Bildaufnahmen durch Polizeibeamte bei Versammlungen stellen Eingriff in die Versammlungsfreiheit dar

11. Dezember 2018
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Deutsche Polizisten überwachen eine Demonstration Urteil des VG Gelsenkirchen vom 23.10.2018, Az.: 14 K 3543/18

Das Anfertigen von Lichtbildern durch Polizeibeamte bei Versammlungen und die Veröffentlichung dieser im Internet stellt einen Eingriff in die Versammlungsfreiheit dar und ist somit rechtswidrig. Dies gilt unabhängig davon, ob auf den Bildern einzelne Versammlungsteilnehmer zu erkennen sind. Nach dem heutigen Stand der Technik sind auch in Übersichtsaufzeichnungen die Einzelpersonen individualisierbar miterfasst und können erkennbar gemacht werden. Das Verhalten der Beamten ist auch nicht gerechtfertigt, da es an einer entsprechenden Ermächtigungsgrundlage fehlt.

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen

Urteil vom 23.10.2018

Az.: 14 K 3543/18

 

Tenor

Es wird festgestellt, dass die Anfertigung von Lichtbildern der Versammlung vom 00.00.0000 in F. -T. und die Veröffentlichung dieser Lichtbilder im Internet rechtswidrig waren.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leisten.

Tatbestand

Der Kläger zu 1. führte am 00.00.0000 auf dem E.°°°° in F. -T. eine Versammlung durch, die er zuvor beim Beklagten als Gegendemonstration zu einer Versammlung, die am selben Tag in unmittelbarer Nähe stattfand, angemeldet hatte. Zu der Versammlung erwartete der Kläger zu 1. etwa 150 Teilnehmer.

Der Beklagte bestätigte unter dem 00.00.0000 die Anmeldung unter Auflagen, die vorliegend jedoch nicht Streitgegenstand sind.

Die Versammlung wurde im angemeldeten Rahmen durchgeführt, die Kläger zu 1. und 2. waren Teilnehmer der Versammlung.

Der Beklagte begleitete die Versammlungen mit Polizeikräften. Die Kläger bemerkten zwei uniformierte Beamte, welche mit einer Digitalkamera während des gesamten Verlaufs Bilder von der Versammlung des Klägers zu 1. machten.

Bereits während der Versammlung veröffentlichte der Beklagte auf dem Facebook-Profil „Polizei NRW F. “ und auf Twitter unter der Überschrift „Demonstrationen in T. “ Mitteilungen und Bilder des Einsatzes. Auf diesen Bildern sind nicht nur Polizeikräfte und -fahrzeuge zu sehen, sondern es wurden auch Bilder veröffentlicht, auf denen die beiden demonstrierenden Gruppen zu sehen sind. Wegen der Einzelheiten wird auf die in der Beiakte Heft 1 vom Beklagten ausgedruckten Bildschirmansichten Bezug genommen.

Unter den auf den veröffentlichten Bildern abgebildeten Personen befinden sich auch die Kläger.

Der Prozessbevollmächtigte der Kläger widersprach gegenüber den eingesetzten Beamten noch auf der Versammlung unter Hinweis auf das Persönlichkeitsrecht der fotografierten Personen der Anfertigung der Lichtbilder. Diese Einwendungen wiederholte er nach Abschluss der Versammlung per E-Mail gegenüber dem Beklagten.

Die Kläger haben am 00.00.0000 Klage erhoben.

Diese sei als Feststellungsklage zulässig, da die streitgegenständlichen Maßnahmen der Polizei Realakte darstellten.

Das Feststellungsinteresse ergebe sich bereits aus der Wiederholungsgefahr. Die Kläger beabsichtigten in Zukunft Leiter bzw. Teilnehmer von Versammlungen in F. zu sein. Der Beklagte habe auch hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er an seiner Rechtsauffassung und folglich an seiner Praxis festhalten wolle.

Die Kläger beabsichtigten außerdem aufgrund der Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts Amtshaftungsansprüche geltend zu machen. Daneben bestehe auch ein Rehabilitationsinteresse. Es sei nicht Sache des Beklagten, die Öffentlichkeitsarbeit der Kläger zu unterstützen oder sogar teilweise zu übernehmen. Der Staat sei auf eine sachliche Darstellung seiner Tätigkeit beschränkt. Die zunehmende Tendenz, dass die Polizeibehörden eine presseähnliche Funktion in eigenen Angelegenheiten übernähmen als seien sie Grundrechtsträger und könnten sich auf die Meinungsfreiheit aus Art.5 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 GG berufen, sei im Zusammenhang mit der Staatsfreiheit des öffentlichen Meinungsaustauschs kritisch zu sehen.

Die Klage sei auch begründet.

Die Kläger sind der Ansicht, die Fertigung und Veröffentlichung der Lichtbilder stelle einen Eingriff in ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung sowie in ihr Recht auf Versammlungsfreiheit dar. Ein schwerwiegender Grundrechtseingriff sei auch dann gegeben, wenn die Versammlung habe durchgeführt werden können, aber durch das Verhalten der Polizei ein Abschreckungseffekt erzielt worden sei.

Dass es als Teilnehmer einer öffentlichen Versammlung möglich sei, fotografiert zu werden, sei zutreffend. Dies gelte aber nur für Aufnahmen durch Privatpersonen, nicht aber durch den Staat. Der Staat benötige stets eine Ermächtigungsgrundlage, wenn er in Rechte der Bürgerinnen und Bürger eingreifen wolle. Eine solche Ermächtigungsgrundlage sei vorliegend nicht ersichtlich.

Die Voraussetzungen der §§ 19a und 12a Abs. 1 Satz 1 Versammlungsgesetz (VersG) seien vorliegend nicht erfüllt.

Auch die Befugnis des Beklagten zur Öffentlichkeits- und Pressearbeit rechtfertige die hier streitgegenständlichen Aufnahmen von den Demonstrationsteilnehmern nicht. § 4 Landespressegesetz NRW enthalte keine Befugnis zur Datenerhebung, sondern statuiere ein Informationsrecht der Presse. Mit Blick auf den verfassungsrechtlichen Vorbehalt des Gesetzes bei Eingriffen in Grundrechte sei auch der von dem Beklagten angeführte Runderlass des Ministeriums für Inneres und Kommunales NRW vom 15. November 2011 – 401 – 58.02.05 „Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Polizei Nordrhein-Westfalen“ keine taugliche Rechtsgrundlage.

