Bloßes Herstellen eines Fotos begründet keinen Unterlassungsanspruch

20. Dezember 2018
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Frau mit Kamera am fotografieren Urteil des OLG Dresden vom 10.07.2018, Az.: 4 U 381/18

Die bloße Herstellung von Fotografien einer Person kann nicht unter Berufung auf das Kunsturhebergesetz (KUG) abgewehrt werden. Aufgrund der dort geregelten Strafbewehrung scheidet auch eine analoge Anwendung der Vorschriften des KUG auf den Fall, der im Vorfeld einer Verbreitung erfolgten Herstellung einer Aufnahme, aus. Allerdings kann sich ein Unterlassungsanspruch aus einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ergeben. Dazu muss der Verletzte allerdings beweisen, dass es tatsächlich zu einer Herstellung eines Fotos gekommen ist. Für einen Unterlassungsanspruch reicht es aber nicht aus, dass bei dem Verletzten der Anschein erweckt wurde, dass eine Aufnahme hergestellt wurde.

Oberlandesgericht Dresden

Urteil vom 10.07.2018

Az.: 4 U 381/18

 

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden

durch Richterin am Oberlandesgericht (…) als Einzelrichterin

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10.07.2018

für Recht erkannt:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Görlitz, Außenkammern Bautzen, vom 10.02.2018, Az 5 O 330/16, teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Die Klage und die Widerklage werden abgewiesen.

II. Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen der Kläger 92 % und die Beklagte 8 %.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 6.492,54 EUR festgesetzt.

Gründe

(abgekürzt gemäß §§ 540 Abs. 1, 313a Abs. 1 ZPO)

I.

Die Berufung ist zulässig und hat in der Sache auch überwiegend Erfolg.

1. Der von dem Kläger gegen die Beklagte geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung der Anfertigung, Verwendung und Verbreitung von Lichtbildern oder Filmaufnahmen seiner Person und/oder seines Grundstücks ist nicht begründet.

a) Der Unterlassungsanspruch kann nicht auf die Regelungen der §§ 22 ff KUG gestützt werden, da diese Vorschriften lediglich die Verbreitung und öffentliche Zurschaustellung eines Bildnisses, nicht aber die vom Kläger behauptete Herstellung von Fotografien oder Filmaufnahmen seiner Person betreffen. Eine analoge Anwendung der Vorschriften der §§ 22 ff KUG auf den Fall der im Vorfeld einer Verbreitung erfolgten Herstellung von Aufnahmen scheidet schon wegen der in § 33 KUG geregelten Strafbewehrung aus (so auch Golla/Herboth, Zivilrechtlicher Bildnisschutz im Vorfeld von Weitergabe und Veröffentlichung, GRUR 2015, 648, 649 m.w.N.).

b) Unterlassungsansprüche folgen auch nicht aus dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Abgesehen, dass nach § 6 BDSG nur Löschung der erhobenen Daten begehrt werden kann, scheitern sie bereits daran, dass es sich nach dem Vortrag des Klägers um Aufnahmen handelt, die zu persönlichen bzw. privaten Zwecken gefertigt wurden und nicht für Dritte vorgesehen sind, so dass der Anwendungsbereich des BDSG gem. § 1 Abs. 2 Nr. 3 BDSG nicht eröffnet ist.

