Fotos von Falschparkern zulässig

16. Januar 2023
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Urteil des VG Ansbach vom 02.11.2022, Az.: AN 14 K 22.00468

Macht eine Privatperson Fotos von falsch parkenden PKW und leitet diese an die Polizei weiter, so ist dies rechtens und verstößt nicht gegen die Rechte des Fahrzeughalters. Dies gilt nur, solange keine weiteren sensiblen Informationen über potenzielle andere (nicht falsch parkende) Fahrzeuge aus dem Bild ersichtlich werden. Das geht aus einer Entscheidung des VG Ansbach hervor.

Verwaltungsgericht Ansbach

Urteil vom 02.11.2022

Az.: AN 14 K 22.00468

Tenor

1. Der Bescheid des Beklagten vom 28. Januar 2022 wird aufgehoben.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen eine datenschutzrechtliche Verwarnung.

Der Kläger lebt in München und fährt regelmäßig Fahrrad. Er fotografierte hierbei mehrfach Fahrzeuge, an denen er vorbeifuhr und die verbotswidrig geparkt waren. Die Lichtbilder leitete er anschließend verbunden mit Ordnungswidrigkeitenanzeigen per E-Mail an die zuständige Polizeidienststelle weiter, teilweise unter Nutzung einer Website, die hierfür Formulare bereitstellt und diese nach dem Ausfüllen an die zuständigen Behörden verschickt (vgl. https://www.w…/). Streitgegenständlich sind sechs E-Mails mit insgesamt zwölf Lichtbildern von sechs Falschparkern, die der Kläger am 17. und 20. September 2021 an die zuständige Polizeiinspektion München 15 schickte. Auf den Lichtbildern sind Fahrzeuge, die im absoluten Halteverbot parken, mit ihren Kfz-Kennzeichen zu sehen; andere personenbezogene Daten, wie insbesondere Menschen oder Kfz-Kennzeichen anderer Fahrzeuge, sind nicht zu erkennen.

Teils stehen die Fahrzeuge dabei auf der Straße, teils so auf einem Gehweg, dass ein Passieren auf dem Gehweg an dieser Stelle nicht mehr möglich wäre.

Die Texte der E-Mails enthalten ebenfalls das betroffene Kfz-Kennzeichen, außerdem Ort und Zeit der Fotoaufnahme sowie Marke und Typ des Fahrzeugs. Zwei der Anzeigen beziehen sich auf das gleiche Fahrzeug zu unterschiedlichen Gelegenheiten. Eine eigene Betroffenheit als Verkehrsteilnehmer aufgrund der Parkverstöße legte der Kläger in keiner der E-Mails dar.

Mit Ereignismeldung vom 20. September 2021 teilte die Polizeiinspektion 15 (München – Sendling) dem Kriminalfachdezernat 11 München mit der Bitte um Prüfung eines Verstoßes gegen die DS-GVO mit, dass der Kläger als Erstatter von Massenanzeigen im Verkehrsordnungswidrigkeiten-Bereich auftrete. Der Vorgang wurde anschließend mit Schreiben vom 23. September 2021 und mit sechs entsprechenden E-Mails des Klägers, inklusive Lichtbildern, vom Kriminalfachdezernat 11 München zur Prüfung an den Beklagten weitergeleitet, der von der Einleitung eines Bußgeldverfahrens absah, aber ein aufsichtliches Verfahren einleitete.

Mit Bescheid vom 28. Januar 2022 wurde der Kläger nach vorheriger Anhörung wegen des festgestellten Datenschutzverstoßes verwarnt. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass das Fotografieren und Weiterleiten der Kfz-Kennzeichen eine Datenverarbeitung i.S.d. DS-GVO darstelle, für die aber kein Erlaubnistatbestand des Art. 6 Abs. 1 DS-GVO greife, insbesondere liege kein hinreichend berechtigtes Interesse i.S.d. Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO vor. Denn die aus § 158 StPO folgende Befugnis für jedermann, Anzeigen zu erstatten, umfasse nur die Übermittlung von Daten, die zur Einleitung von Ermittlungen benötigt würden, bei Parkverstößen also den Tatort, das Kennzeichen des Fahrzeugs sowie die Identität von Tatzeugen. Eine darüberhinausgehende Befugnis zur Beweismittelerhebung wie die Übermittlung von Tatfotos sei dagegen nicht Teil des Anzeigerechts. Da der Kläger außerdem weder eine konkrete eigene Gefährdung vorgetragen noch einen allgemeinen Anspruch auf ungestörte Nutzung des Verkehrsraums habe, liege auch insoweit kein berechtigtes Interesse vor.

Darüber hinaus fehle es auch an der in Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO geforderten Erforderlichkeit der Datenverarbeitung, da für die Anzeige von Ordnungswidrigkeiten auch ein bloßer Hinweis auf Straßennamen und Lokalität ausreichen könne, es würden dagegen keine Dokumentationen der Ordnungswidrigkeiten benötigt. Es habe somit mildere, gleich effektive Möglichkeiten zur Anzeigeerstattung gegeben. Außerdem überwögen die Interessen der betroffenen Personen, da bei Verkehrsteilnehmern die Erwartung bestehe, abgesehen von staatlichen Kontrollen im öffentlichen Raum anonym zu bleiben (unter Bezugnahme auf Wanser, ZD-Aktuell 2021, 05574). Die Aufgabe der Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten obliege im Ergebnis ausschließlich dem Staat. Daneben habe der Kläger als Verantwortlicher gegen seine Informationspflicht aus Art. 13 Abs. 1 Buchst. d bzw. Art. 14 Abs. 2 Buchst. b DS-GVO verstoßen. Die Anfertigung und Übersendung der Bildaufnahmen durch den Kläger sei daher unzulässig gewesen. Die Verwarnung sei erforderlich und geboten, aber auch angemessen und ausreichend.

Gegen diesen Bescheid ließ der Kläger mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 21. Februar 2022 Klage erheben. Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, dass die Klage als Anfechtungsklage statthaft sei, da die Verwarnung nach Art. 58 Abs. 2 Buchst. b DS-GVO einen feststellenden Verwaltungsakt beinhalte. Die Klage sei auch begründet, da die Voraussetzungen für eine solche Verwarnung nicht vorlägen. Das Aufnehmen und Weiterleiten der Lichtbilder von verbotswidrig abgestellten Fahrzeugen an die zuständige Polizeidienststelle sei eine nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO berechtigte Datenverarbeitung. Das berechtigte Interesse des Klägers ergebe sich schon aus Erwägungsgrund 50 Abs. 2 der DS-GVO, der Hinweise auf Straftaten gerade unabhängig von einer Beeinträchtigung individueller Rechte als berechtigtes Interesse des Datenverarbeitenden einstufe. Für eine solche Einschränkung finde sich im Wortlaut des Erwägungsgrunds 50 Abs. 2 der DS-GVO kein Anhaltspunkt.

