Begibt sich eine Partei freiwillig in die Rolle des Unterlegenen, trägt sie nicht automatisch die Kosten des Verfahrens

17. August 2017
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Schriftzug Gerichtskosten blau hinterlegt Urteil des OLG Düsseldorf vom 25.04.2017 (Az.: I-20 U 149/13)

Es gibt keinen allgemeinen Grundsatz, wonach der Partei, die sich freiwillig in die Rolle des Unterlegenen begeben hat, die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen sind. Ob ein solches Verhalten konkludent zeigt, dass diese Partei die gegen sich gerichtete Klage als begründet erachtet, ist für den Einzelfall zu entscheiden. Ist klar, dass die Rechtsverteidigung der Partei erfolgreich gewesen wäre und gibt diese Partei in dem Bewusstsein, dennoch eine Unterwerfungserklärung ab, kann gerade nicht davon ausgegangen werden, dass die Klage als begründet erachtet wird.

Oberlandesgericht Düsseldorf

Beschluss vom 25.04.2017

Az.: I-20 U 149/13

Tenor

Die Kosten des in der Hauptsache erledigten Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Gründe

I.

Der Beklagte ist eine als eingetragener Verein verfasste Selbsthilfeorganisation, deren Ziel es ist, die Lebensumstände von A.-Patienten und deren Familien zu verbessern. Mit einem Schreiben, das eine Kooperation zwischen dem Beklagten und der niederländischen Versandapotheke X. bewirbt, wandte sich der Beklagte im Juli 2009 an seine Mitglieder und stellte ihnen ein Bonussystem vor, das verschiedene Boni für rezeptpflichtige, nur über Apotheken erhältliche A.-Medikamente bei deren Bezug durch die Mitglieder des Beklagten von X. vorsieht.

Der Kläger, ein Verein zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, hält die Werbung für gemäß § 3a UWG n.F. (bis zum 09.12.2015: § 4 Nr. 11 UWG a.F.) in Verbindung mit § 78 AMG a.F. und §§ 1, 3 Arzneimittelpreisverordnung bzw. § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG n.F. unlauter, da das beworbene Bonusmodell gegen die gesetzlich vorgesehene Festlegung eines einheitlichen Apothekenabgabepreises verstoße. § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG n.F. sieht vor, dass die Arzneimittelpreisverordnung, die auf Grund von § 78 Abs. 1 Satz 1 AMG erlassen worden ist, auch für Arzneimittel gilt, die gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG in den Geltungsbereich dieses Gesetzes verbracht werden.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und dem Beklagten untersagt, im Wettbewerb handelnd im Rahmen einer Kooperation mit der Versandapotheke X. deren Bonusmodell zu empfehlen, wenn dies geschieht wie mit dem den Streit auslösenden Anschreiben. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Landgericht ausgeführt, das Unterlassungsbegehren sei begründet, da der Beklagte mit dem streitgegenständlichen Anschreiben gegen § 8 Abs. 3 Nr. 2, § 3, § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 78 AMG und §§ 1, 3 Arzneimittelverordnung verstoßen habe. Das Schreiben stelle eine geschäftliche Handlung des Beklagten dar, die unlauter sei, da das beworbene Bonussystem wettbewerbsrechtlich unzulässig sei. Entsprechendes habe der Bundesgerichtshof für den Fall entschieden, in dem von einer Apotheke für die Einlösung jedes Rezepts ein Gutschein von 5 € ausgelobt worden war (BGH GRUR 2010, 1136 – UNSER DANKESCHÖN). Den dortigen Ausführungen schließe sich die Kammer im Hinblick auf das vorliegend zur Beurteilung stehende Rabattsystem an, bei dem für verschreibungspflichtige Medikamente im geringsten Fall 2,57 € gutgeschrieben werden. Die in Rede stehenden Regelungen hätten schon im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Handlung auch für Lieferungen der im Ausland ansässigen Kooperationspartnerin des Beklagten gegolten. Für die Zukunft ergebe sich dies aus § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG in der Fassung vom 26.10.2012.

Der Beklagte hat gegen dieses Urteil form- und fristgerecht Berufung eingelegt, mit der er den Antrag auf Klageabweisung weiter verfolgt und unter umfangreichend Darlegungen im Wesentlichen geltend gemacht hat, die deutschen Arzneimittelpreisvorschriften könnten auf eine im Ausland ansässige Versandapotheke keine Anwendung finden. Etwas anderes folge nicht aus der Entscheidung des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, die gegen zivilprozessuale Grundsätze verstoße und zudem verfassungs- und europarechtswidrig sei. Die Preisbindung stelle eine Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne von Art. 34 AEUV dar, die nicht nach Art. 36 AEUV gerechtfertigt sei. Selbst wenn das deutsche Arzneimittelpreisrecht Anwendung finde, sei gegen dieses nicht verstoßen worden, da das vorliegend zur Beurteilung stehende Bonussystem nicht mit dem vom BGH in der Entscheidung „Unser Dankeschön für Sie“ zu beurteilenden zu vergleichen sei. Ein Verstoß gegen § 7 HWG oder § 4 Nr. 1 HWG liege ebenfalls nicht vor.

Der Kläger hat die angefochtene Entscheidung unter Bezugnahme auf die Entscheidung des gemeinsamen Senats und die darauf folgenden Entscheidungen des BGH als zutreffend verteidigt. Diesen ist gemein, dass in ihnen eine Vereinbarkeit von § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG mit Art. 34 und 36 AEUV bejaht und eine Vorlage an den EuGH zur Klärung eben dieser Vereinbarkeit mangels Zweifeln („acte claire“) für nicht erforderlich gehalten wird.

Noch vor der ersten mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 27.01.2015, nämlich mit Schreiben vom 20.11.2013 hat die Europäische Kommission gegen die Bundesrepublik ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, da sie der Auffassung ist, § 78 Abs. 1 Satz 4 AMB verstoße gegen Art. 34 und 36 AEUV. Jedenfalls diese Tatsache schloss es aus Sicht des Senats (a.A. BVerfG, Beschluss vom 02.02.2017 – 2 BvR 787/16) aus, die richtige Anwendung des Unionsrechts auf § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG als so offenkundig im Sinne der „acte clair“-Doctrin (vgl. EuGH EuZW 2016, 111 – CILFIT) anzusehen, dass eine Vorlage ausgeschlossen war. Der Senat hat sich deshalb in Ausübung des ihm durch Art. 267 Satz 2 AEUV eingeräumten Ermessens für eine eigene Vorlage an den EuGH entschieden, um das Verfahren im Hinblick auf das erhebliche wirtschaftliche Interesse der Mitglieder des Beklagten, allesamt chronisch Kranke, am Ausgang dieses Verfahrens zu beschleunigen. Vorgelegt hat der Senat dem EuGH durch Beschluss vom 24.03.2015 die folgenden Fragen:

1.              Ist Art. 34 AEUV dahingehend auszulegen, dass eine durch nationales Recht angeordnete Preisbindung bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln eine Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne von Art. 34 AEUV darstellt?