c) Der Kläger kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, ein Unterlassungsanspruch ergäbe sich aus einer Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts in seiner Ausprägung als Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung entsprechend §§ 823 Abs. 1 BGB, § 1004 BGB analog. Zwar fällt in den Schutzbereich dieser Norm auch bereits die Anfertigung eines Bildnisses. Der Kläger hat aber den ihm danach obliegenden Beweis nicht führen können, dass die Beklagte anlässlich der Begegnung der Parteien an der Grundstücksgrenze am 14.06.2016 gegen 19:00 Uhr mittels ihres Mobiltelefons von ihm tatsächlich Foto- und oder Filmaufnahmen gefertigt hat. Der vom Landgericht hierzu vernommene Zeuge J. hat lediglich geschildert, dass die Beklagte in einem kurzen Abstand vor dem Kläger stehend ein Handy in „Fotografierstellung“ gehalten hat. Er konnte jedoch nicht bestätigen, dass die Beklagte dabei Fotos des Klägers angefertigt oder ihn gefilmt hat. Es bestehen auch keine sonstigen Anhaltspunkte für die Behauptung des Klägers, die Beklagte habe ihn bei dieser Gelegenheit fotografiert oder gefilmt, denn unstreitig hat die Beklagte Aufnahmen des Klägers weder im Bekanntenkreis oder privaten Umfeld der Parteien verbreitet noch in anderer Weise veröffentlicht. Aus diesem Grund ist auch dem Vortrag der Beklagten nicht weiter nachzugehen, sie habe zum fraglichen Zeitpunkt keine Fotografien anfertigen können, da sie keinen Zugriff auf ein Mobiltelefon mit Fotofunktion gehabt habe.

d) Ein den geltend gemachten Unterlassungsanspruch begründenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht folgt entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht aus dem vom Zeugen J. geschilderten Verhalten der Beklagten, die zumindest den Eindruck erweckt haben soll, den Kläger aus einem geringen Abstand fotografiert zu haben. Ein vorbeugender, hier mangels Nachweises einer früheren Verletzungshandlung nur auf eine Erstbegehungsgefahr gestützter Unterlassungsanspruch setzt voraus, dass ernsthafte und greifbare tatsächlich Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, der Anspruchsgegner werde sich in naher Zukunft rechtswidrig verhalten, etwa im Hinblick auf einen eskalierenden Nachbarschaftsstreit oder aufgrund objektiv Verdacht erregender Umstände (vgl. BGH, Urt. v. 16.03.2010, VI ZR 176/09, Rn. 14, – juris; OLG Köln, Urt. v. 30.10.2008, 21 U 22/08, Rn. 3, – juris; LG Berlin, Urt. v. 18.10.2016, 35 O 200/14, Rn. 32 – juris jeweils m.w.N.). Es ist im Streitfall aber nicht ersichtlich, dass eine solche konkrete Verletzungshandlung ernsthaft drohte. Die vom Kläger vorgetragenen Auseinandersetzungen reichen nicht aus, um einen massiv und über eine lange Zeit geführten Nachbarschaftsstreit zu belegen. Mit Ausnahme des vorliegenden Verfahrens gab es bis zum Vorfall vom 14.06.2016 zwischen den Parteien lediglich ein Klageverfahren um die Zulässigkeit einer Grenzbepflanzung. Nach Beendigung dieses Verfahrens stellte der Kläger Strafanzeige wegen des Vorwurfs, der Ehemann der Beklagten habe die streitige Grenzbepflanzung mittels eines Unkrautvernichtungsmittels geschädigt. Dieses Verfahren wurde gem. § 170 StPO eingestellt. Die Parteien haben auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 10.07.2018 bestätigt, dass es außer diesen Verfahren keine weiteren Rechtsstreitigkeiten, Anfeindungen, verbalen Auseinandersetzungen oder weitere Eskalationen zwischen ihnen gegeben habe. Auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass es einen weiteren Streit ebenfalls um eine Grenzbepflanzung zwischen der Beklagten und deren Ehemann und dem Vater des Klägers, dem Zeugen J. gibt, der Eigentümer eines weiteren Nachbargrundstücks ist, gehen die geschilderten Streitigkeiten somit in keinem Fall über das hinaus, was als übliche Zwistigkeiten unter Grundstücksnachbarn anzusehen ist. Auch durch den Vorfall vom 14.06.2016 selbst lässt sich die drohende Gefahr weiterer Rechtsverletzungen nicht begründen. Zum einen hat der Kläger in der fraglichen Situation bzw. unmittelbar danach der Beklagten weder mitgeteilt noch sonst wie zu erkennen gegeben, dass er das Verhalten der Beklagten missbilligen und sich dadurch belästigt fühlen würde. Zum anderen hat die Beklagte auf die mittels anwaltlichen Schreibens vom 16.06.2016 gestellte Forderung des Klägers, Foto- und Filmaufnahmen von ihm zu unterlassen, sofort reagiert und mit Schreiben vom 24.06.2016 mitteilen lassen, sie könne bereits den geschilderten Sachverhalt nicht bestätigen, habe aber kein Interesse an Bildern oder Filmaufnahmen des Klägers und bestätige, auch künftig keine solche fertigen zu wollen. Auch aus diesem Grund besteht kein Anlass für die Befürchtung des Klägers, seitens der Beklagten würden dennoch weitere konkrete Verletzungshandlungen unmittelbar bevorstehen.

