Gemeinfreiheit in den USA steht Ansprüchen aus dem UrhG nicht entgegen

19. März 2018
[Gesamt: 0   Durchschnitt:  0/5]
2502 mal gelesen
0 Shares
Bücher verschwinden in Tablet Urteil des LG Frankfurt a. M. vom 09.02.2018, Az.: 2-03 O 494/14

Die Veröffentlichung von nach deutschem Recht urheberrechtlich geschützten literarischen Werken in Form von eBooks auf einer amerikanischen Internetplattform begründet Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche aus § 97 UrhG, wenn die Schriftwerke auch aus Deutschland abrufbar sind. Ein deutscher Verlag hatte als Inhaberin der Nutzungsrechte am literarischen Schaffen der Autoren Thomas Mann, Heinrich Mann und Alfred Döblin gegen den Betreiber einer amerikanischen Online-Plattform geklagt. Dieser macht auf seiner Website über 50.000 Bücher als eBooks öffentlich zugänglich, darunter auch Werke der bereits benannten Autoren in deutscher Sprache. Diese Werke sind zwar in den USA gemeinfrei, was allerdings nicht ihre öffentliche Zugänglichmachung in Deutschland rechtfertigt.

Landgericht Frankfurt am Main

Urteil vom 09.02.2018

Az.: 2-03 O 494/14

 

In dem Rechtsstreit (…) gegen (…) hat das Landgericht Frankfurt am Main – 3. Zivilkammer – durch die Richter (…) aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30.01.2018 für Recht erkannt:

Die Beklagten werden verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 — ersatzweise Ordnungshaft — oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, für jeden Fall der Zuwiderhandlung, die Ordnungshaft zu vollziehen am Beklagten zu 2),

zu unterlassen,

1. die deutschsprachigen literarischen Werke „Der Untertan“, „Die Ehrgeizige“, „Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen“, „Der Vater“, „Flöten und Dolche“ sowie „Flaubert und die Herkunft des modernen Romans“ des Autors Heinrich Mann,

2. die deutschsprachigen literarischen Werke „Buddenbrooks“, „Der Tod in Venedig“, „Der kleine Herr Friedemann“, „Tristan“, „Gladius Dei“, „Schwere Stunde“, „Königliche Hoheit“ sowie „Tonio Kröger“ des Autors Thomas Mann sowie

3. die deutschsprachigen literarischen Werke „Die Ermordung einer Butterblume und andere Erzählungen“, „Die drei Sprünge des Wang-lun“, „Die Lobensteiner reisen nach Böhmen“ sowie „Wallenstein“ des Autors Alfred Döblin

ohne Zustimmung der Klägerin über die Internetseite www.g(…).org (einschließlich deren Unterseiten) öffentlich zugänglich zu machen oder öffentlich zugänglich machen zu lassen, soweit ein Abruf (Bildschirmdarstellung und/oder Download) durch Internetnutzer aus Deutschland möglich ist.

II. Die Beklagten werden verurteilt, Auskunft über den Umfang der Rechtsverletzungen zu erteilen, durch Angabe

1. der Zeitpunkte, zu denen die unter Ziffer I. aufgeführten Werke erstmals über die Internetseite www.g(…).org (einschließlich deren Unterseiten) abrufbar waren, sowie

2. die Anzahl der aus Deutschland erfolgten Abrufe (Bildschirmdarstellung sowie Download) der unter Ziffer I. aufgeführten Werke über die Internetseite www.g(…).org (einschließlich deren Unterseiten).

III. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin Schadenersatz zu leisten für das öffentliche Zugänglichmachen der in Ziffer 1. genannten Werke über die Internetseite www.g(…).org (einschließlich deren Unterseiten) an Nutzer in Deutschland, wie es sich anhand der Auskunft gemäß Ziffer II. ergibt.

IV. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten jeweils die Hälfte zu tragen.

V. Das Urteil ist hinsichtlich des Ausspruchs zu 1.1 bis 1.3 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils € 25.000,-, hinsichtlich des Ausspruchs zu II. von € 5.000,-, wegen der Kosten nach Ziffer IV. in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten um urheberrechtliche Ansprüche wegen der Verbreitung von Büchern (eBooks).

Die Klägerin ist ein Verlag, der u.a. die Werke von Thomas Mann, Heinrich Mann und Alfred Döblin herausgibt.

Bei der Beklagten zu 1) handelt es sich um eine „not-for-profit-corporation“ nach US-amerikanischem Recht, die zwei Angestellte beschäftigt. Sie betreibt die auch in Deutschland abrufbare Webseite www.g(…).org, wobei sie die Server bei der University of North Carolina at Chapel Hill angemietet hat. Die Beklagte zu 1) verfolgt keine kommerziellen Zwecke und ist als „public charity“-Organisation anerkannt. Sie finanziert sich (jedenfalls teilweise) über Spenden.

Der Beklagte zu 2) ist Managing Director und CEO (Chief Executive Officer) der Beklagten zu 1), wobei er diese Tätigkeit ehrenamtlich ausfüllt. Er ist als „Registrant Contact“ und „Tech Contact“ für die Domain www.g(…).org bei der zuständigen Registrierungsstelle eingetragen.

Auf der Webseite der Beklagten zu 1) sind über 50.000 Bücher als E-Books abrufbar, darunter die hier streitgegenständlichen auf BI. 11 d.A. insgesamt 18 aufgeführten Werke von Heinrich Mann, Thomas Mann und Alfred Döblin in deutscher Sprache. Die vorgehaltenen Werke sind – jedenfalls überwiegend – nach US-amerikanischem Recht gemeinfrei („public domain“), da der Urheberrechtsschutz nach US-amerikanischem Recht abgelaufen ist. Dies betrifft insbesondere Bücher, die vor dem Jahre 1923 veröffentlicht wurden.