2.              Sollte der Gerichtshof die Frage zu Nummer 1) bejahen:

Ist die Preisbindung bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln gemäß Art. 36 AEUV zum Schutze der Gesundheit und des Lebens von Menschen gerechtfertigt, wenn nur durch sie eine gleichmäßige und flächendeckende Arzneimittelversorgung der Bevölkerung in ganz Deutschland, insbesondere in den ländlichen Gebieten gewährleistet wird?

3.              Sollte der Gerichtshof auch die Frage zu Nummer 2) bejahen:

Welche Anforderungen sind an die gerichtliche Feststellung zu treffen, dass der in Ziffer 2 2. Halbsatz genannte Umstand tatsächlich zutrifft?

Die Antworten des EuGH lauten gemäß Urteil vom 19.10.2016 wie folgt:

1.              Art. 34 AEUV ist dahingehend auszulegen, dass eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die vorsieht, dass für verschreibungspflichtige Humanarzneimittel einheitliche Apothekenabgabepreise festgesetzt werden, eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung im Sinne dieses Artikels darstellt, da sie sich auf die Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel durch in anderen Mitgliedstaaten ansässige Apotheken stärker auswirkt als auf die Abgabe solcher Arzneimittel durch im Inland ansässige Apotheken.

2.              Art. 36 AEUV ist dahin auszulegen, dass eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die vorsieht, dass für verschreibungspflichtige Humanarzneimittel einheitliche Apothekenabgabepreise festgesetzt werden, nicht mit dem Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen im Sinne dieses Artikels gerechtfertigt werden kann, da sie nicht geeignet ist, die angestrebten Ziele zu erreichen.

Der Beklagte hat sich durch diese Entscheidung bestätigt gesehen und geltend gemacht, sie entfalte – wie alle Entscheidungen des EuGH in Vorabentscheidungsverfahren – rückwirkend Bindungswirkung. Ein Verstoß gegen die Preisbindung liege damit nicht vor.

Der Kläger hat demgegenüber die Auffassung vertreten, sein Unterlassungsanspruch sei gleichwohl begründet. Dem Urteil des EuGH komme aufgrund der mangelnden Kompetenz der Europäischen Union für das Gesundheitswesen keine abschließende Bedeutung für den vorliegenden Rechtsstreit zu, zumal das Urteil keine abschließende Prüfung der im vorliegenden Rechtsstreit maßgeblichen Rechtsfrage enthalte, ob der Beklagte für die von ihm mit dem Versandhändler X. vereinbarten Vergünstigungen für seine Mitglieder werben dürfe. Der EuGH habe bisher nicht entschieden, ob es aus anderen Gründen als unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der Gesundheit und des Lebens von Menschen zur Gewährleistung einer gleichmäßigen flächendeckenden Arzneimittelversorgung gerechtfertigt sei, die Preisbindung auch für den Versand von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln aus dem Ausland an Abnehmer in Deutschland vorzuschreiben. Grund hierfür sei die vom Senat beschränkte Vorlagefrage gewesen, die die Prüfung von anderen Aspekten durch den EuGH ausgeschlossen habe. Zu den zu berücksichtigenden Erfordernissen im Allgemeininteresse, die eine Einschränkung von Grundfreiheiten rechtfertigen können, gehöre unter anderem der Schutz der sozialen Systeme. Die Preisbindung bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln diene dazu, den Anteil der finanziellen Mittel zu bestimmen, der im System der gesetzlichen Krankenversicherung den Apotheken als Leistungserbringern für pharmazeutische Leistungen insgesamt zur Verfügung stehe. Nähmen die Zuwendungen an Patienten überhand, würden dem System der gesetzlichen Krankenversicherung Wirtschaftlichkeitsreserven entzogen, die grundsätzlich auch zugunsten der gesetzlichen Krankenversicherung eingesetzt werden könnten. Zu diesen Aspekten habe er – der Kläger – im Vorabentscheidungsverfahren vorgetragen, was er inhaltlich auch zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens mache. Gleichwohl habe der EuGH aufgrund der ihm vorgelegten Frage über diesen Gesichtspunkt nicht entschieden. Der Kläger hat weiterhin geltend gemacht, der EuGH habe sich bei der Beurteilung der ihm vorgelegten Fragen nicht mit den Erwägungen oberster nationaler Gerichte auseinander gesetzt, was angesichts des Kooperationsverhältnisses von nationalen Gerichten und dem EuGH die Relevanz des Urteils des EuGH vom 19.10.2016 für den vorliegenden Rechtsstreit in Frage stelle. Der EuGH habe das Grundrecht des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt, indem er den klägerischen Vortrag in der Stellungnahme vom 06.07.2016 nicht gewürdigt habe. Auch wenn die in dem Vorabentscheidungsverfahren ergangene Entscheidung des EuGH für das vorlegende Gericht grundsätzlich bindend sei, sei darauf hinzuweisen, dass der EuGH die Beweislast unzutreffend verteilt habe, indem es angenommen habe, Maßnahmen von Nationalstaaten, die Grundfreiheiten wie die Warenverkehrsfreiheit beschränkten, müssten von Beweisen begleitet seien. Die Parteien eines Vorabentscheidungsverfahrens seien anders als die bei einem Vertragsverletzungsverfahren nicht die Nationalstaaten. In seiner Entscheidung habe der EuGH außerdem die den Mitgliedstaaten vorbehaltenen Wertungen durch eigene, zudem hypothetische Annahmen ersetzt, indem er argumentiert habe, von der Kommission vorgelegte Unterlagen würden die Annahme stützen, dass mehr Preiswettbewerb unter den Apotheken die gleichmäßige Versorgung mit Arzneimitteln dadurch fördern würde, dass Anreize zu Niederlassung in Gegenden gesetzt würden, in denen wegen der geringen Zahl von Apotheken höhere Preise verlangt werden könnten. Die überhöhten Anforderungen an die Rechtfertigung und den Prüfungsmaßstab, die Ersetzung der gesetzgeberischen Wertung durch eine eigene Annahme und die Bezugnahme auf nicht näher bestimmte Unterlagen machten das Urteil vom 19.10.2016 auch verfassungsrechtlich beanstandbar, so dass die Entscheidung erheblichen Bedenken begegne, die es ausschlössen, die Feststellungen zur Entscheidung durch den Senat abschließend heranzuziehen. Stelle man den Annahmen des Gerichtshofes die tatsächlichen Daten gegenüber, ergebe sich ein anderes Bild. Es sei objektiv nachweisbar, dass der Wegfall der Preisbindung für ausländische Versender die flächendeckende Arzneimittelversorgung gefährde. So liege bereits auf der Hand und sei von der Bundesregierung und dem Kläger ausführlich dargestellt worden, weswegen die Annahme begründet sei, dass sich die Versandapotheken ohne eine Regelung, wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, einen Preiswettbewerb liefern könnten, so dass wichtige Leistungen wie die Notfallversorgung in Deutschland nicht mehr zu gewährleisten seien. Soweit der EuGH ausgeführt habe, dass die Notfallversorgung und die persönliche Beratung der Patienten Wettbewerbsfaktoren seien, die die Präsensapotheken nutzen könnten, um im Wettbewerb mit dem Versandhandel konkurrenzfähig zu bleiben, verkenne er, dass es sich um Gemeinwohlpflichten handele, die aus dem Ertrag der abgegebenen Packung eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels mitfinanziert würden. Im Übrigen lasse sich diese Annahme des EuGH ebenfalls mit Hilfe statistischer Daten widerlegen. Nach Berechnungen des Deutschen Apothekerverbandes e.V. habe jeder erbrachter Notdienst für die leistende Apotheke im Jahr 2015 einen Verlust von durchschnittlich mindestens 195,- € bedeutet. Gleiches gelte für die Herstellung von Rezepturen, die ebenso wie die Erbringung von Notdiensten nicht kostendeckend sei.