Die Bilder ermöglichten eine Individualisierung der Versammlungsteilnehmer. Die Kläger seien jedenfalls auf den im Internet verbreiteten Fotografien, welche nach dem Vortrag des Beklagten in ihrer Bildqualität technisch deutlich reduziert seien, ohne Probleme zu erkennen. Wenn bereits bei in ihrer Bildqualität technisch deutlich reduzierten Fotoaufnahmen eine Identifizierung möglich sei, so sei eine solche jedenfalls bei den im Original hochauflösenden Bildern ohne weiteres möglich.

Die Anfertigung und Veröffentlichung der Bilder beträfen die Grundrechte der abgebildeten Personen ganz erheblich, da sie nicht nur von dem Beklagten gespeichert würden, sondern an ausländische Unternehmen übertragen und dort gespeichert würden. Die Unternehmen Facebook und Twitter ließen sich zudem die Nutzungsrechte an auf ihren Internetangeboten veröffentlichten Bildern übertragen. Durch den weltweit möglichen Abruf der Bilder sei auch eine unbegrenzte Verbreitung möglich.

Außerdem beeinträchtige das Anfertigen der Lichtbilder die Kläger in ihrem Recht auf Versammlungsfreiheit, da Bürger aus Sorge vor staatlicher Überwachung von der Teilnahme an Versammlungen abgeschreckt werden könnten. Dies sei vorliegend zu befürchten, der Kläger zu 1. sei mehrfach von Versammlungsteilnehmern auf die fotografierenden Beamten angesprochen worden. Insbesondere sei für Versammlungsteilnehmende nicht ohne weiteres zu erkennen, was letztlich auf den Aufnahmen zu sehen sei. Sie nähmen lediglich zwei Beamte in Uniform wahr, die ihre Kamera auf die Versammlung richteten und den Auslöser drückten. Erst recht könnten sie nicht wissen, welches Objektiv auf der verwendeten Spiegelreflexkamera verwendet werde und ob damit bloß weitwinklige Aufnahmen oder auch das Heranzoomen einzelner Versammlungsteilnehmer ermöglicht werde.

Aus der Rechtswidrigkeit der Herstellung der Bilder folge zugleich, dass die Veröffentlichung – erst Recht in sozialen Netzwerken – rechtswidrig sei.

Es könne daher offen bleiben, ob der Beklagte eine Veröffentlichung in sozialen Netzwerken auf § 23 Abs. 1 Nr. 3 KunstUrhG stützen könnte. Die Norm ermächtige zu einer Veröffentlichung, nicht aber zu einer ungezügelten Weitergabe personenbezogener Daten an private Unternehmen in Drittstaaten außerhalb der Europäischen Union. Art. 85 DSGVO erlaube wie die Vorgängerregelung in Art. 9 der Richtlinie 95145/EG nationale Gesetze mit Abweichungen von der DSGVO zu Gunsten der Verarbeitung zu journalistischen Zwecken. Die Norm stelle auf die freie Meinungsäußerung und die Informationsfreiheit ab, auf die sich der Beklagte nicht berufen könne, weil er nicht Grundrechtsträger sei. Der Beklagte sei gerade nicht journalistisch tätig, sondern nutze die Fotoaufnahmen im Rahmen staatlicher Öffentlichkeitsarbeit. Im Übrigen ergebe sich auch aus der Systematik des KunstUrhG, dass der Beklagte sich auf die Norm nicht berufen könne, da mit § 24 KunstUrhG eine speziellere Sondervorschrift für Behörden bestehe, welche lediglich für die Rechtspflege und die öffentliche Sicherheit die Möglichkeit eröffne, Bildnisse ohne Einwilligung des Berechtigten sowie des Abgebildeten oder seiner Angehörigen zu vervielfältigen, verbreiten oder öffentlich zur Schau zu stellen.

Die Kläger beantragen:

festzustellen, dass die Anfertigung von Lichtbildern der Versammlung vom 00.00.0000 in F. -T. rechtswidrig war und festzustellen, dass die Veröffentlichung von Lichtbildern der Versammlung vom 00.00.0000 in F. -T. im Internet unter www.twitter.com und www.facebook.com rechtswidrig war.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt er aus, die Klage sei bereits unzulässig.

Es liege kein schwerer Eingriff in die Versammlungsfreiheit vor, welcher das erforderliche Feststellungsinteresse begründen könne. Die Versammlung sei weder unterbunden noch aufgelöst worden, das Anfertigen von Bildern berühre den Ablauf der Versammlung in keiner Weise.

Es bestehe vorliegend auch keine Wiederholungsgefahr. Selbst wenn der Beklagte für Zwecke der Öffentlichkeitsarbeit künftig Bilder anfertigen werde, könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Kläger auf diesen Aufnahmen zu sehen sein würden. Die Übersichtsaufnahmen seien zu einem zufälligen Zeitpunkt im Verlauf der Versammlung gefertigt worden, so dass es rein zufällig sei, wenn die Kläger auf diesen Bildern zu sehen seien. Es sei daher ausgeschlossen, dass eine mit dem 00.00.0000 vergleichbare Situation erneut auftrete.

Die begehrte Feststellung sei zur Rehabilitation der Kläger nicht erforderlich, denn diese hätten zum Ausdruck ihrer politischen Meinung gerade die Öffentlichkeit gesucht. Die Veröffentlichung der Bilder auf Facebook und Twitter durch den Beklagten habe – auch wenn dies nicht die primäre Zielsetzung gewesen sei – als Multiplikator dieser Meinungskundgabe gedient und im Interesse der Kläger gelegen.

Schließlich könne das Feststellungsinteresse nicht auf die Präjudizwirkung gestützt werden, da sich die streitgegenständliche Maßnahme bereits vor Klageerhebung erledigt habe.

Darüber hinaus sei die Klage unbegründet, da die streitgegenständliche Anfertigung und Veröffentlichung der Bilder auf Twitter und Facebook rechtmäßig gewesen sei.