Der unionsrechtliche Begriff der „Straftaten“ erfasse dabei auch die deutschen Ordnungswidrigkeiten, da sämtliche Taten umfasst sein sollten, die vom nationalen Recht mit Strafsanktionen belegt würden, also auch Ordnungswidrigkeiten. Es entspreche der gemeinsamen Rechtstradition der europäischen Staaten, den Begriff der „Straftat“ nicht quantitativ an der Schwere der verhängten Sanktion, sondern qualitativ an der Form der verhängten Rechtsfolgen festzumachen (unter Bezugnahme auf EGMR NJW 1985, 1273 Rn. 53). Die Bußgelder für Verkehrsverstöße hätten jedenfalls diesen erforderlichen Strafcharakter.

Daneben habe der Kläger auch ein berechtigtes Interesse an der Datenverarbeitung aus seinen Grundrechten auf körperliche Unversehrtheit und Sicherheit aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Var. 2 GRCh.

Die Datenverarbeitung in der vorgenommenen Form sei auch erforderlich. Insbesondere mache es datenschutzrechtlich entgegen der Ansicht des Beklagten gerade keinen Unterschied, in welcher Form personenbezogene Daten gespeichert oder übermittelt würden, denn die DS-GVO sei vollständig technologieneutral angelegt. Auch gemäß Erwägungsgrund 15 der DS-GVO solle der Schutz natürlicher Personen technologieneutral sein und nicht von der verwendeten Technik abhängen. Es sei daher gleichgültig, ob das Kennzeichen, der Standort und die Standzeit eines Fahrzeugs in Form eines digitalen Fotos, einer Bleistiftnotiz, einer E-Mail oder auf sonstige Weise gespeichert und übermittelt würden. Ein Lichtbild enthalte gegenüber einer Beschreibung des Verstoßes in Textform kein Mehr an personenbezogenen Daten. Der Beklagte selbst gestehe eine Mitteilung des Kennzeichens eines verbotswidrig abgestellten Fahrzeugs zu, dies dürfe wegen der Technologieneutralität des Datenschutzrechts dann auch im Wege eines Lichtbildes geschehen.

Unabhängig davon umfasse das berechtigte Interesse des Klägers auch die Verarbeitung digitaler Bildaufnahmen im Straßenverkehr zu Beweiszwecken. Dies sei zum einen vor der Geltung der DS-GVO in der Rechtsprechung anerkannt gewesen (unter Bezugnahme auf VG Ansbach, U.v. 12.08.2014 – AN 4 K 13.01634 – juris Rn. 57), zum anderen würden deutschlandweit viele Polizeidienststellen und Gemeinden aktiv dazu auffordern, den Anzeigen von Verkehrsordnungswidrigkeiten per E-Mail oder eigens dafür bereit gestellter App aussagekräftige Lichtbilder beizufügen.

Der Kläger verarbeite ausschließlich das Mindestmaß an personenbezogenen Daten, das zur effektiven Anzeigenerstattung erforderlich sei. Ein milderes Mittel sei nicht ersichtlich. Vielmehr drohe bei einer Anzeigenerstattung ohne Lichtbild, dass die Behörden wegen ihrer begrenzten Mittel diesen Hinweisen noch weniger nachgehen würden.

Wenn wie hier das berechtigte Interesse und die Erforderlichkeit i.S.d. Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO vorlägen, werde vermutet, dass die Interessen des Verantwortlichen an der Datenverarbeitung die Interessen des Betroffenen überwiegen (unter Bezugnahme auf Albers/Veit in BeckOK Datenschutzrecht, 38. Edition, Stand: 01.11.2021, Art. 6 Rn. 70).

Voraussetzung für diese Beweislastumkehr sei, dass die betroffenen Personen mit einer Verarbeitung ihrer Daten im jeweiligen Kontext zumindest hätten rechnen müssen (unter Bezugnahme auf VG Ansbach, U.v. 12.08.2014 – AN 4 K 13.01634 – juris Rn. 59; Taeger in Taeger/Gabel, DSGVO – BDSG – TTDSG, 4. Aufl. 2022, Art. 6 DSGVO Rn. 119). Dies sei hier der Fall. Die Betroffenen hätten ihr Fahrzeug freiwillig und in aller Öffentlichkeit im absoluten Halteverbot abgestellt und hätten daher nach dem allgemeinen Lebensrisiko damit rechnen müssen, dass ihr Kennzeichen, Standort und Standzeit verarbeitet werden könnten. Ob die Daten durch eine Privatperson oder Polizeibeamte verarbeitet würden, sei dabei gleichgültig.

Ein ausnahmsweise überwiegendes schutzwürdiges Interesse der Betroffenen sei vorliegend nicht gegeben. Die hier verarbeiteten Daten seien nicht sensibler Natur, da sie durch das Parken im öffentlichen Raum öffentlich zugänglich seien. Das naheliegende Interesse der betroffenen Autofahrer, nicht wegen des verbotswidrigen Parkens belangt zu werden, sei wegen deren rechtswidrigen Handelns schon kein rechtlich geschütztes Interesse. Daher überwögen jedenfalls nicht die Interessen der betroffenen Personen das berechtigte Interesse des Klägers an der Datenverarbeitung.

Darüber hinaus sei der streitgegenständliche Bescheid auch wegen Ermessensfehlern rechtswidrig, u.a. liege eine Ermessensüberschreitung wegen Unverhältnismäßigkeit vor, da weniger einschneidende Maßnahmen wie Hinweis oder Warnung genauso dazu geführt hätten, dass sich der zuvor datenschutzrechtlich nicht in Erscheinung getretene Kläger dem einschlägigen Datenschutzrecht unterworfen hätte.

Der Beklagte stellte sich dem entgegen und trug zur Begründung im Wesentlichen vor, dass es sich nicht um lediglich einzelne, spezifische Anzeigen gehandelt habe, sondern sich aus dem Akteninhalt das Bild einer systematischen, teils ggf. sogar individuell gezielt durchgeführten privaten Verkehrsüberwachung ergebe. Alle streitgegenständlichen Lichtbilder zeigten keine spezifischen Gefährdungssituationen zu Zeiten dichten innerstädtischen Verkehrs, sondern Parkverstöße in den frühen Morgenstunden ohne andere Verkehrsteilnehmer oder Passanten, die die StVO lediglich mit Bußgeld in allenfalls dreistelliger Höhe belege.

Dass es sich um eine Aufnahmeserie zweier Tage in dichtem zeitlichen Zusammenhang handle, zeige so eine erkennbar auf umfassende Dokumentation angelegte Datenerhebung zu Einzelverstößen. Insgesamt würden die Aufnahmen den Gesamteindruck einer systematischen, umfassenden und engmaschigen Erfassung von Parkverstößen unabhängig von individuellem oder allgemeinem Gefährdungspotential vermitteln.

Die Datenverarbeitung im Wege der Übermittlung von Fotoaufnahmen überschreite die durch § 158 StPO kodifizierte Jedermann-Befugnis zur Anzeigeerstattung und begründe daher kein hinreichendes berechtigtes Interesse. Die aus § 158 StPO abzuleitenden Jedermann-Rechte erschöpften sich regelmäßig in der Mitteilung des nähere Ermittlungen und Tatfeststellungen erfordernden Sachverhalts.