Nachdem der Beklagte ohne von außen erkennbaren Grund eine strafbewehrte Unterlassungserklärung in Bezug auf die ihm durch das angefochtene Urteil auferlegte Verpflichtung abgegeben hat, haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt und beantragen wechselseitig, der jeweils anderen Partei die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Der Kläger führt zur Begründung aus, der Beklagte habe sich freiwillig in die Rolle des Unterlegenen begeben, weshalb ihm die Kosten des Verfahrens schon aus diesem Grund aufzuerlegen seien. Jedenfalls aber habe sein – des Klägers – Begehren zum Zeitpunkt der Erledigungsklärungen Aussicht auf Erfolg gehabt. Der mit der Klage geltend gemachte Unterlassungsanspruch sei auch gem. §§ 8, 3a UWG i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a HWG und § 4a UWG begründet.

Der Beklagte sieht das anders und hat auf einer 72 seitigen Begründung ausgeführt, weshalb seine Rechtsverteidigung bei einem Fortgang des Verfahrens Erfolg gehabt hätte und dies für die Kostenlast des Klägers streite. Aus Gründen der Waffengleichheit nimmt der Beklagte ebenfalls auf seine Stellungnahme im Vorabentscheidungsverfahren und die dortigen Beweisantritte Bezug. Er vertritt die Auffassung, die Anforderungen des EuGH an die Substantiierung und den Nachweis von Tatsachen hätten dem Kläger bekannt sein müssen. Anstatt hierzu vorzutragen, habe er sich auf die unzutreffende Rechtsauffassung des Gemeinsamen Senats und der Bundesregierung zurückgezogen, dass es ausreiche, eine Gefährdung der sozialen Systeme zu unterstellen. Der vom Kläger propagierte vermeintlich notwendige „Schutz der sozialen Systeme“ entpuppe sich als rein wirtschaftliche Erwägung mit erkennbar protektionistischen Zielen. Die zugrunde liegenden Tatsachenbehauptungen seien unzutreffend und würden vorsorglich bestritten. Im Übrigen sei der Kläger mit seinem diesbezüglichen neuen Vorbringen nach §§ 530, 531 ZPO präkludiert.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien ge-wechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die im Vorabentscheidungsverfahren vorgelegten Stellungnahmen, die dem Senat durch den EuGH übersandt wurden und daher Bestandteil der Akte sind, Bezug genommen.

II.

Da die Parteien den Rechtsstreit durch Einreichung von Schriftsätzen für erledigt erklärt haben, war gemäß § 91a Abs. 1 ZPO über die Kosten des Verfahrens unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Es war also darauf abzustellen, wer die Kosten hätte tragen müssen, wenn die Hauptsache nicht übereinstimmend für erledigt erklärt worden wäre (vgl. statt vieler: Schulz in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2016, § 91a Rdnr. 44 m.w.N.). Das wäre, wie sogleich unter Ziffer 1.) auszuführen sein wird, der Kläger gewesen. Dass die Abgabe der Erledigungserklärungen auf erste Sicht durch ein Verhalten des Beklagten veranlasst worden ist, führt zu keiner anderen Beurteilung, dazu unten Ziffer 2.).

1.)

Die Klage wäre bei Fortführung des Verfahrens abzuweisen gewesen. Sie ist unbegründet.

a) Dem Kläger steht kein Unterlassungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, § 3, § 3a UWG i.V.m. § 78 AMG a.F., §§ 1, 3 Arzneimittelverordnung bzw. § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG n.F. zu.

Zwar sieht § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG in der seit dem 26.10.2012 geltenden Fassung vor, dass die Arzneimittelpreisverordnung, die auf Grund von Satz 1 erlassen worden ist, auch für Arzneimittel gilt, die gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 Nummer 1a in den Geltungsbereich dieses Gesetzes verbracht werden. Dies entspricht der überwiegenden Meinung zur zuvor geltenden Rechtslage gemäß § 78 AMG a.F. i.V.m. §§ 1, 3 Arzneimittelverordnung. Diese Regelungen sind jedoch wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht, nämlich Art. 34 AEUV nicht anwendungsfähig.

aa) Durch Urteil vom 19.10.2016 hat der EuGH in dem durch den Senat angestoßenen Vorabentscheidungsverfahren festgestellt, dass die Festsetzung einheitlicher Apothekenabgabepreise für Humanarzneimittel eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung im Sinne von Art. 34 AEUV darstellt und dass Art. 36 AEUV dahin auszulegen ist, dass eine nationale Regelung wie die in Rede stehende, nicht mit dem Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen im Sinne dieses Artikels gerechtfertigt werden kann.

Dieses Urteil entfaltet eine förmliche Bindungswirkung gegenüber dem Senat als vorlegendem Gericht (vgl. Hein in: MüKo-BGB, 6. Aufl., Art. 3 EGBGB Rdnr. 154 m.w.N.). Letzteres wird im Grundsatz vom Kläger auch nicht in Zweifel gezogen.

bb) Ob und wann ausnahmsweise eine EuGH-Entscheidung in einem Vorlageverfahren keine Bindungswirkung entfaltet, kann vorliegend dahinstehen, da kein Argument des Klägers verfängt, mit dem er eine solche Ausnahme vorliegend begründen will.

(a) Unter Berufung auf seine erstmals nach Beendigung des Vorabentscheidungsverfahrens geäußerte Ansicht, der Europäischen Union komme keine Kompetenz für das Gesundheitswesen zu, und der Behauptung, die Entscheidung des EuGH sei nur aufgrund dessen grundsätzlicher Vermutung seiner Zuständigkeit in Vorabentscheidungsverfahren ergangen, macht der Kläger geltend, dass der EuGH über die ihm vorgelegten Verfahren entschieden habe, bedeute nicht, dass die Entscheidung für den nationalen Rechtsstreit abschließend sei. Dem kann kein Erfolg beschieden sein, da beide Prämissen unzutreffend sind.