Die Ermächtigungsgrundlage zur Veröffentlichung von Bildern von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, einschließlich der an solchen Vorgängen teilnehmenden Personen folge aus § 23 KunstUrhG. Danach dürften derlei Bilder gerade auch dann veröffentlicht werden, wenn die Einwilligung betroffener Personen nicht vorliege. Dem stünden auch datenschutzrechtliche Bestimmungen nicht entgegen, denn nach § 5 Abs. 7 Datenschutzgesetz NRW (DSG) n.F. blieben gerade die §§ 22 – 24 KunstUrhG für öffentliche Stellen unberührt.

Sowohl die Fertigung der Bildaufnahmen an sich, als auch deren Veröffentlichung seien als Teil der einsatzbegleitenden, standardisierten Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Beklagten erfolgt. Diese diene gleichermaßen der lnformationsverpflichtung nach § 4 Landespressegesetz NRW und der anlassbezogenen Information der Öffentlichkeit.

Konkret zeigten die streitgegenständlichen Bildaufnahmen allesamt vordergründig Vollzugsbeamtinnen und -beamte, Fahrzeuge oder Absperrungen der Polizei und damit insgesamt sogenannte „Einsatzmittel der Polizei“. Die Bilder seien darüber hinaus allesamt weitwinklig angefertigt, so dass die jeweils im Hintergrund abgebildete Menschenmenge bewusst nicht im Fokus des Geschehens sei.

Mit den Bildern sollte ausschließlich das Vertrauen der Bevölkerung in die professionelle Aufgabenerledigung der F. Polizei, sowie insgesamt das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung gestärkt werden; beides gleichermaßen per Runderlass des Ministeriums für Inneres und Kommunales NRW vom 15. November 2011 – 401 – 58.02.05 „Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Polizei Nordrhein-Westfalen“ deklarierte Ziele des Beklagten. Die Polizei F. sei als Polizeipräsidium nach § 4 der Verordnung über die Bestimmung von Polizeipräsidien zu Kriminalhauptstellen (KHSt-VO) durch den Runderlass des Ministeriums für Inneres und Kommunales NRW vorn 30. September 2016 – 4/LRed 11.04.06 „Nutzung sozialer Netzwerke im Internet durch die Polizeibehörden des Landes NRW“ dazu verpflichtet, Facebook und Twitter im Rahmen der einsatzbegleitenden „proaktiven“ Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zu nutzen. Dies gelte insbesondere für Versammlungslagen. Dazu gehörten auch Bilder von der Einsatzörtlichkeit, die einen Eindruck der Situation vor Ort besser vermittelten als Texte.

Die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit (PÖA) werde bei der Polizei F. von geschulten Spezialkräften in einer eigens hierzu eingerichteten Organisationseinheit „PÖA“ geleistet. Dieser Organisationseinheit gehörten auch die Beamten an, die vorliegend die Bildaufnahmen gefertigt und veröffentlicht hätten.

Auf keiner der Aufnahmen seien die Kläger als Einzelperson dargestellt oder überhaupt erkennbar. Keines der veröffentlichten Bilder fokussiere etwa die Kläger, noch sonst einen Versammlungsteilnehmer. Im Gegenteil hätten die Beamten der PÖA bei der Auswahl der veröffentlichten Bilder besonderen Wert darauf gelegt, dass die abgelichteten Einsatzmittel der Polizei F. in jedem Bild mit einer Menschenmenge bzw. größeren Ansammlung (vermeintlicher) Versammlungsteilnehmer im Hintergrund gezeigt werden. Auf diese Weise werde das Einsatzgeschehen objektiv abgebildet, ohne dass Einzelpersonen aus der Menge herausstächen. Es seien am 6. Mai 2018 ausschließlich weitwinklige Übersichtsaufnahmen gepostet worden, bei denen einzelne Gesichter aus einer Vielzahl von abgebildeten Personen allenfalls technisch aufwendig nachträglich identifizierbar gemacht werden könnten. Sowohl beim Datentransfer, als auch durch die Veröffentlichung auf den sozialen Plattformen werde die Bildqualität technisch deutlich reduziert, so dass die Herstellung eines Portraits nicht oder nur mit hochwertigen technischen Mitteln und Kenntnissen möglich sei.

Die Veröffentlichung der Bilder sei auch verhältnismäßig. Die Öffentlichkeit über die Arbeit der Polizei zu informieren, stelle einen legitimen Zweck dar. Die Veröffentlichung in den sozialen Netzwerken Twitter und Facebook „in Echtzeit“ erfolge am Puls der Zeit. Hierdurch werde gerade in der heutigen Zeit eine breite Masse der Bevölkerung erreicht. Deshalb sei insbesondere die Veröffentlichung auf diesem Wege geeignet, den legitimen Zweck transparenter Polizeiarbeit zu erreichen. Es sei überdies kein gleich geeignetes milderes Mittel ersichtlich, den angestrebten legitimen Zweck gleichermaßen zu erreichen.

Um besonders behutsam auf die Interessen der Versammlungsteilnehmer Rücksicht zu nehmen, hätten sich die fotografierenden Beamten ausschließlich am Rand der Versammlung aufgehalten und nur wenige Bilder für die Verwendung auf den sozialen Netzwerken insgesamt gefertigt. Sie hätten dabei stets genügend Abstand zu den Teilnehmern der Versammlung gehalten, um lediglich Übersichtsaufnahmen zu fertigen. Zu keinem Zeitpunkt sei also der Eindruck staatlicher Überwachung oder von Abschreckung entstanden.

Als Teilnehmer an einer öffentlichen Versammlung, die an einem für jedermann frei zugänglichen Platz stattfinde, liege es in der Natur der Sache, dass Bildaufnahmen der Versammlung als solcher gefertigt und veröffentlicht würden. Dies gehöre als Teil einer Berichterstattung über Zeitgeschehnisse zum allgemeinen Lebensrisiko, welchem sich jeder mit der Teilnahme an der Versammlung freiwillig aussetze.

Auch ein Verstoß gegen die Nr. 2 des „Erlasses zur Nutzung sozialer Netzwerke im Internet durch die Polizeibehörden des Landes NRW“ liege nicht vor, da gegen die abgebildeten Personen keine polizeilichen Maßnahmen getroffen worden seien.