Die Befugnis zur Anzeigenerstattung umfasse unter Beachtung des Grundsatzes der Datenminimierung nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. c DS-GVO die Übermittlung solcher Daten, die zur Einleitung von Ermittlungen benötigt würden, bei Parkverstößen also den Tatort, das Kennzeichen des Fahrzeugs sowie die Identität von Tatzeugen. Eine darüberhinausgehende Befugnis zur Beweismittelerhebung wie die hier zu beurteilende unaufgeforderte Übermittlung von Tatfotos sei dagegen nicht Teil des Anzeigerechts.

Entgegen der klägerischen Darstellung bedeute die Technologieneutralität der DS-GVO nicht, dass unterschiedliche Formen der Datenverarbeitung als gleichzeitig rechtmäßig bewertet werden müssten. Vielmehr solle vermieden werden, dass datenschutzrechtlich gleich zu bewertende Technologien unterschiedlichen rechtlichen Anforderungen unterworfen würden. Die vom Kläger angefertigten Lichtbilder gäben schon auf Grund der Erkennbarkeit des Fahrzeugs und der Dokumentation, wie und wo genau es abgestellt sei, potentiell mehr Informationen wieder, die Rückschluss auf den Fahrer bzw. Halter erlaubten, als die bloße Angabe des Kfz-Kennzeichens als datenschutzrechtlichem Pseudonym. Daher begründe die Anfertigung und Übermittlung von Fotoaufnahmen des Parkverstoßes eine gesonderte Form der Verarbeitung personenbezogener Daten. Jedenfalls bei einer Anzeigenerstattung in Textform und durch Übermittlung von Tatfotos fehle für die zusätzliche Verarbeitung die Rechtfertigung, da das berechtigte Interesse des Anzeigenden bereits durch die textliche Anzeigenerstattung befriedigt werde.

Auch aus dem lediglich norminterpretierenden Erwägungsgrund 50 der DS-GVO könne keine andere Bewertung abgeleitet werden. Zwar stelle auch der Beklagte nicht in Frage, dass dem Kläger das Jedermann-Recht zur Anzeige und die damit verbundene Befugnis zur Übermittlung personenbezogener Daten wie z.B. des Kfz-Kennzeichens zustehe, jedoch ergebe sich bereits aus dem Grundsatz der Datenminimierung gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchst. c DS-GVO, dass dennoch keine unbegrenzte Befugnis zur Übermittlung personenbezogener Daten bestehe.

Ein berechtigtes Interesse des Klägers bestehe vorliegend auch nicht zur Durchsetzung eigener Rechte. Weder das Straßenverkehrsrecht, noch das Straßenrecht oder andere Rechtspositionen würden dem Kläger als Verkehrsteilnehmer einen individuellen, Abwehrrechte begründenden Anspruch auf ungestörte Nutzung des Verkehrsraums vermitteln. Für das Vorliegen eines berechtigten Interesses aufgrund eigener Rechte bedürfe es einer konkreten Gefahr für oder eines konkreten Eingriffs in eigene Rechtspositionen des Klägers. Ein hinreichendes privates Rechtsverfolgungsinteresse des Klägers sei auch sonst nicht erkennbar.

Darüber hinaus sei die Übermittlung der Lichtbilder auch nicht erforderlich gewesen i.S.d. Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO, da die Anzeige in Textform eine mildere, gleich effektive Möglichkeit gewesen sei.

Die Verwarnung sei auch verhältnismäßig gewesen und nach pflichtgemäßem Ermessen erfolgt. Ein Hinweis gemäß Art. 58 Abs. 1 Buchst. d DS-GVO sei nicht in Betracht gekommen, da der Verstoß bereits sicher festgestellt worden sei, sodass kein vermeintlicher Verstoß i.S.d. Art. 58 Abs. 1 Buchst. d DS-GVO vorgelegen habe. Eine Warnung nach Art. 58 Abs. 2 Buchst. a DS-GVO sei nicht ausgesprochen worden, weil es dem Beklagten gerade darum gegangen sei, auf einen bereits vergangenen Verstoß zu reagieren, nicht präventiv auf eine künftige Datenverarbeitung. Auch im Übrigen lägen keine Ermessensfehler vor.

In der mündlichen Verhandlung vom 2. November 2022 bestätigte die Beklagtenvertreterin, dass Gegenstand der Verwarnung allein ein Verstoß gegen Art. 5, Art. 6 DS-GVO sei; soweit im streitgegenständlichen Bescheid auch Ausführungen zu den Mitteilungspflichten aus Art. 13, Art. 14 DS-GVO enthalten seien, würden diese nur einen Hinweis darstellen.

Die Beklagtenvertreterin führte aus, dass bei einer bloß einmaligen Anzeigenerstattung per Foto auch ein „Abschluss ohne Maßnahme“ seitens des Beklagten in Betracht käme, bei dem der Anzeigenerstatter formlos darauf hingewiesen werden würde, dass seine Datenverarbeitung unzulässig sei. Die Übermittlung eines Lichtbildes stelle ein „Mehr“ an Informationen dar, da in diesem neben dem Ort und dem Autokennzeichen viele Begleitumstände festgehalten seien. Es handele sich dabei auch um ein „Mehr“ an personenbezogenen Daten, wenn aus dem Bild beispielsweise der Zustand des Fahrzeugs hervorgehe. Außerdem sei das Lichtbild ein „Mehr“, weil es in einem anschließenden Verfahren bereits selbst als Beweismittel dienen könne. Auch der Beklagte gehe davon aus, dass vom europarechtlichen Begriff der Straftat auch Ordnungswidrigkeiten umfasst seien. Der Erwägungsgrund 50 der DS-GVO beziehe sich aber eigentlich auf die sogenannte Zweckänderungsbefugnis. Der Klägervertreter stellte in der mündlichen Verhandlung einen Hilfsbeweisantrag; insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Beklagten aufzuheben.

Der Beklagte beantragt

Klageabweisung.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsund Behördenakten sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 2. November 2022 Bezug genommen.

Gründe

Die Klage, für die das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach zuständig ist (hierzu 1.), ist zulässig (hierzu 2.) und begründet (hierzu 3.).

1.

Gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 BDSG ist für Streitigkeiten zwischen einer natürlichen oder einer juristischen Person und einer Aufsichtsbehörde des Bundes oder eines Landes über Rechte gemäß Artikel 78 Absatz 1 und 2 der Verordnung (EU) 2016/679 (DS-GVO) der Verwaltungsrechtsweg gegeben.

Die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts Ansbach ergibt sich sachlich aus § 45 VwGO und örtlich aus § 20 Abs. 3 BDSG als Sondervorschrift zu § 52 VwGO. Gemäß § 20 Abs. 3 BDSG (vgl. auch Art. 78 Abs. 3 DS-GVO) ist für Verfahren nach § 20 Abs. 1 Satz 1 BDSG – wie hier – das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Aufsichtsbehörde ihren Sitz hat. Mithin ist das Verwaltungsgericht Ansbach das sachlich und örtlich zuständige Gericht, da der Beklagte als Aufsichtsbehörde nach Art. 51 DS-GVO, § 40 BDSG und Art. 18 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BayDSG seinen Sitz in Ansbach und damit im Regierungsbezirk Mittelfranken (vgl. Art. 1 Abs. 2 Nr. 4 AGVwGO) hat.