Was die unterstellte Vermutung der Zuständigkeit durch den EuGH anbelangt, wird diese durch das vom Kläger selber zitierte Urteil (EuGH Urteil vom 06.09.2016, C-182/15, veröffentlicht in: NJW 2017, 378 – Aleksei Petruhhin/Latvijas Republikas Generalprokuratura) widerlegt. In der genannten Entscheidung heißt es unter Rdnr. 19:

„Im Rahmen dieser Zusammenarbeit ist es allein Sache des mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Gerichts, in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende gerichtliche Entscheidung fällt, im Hinblick auf die Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof von ihm vorgelegten Fragen zu beurteilen. Betreffen daher die vorgelegten Fragen die Auslegung des Unionsrechts, ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, darüber zu befinden (vgl. ua EuGH, ECLI:EU:C:2015:658 = BeckRS 2015, 81524 Rdnr. 24 mwN – Capoda Import-Export).“

Danach unterstellt der EuGH in Vorabentscheidungsverfahren die vom vorlegenden Gericht bejahte Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils und die vom vorlegenden Gericht bejahte Erheblichkeit der vorgelegten Fragen, nicht aber, dass die vorgelegten Fragen darüber hinaus die Auslegung des Unionsrechts betreffen. Folglich ist der EuGH unzuständig, wenn das vorlegende Gericht seine Auslegungsfrage zwar so formuliert hat, dass Vorschriften einer Verordnung den Gegenstand der Vorlage bilden, die vom EuGH erbetene Auslegung jedoch lediglich die Anwendung solcher Regelungen klären soll, die sich inhaltlich an die in Rede stehenden Vorschriften der Verordnung anlehnen und für deren Auslegung die Rechtsprechung des EuGH nicht als bindend angesehen wird (vgl. Hein in: MüKo-BGB, a.a.O. Rdnr. 143 m.w.N.).

Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle angemerkt, dass auch die Bundesrepublik Deutschland im Vorabentscheidungsverfahren keine Bedenken gegen die Zuständigkeit des EuGH geäußert hat und der Kläger selber dort geltend gemacht hatte, die Antworten auf die vorgelegten Fragen ließen sich aus der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofes mit hinreichender Sicherheit ableiten (Stellungnahme des Klägers vom 06.07.2015 Rdnr. 3), was impliziert, dass es Rechtsprechung des EuGH zu Auslegungsfragen das Gesundheitswesen betreffend gab.

Die Zuständigkeit des EuGH ist auch in der Sache nicht zweifelhaft. Dem steht der vom Kläger in Bezug genommene Art. 168 Abs. 7 AEUV nicht entgegen. Dieser normiert zwar, dass bei der Tätigkeit der Union die Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Festlegung ihrer Gesundheitspolitik, für die Organisation des Gesundheitswesens und die medizinische Versorgung gewahrt wird sowie dass die Verantwortung der Mitgliedstaaten die Verwaltung des Gesundheitswesens und der medizinischen Versorgung sowie die Zuweisung der dafür bereitgestellten Mittel umfasst. Art. 168 Abs. 7 AEUV befreit die Mitgliedstaaten jedoch nicht davon, ihre Gesundheitsmaßnahmen primärrechtskompatibel auszugestalten (vgl. Schmidt am Busch in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 60. Ergänzungslieferung 2016, Art. 168 Rdnr. 84 m.w.N.), weshalb die nationalen Zuständigkeiten im Gesundheitsbereich nach der Rechtsprechung des EuGH nicht von der Beachtung der Grundfreiheiten befreien (vgl. EuGH GRUR-Int. 2012, 1034 Rdnr. 27 – Susisalo u.a. ./. FIMEA u.a.; NZS 2011, 375 Rdnr. 84 – van Delft ua; GRUR 2004, 174 Rdnr. 104 – DocMorris). Bei der Prüfung der Rechtfertigung beschränkender Maßnahmen legt der EuGH einen strengen Maßstab an, trägt jedoch dem Vorbehalt des Art. 168 Abs. 7 AEUV insoweit Rechnung, als er den Mitgliedstaaten im Gesundheitsbereich gewisse Spielräume zuerkennt. Dies ist auch vorliegend geschehen (Rdnr. 30 des Urteils vom 19.10.2016). Der EuGH hat vorliegend sodann auch anerkannt, dass das Erfordernis, die regelmäßige Versorgung des Landes für wichtige medizinische Zwecke sicherzustellen, eine Behinderung des innergemeinschaftlichen Handelsverkehrs im Rahmen von Art. 36 AEUV rechtfertigen kann, da dieses Ziel unter den Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen fällt (Rdnr. 31 des genannten Urteils). Schließlich ist der EuGH des Weiteren davon ausgegangen, dass das Ziel der Gewährleistung einer flächendeckenden sicheren und qualitativ hochwertigen Arzneimittelversorgung grundsätzlich unter Art. 36 AEUV fällt (Rdnr. 34 des Urteils). Dass er die mit der Preisbindung einhergehende Behinderung des innergemeinschaftlichen Handelsverkehrs gleichwohl nicht als gerechtfertigt angesehen hat, liegt daran, dass er sich sodann der Frage zugewandt hat, ob die Preisbindung geeignet und erforderlich ist, um das genannte Ziel zu erreichen. Hier ist das Vorbringen der Bundesregierung offensichtlich schon im Rahmen der Schlüssigkeitsprüfung gescheitert. Anders kann es nicht verstanden werden, wenn der EuGH beispielsweise unter Rdnr. 37 ausführt, das Argument der flächendeckenden Versorgung mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in ganz Deutschland sei nicht in einer Weise untermauert worden, die den zuvor genannten Voraussetzungen genüge; insbesondere werde mit den in der Rechtssache vorgebrachten allgemeinen Aussagen zu dieser Frage nicht dargetan, inwiefern durch die Festlegung einheitlicher Preise für verschreibungspflichtige Arzneimittel eine bessere geographische Verteilung der traditionellen Apotheken in Deutschland sichergestellt werden könne.

(b) Es hätte bei Fortführung des Verfahrens keine Veranlassung gegeben, die vom Kläger als zu eng beanstandeten Vorlagefragen des Senats zu erweitern und ein weiteres Vorabentscheidungsersuchen einzuleiten.

Die im Vorlagebeschluss vom 24.03.2015 formulierten Fragen berücksichtigen vollumfänglich den Vortrag der Parteien zum Zeitpunkt der Abfassung des Vorlagebeschlusses und haben sich an der Gesetzesbegründung zu § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG orientiert, da der Senat grundsätzlich erwartet, dass die Gründe, die den Gesetzgeber zu einer Gesetzesänderung veranlasst haben, eben dort ihren Niederschlag finden. Auch hat die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme auf das Anschreiben der Kommission keine weiteren Gesichtspunkte als die in den Vorlagefragen berücksichtigten zur Rechtfertigung der Arzneimittelpreisbindung ins Feld geführt. In Bezug auf dieses, das Vertragsverletzungsverfahren einleitende Anschreiben der Kommission und seine Verwertung durch den Senat bei der Abfassung des Vorlagebeschlusses gibt die Anmerkung der Bundesregierung unter Rdnr. 37 ihrer Stellungnahme im Vorabentscheidungsverfahren, die offensichtlich als Belehrung des Senats gemeint ist, er habe nicht aus Unterlagen aus dem laufenden Vertragsverletzungsverfahren zitieren dürfen, Anlass zu folgender Klarstellung: Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 27.11.2014 das „Mahnschreiben der Europäischen Kommission an die Bundesregierung vom 20.11.2013“, aus dem der Senat im Vorlagebeschluss zitiert hat, als Anlage B 13 zur Gerichtsakte gereicht und damit zum Gegenstand des vom Senat zu beurteilenden Sach- und Streitstandes gemacht. Einen Vertraulichkeitsvermerk enthält dieses Schreiben nicht. Es ist von der Kommission auch offensichtlich nicht vertraulich behandelt worden, da ansonsten nicht nachvollziehbar ist, wie der Beklagte bzw. seine Prozessvertreter in seinen Besitz gekommen sind. Dass dies auf unredlichem Weg geschehen sein muss, machen weder der Kläger noch die Bundesregierung geltend.

