Das Recht am eigenen Bild ist kein Urheberrecht nach §§ 104,150 UrhG

11. November 2019
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Model vor Kamera Beschluss des OLG Braunschweig vom 21.08.2019, Az.: 1 W 57/19

Streitigkeiten über Ansprüche aus dem Recht am eigenen Bild sind keine Urheberrechtsstreitigkeiten im Sinne des §§ 104, 105 UrhG. Ob eine Sonderzuständigkeit des Gerichts nach § 105 UrhG vorliegt, ist eine Frage der funktionellen Zuständigkeit. Diesbezüglich entfaltet der Verweisungsbeschluss keine Bindungswirkung.

Oberlandesgericht Braunschweig

Urteil vom 21.08.2019

Az.: 1 W 57/19 

 

Tenor

Zuständig ist das Amtsgericht Northeim.

Gründe

I.

Die Klägerin ist Fotomodell und macht Ansprüche aus dem Recht am eigenen Bild geltend, weil die Beklagte auf der Homepage ihres Friseursalons ein Bild der Klägerin verwendet hat. Die Klägerin hat zuvor vor dem Landgericht Göttingen das Versäumnisurteil vom 9. November 2018 (– 9 O 6/18 –, Anlage K 3, Bl. 24 f. d.A.) erwirkt, in dem die Beklagte zur Unterlassung und Auskunft über die Dauer der Nutzung verurteilt worden ist; ferner wurde in dem Versäumnisurteil festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr aus der Nutzung des Bildes entstanden ist und künftig noch entsteht.

Das in der hiesigen Sache zunächst angerufene Amtsgericht Northeim hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 20. Juni 2019 (– 3 C 62/19 –, Bl. 99 f. d.A.) an das Amtsgericht Braunschweig verwiesen, weil es sich um eine Urheberrechtssache im Sinne des § 105 UrhG handele und damit die Zuständigkeit des Amtsgerichts Braunschweig gemäß § 6 Abs. 2 der niedersächsischen Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten in der Gerichtsbarkeit und der Justizverwaltung (ZustVO-Justiz) bestehe. Es handele sich um ein Lichtbild im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG.

Das Amtsgericht Braunschweig hat sich mit Beschluss vom 2. Juli 2019 (Bl. 102 f. d.A.) für örtlich unzuständig erklärt und die Sache gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO dem Oberlandesgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt. Der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Northeim sei nicht bindend im Sinne des § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO; das Amtsgericht Northeim habe sich hartnäckig den von der Klägerin sorgfältig und überzeugend dargelegten Gründen für seine örtliche Zuständigkeit verschlossen; die Begründung seiner Entscheidung wirke konstruiert; es handele sich eindeutig um einen Streit nach § 22 KunstUrhG; die vom Amtsgericht Northeim angeführte Entscheidung des Bundesgerichtshofs betreffe gerade die Rechte eines Fotografen und nicht – wie hier – die Rechte der abgebildeten Person.

II.

Das Amtsgericht Northeim ist gemäß §§ 12 ff. ZPO das zuständige Gericht. Eine Sonderzuständigkeit des Amtsgerichts Braunschweig besteht nicht.

1. Die Voraussetzungen für eine Gerichtsstandsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor. Das Amtsgericht Northeim hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 20. Juni 2019 an das Amtsgericht Braunschweig verwiesen. Dieses hat die Sache mit Beschluss vom 2. Juli 2019 dem Oberlandesgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.

2. Die Ansprüche, die die Klägerin geltend macht, sind keine solchen aus einer Urheberrechtsverletzung, sondern solche aus dem Recht am eigenen Bild; deshalb besteht keine Sonderzuständigkeit des Amtsgerichts Braunschweig gemäß § 105 UrhG i.V.m. § 6 Abs. 2 ZustVO-Justiz.

a) Die Klägerin hat ihre Klage ausdrücklich nicht auf Urheberrechte gestützt; sie hat vielfach deutlich gemacht, dass sie nicht Urheberin der von der Beklagten genutzten Fotografie ist. Aus der Klageschrift und den weiteren Schriftsätzen geht eindeutig hervor, dass die Klägerin die abgebildete Person ist und Schadensersatz aus Verletzung des Rechts am eigenen Bild geltend macht. Auf den Hinweis mit Beschluss des Amtsgerichts Northeim vom 7. Mai 2019 (Bl. 87 d.A.), dass es sich offenbar um eine Urheberrechtssache handele, führte die Klägerin mit Schriftsatz vom 13. Mai 2019 unter anderem aus (Bl. 90 d.A., Hervorhebungen im Original):

Die Klägerin macht ausschließlich Ansprüche aus Ihrem Recht am eigenen Bild geltend. … Solche Streitigkeiten sind jedoch … keine Urheberrechtsstreitigkeiten im Sinne des § 105 UrhG (vgl. Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 18.03.2004, Az. 1Z AR 020/04, m.w.N.).