Die Bücher werden mit einer „Project G(…) License“ versehen vorgehalten (BI. 395 d.A.), auf die – jeweils dem Buchtext vorangestellt – hingewiesen wird. Darin heißt es u.a.:

„This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project G(…) License included with this eBook or online at www.g(…).org.“

Die Webseite der Beklagten zu 1) ist jedenfalls teilweise in einer deutschen Fassung verfügbar, wobei die deutsche Sprachfassung über einen Link mit der Bezeichnung „in other languages“ aufgerufen werden kann. Die Beklagte zu 1) hält auf ihrer Webseite einen – englischsprachigen – Disclaimer vor (Anlage B12, Bl. 351 d.A.). Die Beklagte zu 1) fordert Nutzer von außerhalb der USA darin auf, vor dem Download oder der Weiterverbreitung zu prüfen, ob das jeweilige Werk in ihrem Land geschützt ist oder nicht.

Die Tätigkeit der Beklagten zu 1) beruht im Wesentlichen auf der Tätigkeit von Freiwilligen. Diese Freiwilligen organisieren ihre Tätigkeit zum Teil in der „Distributed Proofreaders Foundation“. Die Freiwilligen wählen Bücher aus und übermitteln an die Beklagte zu 1) ein Formular zur Überprüfung des Urheberrechtsstatus, das allerdings nur das US-amerikanische Recht betrifft. Die Beklagte zu 1) hat ein Team von Freiwilligen zur Überprüfung dieser Anfragen. Diesem Team gehören der Beklagte zu 2) sowie eine weitere Person an.

Weiter werden die von der Beklagten zu 1) vorgehaltenen E-Books von Freiwilligen in verschiedenen Formaten erstellt, geprüft und bei der Beklagten zu 1) hochgeladen. Es existiert ein weiteres, ebenfalls aus Freiwilligen bestehendes „Posting Team“, das nach dem Hochladen das Dokument auf Einhaltung bestimmter Qualitätsanforderungen prüft. Der Beklagte zu 2) ist auch Mitglied des „Posting Teams“.

Zu den Freiwilligen gehören auch Nutzer aus Deutschland. Der auf der Webseite der Beklagten zu 1) angegebene Webmaster lebt in Deutschland.

Über das Projekt der Beklagten wurde in deutschen Medien mehrfach berichtet.

Es existiert auch ein deutsches „Projekt G(…)-DE“, das unter der Adresse www.projekt.g(…).de deutsche gemeinfreie Werke vorhält, aber nicht von den Beklagten betrieben wird.

Am 22.08.2013 wies die Klägerin mit E-Mail an die auf www.g(…).org für urheberrechtliche Fragen angegebene E-Mail-Adresse c(…)@p(…).org auf Rechtsverletzungen hin (Anlage K19, BI. 118 d.A.). Hierauf erfolgte keine Reaktion. Daraufhin wiederholte die Klägerin ihren Hinweis unter dem 04.09.2013 an die E-Mail-Adresse des Beklagten zu 2) (Anlage K20, BI. 120 d.A.). Der Beklagte zu 2) antwortete mit E-Mail vom selben Tage und kündigte eine Rückmeldung an (Anlage K16, Bl. 103 d.A.). Mit E-Mail vom 18.09.2013 erinnerte die Klägerin an die Rückmeldung, erhielt aber lediglich eine automatisch generierte Antwort.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 18.06.2014 mahnte die Klägerin die Beklagten zu 1) und 2) ab und verlangte Beseitigung, die Abgabe einer Unterlassungserklärung und Auskunft über die Anzahl der erfolgten Abrufe (Anlage K23, BI. 126 d.A.). Die Beklagten ließen sich anwaltlich beraten. Sodann lehnte der Beklagte zu 2) die Forderungen mit E-Mail vom 23.08.2014 ab (Anlage K24, BI. 138 d.A.).

Die Klägerin behauptet, sie sei Inhaberin ausschließlicher, umfassender, territorial unbeschränkter Nutzungsrechte am gesamten literarischen Schaffen der Autoren Thomas Mann, Heinrich Mann und Alfred Döblin.

Die Rechteeinräumung an den Werken von Thomas Mann sei erfolgt durch Verlagsvertrag vom 17.04.1956, ergänzt unter dem 26.05./02.06.1977 (Anlage K45, BI. 648 d.A.) sowie den „Vertragszusatz E-Book-Rechte“ vom 20.08./26.08.2013 und bestätigt durch die „Ergänzung zum Vertragszusatz E-Book-Rechte“ vom 01./03.12.2014 (BI. 666-668 d.A.). Prof. Dr. Frido Mann sei insoweit zur Einräumung von Rechten von der Erbengemeinschaft nach Thomas Mann bevollmächtigt gewesen.

Die Rechteeinräumung an den Werken von Heinrich Mann sei erfolgt durch Verlagsvertrag vom 08.12.1993 (BI. 669 d.A.), ergänzt durch „Vertragszusatz E-Book-Rechte“ vom 15.10.2010 (BI. 674 d.A.) und bestätigt durch die „Ergänzung zum Vertragszusatz E-Book¬Rechte“ vom 01.12.2014 (BI. 676 d.A.). Jindrich Mann sei insoweit zur Einräumung von Rechten von der Erbengemeinschaft nach Heinrich Mann bevollmächtigt gewesen.

An den Werken von Alfred Döblin seien ihr Rechte mittels Generalvertrag vom 12.02./14.02.2008 (BI. 677 d.A.) eingeräumt worden. Im Übrigen wird für die Rechteeinräumung an allen Werken auf BI. 479 d.A. Bezug genommen.

Die Beklagten würden die IP-Adressen ihrer Nutzer auswerten.