Aus demselben Grund sei vorliegend auch nicht etwa das Versammlungsgesetz einschlägig. Aufgaben der Gefahrenabwehr oder Strafverfolgung habe der Beklagte hier gerade weder wahrgenommen noch wahrnehmen wollen.

Rechtsgrundlage für die konkrete Erhebung der personenbezogenen Daten der Kläger durch den Beklagten, also das Fotografieren an sich, sei § 3 DSG NRW. Danach sei die Verarbeitung personenbezogener Daten durch öffentliche Stellen zulässig, wenn sie für die Wahrnehmung einer im öffentlichen Interesse liegenden Aufgabe erforderlich sei. Dass gerade die Öffentlichkeitsarbeit eine im Interesse der Öffentlichkeit liegende Aufgabe sei, zeige bereits die in Bezug genommene Erlasslage zur Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Polizeibehörden in NRW. Das gesteigerte Informationsinteresse der Gesellschaft gerade im Social-Media-Bereich zu bedienen sei in der Neuzeit durch eine ausschließlich textliche Beschreibung von Sachverhalten bzw. Einsatzlagen überhaupt nicht umzusetzen. Von den öffentlichen Stellen werde vielmehr verlangt, eine objektive Berichterstattung in Echtzeit zu leisten.

Sämtliche der zum Zwecke der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit am Tag der Versammlung „F. T. T1. R. “ gefertigten Fotodateien seien umgehend nach den Veröffentlichungen bei Facebook und Twitter gelöscht worden. Dabei sei der Beklagte der Zweckbindung im Sinne des § 9 Absatz 1 DSG NRW (§ 13 DSG NRW a.F.) unterworfen. Das bedeute, dass die zum Zwecke der Öffentlichkeitsarbeit erhobenen Daten, hier die streitgegenständlichen Fotos im Dateiformat, unmittelbar und ausschließlich nur für den Zweck der Öffentlichkeitsarbeit verarbeitet würden.

Facebook und Twitter unterlägen beide als Unternehmen dem sachlichen und räumlichen Anwendungsbereich der DSGVO (Art. 2 und 3 DSGVO) und damit dem europäischen Datenschutzreglement.

Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Verarbeitung von personenbezogenen Daten verhalte es sich nach alter wie neuer datenschutzrechtlicher Rechtslage allerdings gleichermaßen. Grundsätzlich bedürfe es für die Erhebung personenbezogener Daten einer Einwilligung der betroffenen Person(en). An dieser fehle es hier augenscheinlich zwar. Nichtsdestotrotz sei es besonders bei größeren öffentlichen Veranstaltungen aufgrund der Vielzahl der abfotografierten Menschen nicht möglich, die Einwilligung sämtlicher Personen einzuholen. Praktische Schwierigkeiten ergäben sich außerdem aus der Möglichkeit des jederzeitigen Widerrufs gemäß Art. 7 Absatz 3 DSGVO und dem in Art. 7 Absatz 1 DSGVO geforderten Nachweis, dass die Einwilligung tatsächlich erteilt worden sei. Im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit von öffentlichen Stellen bedürfe es im Regelfall daher keiner Einwilligung.

Allerdings sei ungeachtet der gesetzlichen Klarstellung im DSG NRW derzeit wohl unklar, ob die Regelungen des KunstUrhG weiterhin gelten können oder ob auch insoweit gegebenenfalls Artikel 6 Absatz 1 e) DSGVO maßgeblich sei, weil die Regelungen des KunstUrhG durch die Datenschutz-Grundverordnung verdrängt werden. Diese Frage sei mit Blick auf die Öffnungsklausel des Art. 85 Absatz 2 DSGVO bislang noch ungeklärt.

Streitentscheidend sei diese Frage allerdings nicht: Selbst wenn man von einer Verdrängung der Regelungen des KunstUrhG durch die DSGVO ausgehe, gelte in Verbindung mit Art. 6 Absatz 2 DSGVO in diesem Fall für die gesamte Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Beklagte § 3 DSG NRW. Demgemäß gälten die Ausführungen zur Erhebung der Fotoaufnahmen durch die Beklagte gleichermaßen für deren Veröffentlichung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten einschließlich der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (Beiakte Heft 1).

Entscheidungsgründe

Die Feststellungsklage ist zulässig und begründet.

Die Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist vorliegend die statthafte Klageart, da die Kläger sich gegen ein bereits vor Klageerhebung beendetes schlichtes Verwaltungshandeln wenden.

Die allgemeinen Sachentscheidungsvoraussetzungen sind, dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig, erfüllt, allein das Feststellungsinteresse wird vom Beklagten in Zweifel gezogen.

Das erforderliche Feststellungsinteresse besteht vorliegend ebenfalls.

Es ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt, dass bei erheblichen Grundrechtseingriffen, hier jedenfalls in Art 8. Grundgesetz (GG), die sich aus ihrer Natur heraus kurzfristig erledigen, ein Interesse an der Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit besteht, da anderenfalls effektiver Rechtsschutz im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG nicht gewährleistet wäre. Eine solche kurzfristige Erledigung der Grundrechtsbeeinträchtigung erfolgt typischerweise im Versammlungsrecht, so dass die gerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle in diesem Bereich nicht davon abhängig gemacht werden kann ob die Beeinträchtigung erledigt ist oder nicht. Das Feststellungsinteresse wird hier nach allgemeiner Auffassung durch das Gebot des effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG und auch durch das Recht auf Freiheit von ungesetzlicher Grundrechtsbeeinträchtigung begründet.

Vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 3. März 2004 – 1 BvR 461/03, BVerfGE 110, 77 und juris, Beschluss vom 30. April 1997 – 2 BvR 817/90 u.a. -, BVerfGE 96, 27 ff. und juris und Beschluss vom 30. November 1989 – 2 BvR 3/88 -, BVerfGE 81, 138 ff. und juris; Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 21. November 1980 – 7 C 18/79 -, BVerwGE 61,164 ff., Beschluss vom 11. Dezember 2003 – 1 WB 14/03 -, BVerwGE 119, 341 ff. und juris und Urteil vom 23. März 1999 – 1 C 12/97 -, juris; Gerhardt in: Schoch/Schneider/Bier, § 113 VwGO Rdnr. 91; Kopp/Schenke, VwGO, 22. Auflage 2016, § 113 VwGO, Rdnr. 145; Wolff in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Auflage 2014, § 113 Rdnr. 266 und 282.