2.

Die Klage auf Aufhebung der Verwarnung ist als Anfechtungsklage im Sinne des § 20 Abs. 2 BDSG i.V.m. § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthaft.

Bei der Verwarnung aus dem Bescheid vom 28. Januar 2022 handelt es sich um einen feststellenden Verwaltungsakt, da hierdurch ausweislich dessen Ziffer I durch den Beklagten ein näher bezeichneter datenschutzrechtlicher Verstoß des Klägers festgestellt worden ist (vgl. auch VG Hannover, U.v. 27.11.2019 – 10 A 820/19 – juris Rn. 19; VG Mainz, U.v. 17.12.2020 – 1 K 778/19.MZ – juris Rn. 22; Selmayr in Ehmann/Selmayr, DS-GVO, 2. Aufl. 2018, Art. 58 Rn. 20; Polenz in Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann, DatenschutzR, 1. Aufl. 2019, Rn. 29, 7 zu Art. 58 DS-GVO).

Die Klagebefugnis des Klägers ergibt sich bereits aus Art. 78 Abs. 1 DS-GVO, wonach jede natürliche Person das Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf gegen einen sie betreffenden rechtsverbindlichen Beschluss einer Aufsichtsbehörde hat. Mithin ist der Kläger befugt, gegen die nach Art. 58 DS-GVO ausgesprochene Verwarnung des Beklagten Klage zu erheben.

Ohne dass es aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionrechts noch darauf ankommt, besteht die Klagebefugnis auch nach § 42 Abs. 2 VwGO, da die Feststellung des Verstoßes für den Kläger als Adressaten der Verwarnung eine belastende Wirkung hat (Körffer in Paal/Pauly, DS-GVO/BDSG, 3. Aufl. 2021, Art. 58 Rn. 18).

Im Übrigen ist die Klage in zulässiger Weise, insbesondere fristgerecht, erhoben worden.

3.

Die Klage ist begründet, denn die Verwarnung vom 28. Januar 2022 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, sodass sowohl die Verwarnung aus Ziffer I als auch ihre Folgeentscheidungen aus den Ziffern II bis IV des streitgegenständlichen Bescheids aufzuheben sind (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

a.

Das beklagte Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht ist selbst passivlegitimiert.

Gemäß § 20 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 BDSG ist die Aufsichtsbehörde direkt als Beklagte beteiligt. Es liegt somit eine durch die Unabhängigkeit der Aufsichtsbehörde unionsrechtlich bedingte bundesrechtliche Spezialregelung gegenüber § 78 VwGO vor.

b.

Die streitgegenständliche Verwarnung vom 28. Januar 2022 ist rechtswidrig.

Rechtsgrundlage für die durch den Beklagten ausgesprochene Verwarnung ist Art. 58 Abs. 2 Buchst. b DS-GVO. Danach hat die gemäß Art. 51 DS-GVO zuständige Aufsichtsbehörde die Befugnis, einen Verantwortlichen zu verwarnen, wenn er mit Verarbeitungsvorgängen gegen die DS-GVO verstoßen hat.

Verfahrensfehler in Bezug auf den Erlass der Verwarnung sind nicht ersichtlich, insbesondere handelt es sich bei dem beklagten Landesamt auch um die für den Erlass einer Verwarnung im Sinne des Art. 58 Abs. 2 Buchst. b DS-GVO zuständige Aufsichtsbehörde gemäß Art. 51 Abs. 1 DS-GVO und § 40 BDSG i.V.m. Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayDSG.

Jedoch ist die Verwarnung materiell rechtswidrig, denn der Kläger hat nicht im Sinne des Art. 58 Abs. 2 Buchst. b DS-GVO gegen datenschutzrechtliche Vorschriften verstoßen.

Der Datenschutzverstoß, aufgrund dessen der Kläger durch den Beklagten gemäß Art. 58 Abs. 2 Buchst. b DS-GVO verwarnt worden ist, wird gemäß Ziffer I des Bescheids vom 28. Januar 2022 in der Begründung der Verwarnung näher bezeichnet. Die Begründung der Verwarnung ist daher für die Feststellung, welcher der der Verwarnung zugrundeliegende und mit ihr festgestellte datenschutzrechtliche Verstoß ist, heranzuziehen.

Demzufolge soll der datenschutzrechtliche Verstoß des Klägers darin bestanden haben, dass er personenbezogene Daten der Halter verbotswidrig parkender Fahrzeuge in unzulässiger Weise verarbeitet und damit gegen Art. 5 Abs. 1 Buchst. a, Art. 6 Abs. 1 DS-GVO verstoßen habe, indem er Aufnahmen von verbotswidrig parkenden Fahrzeugen anfertigte und an die zuständige Polizeiinspektion übersandte. Aus der beigezogenen Behördenakte des Beklagten gehen sechs solche Übermittlungen von Aufnahmen hervor. Mithin sind allein diese sechs Fälle der Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Halter und ein dadurch nach Auffassung des Beklagten begangener Verstoß gegen die datenschutzrechtlichen Vorschriften des Art. 5 Abs. 1 Buchst. a, Art. 6 Abs. 1 DS-GVO Gegenstand der Verwarnung vom 28. Januar 2022 und damit auch der vorliegenden Anfechtungsklage. Dass darüber hinaus die Verarbeitung anderer personenbezogener Daten als diejenigen der Halter der verbotswidrig parkenden Fahrzeuge oder weitere Pflichten aus der DS-GVO als Datenschutzverstoß festgestellt werden, geht aus der streitgegenständlichen Verwarnung nicht hervor.

Der Kläger hat durch die in der Verwarnung genannten Übersendungen von Aufnahmen verbotswidrig parkender Fahrzeuge an die Polizeiinspektion nicht gegen Datenschutzrecht verstoßen.

aa.

Der Anwendungsbereich der DS-GVO ist eröffnet, denn die vom Kläger vorgenommenen Aufnahmen von Lichtbildern verbotswidrig parkender Fahrzeuge und deren Weiterleitung an die Polizeiinspektion stellen eine Verarbeitung personenbezogener Daten der Fahrzeughalter als betroffene Personen im Sinne von Art. 2 Abs. 1, Art. 4 Nr. 1 und Nr. 2 DS-GVO dar.

Bei Kfz-Kennzeichen handelt es sich um Informationen, die sich auf eine identifizierbare natürliche Person beziehen, und somit um personenbezogene Daten im Sinne des Art. 4 Nr. 1 DS-GVO. Denn es ist möglich, anhand des Kfz-Kennzeichens eine Person, den Halter, zu ermitteln und zu identifizieren, wenn auch unter Zuhilfenahme behördlicher Auskünfte (vgl. Gola in Heckmann/Gola, DS-GVO/BDSG, 3. Aufl. 2022, Rn. 9 zu Art. 4 Rn. DS-GVO; Klar/Kühling in Kühling/Buchner, DS-GVO/BDSG, 3. Aufl. 2020, Rn. 30 zu Art. 4 Nr. 1 DS-GVO; Schild in BeckOK DatenschutzR Wolff/Brink, 41. Ed., Stand: 1.8.2022, Rn. 21 zu Art. 4 DS-GVO; vgl. auch BGH, U.v. 15.5.2018 – VI ZR 233/17 – juris Rn. 21).