Nach der Rechtsprechung des EuGH ist zwar die Kontrolle der Verhältnismäßigkeit einer nationalen Maßnahme im Sinne von Art. 36 AEUV nicht auf die Angaben, Beweismittel oder sonstigen Unterlagen beschränkt, die dem Gesetzgeber bei ihrem Erlass zur Verfügung gestanden haben; vielmehr muss unter Umständen die Kontrolle der Vereinbarkeit der Maßnahme mit dem Unionsrecht auf der Grundlage der Angaben, Beweismittel oder sonstigen Unterlagen erfolgen, die dem nationalen Gericht gemäß den Bedingungen seines nationalen Rechts zum Zeitpunkt der Entscheidung zur Verfügung stehen (vgl. EuGH NJW 2016, 621 – Scotch Whisky Association ua/Lord). Die vom Senat im Vorlagebeschluss vom 24.03.2015 nicht berücksichtigte Frage, ob die in Rede stehende Maßnahme notwendig ist, um die Kosten im Gesundheitssektor zu kontrollieren, ist jedoch trotz der auf die gleichmäßige und flächendeckende Arzneimittelversorgung bezogenen Formulierung der Vorlagefrage schon Gegenstand der Beurteilung durch den EuGH gewesen. In seinen Schlussanträgen hat der Generalanwalt ausgeführt, Deutschland habe auch geltend gemacht, die in Rede stehende Maßnahme sei notwendig, um die Kosten im Gesundheitssektor zu kontrollieren. Dieser Unterpunkt der Rechtfertigung könne nicht mit eingeführt werden, da Art. 36 AEUV „Tatbestände nicht wirtschaftlicher Art“ enthalte, wie der EuGH bereits durch Urteil vom 19.12.21961 in der Rechtssache Kommission/Italien, C-7/61, entschieden habe. Maßnahmen zur Reduzierung der Kosten des Systems der sozialen Sicherheit könnten deshalb nicht unter Berufung auf die Gesundheit gemäß Art. 36 AEUV gerechtfertigt werden, so auch der EuGH in seinem Urteil vom 28.04.1998 in der Sache Decker, C-120/95. Nur eine erhebliche Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit könne einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellen, der eine solche Beschränkung rechtfertigen könne, EuGH Decker a.a.O. Eine solche liege aber angesichts des Ausnahmecharakters dieses Rechtfertigungsgrundes hier eindeutig nicht vor. Ganz abgesehen davon könne es ohne eine Preisbindung zu niedrigeren Preisen kommen, was dem System der sozialen Sicherheit zugutekommen könne.

(c) Auch die Rüge des Klägers, der EuGH habe den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt, da er zu seinem Vortrag im Zusammenhang mit dem Schutz der sozialen Systeme keine Stellung genommen habe, hätte bei Fortgang des Verfahrens keinen Erfolg gehabt. Zum einen ist schon nicht gesagt, dass der EuGH dieses Vorbringen und die entsprechenden Ausführungen des Generalanwalts nicht zur Kenntnis genommen hat. Nur das wäre eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gewesen. Dass er dazu keine Ausführungen gemacht hat, stellt als solches keine Verletzung dar. Es ist auch kein Indiz dafür, dass der Vortrag nicht zur Kenntnis genommen worden ist. Die Urteile des EuGH beruhen auf einer anderen Rechtstradition als die deutschen und sind ohnehin in der Regel kürzer. Auch nach deutschem Zivilprozessrecht enthalten die Entscheidungsgründe im Übrigen gemäß § 313 Abs. 3 ZPO lediglich eine kurze Zusammenfassung der Erwägungen, auf denen die Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht.

Zudem verfängt das Vorbringen des Klägers zum Schutz der sozialen Systeme in der Sache nicht, worauf unten noch im Einzelnen eingegangen wird.

(d) Soweit der Kläger geltend macht, der EuGH habe sich bei der Beurteilung der ihm vorgelegten Fragen nicht mit den Erwägungen oberster nationaler Gerichte auseinander gesetzt, was angesichts des Kooperationsverhältnisses von nationalen Gerichten und dem EuGH die Relevanz des Urteils des EuGH vom 19.10.2016 für den vorliegenden Rechtsstreit in Frage stelle, ist dies ebenfalls kein Gesichtspunkt, der das Urteil des EuGH vom 19.10.2016 angreifbar macht. Der EuGH hat in dieser Entscheidung mitgeteilt, weshalb er die Anwendbarkeit von Art. 34 AEUV bejaht und die von Art. 36 AEUV verneint. Damit ist gleichzeitig gesagt, dass er die Auffassungen des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (Beschluss vom 22.08.2012, BmS-OGB 1/10, GRUR 2013, 417) und des BGH (siehe beispielsweise GRUR 2010, 1136 – UNSER DANKESCHÖN) nicht teilt. Einer schriftlichen Auseinandersetzung mit den Argumenten dieser nationalen Gerichte bedurfte es aus den zu lit. (c) genannten Gründen nicht.

(e) Die vom EuGH vertretene und vom Kläger für falsch gehaltene Auffassung, Maßnahmen von Nationalstaaten, die Grundfreiheiten wie die Warenverkehrsfreiheit beschränken, müssten von Beweisen begleitet sein (so schon EuGH in der Entscheidung Scotch Whisky Association ua/Lord a.a.O.), entspricht der im deutschen Zivilprozessrecht geltenden Regel, dass derjenige, der sich auf einen Ausnahmetatbestand beruft, für das Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen darlegungs- und beweisbelastet ist (siehe statt vieler: Bacher in: Beck’scher Online-Kommentar ZPO, Stand: 01.03.2017, § 284 Rdnr. 74 m.w.N.). Dass es sich bei den Parteien eines Vorabentscheidungsverfahrens anders als die bei einem Vertragsverletzungsverfahren nicht um die Nationalstaaten handelt, rechtfertigt es entgegen der Auffassung des Klägers nicht, von diesem Grundsatz abzuweichen. Zum einen wird der jeweilige Nationalstaat – wie auch vorliegend geschehen – gemäß Art. 23 der EuGH-Satzung, Art. 96 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes der Europäischen Union am Vorabentscheidungsverfahren ebenso beteiligt wie die Parteien, kann seine Ansichten also vollumfänglich vortragen. Zum anderen muss es auch in einem solchen Fall zu Lasten desjenigen gehen, der sich auf ein gegen europarechtliche Vorgaben verstoßendes Gesetz beruft, wenn eine Ausnahme, die ein Absehen von der Vorgabe im Einzelfall rechtfertigt, nicht festgestellt werden kann. Weshalb es gerechter sein soll, der anderen Partei, die schon das Vorliegen der Voraussetzungen eines Verstoßes gegen Europarecht beweisen musste, auch noch den (Negativ)Beweis für das Nichtvorliegen der Voraussetzungen einer Ausnahme aufzuerlegen, teilt der Kläger nicht mit.