Die Klägerin ist der Auffassung, das Angebot der Beklagten sei auch an deutsche Nutzer gerichtet. Den Beklagten sei es mittels Geotargeting, Geoblocking oder der Einrichtung eines Registrierungsverfahrens ohne Weiteres möglich, Nutzer aus Deutschland von ihrem Angebot auszuschließen. Die Beklagten seien selbst als Werknutzer und nicht lediglich als Vermittler anzusehen. Die Beklagten hätten sich die Inhalte auf ihrer Webseite zu Eigen gemacht. Sie hafteten spätestens ab Kenntnis von den Rechtsverletzungen. Es sei ihnen jedenfalls möglich, für die Erteilung der Auskunft die Log-Dateien bei ihrem Serverbetreiber zu erfragen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, für jeden Fall der Zuwiderhandlung, die Ordnungshaft zu vollziehen am Beklagten zu 2),

zu unterlassen,

1. die deutschsprachigen literarischen Werke „Der Untertan“, „Die Ehrgeizige“, „Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen“, „Der Vater“, „Flöten und Dolche“ sowie „Flaubert und die Herkunft des modernen Romans“ des Autors Heinrich Mann,

2. die deutschsprachigen literarischen Werke „Buddenbrooks“, „Der Tod in Venedig“, „Der kleine Herr Friedemann“, „Tristan“, „Gladius Dei“, „Schwere Stunde“, „Königliche Hoheit“ sowie „Tonio Kröger“ des Autors Thomas Mann sowie

3. die deutschsprachigen literarischen Werke „Die Ermordung einer Butterblume und andere Erzählungen“, „Die drei Sprünge des Wang-lun“, „Die Lobensteiner reisen nach Böhmen“ sowie „Wallenstein“ des Autors Alfred Döblin

ohne Zustimmung der Klägerin über die Internetseite www.g(…).org (einschließlich deren Unterseiten) öffentlich zugänglich zu machen oder öffentlich zugänglich machen zu lassen, soweit ein Abruf (Bildschirmdarstellung und/oder Download) durch Internetnutzer aus Deutschland möglich ist,

II. die Beklagten zu verurteilen, Auskunft über den Umfang der Rechtsverletzungen zu erteilen, durch Angabe

1. der Zeitpunkte, zu denen die unter Ziffer I. aufgeführten Werke erstmals über die Internetseite www.g(…).org (einschließlich deren Unterseiten) abrufbar waren, sowie

2. die Anzahl der aus Deutschland erfolgten Abrufe (Bildschirmdarstellung sowie Download) der unter Ziffer I. aufgeführten Werke über die Internetseite www.g(…).org (einschließlich deren Unterseiten),

III. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin Schadenersatz zu leisten für das öffentliche Zugänglichmachen der in Ziffer I. genannten Werke über die Internetseite www.g(…).org (einschließlich deren Unterseiten) an Nutzer in Deutschland, wie es sich anhand der Auskunft gemäß Ziffer II. ergibt.

Die Beklagten rügen die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Frankfurt a. M.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten, dass die Beklagte zu 1) keine Kenntnis von der Nationalität ihrer Nutzer habe. Sie werte die IP-Adressen der Nutzer nicht aus.

Die Beklagten tragen vor, dass ihnen derzeit keine Informationen über die Anzahl der aus Deutschland erfolgten Abrufe der streitgegenständlichen Werke vorlägen. Eine Auskunftserteilung sei nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand möglich. Sie habe keinen Zugang zu den Log-Dateien, aus denen sich die geforderte Auskunft ergeben könne.

Die Beklagten sind der Auffassung, dass ihr Angebot nicht bestimmungsgemäß an Nutzer aus Deutschland gerichtet sei. Dies belege die Verwendung einer .org-Domain sowie der von ihr verwendete Disclaimer, dem zu entnehmen sei, dass Nutzer aus dem Ausland Bücher nicht herunterladen dürften, wenn noch Urheberrechtsschutz in ihrem Land besteht. Die Beklagte zu 1) operiere ausschließlich aus den USA und nach US-Recht. Mit der deutschen (Teil-)Übersetzung ihrer Webseite richte sie sich an deutschsprachige US-Amerikaner. Es sei auch zu beachten, dass die Beklagten ein einzigartiges gemeinnütziges Projekt betreiben.

Der Klageantrag zu I. sei zu weit gefasst, da er die Beklagten verpflichten würde, die streitgegenständlichen Werke zu löschen und die von der Klägerin verlangten „Geo¬Sperren“ leicht zu umgehen seien.

Die Handlungen der Freiwilligen könnten den Beklagten nicht zugerechnet werden.

Es sei für ihre Nutzer anhand des Disclaimers problemlos möglich, zu überprüfen, ob das jeweilige Werk im Land des Nutzers urheberrechtlich geschützt sei.

Eine intensive Beeinträchtigung der Klägerin sei nicht erkennbar.

Der Beklagte zu 2) sei nicht für die Freigabe der hier streitgegenständlichen Werke verantwortlich gewesen, da er nur an einem Teil des Veröffentlichungsprozesses beteiligt war. Seine Haftung sei auch auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit begrenzt, da er lediglich ehrenamtlich tätig ist.

Die Beklagten seien nicht zum Schadensersatz verpflichtet, da sie weder vorsätzlich noch fahrlässig gehandelt hätten. Sie hätten sich darauf verlassen dürfen, dass für die Webseite der Beklagten zu 1) ausschließlich US-amerikanisches Recht gilt.

Die Kammer hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 02.11.2017 (BI. 728 d.A.) durch Vernehmung der Zeugen Prof. Dr. Frido Mann und Jindrich Mann. Für das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 30.01.2018 (BI. 769 ff. d.A.) Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Landgericht Frankfurt a.M. international und örtlich zuständig nach § 32 ZPO.
Nach § 32 ZPO ist für Klagen aus unerlaubten Handlungen das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist. Zu den unerlaubten Handlungen im Sinne von § 32 ZPO zählen auch Urheberrechtsverletzungen. Die Vorschrift regelt mit der örtlichen Zuständigkeit mittelbar auch die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte. Eine unerlaubte Handlung ist im Sinne von § 32 ZPO sowohl am Handlungsort als auch am Erfolgsort begangen, so dass eine Zuständigkeit wahlweise dort gegeben ist, wo die Verletzungshandlung begangen oder in das Rechtsgut eingegriffen worden ist. Zur Begründung der Zuständigkeit reicht die schlüssige Behauptung von Tatsachen aus, auf deren Grundlage sich eine im Gerichtsbezirk begangene unerlaubte Handlung ergibt. § 32 ZPO erfasst auch Unterlassungsansprüche.
Der Erfolgsort einer unerlaubten Handlung nach § 32 ZPO ist bei einer behaupteten Verletzung des Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte durch ein öffentliches Zugänglichmachen des Schutzgegenstands über eine Internetseite im Inland belegen, wenn die geltend gemachten Rechte im Inland geschützt sind und die Internetseite (auch) im Inland öffentlich zugänglich ist. Es ist dagegen nicht erforderlich, dass der Internetauftritt bestimmungsgemäß (auch) im Inland abgerufen werden kann (BGH GRUR 2016, 1048 Rn. 18 – An Evening with Marlene Dietrich; vgl. auch LG Hamburg, Urt. v. 19.06.2015 – 308 0 161/13, BeckRS 2015, 18942; LG Hamburg, Urt. v. 17.06.2016 – 308 0 161/13, BeckRS 2016, 12262).

Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Denn die in Deutschland geschützten streitgegenständlichen Werke sind unstreitig auch in Deutschland abrufbar. Die Klägerin hat auch schlüssig vorgetragen, dass die Abrufbarkeit zu Downloads in Deutschland geführt hat.
Im Übrigen dürfte die Webseite der Beklagten zu 1) sich auch bestimmungsgemäß an deutsche Nutzer richten. Hierfür spricht, dass die Webseite teilweise in Deutsch gehalten ist, dass auf der Seite Werke in deutscher Sprache angeboten werden und die Beklagte zu 1) ausdrücklich eine weltweite Verfügbarkeit von Werken anstrebt („anyone anywhere“). Dem steht der Hinweis auf der Webseite der Beklagten zu 1) nicht entgegen, dass die Nutzer jeweils prüfen müssten, ob sie berechtigt sind, die Werke im jeweiligen Land herunterzuladen. Vielmehr spricht dieser Hinweis dafür, dass sich die Beklagten bewusst sind, dass auch Nutzer aus anderen Ländern als den USA ihre Webseite besuchen.

In Bezug auf den Klageantrag zu III. besteht auch das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.

2. Die Klägerin kann von den Beklagten die begehrte Unterlassung aus § 97 Abs. 1 UrhG verlangen.

a. Die Klägerin ist aktivlegitimiert.
Die Klägerin hat substantiiert vorgetragen, dass ihr Rechte an den streitgegenständlichen Werken eingeräumt worden sind. Sie hat insoweit die unterschiedlichen Vertragswerke vorgelegt sowie die Parteien und den Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorgetragen. Nach Beschluss der Kammer gemäß § 142 ZPO hat die Klägerin die entsprechenden Verträge ohne Schwärzungen der Regelungen vorgelegt (Anlage K45, BI. 648 ff d.A.). Die Kammer hat darüber hinaus Beweis erhoben durch Vernehmung von Zeugen.
Die Kammer ist nach dem gegenseitigen Parteivorbringen und Durchführung der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die Klägerin für die hier streitgegenständlichen Werke aktivlegitimiert ist.

aa. Dies ergibt sich für die Werke von Thomas Mann einerseits aus dem vorgelegten Verlagsvertrag vom 17.04.1956, ergänzt unter dem 26.05./02.06.1977 (BI. 648 d.A.) sowie dem „Vertragszusatz E-Book-Rechte“ (BI. 666 d.A.) vom 20.08./26.08.2013 und der Bestätigung vom 01./03.12.2014 (BI. 668 d.A.). Die Verträge sehen eine umfassende Einräumung von „Verlagsrechten“ vor, wobei „zusätzlich“ Rechte u.a. für E-Books eingeräumt werden. Dass auch die Rechte für E-Books ausschließlich eingeräumt werden, wird in der Ergänzung vom 01./03.12.2014 (BI. 668 d.A.) ausdrücklich bestätigt. Nach Auslegung der Verträge wurden der Klägerin daher insgesamt ausschließliche Rechte eingeräumt (vgl. zur Auslegung des Begriffs „Verlagsrecht“ Schricker, Verlagsrecht, 3. Aufl. 2001, § 8 Rn. 1).