e) Auch soweit der Kläger einen Unterlassungsanspruch damit begründen will, die Beklagte habe den Kläger durch den Anschein, ihn zu fotografieren zumindest schikanieren wollen, liegen die Voraussetzungen gem. § 823 Abs. 2, § 1004, i.V.m. § 238 StGB nicht vor. Ein Verhalten, mit dem vorgegeben wird, den Betroffenen zu fotografieren, kann zwar unter Umständen eine Störung bzw. Belästigung darstellen. Da es sich anders als beim Nachstellen gem. § 238 StGB bzw. Stalking hier aber um einen einmaligen Vorgang von sehr kurzer Dauer gehandelt hat, der für sich genommen keine schwerwiegende Beeinträchtigung darstellt, ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen noch nicht verletzt (zur Abgrenzung: OLG Köln, Urteil vom 20. Juli 2010 – 3 U 94/09 –, juris). Schon gar nicht liegt in dem Verhalten der Beklagten ein schwerwiegender Verstoß gegen das nachbarschaftsrechtliche Rücksichtnahmegebot.

2. Die Beklagte hat jedoch keinen Anspruch auf die mit der Widerklage geltend gemachten Kosten der vorgerichtlichen Rechtsverteidigung, so dass die Berufung insoweit ohne Erfolg bleibt. Auch wenn der materiell-rechtliche Kostenerstattungsanspruch durch die Regelungen der §§ 91 ff. ZPO nicht von vornherein ausgeschlossen wird, müssen die Voraussetzungen einer materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlage erfüllt sein (BGHZ 45, 251, 256 f.; 52, 393, 396; eingehend Hösl, Kostenerstattung bei außerprozessualer Verteidigung gegen unberechtigte Rechtsverfolgung, 2004, S. 13 ff.). Wird jemand unberechtigt als angeblicher Schuldner mit einer Forderung konfrontiert und entstehen ihm bei der Abwehr dieser Forderung Kosten, dann kommen als Anspruchsgrundlage für einen Ersatzanspruch regelmäßig vertragliche Pflichtverletzungen gemäß §§ 280, 311 BGB oder deliktischen Vorschriften gem. §§ 823, 826 BGB in Betracht (Bork in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., vor § 91 Rdnr. 18; Zöller/Herget, ZPO, 31. Aufl., vor § 91 Rdnr. 11), möglicherweise auch Geschäftsführung ohne Auftrag gem. §§ 677 ff. BGB. Die Voraussetzungen dieser Anspruchsgrundlagen liegen hier jedoch nicht vor. Zwischen den Parteien besteht weder eine vertragliche Beziehung noch sonst eine Sonderverbindung. Allein durch die Geltendmachung eines Anspruchs, der tatsächlich nicht besteht oder nicht weiter verfolgt wird, entsteht eine solche Sonderverbindung nicht (BGH, VersR 1996, 1113, 1114; NJW 1988, 2032). Der Kläger verletzt mit der Forderung nach Unterlassung auch nicht § 823 Abs. 1 BGB, weil er in keines der dort genannten Rechtsgüter eingegriffen und die Beklagte allenfalls einen reinen Vermögensschaden erlitten hat (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 11. April 2016 – 1 U 13/15 -, juris und Hösl, a. a. O., S. 114 ff., S. 164). Mit unberechtigten Ansprüchen konfrontiert zu werden, gehört zum allgemeinen Lebensrisiko.

II.

Die Kostenentscheidung hat ihre Grundlage in § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Streitwertfestsetzung hat ihre Grundlage in § 3 ZPO, § 48 Abs. 2 GKG. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

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