(f) Soweit er beanstandet, der EuGH habe die den Mitgliedstaaten vorbehaltenen Wertungen durch eigene, zudem hypothetische Annahmen ersetzt, indem er argumentiert habe, von der Kommission vorgelegte Unterlagen würden die Annahme stützen, dass mehr Preiswettbewerb unter den Apotheken die gleichmäßige Versorgung mit Arzneimitteln dadurch fördern würde, dass Anreize zu Niederlassung in Gegenden gesetzt würden, in denen wegen der geringen Zahl von Apotheken höhere Preise verlangt werden könnten, ist dies unzutreffend. Zum einen hat der EuGH nur festgestellt hat, dass Preiswettbewerb der gleichmäßigen Versorgung mit Arzneimitteln nicht schadet. Ob es darüber hinaus tatsächlich zu einer Förderung kommt, hat er offen gelassen. Die vom Kläger beanstandete Passage (Rdnr. 38 des Urteils) stellt daher keine die Entscheidung tragende Erwägung des EuGH dar. Zum andern ist die vom EuGH für möglich gehaltene Annahme weder eine hypothetische noch „ersetzt“ sie eine der Bundesrepublik „vorbehaltene Wertung“, wie der Kläger meint. Bei den vom EuGH in Bezug genommenen Unterlagen der Kommission handelt es sich um das „Gutachten 2014 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen Bedarfsgerechte Versorgung – Perspektiven für ländliche Regionen und ausgewählte Leistungsbereiche“ (Drucksache 18/1940 des Deutschen Bundestages), auf das die Kommission im Vorabentscheidungsverfahren in ihrer Stellungnahme vom 13.07.2015 mehrfach, unter anderem auch mit dem Zitat, dass gerade mehr Preiswettbewerb unter den Apotheken für die gleichmäßige Versorgung mit Arzneimitteln förderlich sei und ein solcher Preiswettbewerb positive Anreize zur Niederlassung in mit Apotheken schwach besetzten Gegenden setzten dürfte, wo höhere Preise verlangt werden könnten (Rdnr. 47 der Stellungnahme), verweist. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen ist ein in § 142 SGB V geregeltes Beratungsgremium. Er hat die Aufgabe, Gutachten zur Entwicklung der gesundheitlichen Versorgung mit ihren medizinischen und wirtschaftlichen Auswirkungen zu erstellen, § 142 Abs. 2 Satz 1 SGB V. Im Rahmen seiner Gutachten entwickelt der Sachverständigenrat unter Berücksichtigung der finanziellen Rahmenbedingungen und vorhandener Wirtschaftlichkeitsreserven Prioritäten für den Abbau von Versorgungsdefiziten und bestehenden Überversorgungen und zeigt Möglichkeiten und Wege zur Weiterentwicklung des Gesundheitswesens auf, § 142 Abs. 2 Satz 2 SGB V. Das Gremium ist interdisziplinär besetzt. In seinem Gutachten 2014 stellt es, was den hier allein interessierenden Aspekt der Arzneimitteldistribution betrifft, zunächst einmal die den späteren Vorschlägen zugrunde liegenden Tatsachen vor (Seiten 116 bis 119 der Bundestags-Drucksache 18/1940). Dies sind unter anderem die statistischen Erhebungen zu den Umsätzen der deutschen öffentlichen Apotheken (aufgeteilt in verschreibungspflichtige und nicht verschreibungspflichtige Medikamente), die Anzahl der Apotheken (untergliedert nach Haupt- bzw. Einzelapotheken und Filialapotheken) und die Verteilung der Apotheken auf die einzelnen Bundesländer. Der Sachverständigenrat kommt aufgrund dessen zu dem Ergebnis einer „vergleichsweise hohen Apothekendichte, die mit einem sehr begrenzten Preiswettbewerb einhergeht, der sich auf nicht verschreibungspflichtige Medikamente und damit auf nur 12 % des Apothekenumsatzes an Arzneimitteln beschränkt“. Neben der Arzneimittelpreisverordnung, so der Sachverständigenrat weiter, stünden noch mehrere andere wettbewerbshemmende staatliche Regulierungen im Apothekenbereich, wie z.B. die Beschränkungen bei Fremd- und Mehrbesitz, einer effizienten und effektiven Arzneimitteldistribution entgegen. Zur Diskussion gestellt werden von ihm deshalb sodann zwölf Deregulierungsmittel zur effizienteren Gestaltung des Angebots und der Erhöhung der Preiselastizität der Nachfrage, die im Folgenden benannt werden sollen, um die Komplexität der Systeme zu verdeutlichen, welcher der Kläger in seiner Verkürzung der Argumentation selbst im Ansatz nicht gerecht wird, worauf unten noch einzugehen sein wird. Bei den vom Sachverständigenrat unter Bezugnahme auf die Gutachten der Monopolkommission 2006 und 2010 zur Diskussion gestellten Deregulierungsmitteln handelt es sich nämlich um

–              die Einführung einer pauschalen „Apothekentaxe“ bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zur Vergütung der Dienstleistung mit der Option von apothekenindividuellen Handelsspannen innerhalb von (Unter- und) Obergrenzen in Verbindung mit

–              einer Änderung der Selbstbeteiligung der Patienten bzw. einem Wegfall der derzeitigen Zuzahlungsregelung im Rahmen der GKV (gesetzlichen Krankenkassenversorgung),

–              Selektivverträge zwischen Krankenkassen und Apotheken bei erstattungsfähigen Medikamenten, d.h. Aufhebung des Kontrahierungszwangs,

–              Überprüfung bzw. Einengung der Apothekenpflicht von Arzneimitteln vor dem Hintergrund internationaler Erfahrungen,

–              Aufhebung des Selbstbedienungsverbotes in Apotheken bei nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, entweder gänzlich oder für ein definiertes Sortiment,

–              Lockerung des Dispensierverbotes für Ärzte bei bestimmten Medikamenten, die hohe Kosten verursachen und/oder zur Behandlung schwerwiegender Krankheiten dienen,

–              Einführung eines auf ein definiertes Arzneimittelsortiment begrenztes Dispensierrecht für Hausärzte im Rahmen des vertragsärztlichen Notdienstes, insbesondere bei stark eingeschränkter Erreichbarkeit von Notdienst-Apotheken,

–              Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes von Apotheken mit fusionskotrollrechtlichen Prüfungen zur Vermeidung marktbeherrschender Positionen oder etwas abgeschwächt,

–              Aufhebung des Fremdbesitzverbotes bei erweiterten Möglichkeiten zum Mehrbesitz von Apotheken,

–              Erlaubnis zur Führung einer Apotheke auch in Form einer GmbH oder einer Aktiengesellschaft,

–              Ermöglichung der räumlichen Integration von Apotheken in andere Einzelhandelsgeschäfte sowie

–              der rechtlichen Option zum Einsatz von Apothekenbussen zur mobilen Arzneimittelversorgung in ländlichen und strukturschwachen Räumen.

Es kann daher keine Rede davon sein, dass die Annahme, mehr Preiswettbewerb unter den Apotheken fördere die gleichmäßige Versorgung mit Arzneimitteln dadurch, dass Anreize zu Niederlassung in Gegenden gesetzt würden, in denen wegen der geringen Zahl von Apotheken höhere Preise verlangt werden könnten, rein hypothetischer Natur ist. Sie beruht vielmehr auf einer umfassenden Auswertung der Fakten durch Fachleute unter Berücksichtigung der Komplexität der Systeme und ist vom Gesetzgeber ernsthaft zu prüfen. Nichts anderes hat der EuGH getan und sie für schlüssig befunden. Die Stellungnahme der Bundesrepublik Deutschland im Vorabentscheidungsverfahren führt zu keiner anderen Beurteilung. Eine Auseinandersetzung mit dem genannten Gutachten findet hier nicht statt.