Damit ist das erforderliche Feststellungsinteresse der Kläger bereits aufgrund der Möglichkeit einer kurzfristig erledigten, aber schwerwiegenden Beeinträchtigung ihrer in Art. 8 GG garantierten Versammlungsfreiheit gegeben. Darauf, ob die Kläger bei vergleichbaren Versammlungen in Zukunft nochmals fotografiert werden und deshalb ein solches Interesse auch unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr oder aus anderen Gründen, besteht, kommt es daher nicht mehr an.

Die Klage ist auch begründet, denn die Anfertigung von Lichtbildern der Versammlung war – unabhängig davon, ob auf den Bildern einzelne Personen zu erkennen sind – im vorliegenden Fall rechtswidrig und verletzte die Kläger in ihren Rechten.

Das Fotografieren der Versammlung – auch zu dem vom Beklagten allein verfolgten Zweck der „proaktiven“ Öffentlichkeitsarbeit in sozialen Medien – stellte einen Eingriff in das Grundrecht der Kläger auf Versammlungsfreiheit dar.

Die Anfertigung von Fotos oder auch Videoaufzeichnungen einer Versammlung durch die Polizei bzw. die Versammlungsbehörde ist nach dem heutigen Stand der Technik für die Aufgezeichneten immer ein Grundrechtseingriff, da auch in Übersichtsaufzeichnungen die Einzelpersonen in der Regel individualisierbar mit erfasst sind. Sie können, ohne dass technisch weitere Bearbeitungsschritte erforderlich sind, durch schlichte Fokussierung erkennbar gemacht werden, so dass einzelne Personen identifizierbar sind. Ein prinzipieller Unterschied zwischen Übersichtsaufzeichnungen und personenbezogenen Aufzeichnungen besteht diesbezüglich, jedenfalls nach dem Stand der heutigen Technik, nicht.

Vgl. BVerfG zum Bay VersG, Einstweilige Anordnung vom 17. Februar 2009 – 1 BvR 2492/08 – m.w.N., BVerfGE 122, 342, zitiert nach juris; Kniesel in: Dietel / Gintzel / Kniesel, Versammlungsgesetze, 17. Auflage §12a, Rdnr. 5ff m.w.N.

So ist es auch hier. Darauf, dass die Bilder für die weitere Veröffentlichung in den sozialen Medien durch den Beklagten nachbearbeitet wurden und so ihre Größe und damit auch der (technische) Informationsgehalt der Bilder reduziert wurde, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.

Unwidersprochen wurden die vom Beklagten vorliegend eingesetzten Kameras als „Spiegelreflexkameras“ beschrieben. Unabhängig davon, ob diese Bezeichnung technisch zutreffend ist, wird daraus deutlich, dass es sich um Systemkameras entweder mit Wechsel- oder Zoomobjektiven mit üblicherweise großem Brennweitenbereich gehandelt hat. Bei dem Standard der Bildqualität und -auflösung den – selbst in Tablet-PCs oder Mobiltelefone verbaute – Digitalkameras heute allgemein haben, bestehen die vom Bundesverfassungsgericht beschriebenen Vergrößerungsmöglichkeiten aus den unveränderten Bilddateien nahezu völlig unabhängig vom verwendeten Kameratyp. Bereits einige der im Facebookprofil des Beklagten veröffentlichten Bilder, welche in der mündlichen Verhandlung in Augenschein genommenen wurden, ließen trotz der durch die reduzierte Bildgröße bedingten technischen Grenzen der Vergrößerung einzelne Teilnehmer so deutlich erkennen, dass sie zu identifizieren gewesen wären. Ein Versammlungsteilnehmer muss daher mit der Möglichkeit rechnen, auf den von der Polizei gefertigten Lichtbildern auch dann, wenn lediglich die gesamte Gruppe der Versammlungsteilnehmer fotografiert wird, eindeutig identifiziert werden zu können.

Es ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass bereits die Erstellung von Übersichtsaufzeichnungen durch Polizeibeamte zu gewichtigen Nachteilen führt. Sie begründet für Teilnehmer an einer Versammlung das Bewusstsein, dass ihre Teilnahme und die Form ihrer Beiträge unabhängig von einem zu verantwortenden Anlass festgehalten werden können und die so gewonnenen Daten über die konkrete Versammlung hinaus verfügbar bleiben. Dabei handelt es sich überdies um sensible Daten. In Frage stehen Aufzeichnungen, die die gesamte – möglicherweise emotionsbehaftete – Interaktion der Teilnehmer optisch fixieren und geeignet sind, Aufschluss über politische Auffassungen sowie weltanschauliche Haltungen zu geben. Das Bewusstsein, dass die Teilnahme an einer Versammlung in dieser Weise „staatlich“ festgehalten wird, kann Einschüchterungswirkungen haben, die zugleich auf die Grundlagen der demokratischen Auseinandersetzung zurückwirken. Denn wer damit rechnet, dass die Teilnahme an einer Versammlung behördlich registriert wird und dass ihm dadurch persönliche Risiken entstehen können, wird möglicherweise auf die Ausübung seines Grundrechts verzichten. Derartige Einschüchterungseffekte können bereits durch die bloße Präsenz einer aufnahmebereiten und auf die Teilnehmer der Demonstration gerichteten (Polizei-)Kamera entstehen, auch wenn das Geschehen nicht durch Speicherung festgehalten sondern nur an eine andere, nicht übersehbare Stelle übertragen wird. Die Anfertigung bildlicher Aufzeichnungen einer Versammlung durch staatliche Organe beeinträchtigt nicht nur die individuellen Entfaltungschancen des Einzelnen, sondern auch das Gemeinwohl, weil die kollektive öffentliche Meinungskundgabe eine elementare Funktionsbedingung eines auf Handlungs- und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger gegründeten demokratischen und freiheitlichen Gemeinwesens ist.

