Dringlichkeit bei einer gebrauchten Software

14. November 2016
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Software mit zwei Kränen im Hintergrund Urteil des OLG Frankfurt a.M. vom 29.09.16, Az.: 6 U 110/16

Selbst, wenn lediglich die konkrete Verletzungsform verboten wird, darf sich das Gericht nur auf Umstände stützen, auf welche sich der Antragsteller berufen hat. Wenn sich das Gericht auf andere Umstände stützt, kann sich der Antragsteller dies im einstweiligen Verfügungsverfahren in der 2. Instanz nicht zu Eigen machen. Es fehlt an der Dringlichkeit. Eine „gebrauchte Software“ nach der „Used-Soft“ Rspr. des EugH und des BGH liegt nur dann vor, wenn die Nennung des Produktschlüssels der unkörperlichen Weitergabe eines bereits existierenden Vervielfältigungsstücks dient; das liegt nicht vor, wenn der Produktschlüssel zur erstmaligen Herstellung eines Vervielfältigungsstücks dient.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Urteil vom 29.09.2016

Az.: 6 U 110/16

 

Tenor

Auf die Berufung des Antragsgegners wird das am 19.5.2016 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt a. M. abgeändert. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird unter Aufhebung des Verfügungsbeschlusses des Landgerichts vom 2.12.2015 zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Eilverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Entscheidungsgründe

Von der Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 II i.V.m. 313a ZPO abgesehen.

Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

1. Das mit dem angefochtenen Urteil bestätigte Verbot der konkreten Verletzungsform (Angebot gemäß Anlage AST 1) kann mit der vom Landgericht hierfür herangezogenen Begründung nicht aufrechterhalten werden, weil der Antragsteller ein Verbot mit diesem Inhalt in erster Instanz nicht beantragt hat (§ 308 ZPO) und der Antragsteller dieses Unterlassungsbegehren mangels Verfügungsgrundes in der Berufungsinstanz nicht mehr verfolgen kann.

a) Wie sich aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils ergibt, hat das Landgericht dem Antragsgegner die Werbung gemäß Anlage AST 1 der Sache nach deswegen untersagt, weil das Angebot den unzutreffenden und damit irreführenden Eindruck erwecke, der Kunde erwerbe das Computerprogramm nicht nur in Form eines zum Download geeigneten Produktschlüssels, sondern auf einem Datenträger, wie er zusammen mit der Umverpackung im Angebot abgebildet ist. Unter diesem Irreführungsgesichtspunkt hat der Antragsteller die konkrete Verletzungsform in erster Instanz jedoch nicht beanstandet.

Mit der Antragsschrift wollte der Antragsteller dem Antragsgegner untersagen lassen,

„bloße Produkt Keys in Form von Zeichenfolgen als angebliche Lizenzen für Microsoft-Computerprogramme anzubieten und/oder feilzuhalten und/oder sonst wie in den Verkehr zu bringen und/oder derartige reine Produkt Keys in Ebay Verkaufsangeboten als „Microsoft“ und/oder „Windows“ Produkte zu bezeichnen, sofern solche Produkte nicht mit der Einwilligung von Microsoft erstmals in den Verkehr gebracht worden sind, insbesondere sofern dies geschieht wie mit dem als Anlage AST 1 beigefügten Produktangebot bei Ebay vom 11.9.2015.“

Gestützt wurde das beantragte Verbot darauf, dass dem Erwerber des Produktschlüssels tatsächlich kein wirksames Nutzungsrecht eingeräumt werde, da die hierfür von der Rechtsprechung geforderten Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Vielmehr laufe der Erwerber Gefahr, von Microsoft wegen Urheberrechtsverletzung in Anspruch genommen zu werden; deswegen sei das Angebot irreführend. Das unlautere Verhalten hat der Antragsteller demnach darin gesehen, dass ohne den Erschöpfungsnachweis Angebot und Vertrieb der genannten Produktschlüssel generell unzulässig (irreführend) seien.

Nachdem das Landgericht den Antragstellervertreter telefonisch darauf hingewiesen hatte, dass gegen den Erlass einer einstweiligen Verfügung Bedenken mangels Darlegung der fehlenden Erschöpfung bestünden, hat der Antragstellervertreter mit Schriftsatz vom 18.11.2015 einen neuen Antrag formuliert, mit welchem dem Antragsgegner untersagt werden sollte,

„bloße Produkt Keys in Form von Zeichenfolgen als angebliche Lizenzen für Microsoft-Computerprogramme anzubieten und/oder feilzuhalten und/oder sonst wie in den Verkehr zu bringen und/oder derartige reine Produkt Keys in Ebay Verkaufsangeboten als „Microsoft“ und/oder „Windows“ Produkte zu bezeichnen, sofern dies geschieht wie mit dem als Anlage AST 1 beigefügten Produktangebot bei Ebay vom 11.9.2015.“