Auf den Hinweis mit Beschluss des Amtsgerichts Northeim vom 21. Mai 2019 (Bl. 92 d.A.), dass es fraglich sei, ob es sich hier um einen Anspruch aus dem Persönlichkeitsrecht handele, da es um ein Lichtbildwerk im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG gehe, führte die Klägerin mit Schriftsatz vom 3. Juni 2019 (Bl. 96 f. d.A.) unter anderem aus:

Die Klägerin ist weder Fotografin noch Lichtbildnerin des Bildes und macht dementsprechend keinerlei Ansprüche aus dem Urheberrecht geltend. … Die Klägerin beruft sich dabei allein auf ihr Recht am eigenen Bild gemäß § 22 Kunsturhebergesetz. Dabei handelt es sich ausschließlich um einen persönlichkeitsrechtlichen Anspruch, da das im Kunsturhebergesetz geregelte Recht am eigenen Bild lediglich eine spezialgesetzliche Ausformung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist (vgl. BGH, Urt. v. 28.09.2004, Az.: VI ZR 303/03).

b) Der Anspruch, den die Klägerin geltend macht, kann sich gegebenenfalls aus § 22 KunstUrhG ergeben; Streitigkeiten über Ansprüche aus §§ 22 ff. KunstUrhG sind aber keine Urheberrechtsstreitigkeiten im Sinne der §§ 104, 105 UrhG; für Ansprüche nach dem Kunsturhebergesetz besteht keine gesetzliche Konzentrationsregelung (BayObLG, Beschluss vom 18. März 2004 – 1Z AR 20/04 –, juris, Rn. 14 m.w.N.; so schon LG Mannheim, Beschluss vom 21. Dezember 1984 – 7 0 151/84 –, GRUR 1984, S. 291 m.w.N.; so auch Kröner, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar Gesamtes Medienrecht, 3. Auflage 2016, 4. Teil, 1. Kapitel, 32. Abschnitt, Rn. 4 m.w.N.; Schulze, in: Dreier/Schulze, 6. Auflage 2018, § 104 UrhG, Rn. 8; Kefferpütz, in: Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 5. Auflage 2019, § 104 UrhG, Rn. 2).

Soweit sich aus dem Beschluss des Oberlandesgerichts Brandenburg vom 7. November 2017 (– 1 AR 35/17 [SA Z] –, juris, in ZUM-RD 2018, S. 71 fälschlich als „LG Brandenburg“ bezeichnet) etwas anderes ergeben sollte, überzeugt dies nicht. Dort ging es um die „unberechtigte Nutzung eines Bildnisses der Antragstellerin“ in sozialen Netzwerken und einer der Ansprüche stützte sich auch auf § 22 Satz 1 KunstUrhG; ob das Oberlandesgericht Brandenburg § 105 UrhG als einschlägig ansah, weil die Antragstellerin auch Urheberin der sie zeigenden Fotografie war, oder ob es der Ansicht ist, Ansprüche aus § 22 KunstUrhG fielen grundsätzlich unter § 105 UrhG, lässt sich der Entscheidung nicht eindeutig entnehmen. Der letztgenannten Ansicht ist jedenfalls nicht zuzustimmen: Nach der Legaldefinition des § 104 Satz 1 UrhG gehören zu den Urheberstreitigkeiten alle Ansprüche, die sich aus einem im Urheberrechtsgesetz geregelten Rechtsverhältnis ergeben. Ziel der Vorschrift ist eine Konzentration der Urheberstreitsachen auf den ordentlichen Rechtsweg, um divergierende Entscheidungen unterschiedlicher Rechtszüge zu vermeiden. Zudem sollen Richter mit Urheberstreitsachen betraut werden, die häufig über urheberrechtliche Fragen zu entscheiden haben und auf diese Weise entsprechende Erfahrungen sammeln. Um diesen Zweck zu erreichen, ist der Begriff der Urheberrechtsstreitsache zwar weit auszulegen. Der Begriff der Urheberrechtsstreitsachen umfasst danach alle Ansprüche aus dem Urheberrecht und alle aus diesem Recht hergeleiteten Ansprüche. Dabei genügt es, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits auch von im Urheberrechtsgesetz geregelten Rechtsverhältnissen abhängt. Diese weite Auslegung der §§ 104, 105 UrhG darf aber nicht dazu führen, dass ein Urheberrechtsstreit bereits dann vorliegt, wenn die Normen des Urheberrechtsstreits auf die Entscheidung der Streitsache ausschließlich mittelbar einwirken. Ansonsten käme es zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ausdehnung der Zuständigkeit des für Urheberrechtssachen zuständigen Gerichts, die sich nicht in Übereinstimmung mit denjenigen Grundsätzen befände, die im Bereich anderer Spezialzuständigkeiten maßgebend sind (OLG Hamm, Beschluss vom 27. April 2012 – I-32 SA 29/12 –, juris, Rn. 5 f. m.w.N.).