Vgl. BVerfG, Einstweilige Anordnung vom 17. Februar 2009 – 1 BvR 2492/08 – m.w.N., BVerfGE 122, 342, zitiert nach juris; OVG NRW, Beschluss vom 23. November 2010 – 5 A 2288/09 -, www.nrwe.de und juris; Kniesel in: Dietel / Gintzel / Kniesel, Versammlungsgesetze, 17. Auflage §12a, Rdnr. 9 m.w.N.

Unter diesen Gesichtspunkten war der hier den Streitgegenstand bildende konkrete Einsatz der Beamten der Presse- und Öffentlichkeitsabteilung geeignet, bei den Versammlungsteilnehmern das Gefühl des Überwachtwerdens mit den damit verbundenen Unsicherheiten und Einschüchterungseffekten zu erzeugen. Dies folgt zum einen daraus, dass die Beamten nicht nur von den Versammlungsteilnehmern wahrgenommen werden konnten, sondern – wie der unwidersprochene Vortrag des Klägers zu 1. zeigt – auch tatsächlich wahrgenommen wurden. Für den einzelnen Versammlungsteilnehmer war dabei nicht zu erkennen ob die Bilder – wie es überwiegend bei den veröffentlichten Aufnahmen der Fall war – die Versammlung lediglich unscharf im Hintergrund darstellten, oder durch „Heranzoomen“ bzw. eine entsprechende Wahl der Blende und der damit verbundenen Tiefenschärfe des Bildes, einzelne Teilnehmer individualisierbar fotografiert wurden. Des Weiteren war es für die Versammlungsteilnehmer nicht zu erkennen, zu welchem Zweck die Aufnahmen gefertigt wurden. Es handelte sich im Übrigen vorliegend auch nach der Intention des Beklagten gerade nicht um Übersichtsaufnahmen in Echtzeitübertragung, die der Einsatzleitung aufgrund einer unübersichtlichen Demonstrationslage dienten sowie nicht gespeichert wurden und damit nur flüchtiger Natur waren. Die Bilder wurden vielmehr gespeichert und in sozialen Medien allgemein zugänglich veröffentlicht.

Hinzu kommt, dass es sich bei der in Rede stehenden Versammlung nicht um eine Großveranstaltung handelte, sondern um eine Versammlung mit maximal 150 Teilnehmern und einem örtlich begrenzten Aufzug sowie einer Kundgebung auf einem übersichtlichen Platz.

So unterschied sich die Einsatzlage signifikant sowohl von – in der Rechtsprechung als zulässig angesehenen – bloßen Übersichtsaufnahmen ohne eine Speicherung der Bilder, die erkennbar der Lenkung eines Polizeieinsatzes namentlich bei Großdemonstrationen dienen und hierfür erforderlich sind, als auch von einer reinen Beobachtung durch begleitende Beamte oder sonstige Dritte. Auch bei diesen Übersichtsaufnahmen ist in der Literatur und Rechtsprechung nicht eindeutig geklärt, ob sie bereits keinen Eingriff in das Grundrecht der Versammlungsfreiheit darstellen, oder ob die Eingriffsintensität so gering ist, dass es keiner speziellen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage bedarf.

Zum Diskussionsstand vgl. Kniesel in: Dietel / Gintzel / Kniesel, Versammlungsgesetze, 17. Auflage §12a, Rdnr. 5ff m.w.N.

Der hier in Rede stehende Kameraeinsatz überschritt unabhängig von einer Veröffentlichung der Bilder bereits die Grenze zum Grundrechtseingriff, weil das die Versammlung begleitende Fotografieren durch Polizeibeamte auch bei einem unbefangenen Teilnehmer der Versammlung befürchten lassen musste, dass die Aufnahmen eine Individualisierung von Versammlungsteilnehmern ermöglichte und darüber hinaus, für jeden Versammlungsteilnehmer ersichtlich, nicht dazu diente, der Einsatzleitung eine Übersicht über das Versammlungsgeschehen zu verschaffen. Hiervon waren zahlreiche Personen betroffen, die in keiner Beziehung zu einem konkreten Fehlverhalten standen.

Vgl. zu diesen Kriterien für einen Eingriff BVerfG, Urteil vom 11. März 2008 – 1 BvR 2074/05, 1254/07 -, BVerfGE 120, 378, 397 ff., 402 f. sowie Beschluss vom 23. Februar 2007 – 1 BvR 2368/06 -, DVBl. 2007, 497, 501; siehe ferner BVerfG, Beschluss vom 12. August 2010 – 2 BvR 1447/10 -, juris, Rn. 16 f.; OVG NRW, Urteil vom 8. Mai 2009 – 16 A 3375/07 -, OVGE 52, 122 = juris, Rn. 39 f.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 21. Juli 2003 – 1 S 377/02 -, NVwZ 2004, 498, 500.

Mit Blick auf den wie oben dargestellt grundrechtlich geschützten staatsfreien Charakter von Versammlungen wäre der Kameraeinsatz auch für Zwecke der Öffentlichkeitsarbeit allenfalls auf der Grundlage einer auf das notwendige Maß beschränkten gesetzlichen Ermächtigung zulässig gewesen.

Vgl. OVG NRW Beschluss vom 23. November 2010 – 5 A 2288/09 – mit umfangreichen weiteren Nachweisen, www.nrwe.de und juris.

Ob es einer gesetzlichen Ermächtigung ferner deshalb bedurft hätte, weil die Ablichtung der Versammlung und die Veröffentlichung der Bilder in sozialen Medien zugleich in das Recht der Teilnehmer auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 GG. i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG eingriff, wofür einiges spricht, kann vorliegend dahinstehen.

Vgl. Kniesel in: Dietel / Gintzel / Kniesel, Versammlungsgesetze, 17. Auflage §12a, Rdnr. 3 m.w.N.