Soweit die Beklagten mit Schriftsatz vom 19.05.2017 (BI. 690 d.A.) moniert haben, dass die Vertretungssituation bezüglich des Erbes von Thomas Mann nicht hinreichend dargelegt sei, hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 16.06.2017 (BI. 702 d.A.) erläutert und insoweit Beweis angeboten, dass Prof. Dr. Frido Mann von den Mitgliedern der Erbengemeinschaft bevollmächtigt worden sei. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 19.12.2017 zusätzlich schriftliche Vollmachten der Mitglieder der Erbengemeinschaft vorgelegt (Anlage K46, BI. 740 ff. d.A.). Ferner hat die Kammer Prof. Dr. Frido Mann zur Frage seiner Bevollmächtigung gehört. Aus den vorgelegten Vollmachten und der Vernehmung von Prof. Dr. Frido Mann ergibt sich für die Kammer zur hinreichenden Überzeugung, dass Prof. Dr. Frido Mann von der Erbengemeinschaft jedenfalls im Jahr 2014 hinreichend zur Vertretung bevollmächtigt war.
Die Beklagten haben insoweit gerügt, dass die Vollmacht der Dominica Borgese (BI. 743 d.A.) nur „zusammen mit sich selber“ erteilt worden sei. Dem folgt die Kammer nicht. Die Vollmacht ist insoweit nach ihrem eindeutigen Wortlaut dahingehend auszulegen, dass zunächst „Dr. Frido Mann“ und erst anschließend als „Nachfolger“ Frau Borgese zusammen mit Dr. Stefan Mann bevollmächtigt werden sollen. Zum Zeitpunkt der Bevollmächtigung und zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung war daher Prof. Dr. Frido Mann allein bevollmächtigt.
Weiter haben die Beklagten im Hinblick auf die Vollmacht der Claudia Beck-Mann (BI. 745 d.A.) moniert, dass Prof. Dr. Frido Mann nur als „Sprecher“ bevollmächtigt und die Vollmacht zudem auf Verhandlungen mit dem Thomas-Mann-Archiv beschränkt sei. Auch diesbezüglich folgt die Kammer der Auffassung der Beklagten nicht. Aus der Vollmacht ergibt sich, dass Prof. Dr. Frido Mann „Bevollmächtigter“ sein soll. Er soll die „Funktion eines Sprechers der Erbengemeinschaft“ wahrnehmen dürfen. Grundsätzlich könnte man davon ausgehen, dass die Funktion des „Sprechers“ die Einräumung von Nutzungsrechten nicht umfasst. Der Begriff wird jedoch im nächsten Absatz der Vollmacht hinreichend erläutert. Danach sind nachlassbezogene Tätigkeiten – wie hier die Einräumung von Nutzungsrechten aus dem Nachlass nach Thomas Mann –umfasst, die „insbesondere“ Verhandlungen und Vereinbarungen mit dem Thomas¬Mann-Archiv umfassen. In Auslegung nach den §§ 133, 157 BGB (zur Anwendung auf die Auslegung von Vollmachten MünchKommBGB-Busche, 7. Aufl. 2015, § 133 Rn. 34 m.w.N.) ist der Sprecher der Erbengemeinschaft daher befugt, Verhandlungen zu führen und – allein – Vereinbarungen für die gesamte Erbengemeinschaft abzuschließen, wobei die Vollmacht insoweit entsprechend der Wortwahl „insbesondere“ entgegen der Auffassung der Beklagten nicht auf das Thomas-Mann¬Archiv beschränkt ist.
Die Kammer hat den Zeugen Prof. Dr. Frido Mann gehört. Dieser hat bekundet, dass er die hier streitgegenständlichen Verträge unterschrieben hat. Auf den Vorhalt der unterschiedlichen Unterschriften in den beiden Zusätzen von 2013 und 2014 hat er erklärt, dass es sich in beiden Fällen um seine Unterschrift handele. Er unterzeichne manchmal mit vollem Vornamen, manchmal nicht. Er hat weiter bekundet, dass er als Sprecher der Erbengemeinschaft fungiere und in dieser Funktion auch zur Einräumung von Nutzungsrechten an den hier streitgegenständlichen Werken befugt sei. Er sei zunächst im Jahr 2002 von einem Teil der Erbengemeinschaft mündlich bevollmächtigt worden, zu den anderen Mitgliedern habe er damals keinen Kontakt gehabt. Als er später gemerkt habe, dass es an der Zeit sei, die Bevollmächtigung schriftlich zu fixieren, habe er von allen Mitgliedern der Erbengemeinschaft die hier vorgelegten und im Termin in Augenschein genommenen schriftlichen Vollmachten eingeholt. Er sei auch umfassend zur Einräumung von Rechten bevollmächtigt worden. Der Verlag sei wegen des Zusatzes zur Einräumung der E-Book-Rechte auf ihn zugekommen. Es habe stets ein Vertrauensverhältnis zur Klägerin bestanden, so dass er die Vereinbarungen gelesen und anschließend unterzeichnet habe. Auf die Frage, ob ihm die Unterscheidung zwischen der Einräumung von einfachen und ausschließlichen Nutzungsrechten bekannt sei, hat er geantwortet, dass ihm diese nicht bewusst sei. Dass Dritte die Rechte hätten auswerten sollen, darüber habe er sich keine Gedanken gemacht.
Hiernach steht für die Kammer fest, dass Prof. Dr. Frido Mann jedenfalls bei Unterzeichnung der „Ergänzung zum Vertragszusatz E-Book-Rechte“ hinreichend bevollmächtigt war. Die Aussage des Zeugen war glaubhaft. Insbesondere war sie frei von Widersprüchen, sowohl in sich als auch in Bezug auf die schriftlich vorgelegten Unterlagen. Der Zeuge war auch glaubwürdig. Er hat auf Vorhalte offen reagiert und Wissenslücken von sich aus eingeräumt. Auch den Vorhalt, dass die Vollmacht der Claudia Beck-Mann anders formuliert sei als die anderen Vollmachten, hat er ohne Einschränkungen erläutert und ausgeräumt. Weiter hat er auf Fragen außerhalb des Beweisthemas und zur Familie Mann ohne Vorbehalte geantwortet.

Soweit die Beklagten rügen, dass Prof. Dr. Frido Mann im Jahr 2013 noch nicht hinreichend bevollmächtigt war, ist dies durch Genehmigung im Rahmen der „Ergänzung zum Vertragszusatz E-Book-Rechte“ vom 01./03.12.2014 nach den §§ 177, 184 BGB geheilt (vgl. BGH NJW 1981, 1213; Palandt/Ellenberger, BGB, 76. Aufl. 2017, § 177 Rn. 6 m.w.N.; MünchKommBGB/Schubert, 7. Aufl. 2015, § 177 Rn. 27). Denn jedenfalls zu diesem Zeitpunkt war Prof. Dr. Frido Mann zur Vertretung der Erbengemeinschaft bevollmächtigt und hat insoweit in Ziffer 2) der Ergänzung ausdrücklich auf die zuvor abgeschlossenen Regelungen Bezug genommen.

Auch soweit die Beklagten sich auf § 4 Abs. 1 des Vertrages vom 26.05.1977 (BI. 651 d.A.) bezogen haben, nach dem „Nebenrechte“ „bei Frau Mann“ verbleiben sollen, ändert dies nach Auffassung der Kammer nichts daran, dass der Klägerin jedenfalls im Übrigen ausschließliche Nutzungsrechte eingeräumt sind und die Klägerin entsprechend aktivlegitimiert ist.