Begründet wurde dieser neue Antrag damit, dass der Antragsgegner sich in seinem Angebot völlig darüber ausschweige, was mit dem zum Produktschlüssel gehörenden Datenträger geschehen sei, insbesondere ob er vernichtet worden sei. Der Erwerber könne daher gegenüber Microsoft nicht den Nachweis der Vernichtung führen und müsse damit rechnen, deswegen von Microsoft gesperrt zu werden; dies werde ihm im Angebot nicht mitgeteilt. Die konkrete Verletzungsform wurde demnach unter dem Gesichtspunkt angegriffen, dass der Käufer über die mit dem Erwerb verbundenen Risiken irregeführt werde, wenn – wie in der konkreten Verletzungsform – über den Verbleib des Datenträgers keine Angaben gemacht würden.

Nach Erlass der Beschlussverfügung hat der Antragstellervertreter im Widerspruchsverfahren die Bestätigung der Beschlussverfügung beantragt und zur Begründung ausgeführt, dem Antragsgegner werde mit der einstweiligen Verfügung keineswegs, wie dieser meine, generell verboten, Lizenzkeys zu verkaufen. Er müsse lediglich „dem Erwerber in seinem Verkaufsangebot deutlich und unmissverständlich mitteilen oder ihn in sonstiger Weise darüber unterrichten, dass hier lediglich ein Lizenzkey und eben keine Lizenz verkauft wird und der Erwerb eines Lizenzkeys auch noch nicht zu einer legalen Nutzung des verkauften Programms berechtigt“ (Schriftsatz vom 19.4.2016, S. 3). Mit diesen Ausführungen hat der Antragstellervertreter den noch im Schriftsatz vom 18.11.2015 erhobenen Vorwurf insoweit abgeschwächt, als der Antragsgegner zur Vermeidung einer Irreführung den Erwerber vielleicht nicht unbedingt über den Verbleib des Datenträgers, jedenfalls aber über die mit dem Erwerb eines Lizenzschlüssels verbundenen Risiken im Allgemeinen unterrichten müsse.

Dagegen war im gesamten erstinstanzlichen Verfahren von dem eingangs dargestellten besonderen Gesichtspunkt der Irreführung über den Erwerb eines Datenträgers nicht die Rede. Damit war es dem Landgericht verwehrt, das Verbot der konkreten Verletzungsform gestützt auf diese Beanstandung zu bestätigen. Dies gilt auch unabhängig davon, ob – wovon das Landgericht ausgegangen ist – nach dem vom Bundesgerichtshof entwickelten weiten Streitgegenstandsbegriff (vgl. GRUR 2013, 401 – Biomineralwasser, juris-Tz. 19) auch diese Beanstandung zum Streitgegenstand des gegen die konkrete Verletzungsform gerichteten Unterlassungsantrags gehörte. Denn auch dann kann das Verbot der konkreten Verletzungsform nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. WRP 2014, 1482, juris-Tz. 3; GRUR-RR 2013, 302 – Zählrate, juris-Tz. 5) wegen des Grundsatzes der Dispositionsmaxime nur auf solche Beanstandungen gestützt werden, auf die der Kläger oder Antragsteller sich im Verfahren berufen hat.

b) Zwar hat der Antragsteller sich nunmehr in der Berufungserwiderung die vom Landgericht gegebene Begründung für das Verbot der konkreten Verletzungsform zu Eigen gemacht und vorgetragen, die Werbung sei „bereits deshalb“ irreführend. Der Berücksichtigung dieser Beanstandung steht im vorliegenden Eilverfahren jedoch entgegen, dass es insoweit am erforderlichen Verfügungsgrund fehlt.

Der Antragsteller hätte die vom Landgericht erkannte Irreführung des angesprochenen über den Erwerb eines Datenträgers bereits mit der Antragsschrift geltend machen können. Da dies nicht geschehen ist, muss davon ausgegangen werden, dass dem Antragsteller die Untersagung der konkreten Verletzungsform unter diesem Gesichtspunkt so eilig nicht war; damit ist insoweit die Dringlichkeitsvermutung des § 12 II UWG widerlegt.

2. Hinsichtlich der bereits in erster Instanz gegen die konkrete Verletzungsform erhobenen Beanstandungen fehlt es nach der Glaubhaftmachungslage an einem Verfügungsanspruch.

