtasche vermag keinen anderen Gesamteindruck zu begründen. Denn beide Taschen wirken in sich dreigeteilt. Ob dies durch ein deutliches Überschlagen der oberen Naht und ein Zusammensetzen aus zwei Elementen, wie bei dem Produkt der Antragsgegnerin, oder durch ein Zusammensetzen aus drei Elementen, wie bei den Produkten der Antragstellerin, erzeugt wird, spielt in der Wahrnehmung der angesprochenen Verkehrskreise keine Rolle.

Nicht entscheidend sind dabei die aus dem wettbewerblichen Umfeld dargestellten Modelle, weil diese nur in erheblich geringerer Anzahl die Merkmale des Produkts der Antragstellerin übernehmen und daher einen anderen Gesamteindruck erzeugen.

d) Zutreffend hat das Landgericht auch angenommen, dass es für den angemessen gut informierten und angemessen aufmerksamen und kritischen durchschnittlichen Verbraucher, auf den es ankommt (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm aaO, § 4 Rn. 3.41, mwN), zu einer erheblichen Täuschungsgefahr komme. Dies ist erforderlich, weil die Nachahmung an sich die Unlauterkeit im Sinne des § 4 Nr. 3 UWG noch nicht begründet (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm aaO, § 4 Rn. 3.40, mwN). Die Unlauterkeit ergibt sich vielmehr, wenn sie eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft des nachgeahmten Produktes herbeiführt. Der Täuschung steht die Begründung der Täuschungsgefahr gleich (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm aaO, § 4 Rn. 3.41, mwN).

Damit muss das nachgeahmte Produkt eine gewisse Bekanntheit haben (vgl. BGH, Urteil vom 24.05.2007 – I ZR 104/04, GRUR 2007, 984 – Gartenliege, mwN). Eine solche Bekanntheit hat die Antragstellerin vorgetragen und glaubhaft gemacht. Insbesondere war das Produkt bereits bei den angesprochenen Verkehrskreisen in erheblichem Umfang bekannt, bevor das Produkt der Antragsgegnerin auf den Markt gebracht wurde.

Unter Berücksichtigung der Bekanntheit des Produktes der Antragstellerin, seiner hohen wettbewerblichen Eigenart und der Tatsache, dass die Antragsgegnerin nachschaffend das Produkt der Antragstellerin übernommen hat, wird der Verkehr mittelbar – wie das Landgericht angenommen hat – über die betriebliche Herkunft getäuscht.

Eine unmittelbare Herkunftstäuschung scheidet vorliegend allerdings – wie das Landgericht ebenfalls zutreffend angenommen hat – aus. Der Bundesgerichtshof hat in der Entscheidung Hot Sox (Urteil vom 19.11.2015 – I ZR 109/14, GRUR 2016, 720) ausgeführt, dass der Verkehr im Grundsatz zwei mit verschiedenen Marken gekennzeichneten Produkten auch zwei verschiedene Hersteller zuordnet. Angesichts der mehrfachen und deutlichen Kennzeichnung dürfte hiervon im vorliegenden Fall auszugehen sein.

Allerdings liegt eine Herkunftstäuschung im weiteren Sinn vor. Für die Gefahr einer Täuschung über die betriebliche Herkunft genügt es, wenn der Verkehr bei dem nachgeahmten Produkt annimmt, es handele sich um eine neue Serie oder um eine Zweitmarke oder es bestünden lizenz- oder gesellschaftsrechtliche Beziehungen zwischen den beteiligten Unternehmen (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm aaO, § 4 Rn. 3.44, mwN). Auch hiergegen spricht im Ausgangspunkt, wenn eine deutliche Herstellerangabe erfolgt, wenn diese nicht als Handelsmarke wahrgenommen wird.

Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Intensität der Übernahme sowie den besonderen Umständen (vgl. BGH, Urteil vom 19.10.2000 – I ZR 225/98, GRUR 2001, 443 – Viennetta). Vorliegend ist das Landgericht zutreffend von einer gesteigerten wettbewerblichen Eigenart ausgegangen. Auch sind die Übereinstimmungen des jeweiligen Gesamteindrucks wie dargelegt erheblich. Dabei ist auch davon auszugehen, dass der Verkehr die Produkte – entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin – im Regelfall nicht parallel vor Augen hat, sondern sich auf seine Erinnerung verlassen muss.

Es muss auch berücksichtigt werden, dass gerade bei Modeprodukten wie Jeanshosen der Verkehr besonderen Wert auf die Gestaltung legt und gerade diese auf eine betriebliche Herkunft zurückführt. Daher liegt es aufgrund der erheblichen Übereinstimmungen nahe, dass der Verkehr bei solchen Modeprodukten von einer zumindest lizenzrechtlichen Beziehung zwischen den Parteien ausgeht. Hiergegen spricht dann auch nicht, dass die Antragsgegnerin selbst mit ihrer Marke „H “ eine gewisse Bekanntheit erzielt hat. Denn unstreitig ist, dass alle Hersteller von Jeanshosen jeweils ihre Produkte unter verschiedenen Marken im Rahmen einer „Multibrandstrategie“ anbieten, was nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung unstreitig ist. Vertreten alle Unternehmen eine solche Strategie, werden die angesprochenen Verkehrskreise von Jeans, zu denen auch der Senat gehört, nicht in der Lage sein, den hinter der jeweiligen Marke stehenden Hersteller zu benennen und sodann – wie dargelegt – aus den vorgenannten Gründen davon ausgehen, dass es sich um eine Zweitmarke des Herstellers handelt. Gerade bei Modelabels sind dem Verbraucher die hinter der Marke stehenden Hersteller regelmäßig unbekannt.

3. Die Kostenentscheidung folgt auf § 97 ZPO. Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahrens wird wie folgt festgesetzt: 200.000 €.

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