Durch die Übermittlung der Aufnahmen der verbotswidrig parkenden Fahrzeuge an die Polizei hat der Kläger diese personenbezogenen Daten anderer im Sinne des Art. 2 Abs. 1, Art. 4 Nr. 2 DS-GVO verarbeitet, indem er die personenbezogenen Daten erfasst und an die Polizeiinspektion übermittelt hat.

Diese Übermittlung der Kennzeichen an die Polizei unterfällt nicht der sogenannten „Haushaltsausnahme“ des Art. 2 Abs. 2 Buchst. c DS-GVO. Danach ist der sachliche Anwendungsbereich der DS-GVO nicht eröffnet, wenn personenbezogene Daten durch natürliche Personen ausschließlich zur Ausübung persönlicher oder familiärer Tätigkeiten verarbeitet werden. Die Datenverarbeitung verlässt jedoch die rein private Sphäre, auf welche sich die „Haushaltsausnahme“ bezieht, wenn sie sich auch nur teilweise auf den öffentlichen Raum erstreckt, und insbesondere dann, wenn der Zweck der Anfertigung der Lichtbilder darin besteht, sie weiterzugeben (vgl. EuGH, U.v. 11.12.2014 – C-212/13 – juris Rn. 35).

Wie sich aus den Lichtbildern ergibt, hat der Kläger ausschließlich Aufnahmen im öffentlichen Verkehrsraum getätigt, um diese an die Polizeiinspektion zur Verfolgung der darauf abgebildeten Ordnungswidrigkeiten weiterzuleiten. Mithin sind die Aufnahmen nicht ausschließlich im Rahmen persönlicher oder familiärer Tätigkeiten des Klägers verarbeitet worden.

bb.

Gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchst. a DS-GVO muss die Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Kläger auf rechtmäßige Weise erfolgen, wobei die Verarbeitung nur dann rechtmäßig ist, wenn mindestens eine der Bedingungen des Art. 6 Abs. 1 DS-GVO erfüllt ist.

(1)

Die streitgegenständliche Datenverarbeitung durch den Kläger war rechtmäßig gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. f DS-GVO.

Eine Verarbeitung ist gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. f DS-GVO rechtmäßig, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen.

Vorliegend besteht ein solches berechtigtes Interesse des Klägers als Verantwortlichem (hierzu (a)), die Datenverarbeitung war zur Wahrung dieses Interesses auch erforderlich (hierzu (b)) und es sind keine überwiegenden Interessen der betroffenen Personen ersichtlich geworden (hierzu (c)).

(a)

Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse daran, eine Ordnungswidrigkeit auch unter Übermittlung eines Lichtbildes an die Polizei anzeigen zu können.

Der Begriff des berechtigten Interesses des Verantwortlichen im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. f DS-GVO ist weit zu verstehen (vgl. Frenzel in Paal/Pauly, DS-GVO/BDSG, 3. Aufl. 2021, Rn. 28 zu Art. 6 DS-GVO, unter Bezugnahme auf Erwägungsgrund 47 S. 2, 6, 7 DS-GVO). Daher können vom Begriff des berechtigten Interesses rechtliche, tatsächliche, wirtschaftliche oder ideelle Interessen umfasst sein (vgl. Buchner/Petri in Kühling/Buchner, DS-GVO/BDSG, 3. Aufl. 2020, Rn. 146a zu Art. 6 DS-GVO).

Anhaltspunkte für das Verständnis des Begriffs des berechtigten Interesses im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. f DS-GVO bieten dabei die Erwägungsgründe zur DS-GVO. Bei den Erwägungsgründen der DS-GVO handelt es sich nicht um eigenständige Rechtsnormen mit Regelungscharakter, sondern es wird in den Erwägungsgründen die Zielsetzung beschrieben, die mit dem Erlass der DS-GVO durch den Verordnungsgeber verfolgt wurde. Daher sind die Erwägungsgründe der DS-GVO maßgeblich für die Auslegung der unionsrechtlichen Vorschriften, denn den Erwägungsgründen können der DS-GVO zugrundeliegende allgemeine Rechtsgedanken entnommen werden.

Vorliegend ergeben sich aus den Erwägungsgründen 47 ff. Anhaltspunkte im Hinblick darauf, wann von der Rechtmäßigkeit einer Verarbeitung personenbezogener Daten wegen einem berechtigten Interesse des Verantwortlichen ausgegangen werden kann. So besteht nach Erwägungsgrund 50 Satz 9 der DS-GVO ein berechtigtes Interesse an einer Datenverarbeitung, wenn der Hinweis des Verantwortlichen auf mögliche Straftaten oder Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit und die Übermittlung der maßgeblichen personenbezogenen Daten in Einzelfällen oder in mehreren Fällen, die im Zusammenhang mit derselben Straftat oder derselben Bedrohung der öffentlichen Sicherheit stehen, an eine zuständige Behörde übermittelt wird.

Dabei bezieht sich der Erwägungsgrund 50 Satz 9, im Gegensatz zu etwa Erwägungsgrund 50 Satz 1 oder Satz 8, seinem Inhalt nach gerade nicht allein auf eine zuvor erteilte Einwilligung in die Datenverarbeitung und eine nunmehr erfolgte Zweckänderung dieser Verarbeitung. Denn dann wäre Voraussetzung eines berechtigten Interesses an der Datenverarbeitung zur Strafverfolgung, dass die Daten zuvor stets zu einem anderen Zweck erhoben worden sein müssten.

Eine Verarbeitung der erhobenen Daten zur unmittelbaren Anzeigenerstattung wäre stets nicht gerechtfertigt. Eine derartige Begrenzung der Zulässigkeit von Datenverarbeitungen zur Erteilung von Hinweisen im Bereich der Strafverfolgung entspricht nicht dem weiten Begriff des berechtigten Interesses und wäre darüber hinaus widersinnig.

Selbst wenn mit der Ansicht des Beklagten davon auszugehen wäre, dass sich Satz 9 des Erwägungsgrundes 50 der DS-GVO unmittelbar nur auf Zweckänderungskonstellationen beziehen würde, könnte ihm jedenfalls darüber hinaus der allgemeine Rechtsgedanke entnommen werden, dass Datenverarbeitungen, die dazu erforderlich sind, zuständigen Behörden Hinweise auf begangene Straftaten zu geben, als berechtigtes Interesse des Verantwortlichen gelten sollten.

Aus dem Satz 9 des Erwägungsgrundes 50 der DS-GVO folgt also, dass es als ein berechtigtes Interesse des Verantwortlichen an einer Datenverarbeitung im Anwendungsbereich der DS-GVO verstanden werden kann, wenn die Datenverarbeitung dem Hinweis der zuständigen Behörden auf eine mögliche Straftat dient.