bb. Die Kammer ist auch von einer Rechteeinräumung an den Werken von Heinrich Mann überzeugt. Dies ergibt sich einerseits aufgrund des vorgelegten Verlagsvertrages vom 08.12.1993 (Anlage K45, BI. 669 d.A.), ergänzt durch „Vertragszusatz E-Book-Rechte“ vom 15.10.2010 (BI. 674 d.A.), mit dem die Rechtsnachfolger von Heinrich Mann der Klägerin „ausschließliche Rechte der Vervielfältigung und Verbreitung (Verlagsrecht)“ einräumen, wobei „zusätzlich“ Rechte u.a. für E-Books eingeräumt werden. Dass auch die Rechte für E-Books ausschließlich eingeräumt werden, wird in der Ergänzung vom 01.12.2014 (BI. 676 d.A.) ausdrücklich bestätigt.
Diesbezüglich haben die Beklagten eingewandt, dass die Vertretungsbefugnis der Unterzeichnenden nicht belegt sei.
Die Kammer hat den Zeugen Jindrich Mann zur Frage seiner Bevollmächtigung zur Einräumung von Nutzungsrechten gehört. Der Zeuge hat erklärt, dass er alle drei Verträge unterzeichnet habe. Er sei hierzu von seinem Bruder Ludwig bevollmächtigt worden, dieser habe ihm vor der Unterzeichnung des ersten Vertrages eine Generalvollmacht erteilt. Als er vom Verlag um die Unterzeichnung der weiteren Vereinbarungen gebeten worden sei, sei er davon ausgegangen, dass die vollumfängliche Rechtseinräumung bereits mit dem ersten Vertrag geregelt gewesen sei. Er habe die weiteren Verträge dennoch unterzeichnet. Warum der Justitiar den zweiten Zusatz vom 01.12.2014 benötigt habe, wisse er nicht mehr genau.
Auch die Aussage des Zeugen Jindrich Mann war glaubhaft und insbesondere frei von Widersprüchen. Der Zeuge war auch glaubwürdig. Auch er hat die Fragen offen und ohne Umschweife beantwortet.

cc. Gleiches gilt nach Überzeugung der Kammer für die Werke von Alfred Döblin, für die die Klägerin das „General Agreement“ vom 12.02./14.02.2008 (BI. 676 d.A.) vorgelegt hat.
Insoweit haben die Beklagten gerügt, dass zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht alle Rechte eingeräumt werden konnten, da diese noch beim P(…) Verlag gewesen seien (Ziffer 1 Abs. 2 des Vertrages, BI. 677 d.A.). Zudem seien nach Ziffer 2 Abs. 2 nicht ausschließliche Rechte eingeräumt worden, für bestimmte Fälle sei ein Rückfall der Rechte vereinbart worden und bestimmte „non-print“-Rechte lägen beim K(…)-Verlag.
Diesen Einwänden folgt die Kammer nicht. Den Beklagten ist zuzugeben, dass der Vertrag erwähnt, dass die Rechte noch an den Nachlass von Alfred Döblin zurückfallen werden. Es ist jedoch nicht ungewöhnlich, dass über Rechte auch für die Zukunft verfügt wird (vgl. nur § 40 UrhG zu künftigen Werken). Die Klausel sieht auch ausdrücklich vor, dass die Rechte in naher Zukunft an den Nachlass von Alfred Döblin zurückfallen werden. Die Beklagten haben auch keinerlei Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass die Rechte nicht zurückgefallen sind, beispielsweise durch Vortrag, dass der P(…)-Verlag die streitgegenständlichen Werke auch nach 2008 ausgewertet hätte. Dafür, dass die Rechte an den Nachlass zurückgefallen und anschließend der Klägerin eingeräumt worden sind, spricht letztlich auch indiziell, dass die Klägerin unstreitig die Auswertung der Rechte übernommen hat und jedenfalls nicht vorgetragen ist, dass der P(…)-Verlag sich hiergegen gewandt hat.
Nach Überzeugung der Kammer sind auch die in Ziffer 2 Abs. 2 des Vertrages genannten Rechte der Klägerin ausschließlich eingeräumt. Zwar verwenden Ziffern 2 Abs. 1 und Abs. 2 unterschiedliche Worte „grants exclusive right“ und „exclusive handling … of subsidiary rights“, dies ist jedoch nach Auslegung des Gesamtvertrages in beiden Fällen als Einräumung ausschließlicher Rechte anzusehen. Diese Auslegung ergibt sich auch unter Berücksichtigung von Ziffer 2 Abs. 4 des Vertrages, nach der der Rechteinhaber der Klägerin auf Anforderung auch weitere, unbekannte Rechte „einräumen“ wird („will grant“). Ferner sieht Ziffer 2 Abs. 5 des Vertrages vor, dass die Klägerin auch das Recht zur (Unter-)Lizenzeinräumung der „subsidiary rights“ erworben hat, was ebenfalls für eine ausschließliche Rechtseinräumung spricht.

b. Die Beklagte zu 1) hat die streitgegenständlichen Werke auch auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland gemäß § 19a UrhG öffentlich zugänglich gemacht.

Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die streitgegenständlichen Werke von der Webseite der Beklagten auch aus Deutschland abrufbar sind. Nach Auffassung der Kammer richtet sich das Angebot der Beklagten auch an deutsche Nutzer, worauf die Aufnahme deutscher Werke, die teilweise in deutscher Sprache gehaltene Webseite sowie insbesondere der vor die E-Books geschaltete Hinweis, dass Werke „weltweit“ zur Verfügung gestellt werden sollen, hinweisen.

Diese öffentliche Zugänglichmachung ist auch widerrechtlich im Sinne von § 97 Abs. 1 UrhG. Dabei indiziert die tatbestandsmäßige Verletzung die Rechtswidrigkeit (Dreier/Schulze-Dreier/Specht, UrhG, 5. Aufl. 2015, § 97 Rn. 14). Zwar kann grundsätzlich im Rahmen einer Abwägung des Urheberschutzes mit anderen Rechtsgütern und dem angemessenen Interessenausgleich eine Verletzung gerechtfertigt sein (vgl. Dreier/Schulze-Dreier/Specht, a.a.O., § 97 Rn. 15 m.w.N.). Weiter ist das Motiv der Beklagten schützenswert, wobei auch zu berücksichtigen sein könnte, dass die streitgegenständlichen Werke jedenfalls in den USA gemeinfrei sind. Dies rechtfertigt vorliegend allerdings nicht die öffentliche Zugänglichmachung der streitgegenständlichen Werke in Deutschland unter Außerachtlassung des Umstandes, dass die Werke in Deutschland noch urheberrechtlich geschützt sind. Die Auffassung der Beklagten führte ansonsten dazu, dass die öffentliche Zugänglichmachung von Werken sich weltweit nach dem Ablauf des Urheberrechtsschutzes des Landes richten würde, in dem sich der Anbieter jeweils befindet.

c. Die Beklagte zu 1) kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Werke von Freiwilligen vorgeschlagen, hochgeladen und geprüft würden und sie deshalb nur als Plattformbetreiberin anzusehen sei.