Der Antragsteller macht geltend, dass das beanstandete Angebot eines Produktschlüssels für ein Computerprogramm sich auf „gebrauchte Software“ im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. GRUR 2015, 1108 [BGH 19.03.2015 – I ZR 4 /14] – Green-IT; GRUR 2015, 772 [BGH 11.12.2014 – I ZR 8/13] – UsedSoft III; GRUR 2014, 264 – UsedSoft II) und des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. GRUR 2012, 904 – UsedSoft/Oracle) bezieht. Bei einem solchen Angebot dient die Nennung des Produktschlüssels, mit dem das Computerprogramm von der Internetseite des Rechteinhabers heruntergeladen werden kann, der unkörperlichen Weitergabe eines bereits existierenden Vervielfältigungsstücks, an welchem infolge Inverkehrbringens durch den Rechteinhaber Erschöpfung eingetreten ist. Nach der genannten Rechtsprechung kann eine solche Form der unkörperlichen Weitergabe eines Vervielfältigungsstücks unter bestimmten Umständen urheberrechtlich zulässig sein: insbesondere muss das zu dem Produktschlüssel gehörende Vervielfältigungsstück unbrauchbar gemacht worden sein und der Erwerber darüber informiert werden, „wie die Rechte zur bestimmungsgemäßen Benutzung des Programms ausgestaltet sind“ (BGH – UsedSoft III, a.a.O. juris-Tz. 64). Dies wirft die Frage auf, wann eine solche Information erfolgen muss, welchen Inhalt sie konkret haben muss und ob in ihrer Vorenthaltung eine unlautere geschäftliche Handlung im Sinne von § 5a II UWG liegt (vgl. hierzu OLG Hamburg, Beschl. v. 16.6.2016 – 5 W 36/16).

Die genannte Frage bedarf im vorliegenden Fall allerdings keiner Entscheidung, weil nach der Glaubhaftmachungslage nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass das beanstandete Angebot der Antragsgegner überhaupt „gebrauchte Software“ im oben dargestellten Sinn betraf.

Der Antragsteller hat zunächst ein Schreiben der A vom 16.10.2015.2015 (Anlage AST 7) vorgelegt, das zu dem in Rede stehenden Produktschlüssel keine konkreten Angaben enthält, sondern allgemein auf die Rechtslage hinweist und den abschließenden Rat enthält, vor einem Lizenzierungsnachweis des Verkäufers den Schlüssel nicht zu nutzen. Nach einer weiteren E-Mail der A vom 17.11.2015 (Anlage zum Sitzungsprotokoll vom 21.4.2016)) wurde dieser Schlüssel am 16.6.2015 an B INC. aufgedruckt auf einem COA geliefert. Schon daraus ergibt sich nicht ohne weiteres, dass das Verkaufsangebot gemäß Anlage AST 1 überhaupt „gebrauchte Software“ im Sinne der Rechtsprechung des BGH und des EUGH betraf, d.h. dass die Nennung des Schlüssels der unkörperlichen Weitergabe eines bereits existierenden Vervielfältigungsstücks mit den sich daraus ergebenden Anforderungen an die Zulässigkeit diente; vielmehr ist jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass der Produktschlüssel auch zur erstmaligen Herstellung eines Vervielfältigungsstücks gedient haben könnte (vgl. hierzu Senat WRP 2016, 1025, Tz. 3).

Darüber hinaus hat der Antragsgegner unter Vorlage des Internetauftritts und der Nutzungs- und Verkaufsbedingungen von Microsoft (Anlagen AG 5 und AG 6) vorgetragen, dass Microsoft selbst Computerprogramme seit kurzem auch ohne zugehörigen Datenträger als sog. „ESD“ (Elektronische Softwaredownloads bzw. Electronic Software Delivery) anbiete. Der in Rede stehende Produktschlüssel betreffe einen solchen „Windows Professional 7 ESD“, den der Antragsgegner ausweislich der als Anlage AG 1 überreichten Rechnung von einer Fa. C GmbH, einem „Microsoft X Partner“, erworben habe. Weiter hat der Antragsgegner den Ausdruck eines Chats mit einer Microsoft-Mitarbeiterin vorgelegt (Anlage AG 7). Danach hat die Mitarbeiterin den streitgegenständlichen Produktschlüssel überprüft und bestätigt, dass er am 29.9.2015 aktiviert worden sei. Irgendwelche Einwände hinsichtlich der Benutzung des auf diese Weise aktivierten Vervielfältigungsstücks des Programms wurden nach dem Inhalt des Chats dabei nicht erhoben. Zu diesem Vortrag hat der Antragsteller sich auch im Berufungsverfahren nicht geäußert.

Bei dieser Glaubhaftmachungslage kann nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass sich der angebotene Produktschlüssel auf „gebrauchte Software“ im dargestellten Sinn bezog und der Erwerber eines solchen Produktschlüssels das heruntergeladene Computerprogramm nicht nutzen könnte oder dürfte oder bei der Nutzung Probleme mit dem Rechteinhaber bekommen könnte. Unter diesen Umständen ist auch – sei es zur Vermeidung einer Irreführungsgefahr nach § 5 UWG, sei es zur Aufklärung nach § 5a II UWG – kein aufklärender Hinweis im Angebot erforderlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

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