Dem Erfordernis einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage steht auch nicht entgegen, dass regelmäßig Vertreter der Presse oder auch die Versammlungsteilnehmer selbst Bilder von der Versammlung machen und – etwa durch das Einstellen in soziale Medien – veröffentlichen. Denn anders als bei der der hier in Rede stehenden Öffentlichkeitsarbeit des Beklagten handelt es sich dabei nicht um staatliche Eingriffe in den grundrechtlich geschützten Rechtskreis der Bürger, sondern, jedenfalls bei der Tätigkeit von Pressevertretern, um eine ebenfalls grundrechtlich geschützte Tätigkeit. Diese ist zwar gegebenenfalls ebenfalls zivil- oder strafrechtlichen Grenzen unterworfen, unterliegt jedoch nicht den Einschränkungen, die Art. 8 GG dem Beklagten, der selbst nicht Grundrechtsträger ist, zum Schutz der bürgerlichen Freiheiten auferlegt.

Hier fehlt es jedoch an einer das streitgegenständliche Handeln des Beklagten legitimierenden Ermächtigungsgrundlage.

Vorliegend ist – entgegen der in der Klageerwiderung geäußerten Auffassung des Beklagten – das Versammlungsgesetz (VersG) einschlägig, da es sich bei der Veranstaltung des Klägers zu 1. um eine Versammlung im Sinne des Art. 8 GG gehandelt hat. Die Bilder wurden auch gerade gezielt im Zusammenhang mit und während dieser Versammlung aufgenommen. Damit ist aufgrund der Spezialität des Versammlungsgesetzes und aufgrund des Grundsatzes der „Polizeifestigkeit“ des Versammlungsrechts der Rückgriff auf allgemeinere Rechtsgrundlagen für die Tätigkeitsentfaltung des Beklagten während, bzw. anlässlich der Versammlung jedenfalls dann von vornherein ausgeschlossen, wenn es eine abschließende und damit speziellere Ermächtigungsgrundlage im Versammlungsgesetz gibt.

Das Versammlungsgesetz regelt die Zulässigkeit von Bild- oder Tonaufnahmen allein in den §§ 12a und 19a VersG. Aus dem Wortlaut des § 12a Abs. 1 Satz 1 VersG („Die Polizei darf Bild- und Tonaufnahmen […] nur anfertigen, wenn […]“), auf den § 19a VersG für Versammlungen unter freiem Himmel lediglich verweist, ergibt sich einerseits der abschließende Charakter dieser Bestimmung und andererseits folgt im Umkehrschluss aus der Beschränkung „nur“, dass die Anfertigung solcher Aufnahmen durch die Polizei in allen anderen Fällen unzulässig ist.

Die Voraussetzungen dieser Bestimmung liegen ersichtlich schon deshalb nicht vor, weil der Beklagte selbst vorgetragen hat, gerade nicht zum Zweck der Abwehr erheblicher Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung tätig geworden zu sein. Die Bilder sollten allein einer zeitgemäßen Öffentlichkeitsarbeit dienen. Unstreitig gab es daneben auch keinerlei Anhaltspunkte für eine von der Versammlung ausgehende erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung, welche die Aufnahme von Lichtbildern im Sinne der §§ 12a und 19a VersG gestattet oder gar erforderlich gemacht hätte.

Unabhängig davon, dass er sich aufgrund des bereits angesprochenen Grundsatzes der „Polizeifestigkeit der Versammlung“ und der abschließenden Regelung der Zulässigkeit von Bildaufnahmen in §§ 12a, 19a VersG vorliegend nicht auf Ermächtigungsgrundlagen außerhalb des Versammlungsgesetzes stützen kann, tragen die vom Beklagten herangezogenen Rechtsgrundlagen das streitgegenständliche Fotografieren während der Versammlung vorliegend auch inhaltlich nicht.

Der Beklagte kann sich vorliegend als Grundlage für die Anfertigung und Verbreitung der Bilder nicht auf § 23 Abs. 1 Nr. 3 des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie (KunstUrhG) berufen.

Diese Bestimmung regelt nach ihrem Wortlaut nur die Verbreitung und Zurschaustellung von Bildern von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben, ohne dass es dafür der Einwilligung der abgebildeten Personen bedürfte. Sie ist bei weiter Auslegung allerdings auch so zu verstehen, dass bereits das Aufnehmen der später öffentlich zur Schau gestellten Bilder solcher Versammlungen ebenfalls erfasst wird.

Grundsätzlich wäre die Anwendbarkeit dieser Bestimmung vorliegend nicht zu Lasten des Beklagten durch § 24 KunstUrhG ausgeschlossen, denn hierbei handelt es sich systematisch um eine durch bestimmte Zwecke des öffentlichen Interesses gerechtfertigte Erweiterung der Befugnis, Bilder ohne Zustimmung der dargestellten Person zu veröffentlichen, nicht um eine Einschränkung des § 23 KunstUrhG.

Die Regelung des § 23 KunstUrhG ist jedoch nicht isoliert zu sehen, sondern sie steht im Kontext des geltenden (Verfassungs-)Rechts und ist deshalb verfassungskonform auszulegen. Dies ist in der obergerichtlichen und insbesondere in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts mehrfach in verschiedenem Kontext festgestellt worden.

Vgl. z.B. BVerfG, Kammerbeschluss vom 9. Februar 2017 – 1 BvR 967/15 -, Beschluss vom 26. Februar 2008 – 1 BvR 1602/07 -, Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 11. Dezember 2014 – 8 AZR 1010/13 -, BAGE 150, 195-206, sämtlich juris.