Denn die Beklagte zu 1) hat sich die Inhalte auf ihrer Webseite jedenfalls zu Eigen gemacht. Bei einem Betreiber eines Internetauftritts ist das der Fall, wenn er nach außen erkennbar die inhaltliche Verantwortung für die in seinem Internetauftritt veröffentlichten Inhalte übernommen oder den zurechenbaren Anschein erweckt hat, er identifiziere sich mit den fremden Inhalten. Ob ein Zu-Eigen-Machen vorliegt, ist aus der Sicht eines verständigen Durchschnittsnutzers auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände zu beurteilen. Dafür, dass der Diensteanbieter sich die fremden Informationen zu Eigen gemacht hat, spricht es, wenn er die von Dritten hochgeladenen Inhalte inhaltlich-redaktionell auf Vollständigkeit und Richtigkeit kontrolliert oder auswählt oder die fremden Informationen in das eigene redaktionelle Angebot einbindet (OLG München GRUR 2016, 612 Rn. 26 – Allegro Barbaro). Allerdings ist bei der Annahme einer Identifikation mit fremden Inhalten grundsätzlich Zurückhaltung geboten (vgl. BGH GRUR 2015, 1129 Rn. 25 – Hotelbewertungsportal).

Hier werden die streitgegenständlichen Werke aus Sicht des Durchschnittsnutzers von der Beklagten zu 1) angeboten. Die Beklagte zu 1) sieht es – nach dem unstreitigen Vortrag der Parteien – als ihre Aufgabe an, Kopien von Werken weltweit verfügbar zu machen (Anlagen K26, K27). In ihren „Terms of Use“ spricht die Beklagte zu 1) ausdrücklich von „our ebooks“ („unsere E-Books“) (Anlagen K1, B12, K34). Die Beklagte zu 1) hat auch selbst vorgetragen, dass die jeweiligen Prüfungsschritte grundsätzlich teilweise durch den Beklagten zu 2), ihren CEO, durchgeführt werden. Darüber hinaus werden im Laufe der von den Beklagten dargestellten Prozesse den Werken Erklärungen vorgeschaltet, die das Werk jeweils als „The Project G(…) EBook of [… Titel ..]“ bezeichnen (Anlage K7). Die Beklagte zu 1) verbindet im Übrigen die Werke mit einer „Project G(…) License“ (Anlage K7) und verweist insoweit auch auf den Text der Lizenzbedingungen auf ihrer Webseite.

Die Beklagte zu 1) kann sich insoweit auch nicht auf die Privilegierung eines Host Providers gemäß § 10 TMG berufen. Denn einerseits greift § 10 TMG nicht für eigene bzw. zu-eigen-gemachte Inhalte wie hier. Selbst wenn man aber nicht von einem Zu-Eigen-Machen durch die Beklagten zu 1) ausginge, wäre die Beklagte zu 1) jedenfalls nach Inkenntnissetzung von der Rechtsverletzung durch die Klägerin zur Prüfung und Entfernung der streitgegenständlichen Werke verpflichtet gewesen.

d. Soweit sich die Beklagte zu 1) darauf beruft, dass sie die Ansprüche der Klägerin auf anwaltlichen Rat hin zurückgewiesen habe, war dies unbeachtlich. Denn wenn überhaupt, würde ein solcher – möglicherweise falscher – anwaltlicher Rat nur das Verschulden der Beklagten zu 1) betreffen, auf das es im Rahmen des Unterlassungsanspruchs nicht ankommt. Darüber hinaus haben die Beklagten auch nicht vorgetragen, welchen Inhalt der anwaltliche Rat überhaupt hatte. Es bleibt daher im Unklaren, ob der anwaltliche Rat überhaupt die Prüfung deutschen Rechts umfasste und ob der Rat zur Zurückweisung der Ansprüche aus rechtlichen oder tatsächlichen Erwägungen herrührte.

e. Der Anspruch der Klägerin kann auch gegen den Beklagten zu 2) als CEO der Beklagten zu 1) gerichtet werden. Insoweit finden die Grundsätze der Haftung des Geschäftsführers auf den Beklagten zu 2) Anwendung.
Organe von Gesellschaften haften grundsätzlich für in ihrem Unternehmen begangene Rechtsverletzungen persönlich, wenn sie als Täter oder Teilnehmer anzusehen sind. Insoweit haftet der Geschäftsführer jedenfalls, wenn er Kenntnis von der Rechtsverletzung und die Möglichkeit hatte, den Verstoß zu verhindern. Für die Kenntnis ist ausreichend, dass der Geschäftsführer das Geschäftsmodell kennt und in Kenntnis der Risiken dieses nicht verhindert hat (Fromm/Nordemann, UrhG, 11. Aufl. 2014, § 97 Rn. 180 m.w.N.). Diese Voraussetzungen lagen hier vor. Der Beklagte zu 2) kannte das Angebot der Beklagten zu 1). Ihm war daher bewusst, dass auf der Webseite der Beklagten zu 1) auch Werke deutscher Autoren angeboten werden. Dennoch beschränkte er sich allein darauf, die Rechtslage nach US-amerikanischem Recht zu prüfen.

f. Der Klageantrag zu 1. ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht aus dem Grunde (ggf. teilweise) unbegründet, dass er zu weit gefasst wäre. Die Beklagten monieren insoweit, dass aus dem Antrag nicht hervorgehe, wie die Beklagten die Rechtsverletzungen verhindern sollten. Dies sei ihr nur durch Löschung der Werke wirksam möglich.
Nach der Rechtsprechung des BGH ist es nicht notwendig, dass einem Antrag wie hier unmittelbar zu entnehmen ist, welche konkreten Handlungs- und Prüfpflichten dem Anspruchsgegner abverlangt werden sollen. Es reicht vielmehr aus, wenn sich die zu befolgenden Sorgfalts- und Prüfpflichten aus der Klagebegründung und den Entscheidungsgründen ergeben (BGH GRUR 2016, 268 Rn. 14 – Access Provider; vgl. insoweit auch EuGH EuZW 2016, 821 – McFadden). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Denn der Begründung der Klageschrift lässt sich entnehmen, dass die Klägerin von den Beklagten verlangt, dass diese durch Geoblocking Nutzer aus Deutschland jedenfalls im Hinblick auf die streitgegenständlichen Werke von der Nutzung ausschließen.