(g) Selbst wenn der Senat die Gesichtspunkte flächendeckende Arzneimittelversorgung und Schutz der sozialen Systeme bei Fortgang des Verfahrens selber geprüft hätte, hätte dies nicht zu einer Kostentragungspflicht des Beklagten geführt.

(aa) Eine Gefährdung der flächendeckenden Arzneimittelversorgung auf dem Land hat der Kläger immer noch nicht schlüssig dargelegt.

Dabei soll zu seinen Gunsten einmal unterstellt werden, dass die Untersuchung der Strategieberatung Sempora Consulting aus Oktober 2016 den Anforderungen genügt, die an den gutachterlichen Nachweis aufgrund einer Verkehrsbefragung nach der gefestigten Rechtsprechung gestellt werden und die dem Umstand Rechnung tragen, dass das Ergebnis einer solchen Befragung von der repräsentativen Zusammenstellung des Kreises der Befragten, der Einleitung der Befragung und der Formulierung der eigentlichen Frage abhängt. Denn selbst wenn die Untersuchung Sempora korrekt erhoben wurde, kann der Kläger aus ihr nicht die von ihm gewünschte Schlussfolgerung ableiten. Zum einen trägt die Untersuchung schon nicht seine Behauptung, 51 % der befragten Verbraucher hätten angegeben, ihre Verschreibungen im Arzneimittelversandhandel einlösen zu wollen, wenn ihnen ein Bonus in Höhe von 2,- € je rezeptpflichtigem Arzneimittel gewährt werden würde. Ausweislich der allein vorliegenden Pressemitteilung zur Untersuchung Sempora (Anlage K 3; die Untersuchung selber mit der Benennung des Auftraggebers wird nicht vorgelegt) haben nämlich nur 21 % der Befragten angegeben, in einem solchen Fall ihr Rezept „immer“ bei einer Versandhandelsapotheke einlösen zu wollen. 30 % haben angeben, dies „meistens“ tun zu wollen. Weitere 30 % haben erklärt, dies „Teils/Teils“ tun zu wollen, 11 % meinten, dies „eher selten“ tun zu wollen, 9 % „nie“. Hieraus lassen sich verlässliche Daten zur Berechnung eines den niedergelassenen Apotheken drohenden Umsatzeinbruchs nicht entnehmen. Keinesfalls stimmt aber die Grundannahme des Klägers, 51 % Umsatzeinbruch bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln für die niedergelassenen Apotheken seien belegt. Auch seine darauf aufbauende Argumentation unterliegt Unzulänglichkeiten. Die nicht nur theoretische Möglichkeit, dass eine relevante Anzahl derer, die sich für einen Bezug von der Versandhandelsapotheke ausgesprochen haben, ihr Rezept aus Bequemlichkeit dann doch bei einer niedergelassenen Apotheke einlöst, wird vom Kläger erst gar nicht in Betracht gezogen. Den auf der Grundlage von 51 % „Abtrünnigen“ angenommene Umsatzeinbruch rechnet er sodann um in einen durchschnittlichen jährlichen Rohertragsverlust von 100.000,- € pro niedergelassene Apotheke. Auch dies wird man – die Richtigkeit der Zahlen als solche einmal unterstellt – so pauschal nicht sagen können. Vielmehr wird zwischen Apotheken unterschiedlicher Standorte zu differenzieren sein. Das betrifft zum einen die Erreichbarkeit (Parkplätze/Bushaltestelle in unmittelbarer Nähe), aber auch die Entfernung zu Ärzten. Denn selbst ein Patient, der eine enge Bindung an seine „Hausapotheke“ hat, löst ein Rezept des Öfteren bereits in unmittelbarer räumlicher Nähe zu dem Arzt ein, der das Rezept ausgestellt hat. Dies ist zum einen die Erfahrung der Senatsmitglieder, die zu den entsprechenden Verbrauchern gehören, wird aber auch im Gutachten 2014 des Sachverständigenrates bestätigt. Dort heißt es (Seite 121 der Bundestags-Drucksache 18/1940): „Für den wirtschaftlichen Erfolg einer Apotheke mag die Qualität der Beratung auch eine Rolle spielen, entscheidende Determinanten stellen aber der Standort der Apotheke und damit ihre Erreichbarkeit, z.B. in Stadtzentren oder in der Nähe von Arztpraxen … dar.“ Der Kläger kommt dann zu dem Ergebnis, dass mindestens 3.200 Betriebsstätten ihre Tätigkeit einstellen müssten, da 16 % der Apotheken einen Rohertrag zwischen 260.000,- € und 360.000. € erwirtschafteten und einen Umsatzverlust von 100.000,- € nicht verkraften würden. 37,6 % der Apotheken seien in Gemeinden mit weniger als 20.000 Einwohnern ansässig, was in der Summe 7.500 Apotheken ausmache. 16 % hiervon seien 1.200 Apotheken, die auf dem Land schließen müssten. Weshalb der Kläger in diesem Zusammenhang nicht, was den zutreffenden Ansatz wiedergegeben hätte, den durchschnittlichen Rohertrag der auf dem Land ansässigen Apotheken mitteilt, bleibt offen. Dass diesbezügliche Zahlen nicht existieren oder für ihn verfügbar sind, behauptet er nicht. Ersteres ist im Übrigen nicht zu erwarten. Gegen letzteres spricht, dass der Kläger offensichtlich, dies zeigt sein Vortrag, über einen guten Kontakt zu Apothekerkreisen verfügt. Die Argumentation des Klägers schließt am Ende mit der durch nichts unterfütterten Behauptung, wichtige Leistungen wie die Notfallversorgung seien auf der Grundlage dieser Berechnungen nicht mehr zu gewährleisten. Welche Entfernungen der Einwohner einer Gemeinde mit weniger als 20.000 Einwohnern bereits jetzt im Durchschnitt auf sich nehmen muss, um eine Notfallapotheke zu erreichen, bleibt dabei ebenso offen wie die Fragen, um wie viele Kilometer sich diese Entfernung beim Wegfall von 1.200 Apotheken auf dem Land vergrößert sowie ob und weshalb keine Möglichkeit besteht, den Wegfall von 1.200 Apotheken im ländlichen Bereich durch anderweitige Maßnahmen zu kompensieren. Hier schließt sich der Kreis zu der oben angesprochenen Komplexität der Systeme. Auf die dort genannten, vom Sachverständigenrat zur Diskussion gestellten Deregulierungsmöglichkeiten wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Im Hinblick hierauf ist es auch viel zu verkürzt, die Frage der Möglichkeit der Kompensation auf die vom Kläger in seinem Schriftsatz vom 22.12.2016 angesprochenen Aspekte zu reduzieren.