Nach diesen Maßstäben handelt es sich nicht um eine Urheberrechtsstreitigkeit im Sinne der §§ 104, 105 UrhG, wenn – wie hier ausschließlich – Ansprüche aus §§ 22 ff. KunstUrhG geltend gemacht werden: Das über § 22 KunstUrhG geschützte Recht am eigenen Bild ist kein Urheberrecht, sondern stellt eine besondere Ausprägung des aus Art. 1 und Art. 2 GG entwickelten allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar (BVerfG, Urteil vom 5. Juni 1973 – 1 BvR 536/72 –, NJW 1973, S. 1226 [1229]; BGH, Urteil vom 14. April 1992 – VI ZR 285/91 –, NJW 1992, S. 2084 [Ziff. II.1 lit. a]; Herrmann, in: BeckOK InfoMedienR, 24. Edition, Stand 1. Mai 2019, § 22 KunstUrhG, Rn. 3; Dreyer, in: Dreyer/Kotthoff/Meckel/Hentsch, Urheberrecht, 4. Auflage 2018, Einf. KunstUrhG, Rn. 1). Trotz seiner historisch bedingten Verankerung in einem der Vorläufer des heutigen Urheberrechtsgesetzes – dem Kunsturhebergesetz – ist der persönlichkeitsrechtliche Bildnisschutz vom urheberrechtlichen Bildnisschutz (§ 60 UrhG) zu unterscheiden. Während die §§ 22 ff. KunstUrhG den Abgebildeten gegen die unerlaubte Verwertung durch jedermann – Dritte oder den Fotografen – schützen, regelt § 60 UrhG die Frage, ob der Abgebildete oder aber der Besteller ein Bild ohne Zustimmung des Urhebers – also des Fotografen – verwerten darf, welcher ebenfalls (durch das Urheberrechtsgesetz begründete) Rechte an dem Bild besitzen kann. Ansprüche aus den §§ 22 ff. KunstUrhG sind mangels urheberrechtlicher Qualität daher keine Urheberrechtsstreitigkeiten im Sinne von § 105 UrhG (Kröner, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar Gesamtes Medienrecht, 3. Auflage 2016, 4. Teil, 1. Kapitel, 32. Abschnitt, Rn. 4 m.w.N.).

Einer Divergenzvorlage an den Bundesgerichtshof nach § 36 Abs. 3 ZPO bedürfte es selbst dann nicht, wenn das Oberlandesgericht Brandenburg eine andere Ansicht verträte: Im Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Gerichts kommt eine Divergenzvorlage nur dann in Betracht, wenn das Oberlandesgericht im Sinne von § 36 Abs. 2 ZPO an Stelle des Bundesgerichtshofs entscheidet, nicht jedoch im Falle seiner originären Zuständigkeit als das im Rechtszug nächst höhere gemeinschaftliche Gericht gemäß § 36 Abs. 1 ZPO (Senat, Beschluss vom 21. Dezember 2011 – 1 W 47/11 –, NJW-RR 2012, S. 586 [587] m.w.N.), wie sie hier vorliegt.

3. Die Zuständigkeit des Amtsgerichts Braunschweig folgt auch nicht aus § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO. Bei der Frage, ob eine Sonderzuständigkeit gemäß § 105 UrhG vorliegt, handelt es sich um eine Frage der funktionellen Zuständigkeit (BGH, Beschluss vom 7. Juni 2018 – I ZB 48/17 –, NJW 2018, S. 3720 [Rn.12] m.w.N.); in einer solchen Konstellation entfaltet ein Verweisungsbeschluss keine Bindungswirkung (OLG Brandenburg, Beschluss vom 7. November 2017 – 1 AR 35/17 [SA Z] –, juris, Rn. 10; OLG Hamm, Beschluss vom 27. April 2012 – I-32 SA 29/12 –, juris, Rn. 21 m.w.N.; vgl. BayObLG, Beschluss vom 18. März 2004 – 1Z AR 20/04 –, juris, Rn. 11; Greger, in: Zöller, 32. Auflage 2018, § 281 ZPO, Rn. 4), so dass es auf die Frage der Willkür nicht ankommt.

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei und ein Zuständigkeitsbestimmungsverfahren gehört gemäß § 16 Nr. 3a RVG kostenrechtlich zum Hauptsacheverfahren (OLG Frankfurt, Beschluss vom 21. August 2014 – 11 SV 74/14 –, NJOZ 2015, S. 499 [Rn. 8]).

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