Der Begriff der Straftaten im Anwendungsbereich der DS-GVO, folglich auch im Anwendungsbereich von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. f DS-GVO und dem Erwägungsgrund 50 Satz 9 der DS-GVO, ist autonom unionsrechtlich auszulegen (vgl. Bäcker in BeckOK Datenschutzrecht, Wolff/Brink, 41. Ed., Stand: 1.11.2021, Rn. 25 f. zu Art. 2 DS-GVO). Eine Verweisung der in der DS-GVO verwendeten Begriffe „Straftaten“ auf solche nach nationalen Rechtsordnungen ergibt sich nicht (vgl. EuGH, U.v. 22.6.2021 – C-439/19 – juris Rn. 82).

Anders als nach dem Verständnis im deutschen Recht sind vom unionsrechtlichen Begriff der Straftaten auch solche Tatbestände umfasst, welche eine Ordnungswidrigkeit im Sinne des deutschen Rechts verwirklichen würden. Für die Beurteilung des strafrechtlichen Charakters von Zuwiderhandlungen sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs folgende Kriterien maßgebend: die rechtliche Einordnung der Zuwiderhandlung im innerstaatlichen Recht, die Art der Zuwiderhandlung und der Schweregrad der dem Betroffenen drohenden Sanktion (vgl. EuGH, U.v. 22.6.2021 – C-439/19 – juris Rn. 87 zu Art. 10 DS-GVO). Auch für Zuwiderhandlungen, die im innerstaatlichen Recht nicht als „strafrechtlich“ bezeichnet werden, kann sich ein solcher Charakter aus der Art der Zuwiderhandlung und dem Schweregrad der dem Betroffenen drohenden Sanktionen ergeben (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 88). Im Hinblick auf die Art der Zuwiderhandlung ist entscheidend, ob mit der fraglichen, aus der Zuwiderhandlung resultierenden Sanktion unter anderem eine repressive Zielsetzung verfolgt wird. Eine Maßnahme, die nur den durch die Zuwiderhandlung entstandenen Schaden ersetzen soll, ist dagegen nicht strafrechtlicher Natur (vgl. EuGH, U.v. 22.6.2021 – C-439/19 – juris Rn. 89).

Dementsprechend sind auch die Ordnungswidrigkeiten des deutschen Rechts als Straftaten im unionsrechtlichen Kontext der DS-GVO anzusehen, da die Begehung einer Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße geahndet wird (vgl. § 1 Abs. 1 OWiG) und die Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit repressiven Charakter hat (§ 17 OWiG und § 46 Abs. 1 OWiG; Mitsch in Karlsruher Kommentar zum OWiG, 5. Aufl. 2018, § 17 Rn. 8; vgl. auch BVerfG, B.v. 25.1.2022 – 2 BvR 2462/18 – juris LS 3a und Rn. 57 zu den repressiven Zielen bei der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten durch die Polizei).

Dient die Übermittlung der personenbezogenen Daten an eine Polizeiinspektion als zuständige Behörde im Sinne des Erwägungsgrundes 50 der DS-GVO dem Hinweis auf eine begangene Ordnungswidrigkeit, so besteht folglich ein berechtigtes Interesse an der Datenverarbeitung, welches grundsätzlich eine Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. f DS-GVO rechtfertigen kann. Eine persönliche Betroffenheit des Anzeigenerstatters ist für das Vorliegen eines berechtigten Interesses nicht erforderlich.

Auf die Frage, ob aufgrund dieses Verständnisses eine unbegrenzte Übermittlung von Daten an die Polizeiinspektionen ermöglicht wird, kommt es vorliegend nicht an. Dem Kläger wird durch den Beklagten vorgeworfen, in sechs Fällen Aufnahmen an die Polizeiinspektion übersandt zu haben. Es ist nicht ersichtlich geworden, dass der Kläger hierbei in rechtsmissbräuchlicher Weise personenbezogene Daten verarbeitet hat. Schon die geringe Anzahl der gerügten Übersendungen lässt nicht auf eine Datenverarbeitung in einem unbegrenzten Ausmaß schließen.

Ob das grundsätzlich bestehende berechtigte Interesse in Fällen, in denen massenhaft personenbezogene Daten zur Anzeige von Ordnungswidrigkeiten übermittelt werden, wegen Rechtsmissbrauchs entfallen könnte, war daher hier nicht zu entscheiden.

Ob die durch den Kläger mit der Übermittlung der personenbezogenen Daten gemeldeten Verstöße gegen ordnungsrechtliche Vorschriften tatsächlich verfolgt werden, entscheidet letztendlich die Polizei als Verfolgungsbehörde gemäß dem im Ordnungswidrigkeitsrecht geltenden Opportunitätsprinzip unter Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens (§ 47 Abs. 1 Satz 1 OWiG).

Auch wenn anderweitige datenschutzrechtliche Verstöße als die Verarbeitung personenbezogener Daten der Halter verbotswidrig parkender Fahrzeuge nicht Inhalt der hier streitgegenständlichen Verwarnung geworden sind, ist es jedoch denkbar, dass bei der Anfertigung solcher Lichtbilder datenschutzrechtliche Verstöße, etwa durch die Ablichtung anderer Personen oder von Kennzeichen unbeteiligter Fahrzeuge, begangen werden können, da diesbezüglich kein berechtigtes Interesse an der Verarbeitung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. f DS-GVO bestehen dürfte. Insoweit ist auch bei der Übermittlung von Aufnahmen verbotswidrig parkender Fahrzeuge die Beachtung des Grundsatzes der Datenminimierung (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c DS-GVO) geboten.

Daneben ist davon auszugehen, dass durch Parkverstöße wie die streitgegenständlichen, bei denen beispielsweise die Fahrbahn teilweise blockiert und dadurch verengt wird, zumindest die abstrakte Unfallgefahr für die übrigen Verkehrsteilnehmer wie den Kläger erhöht wird. Daher ergibt sich wegen des weiten Verständnisses des Begriffs des berechtigten Interesses ein solches hier auch aus den Grundrechten des Klägers auf körperliche Unversehrtheit und Sicherheit aus Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Var. 2 GRCh.

(b)

Weiter setzt die Rechtmäßigkeit einer Datenverarbeitung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. f DS-GVO voraus, dass diese zur Wahrung der berechtigten Interessen des Klägers als Verantwortlichem auch erforderlich ist.

Eine Datenverarbeitung muss für den konkreten Verarbeitungszweck dergestalt erforderlich sein, dass sich die berechtigten Interessen des Verantwortlichen nicht in gleichem Maße in zumutbarer Weise durch andere Mittel verwirklichen lassen (vgl. Erwägungsgrund 39 S. 9 DS-GVO, Lehr/Becker, ZD 2022, 370 m.w.N.).

Die Anzeige ordnungswidrig geparkter Fahrzeuge bei einer Polizeiinspektion lässt sich nicht in gleichem Maße durch eine mündliche oder schriftliche Beschreibung der Umstände – etwa durch die vom Beklagten angeführte Nennung des Kennzeichens des Fahrzeugs, des Standorts und von in Betracht kommenden Zeugen – durchführen.