Soweit die Beklagten einwenden, dass ein Geoblocking nicht wirksam sei, ist dies nach der Rechtsprechung des BGH ebenfalls unbeachtlich. Ausreichend ist insoweit, dass die rechtswidrige Nutzung erschwert wird (BGH GRUR 2016, 268 – Access Provider).

3. Die Kläger können ferner Feststellung verlangen, dass die Beklagten aus § 97 Abs. 2 UrhG zum Schadensersatz verpflichtet sind.

Die Beklagten handelten insoweit auch schuldhaft, jedenfalls in Form der Fahrlässigkeit, spätestens ab dem Zeitpunkt der Kenntnis von den streitgegenständlichen Rechtsverletzungen. An das Maß der Sorgfalt stellt die Rechtsprechung strenge Anforderungen (BGH GRUR 2010, 616 Rn. 40 – marions-kochbuch.de; Dreier/Schulze-Dreier/Specht, a.a.O., § 97 Rn. 57 m.w.N.). In rechtlichen Zweifelsfällen kann der Verletzer nicht die ihm günstigere Auffassung unterstellen. Der Verletzer trägt insoweit das Risiko des Rechtsirrtums (Dreier/Schulze-Dreier/Specht, a.a.O., § 97 Rn. 57 m.w.N.).
Wie oben näher dargestellt, richtet sich das Angebot der Beklagten zu 1) auch an Nutzer in Deutschland. Die Beklagten konnten sich insoweit nicht darauf beschränken, ihr Angebot allein nach US-amerikanischem Recht zu prüfen und entsprechend zu handeln.
Soweit die Beklagten darauf abgestellt haben, dass die Klägerin nicht nachgewiesen habe, dass deutsche Nutzer tatsächlich Werke abgerufen haben, führt dies nicht dazu, dass der Anspruch aus diesem Grunde abzuweisen wäre. Denn das Angebot der Beklagten zu 1) richtet sich eben auch an Nutzer in Deutschland, so dass mit Rechtsverletzungen zu rechnen ist.

Soweit sich die Beklagten darauf berufen, dass mit dem durch das Gesetz zur Begrenzung der Haftung von ehrenamtlich tätigen Vereinsvorständen eingeführten § 31a BGB eine Haftungsreduzierung für den Beklagten zu 2) auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit erfolgte, folgt die Kammer dem nicht. Dabei kann im Ergebnis offenbleiben, ob § 31a BGB auf die Verantwortlichen der Beklagten zu 1), die unstreitig gemeinnützig tätig ist, Anwendung findet.
Denn die Haftungsreduktion nach § 31a BGB gilt nur im Innenverhältnis (Palandt/Ellenberger, BGB, 76. Aufl. 2017, § 31a Rn. 4). Nach außen haftet der Vereinsvorstand weiterhin auch für einfache Fahrlässigkeit (Unger, NJW 2009, 3269, 3271).

4. Die Klägerin hat gegen die Beklagten ferner einen Anspruch auf Erteilung der begehrten Auskunft aus den §§ 101 UrhG, 242 BGB.
Nach § 101 Abs. 1 UrhG ist derjenige, der ein nach dem UrhG geschütztes Recht verletzt, zur Auskunft verpflichtet. Dabei umfasst die Auskunft entsprechend auch diejenigen Informationen, die zur Schadensschätzung erforderlich sind (vgl. OLG Hamburg ZUM 2009, 482 – Bauhaus aus Italien II; Dreier/Schulze, a.a.O., § 101 Rn. 16; BeckOK-UrhG/Reber, a.a.O., § 97 Rn. 135 f.). Dies umfasst hier auch die von der Klägerin begehrte Auskunft über den Umfang der Nutzung des Angebots der Beklagten im Hinblick auf die streitgegenständlichen Werke.
Der Anspruch ist auch nicht erledigt. Die Beklagten haben insoweit bisher keine Auskunft erteilt. Sie haben zunächst darauf verwiesen, dass sie das Verhalten ihrer Nutzer nicht auswerten würden und die Beschaffung der Informationen unverhältnismäßig schwierig sei. Ferner hätten sie keinen unmittelbaren Zugriff auf die Informationen. Diesem Vortrag ist eine Nullauskunft jedoch nicht zu entnehmen, zumal nicht hinreichend vorgetragen ist, warum den Beklagten die Auskunft nicht möglich sein soll.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 100 Abs. 1 ZPO, da die Beklagten voll unterlegen sind.

6. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich jeweils aus § 709 ZPO.

7. Auf den nicht nachgelassenen Schriftsatz der Beklagten vom 05.02.2018 war der Klägerin nicht erneut rechtliches Gehör zu gewähren. Auch war die mündliche Verhandlung nicht nach § 156 ZPO wieder zu eröffnen. Denn der Schriftsatz enthält keinen neuen entscheidungserheblichen Tatsachenvortrag.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Jetzt zum Newsletter anmelden!

Erlaubnis zum Versand des Newsletters: Ich möchte regelmäßig per E-Mail über aktuelle News und interessante Entwicklungen aus den Tätigkeitsfeldern der Anwaltskanzlei Hild & Kollegen informiert werden. Diese Einwilligung zur Nutzung meiner E-Mail-Adresse kann ich jederzeit für die Zukunft widerrufen, in dem ich z. B. eine E-Mail an newsletter [at] kanzlei.biz sende. Der Newsletter-Versand erfolgt entsprechend unserer Datenschutzerklärung.

n/a