(bb) Gleiches gilt im Ergebnis für die vom Kläger geltend gemachte Gefährdung der sozialen Systeme. Insofern macht der Kläger geltend,

–              die Preisbindung mit der Folge eines einheitlichen Apothekenabgabepreises bezwecke, das Abrechnungsverfahren zwischen den Apotheken und den gesetzlichen Krankenkassen zu erleichtern, und spare damit finanzielle Ressourcen,

–              durch einen Wegfall der Preisbindung werde der Anreiz für den gesetzlich versicherten Patienten, ein nach § 130 a Abs. 8 SGB V vom Hersteller rabattiertes Arzneimittel zu akzeptieren, zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen außer Kraft gesetzt,

–              aufgrund des faktisch herbeigeführten Wegfalls der Zuzahlung bestehe für den Patienten kein Anreiz mehr, preisgünstige Arzneimittel zu akzeptieren,

–              Zuwendungen wie Warengutscheine oder Gutschriften oder Artikel aus dem Nebensortiment führten zu einem Mehrverbrauch von Arzneimitteln zu Lasten der Krankenkassen als Kostenträgern im System der gesetzlichen Krankenversicherung,

–              bei einer Freigabe der Preise lasse sich nicht mehr vorhersehen, welchen Umsatz ein pharmazeutischer Hersteller erwarten dürfe, wenn er mit einer gesetzlichen Krankenkasse eine Rabattierung vereinbare.

Bereits die Pauschalität dieses Vorbringens, das von keinerlei Konkretisierungen begleitet wird, sich nicht mit § 13 Abs. 4 Satz 3 SGB V und nicht mit der auch für Apotheken mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union bestehenden Möglichkeit, nach dem Regime des § 129 SGB V an der GKV-Arzneimittelversorgung teilzunehmen (vgl. BSG Urteil vom 24.01.2013 – B 3 KR 11/11) auseinandersetzt, zeigt, dass eine wirkliche Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit, die zudem noch erheblich sein müsste, nicht festzustellen ist. Die bloße Möglichkeit, dass die Kosten des Systems der sozialen Sicherheit steigen, wenn es zu einem Wegfall der Preisbindung verschreibungspflichtiger Arzneimittel kommt, reicht nicht. Darauf, dass es ohne die Preisbindung zu niedrigeren Preisen kommen kann, was dem System der sozialen Sicherheit zugutekommen könnte und deshalb gegenzurechnen wäre, kommt es mithin nicht einmal mehr an.

b) Ein Anspruch des Klägers gemäß §§ 3a UWG i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz HWG scheidet nach dem Gesagten ebenfalls aus. Da die Preisvorschriften im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 2. Halbsatz HWG in der vorliegenden Konstellation europarechtswidrig sind, würde, wenn § 7 HWG überhaupt anwendbar ist, die in § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 2. Halbsatz HWG normierte Ausnahme vom Ausnahmetatbestand des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 1. Halbsatz HWG mit der Folge entfallen, dass in der Rabattgewährung liegende Zuwendung zulässig wäre.

c) Schließlich wäre auch gemäß § 4a UWG n.F. bzw. § 4 Nr. 1 UWG a.F. kein Anspruch des Klägers zu bejahen gewesen. In dem Bewerben eines Rabatts und dem Gewähren eines solchen liegt weder eine unsachliche (§ 4 Nr. 1 UWG a.F.) noch eine aggressive (§ 4a UWG n.F.) Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers. Die grundsätzliche Freigabe von Rabatten, wie sie durch die Aufhebung des Rabattgesetzes und der Zugabeverordnung erfolgt ist, beruht auf einem gewandelten Verbraucherleitbild. In der Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung des Rabattgesetzes und zur Anpassung anderer Rechtsvorschriften vom 06.03.2001 ist dazu ausgeführt, dass der durchschnittlich informierte und verständige Verbraucher heutzutage mit den Marktgegebenheiten vertraut ist. „Er weiß, dass Kaufleute nichts zu verschenken haben und zum Beispiel die Kosten für wertvolle Nebenleistungen durch anderweitige Erlöse decken. Die Erfahrungen zeigen, dass sich der Verbraucher in der Regel nicht vorschnell durch das Angebot einer Zugabe oder eines Rabatts zum Vertragsschluss verleiten lässt. Vielmehr trifft der Kunde seine Entscheidung über den Erwerb höherwertiger Produkte erst nach ausreichender Information über Konkurrenzangebote und reiflicher Abwägung der unterschiedlichen Vorzüge und Nachteile der angebotenen Waren” (BT-Dr 14/5441, S. 7). Das veränderte Verbraucherleitbild und die der Aufhebung des Rabattgesetzes zu Grunde liegende gesetzgeberische Wertung sind auch bei der Auslegung der Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb zu beachten (vgl. BGH NJW 2006, 3203 Rdnr. 16 – Kunden werben Kunden).

2.)

Einen allgemeiner Grundsatz, wonach die Kosten stets der Partei aufzuerlegen seien, die sich freiwillig in die Rolle des Unterlegenen begeben hat, anzuerkennen, lehnt der Senat in ständiger Rechtsprechung ab (so auch Vollkommer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 31. Aufl. 2016, § 91a ZPO, Rdnr. 25 m.w.N.). Ob es unter bestimmten Bedingungen gerechtfertigt sein kann, in einem solchen Verhalten eines Beklagten ein Indiz dafür zu sehen, dass er selbst die gegen ihn gerichtete Klage (nunmehr) für begründet erachtet, und dies bei der Ermessensentscheidung nach § 91a Abs.2 1 ZPO zu berücksichtigen, kann dahinstehen. Denn der Beklagte hat vorliegend unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht, dass seine Unterwerfung nicht auf der Ansicht beruht, die Klage hätte Erfolg gehabt. Anders kann seine 72 seitige Auseinandersetzung mit den Erfolgsaussichten der Klage nach der Entscheidung des EuGH nicht verstanden werden. Etwas anderes war objektiv auch nicht zu erwarten. So heißt es selbst in den veröffentlichten Kommentierungen im Zusammenhang mit dem EuGH-Urteil zum Teil ausdrücklich: „In der Konsequenz der EuGH-Entscheidung liegt es, dass das OLG die Klage abweisen wird.“(vgl. Hauck in: „Arzneimittel-Boni und kein Ende?“ NZS 2017, 161 (162)). Dass sich der Beklagte gleichwohl unterworfen hat, überrascht daher außerordentlich. Dass er keinen Grund genannt hat, weshalb er trotz der eindeutigen Erfolgsaussichten seiner Rechtsverteidigung eine Unterwerfungserklärung abgegeben und damit die für seine Mitglieder vorteilhafte Zusammenarbeit mit der X. auf Dauer aufgegeben hat, bedeutet nicht zwangsläufig, dass er diese Entscheidung „freiwillig“ getroffen hat, wie der Kläger – seinerseits ohne jedwede Erklärung – behauptet. Welchen Druck die EuGH-Entscheidung in Apothekerkreisen und Politik aufgebaut hat, konnte die Öffentlichkeit der anschließenden Berichterstattung entnehmen. Dass dieser Druck auch den Beklagten erfasst hat – in welcher Form auch immer -, erscheint vor diesem Hintergrund sehr gut möglich, wenn nicht sogar wahrscheinlich.

III.

Der Streitwert für das Verfahren wird nach Anhörung der Parteien zu einem späteren Zeitpunkt von Amts wegen festgesetzt.

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