Eine Beschreibung der Umstände ist nicht in gleichem Maße wie ein Bild geeignet, eine Ahndung des Verstoßes herbeizuführen: Denn ein Lichtbild gibt die tatsächlichen Umstände des Verstoßes in der Regel objektiv wieder, nämlich das verbotswidrig parkende Fahrzeug samt Kennzeichen sowie die Situation, aus welcher der verantwortliche Anzeigenerstatter darauf schließt, dass eine Ordnungswidrigkeit begangen worden ist. Hierdurch wird es den Polizeiinspektionen im Vergleich zu einer meist von subjektiven Eindrücken geprägten Schilderung einer begangenen Ordnungswidrigkeit erleichtert, ihr Ermessen bezüglich der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten auszuüben.

Dass allein die Anfertigung und Übermittlung eines Lichtbildes ein „Mehr“ an Datenverarbeitung als die schriftliche Schilderung des Sachverhalts darstellen könnte, erschließt sich dem Gericht nicht, zumindest soweit jeweils die gleichen personenbezogenen Daten (Kfz-Kennzeichen und Standortdaten der betroffenen Fahrzeuge) übermittelt werden sollen. Soweit nach Ansicht des Beklagten durch ein Lichtbild ein „Mehr“ an Begleitinformationen hinsichtlich des Fahrzeugs (z.B. der allgemeine Zustand des Fahrzeugs) übermittelt würde, ist zum einen fraglich, inwieweit es sich dabei um personenbezogene Daten handeln kann (und allein diese sind relevant im Rahmen der Bestimmung der Erforderlichkeit nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. f DS-GVO), und zum anderen können durchaus auch in einer schriftlichen Anzeigenerstattung viele Begleitinformationen enthalten sein.

Auch das Argument, dass ein Lichtbild ein „Mehr“ darstelle, weil (erst) hierdurch ein Beweismittel erhoben würde, was aber Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden sei, überzeugt nicht, da auch durch Übersendung einer E-Mail ohne Lichtbild und durch Benennung der eigenen Person des Anzeigenerstatters ein Augenscheinsobjekt und ein Zeuge als Beweismittel generiert werden. Es dürften daher bei der Anzeige von Ordnungswidrigkeiten auch ohne Lichtbild regelmäßig Beweismittel entstehen, die im nachfolgenden Verfahren verwertet werden könnten.

(c)

Zuletzt ergeben sich vorliegend keine der Datenverarbeitung entgegenstehenden Interessen der betroffenen Personen im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. f DS-GVO (hierzu (aa)), die das Interesse des Klägers an einer Verarbeitung der Daten überwiegen könnten (hierzu (bb)). Die umstrittene Frage nach der Darlegungsund Beweislast für das Überwiegen entgegenstehender Interessen (vgl. Lehr/Becker, ZD 2022, 370 (375), m.w.N.) kann dabei offenbleiben, da beide Beteiligten hierzu umfänglich vorgetragen haben und keine Fragen, die nach Darlegungslastgrundsätzen zu entscheiden wären, offengeblieben sind.

(aa)

Betroffene Person im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. f DS-GVO i.V.m. Art. 4 Nr. 1 DS-GVO ist der jeweilige Halter des fotografierten Fahrzeugs. Der Fahrzeughalter muss nicht zwingend identisch mit dem Fahrer sein, denn nur der Halter kann letztendlich identifiziert werden.

Als entgegenstehendes Interesse der Fahrzeughalter kommt grundsätzlich das Recht auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten nach Art. 8 Abs. 1 GRCh bzw. Art. 16 Abs. 1 AEUV in Betracht. Ebenso kann ein Interesse der betroffenen Fahrzeughalter daran bestehen, im Straßenverkehr anonym zu bleiben. Schließlich besteht wohl auch ein Interesse der Fahrzeughalter daran, nicht aufgrund des durch den Verantwortlichen dokumentierten Verstoßes wegen der Begehung einer Ordnungswidrigkeit belangt zu werden.

Möglicherweise entgegenstehende Interessen der jeweils zuständigen Polizeiinspektionen sind hier dagegen nicht berücksichtigungsfähig. Denn insofern handelt es sich nicht um betroffene Personen im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. f DS-GVO i.V.m. Art. 4 Nr. 1 DS-GVO. Die Einbeziehung anderweitiger entgegenstehender Interessen als diejenigen der betroffenen Personen ergibt sich nicht aus der Regelung des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. f DS-GVO. Zudem sei nochmals darauf verwiesen, dass es letztendlich den Verfolgungsbehörden obliegt, zu entscheiden, welche der unter Verarbeitung personenbezogener Daten angezeigten Ordnungswidrigkeiten verfolgt werden (§ 47 Abs. 1 Satz 1 OWiG).

(bb)

Die Abwägung der berechtigten Interessen des Klägers und der entgegenstehenden Interessen der Fahrzeughalter als betroffene Personen führt nicht zu einem Überwiegen der Interessen der Fahrzeughalter. Vielmehr wiegen die Interessen des Klägers schwerer, wohingegen die Interessen der betroffenen Personen von vergleichsweise geringem Gewicht sind.

In Bezug auf das Recht der betroffenen Personen auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten nach Art. 8 Abs. 1 GRCh bzw. Art. 16 Abs. 1 AEUV hat der Verordnungsgeber durch die Schaffung der verschiedenen Rechtsgrundlagen des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b bis f DS-GVO die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten als Einschränkung dieses Rechts normiert. Daher ist ein Eingriff in dieses Recht gerechtfertigt, wenn eine der Bedingungen des Art. 6 Abs. 1 DS-GVO gegeben ist.

Im Sinne des Erwägungsgrundes 47 Satz 4 der DS-GVO können die Interessen und Grundrechte der betroffenen Person das Interesse des Verantwortlichen überwiegen, wenn personenbezogene Daten in Situationen verarbeitet werden, in denen eine Person vernünftigerweise nicht mit einer weiteren Verarbeitung rechnen muss. Dies ist vorliegend gerade nicht der Fall, da die betroffenen Personen damit rechnen müssen und können, dass ihre Daten zum Zwecke der Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit verarbeitet werden.

Es besteht gerade kein Anspruch auf Anonymität im Straßenverkehr, vielmehr muss das Kennzeichen eines Fahrzeugs stets gut lesbar (vgl. § 23 Abs. 1 Satz 3 StVO) und mithin öffentlich zugänglich sein (vgl. BVerwG, U.v. 22.10.2014 – 6 C 7/13 – juris Rn. 24). Ein Fahrzeughalter muss damit rechnen, dass ein mit seinem Fahrzeug begangener Parkverstoß dokumentiert und zur Anzeige gebracht wird. Dass eine solche Anzeige nicht nur durch die Verfolgungsbehörden, sondern auch durch Privatpersonen erfolgen kann, ergibt sich aus § 46 OWiG i.V.m. § 158 Abs. 1 StPO. Sofern die Dokumentation des verbotswidrig parkenden Fahrzeugs nicht zu einer Verarbeitung zusätzlicher personenbezogener Daten von Unbeteiligten führt, ist ein Unterschied zwischen einer schriftlichen Anzeige und der Übermittlung der personenbezogenen Daten des Fahrzeughalters durch die Übersendung eines Lichtbildes nicht erkennbar.