Wie der Wortlaut der Norm klar zum Ausdruck bringt, ist die Verbreitung von Bildern, welche Teilnehmer einer Versammlung darstellen, grundsätzlich ohne deren sonst nach § 22 KunstUrhG erforderliche Einwilligung möglich. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Veröffentlichung von Bildern in der Öffentlichkeit stehender prominenter Persönlichkeiten in der Presse stellt maßgeblich auf die in diesem Zusammenhang relevante Pressefreiheit ab, wägt diese jedoch auch im Rahmen der Anwendung des § 23 KunstUrhG mit dem grundrechtlich geschützten Persönlichkeitsrecht der abgebildeten Personen ab. Gleiches muss für die durch Art. 8 GG geschützte Versammlungsfreiheit gelten, die zu einer Einschränkung der generellen Berechtigung solche Bilder anzufertigen und zu veröffentlichen jedenfalls dann führt, wenn die Bilder von der Versammlung – unabhängig davon zu welchem Zweck sie verwendet werden sollen – durch staatliche Stellen aufgenommen werden. Dies folgt aus dem aus der oben dargestellten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und den besonderen Ermächtigungsgrundlagen in §§ 12a und 19a VersG abzuleitenden Grundsatz, dass Inhalt des Schutzbereichs der Versammlungsfreiheit auch eine Begrenzung der staatlichen Beobachtung und Dokumentation einer Versammlung ist. Als Folge dessen ist diese – sobald sie die Eingriffsschwelle in den Schutzbereich des Grundrechts überschreitet – nur unter den im Versammlungsgesetz geregelten engen Voraussetzungen zulässig. Dieser Schutzbereich des Grundrechts kann nicht dadurch umgangen werden, dass die Anfertigung der Aufnahmen durch die Polizei mit dem Argument einer zeitgerechten Öffentlichkeitsarbeit begründet wird. Denn die Auswirkungen auf die Versammlungsfreiheit der Versammlungsteilnehmer ergeben sich – wie dargelegt – nicht aus der Zweckrichtung der polizeilichen Bildaufnahmen, sondern aus der Tatsache der Bilderanfertigung selbst.

Eine Ermächtigungsgrundlage für das Anfertigen und Veröffentlichen der Bilder ergibt sich auch nicht aus § 4 des Pressegesetzes für das Land NRW (LPrG). Nach dieser Bestimmung sind die Behörden verpflichtet, den Vertretern der Presse die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe dienenden Auskünfte zu erteilen, sofern nicht eine der Ausnahmen des Absatzes 2 einschlägig ist.

Diese Norm gibt lediglich den Vertretern der Presse einen Auskunftsanspruch gegenüber der Behörde. Eine uneingeschränkte Ermächtigung der Behörde zu Grundrechtseingriffen gegenüber Bürgern folgt daraus bereits nach dem Wortlaut nicht. Im Gegenteil ergibt sich aus § 4 Abs. 2 Nr. 3 LPrG, dass die Behörde bei der Abgabe einer Presseerklärung eine Güterabwägung zwischen dem Informationsinteresse der Presse bzw. der Öffentlichkeit und den Rechtspositionen des Betroffenen (in der Regel dem Persönlichkeitsrecht) vorzunehmen hat, in deren Rahmen sie zu beurteilen hat, ob das verfolgte öffentliche Interesse an der Abgabe dieser Presseerklärung den Vorrang verdient.

Vgl. z.B. OVG NRW, Beschluss vom 17. Oktober 2017- 4 B 786/17 -, juris.

In eine solche Güterabwägung sind vorliegend auch die aus Art. 8 GG folgenden und oben dargestellten Beschränkungen einzustellen, so dass auch die Auskunftspflicht nach § 4 LPrG keine hinreichende Ermächtigungsgrundlage für das Fotografieren einer Versammlung durch Polizeibeamte darstellt.

Gleiches gilt für die vom Beklagten herangezogene Bestimmung des § 3 Landesdatenschutzgesetz NRW in der seit dem 25. Mai 2018 gültigen Fassung. Zum Zeitpunkt der hier in Rede stehenden Versammlung galt allerdings § 4 DSG NRW a.F. Unabhängig davon, dass diese Regelung in der zum maßgeblichen Zeitpunkt der Versammlung geltenden Fassung die Verarbeitung von Daten unter den Vorbehalt der Einwilligung des Betroffenen stellte und im Übrigen eher eine Aufgabenzuweisung als eine Ermächtigungsgrundlage darstellen dürfte, steht der Datenerhebung und -verarbeitung in der Gestalt der Anfertigung von Bildaufnahmen aus den oben genannten Gründen auch hier der Schutzbereich des Art 8 GG entgegen.

Schließlich bieten auch die vom Beklagten herangezogenen ministeriellen Erlasse keine hinreichende Ermächtigungsgrundlage. Bei den vom Beklagten angeführten ministeriellen Runderlassen des Ministeriums für Inneres und Kommunales NRW vom 15. November 2011 – 401 – 58.02.05 „Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Polizei Nordrhein-Westfalen“ und vom 30. September 2016 – 4/LRed 11.04.06 „Nutzung sozialer Netzwerke im Internet durch die Polizeibehörden des Landes NRW“ handelt es sich um Verwaltungsvorschriften und damit allein den Beklagten bindende Anweisungen, nicht aber um formelle, dem Vorbehalt des Gesetzes für Eingriffe in die Rechtssphäre des Bürgers genügende Rechtsnormen.

Die aus der Unzulässigkeit des Fotografierens von Versammlungen folgende Einschränkung der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit einer Behörde stellt sich auch nicht als unverhältnismäßig dar, denn der Beklagte ist nicht daran gehindert soziale Medien zu diesem Zweck einzusetzen. Der Kammer ist dabei bewusst, dass eine solche Öffentlichkeitsarbeit in der heutigen Zeit nicht auf Textbeiträge beschränkt bleiben kann, wenn sie ihren Zweck erfüllen soll. Hier bietet es sich jedoch – wie auch bei anderen Verlautbarungen des Beklagten zum Schutz der Persönlichkeitsrechte der Betroffenen bereits praktiziert – an, von der konkreten Versammlung unabhängige Symbolbilder von Einsatzmitteln, -kräften oder -fahrzeugen zu verwenden.

Derartige Einschränkungen behördlicher Öffentlichkeitsarbeit ergeben sich im Übrigen auch in anderen Tätigkeitsfeldern. So sind beispielsweise Bild- und Tonaufnahmen von öffentlichen Gerichtsverhandlungen gemäß § 169 Abs. 1 Satz 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) – nicht nur durch öffentliche Stellen, sondern sogar durch die im Rahmen ihrer journalistischen Tätigkeit durch Art. 5 GG privilegierten Vertreter der Presse – auch dann unzulässig, wenn deren Anfertigung und Verbreitung nach den Bestimmungen der §§ 22 ff KunstUrhG zulässig oder für die Erfüllung der Auskunftspflicht aus § 4 LPrG sinnvoll wäre.

Da sich bereits das Fotografieren der Versammlung als rechtswidrig darstellt, war auch die Veröffentlichung der Bilder rechtswidrig, ohne dass es vorliegend darauf ankommt, ob die Veröffentlichung gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen verstieß.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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