Außerdem ist vorliegend der Eingriff in das Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten durch die Übermittlung der Lichtbilder, auf denen das Kfz-Kennzeichen und die Situation des Parkverstoßes zu erkennen sind, als denkbar geringfügig anzusehen. Kfz-Kennzeichen haben nur einen geringen Informationsgehalt, gerade da es einer datenverarbeitenden Privatperson, wie dem Kläger, erst nach einer Abfrage des Fahrzeugregisters möglich wäre, die Identität des Fahrzeughalters zu bestimmen (vgl. BVerwG, U.v. 22.10.2014 – 6 C 7/13 – juris Rn. 23, 25).

Zuletzt muss das Interesse der betroffenen Personen daran, nicht aufgrund der Begehung einer Ordnungswidrigkeit belangt zu werden, ebenfalls zurückstehen, da dem ein rechtswidriges Verhalten zugrunde liegt und es sich somit um ein nicht schutzwürdiges Interesse handelt.

Insgesamt sind die der Datenverarbeitung entgegenstehenden Interessen der Fahrzeughalter daher als von geringem Gewicht einzustufen. Demgegenüber ist den berechtigten Interessen des Klägers an der Verarbeitung der personenbezogenen Daten ein höheres Gewicht beizumessen.

Dem Interesse des Klägers daran, anhand der Verarbeitung personenbezogener Daten eine Ordnungswidrigkeit anzuzeigen, wird schon deshalb einiges Gewicht zuzusprechen sein, weil sich dieses berechtigte Interesse explizit in einem Erwägungsgrund der DS-GVO (Erwägungsgrund 50 Satz 9 der DS-GVO) wiederfindet. Daneben kommt auch dem oben beschriebenen Interesse des Klägers an körperlicher Unversehrtheit und Sicherheit einiges Gewicht zu, da es sich einerseits um hochrangige Rechtsgüter handelt, andererseits aber bei den hier angezeigten Parkverstößen keine konkrete Gefährdung des Klägers gegeben war.

Die Abwägung der beiderseitigen Interessen ergibt daher, dass die Interessen des Klägers als Verantwortlichem an der Datenverarbeitung in dem hier streitgegenständlichen Fall diejenigen der betroffenen Personen überwiegen, sodass die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. f DS-GVO vorliegend gegeben waren.

Demnach war die Verarbeitung der personenbezogenen Daten durch den Kläger rechtmäßig im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. f DS-GVO.

Ob es im vorliegenden Fall pflichtgemäßer Ermessensausübung entsprochen hat, den Kläger wegen einer einstelligen Anzahl an Anzeigen – bei denen er im Übrigen u.a. durch Schwärzungen auch sorgfältig darauf geachtet hat, keine Daten unbeteiligter Dritter zu verarbeiten, – nicht im Sinne eines „Abschlusses ohne Maßnahme“ formlos auf die vermeintliche Rechtswidrigkeit der Datenverarbeitung hinzuweisen, sondern unter Annahme einer „systematischen, individuell gezielten Verkehrsüberwachung“ eine Abhilfemaßnahme nach Art. 58 Abs. 2 DS-GVO in Form der streitgegenständlichen Verwarnung zu ergreifen, kann somit dahingestellt bleiben.

(2)

Darauf, ob aufgrund der Datenverarbeitung Informationspflichten (Art. 13, Art. 14 DS-GVO) oder ein Widerrufsrecht (Art. 21 DS-GVO) bestehen, kommt es vorliegend nicht an. Denn durch den Beklagten ist in der streitgegenständlichen Verwarnung ausschließlich die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Übermittlung der Lichtbilder der falsch parkenden Fahrzeuge gerügt worden; anderweitige datenschutzrechtliche Pflichten oder Verstöße gegen die DS-GVO sind in der Verwarnung nicht festgestellt worden.

Die aufgrund eines Verstoßes gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a, Art. 6 Abs. 1 DS-GVO durch den Beklagten ergangene Verwarnung vom 28. Januar 2022 ist somit rechtswidrig.

d.

Der Kläger ist dadurch in seinen Rechten verletzt worden (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Denn zumindest wird der Kläger durch die behördliche Rüge eines datenschutzrechtlichen Verstoßes davor gewarnt, zukünftig weiterhin personenbezogene Daten durch die Übermittlung von Lichtbildern zu verarbeiten. Dass in dem Verhalten des Klägers ein Verstoß liegt, wird in der streitgegenständlichen Verwarnung ausdrücklich festgestellt. Diese Feststellung soll den Kläger zukünftig mittelbar daran hindern, weitere Aufnahmen verbotswidrig parkender Fahrzeuge anzufertigen und an Polizeiinspektionen zu übermitteln.

Das „Recht zur Anzeige“, welches nach § 158 Abs. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG auch für Ordnungswidrigkeiten gilt, ist Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG (vgl. Goers in BeckOK StPO mit RiStBV und MiStra, 45. Ed. Stand: 1.10.2022, § 158 Rn. 8). Wird der Kläger durch das beklagte Landesamt verwarnt, wenn er von der eingeräumten Möglichkeit, eine Ordnungswidrigkeit anzuzeigen, Gebrauch macht, so stellt dies dementsprechend eine unzulässige Beschränkung der Rechte des Klägers und mithin eine Rechtsverletzung im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO dar.

Zudem wird der Kläger durch die der Verwarnung zugrundeliegende, ihn belastende Feststellung zumindest in seiner sich aus Art. 2 Abs. 1 GG ergebenden allgemeinen Handlungsfreiheit eingeschränkt.

e.

Aufgrund der Rechtswidrigkeit der Verwarnung als Grundverfügung im Sinne des Art. 16 Abs. 5 BayKG waren auch die Folgeentscheidungen aus den Ziffern 2 bis 4 des streitgegenständlichen Bescheids des Beklagten vom 28. Januar 2022, also die auf Art. 19 Abs. 6 Satz 1 BayDSG i.V.m. Art. 1 und Art. 2 BayKG basierende Kostenentscheidung in Ziffer 2, die Festsetzung der Gebühr i.H.v. 100,00 EUR nach Art. 6 Abs. 1 Satz 2 und 3, Abs. 2 KG in Ziffer 3 und der Ausspruch zu den Auslagen in Ziffer 4, rechtswidrig.

3.

Daher war der Klage stattzugeben und die streitgegenständliche Verwarnung nebst ihren Folgeentscheidungen aufzuheben.

Beim vom Klägerbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vom 2. November 2022 hilfsweise gestellten Beweisantrag handelt es sich um einen bedingten Beweisantrag, über den aufgrund des Obsiegens des Klägers nicht mehr zu entscheiden war.

4.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

Gemäß § 52 Abs. 1 GKG ist der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Hier war mangels weiterer Anhaltspunkte der Auffangstreitwert in Höhe von 5.000,00 EUR gemäß § 52 Abs. 2 GKG festzusetzen; insbesondere hat auch der Klägerbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 28. Februar 2022 mitgeteilt, dass insoweit keine Bedenken bestehen.

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