Haftung des Unternehmers für nicht veranlasste Handlungen Dritter

09. August 2019
[Gesamt: 0   Durchschnitt:  0/5]
817 mal gelesen
0 Shares
Mann mit Bart und Brille sitzt vor Computer Beschluss des OLG Frankfurt vom 27.05.2019, Az.: 6 W 29/19

Laut OLG Frankfurt ist ein Unternehmen grundsätzlich nicht für wettbewerbswidrige Handlungen Dritter - hier unlautere Werbung für das Unternehmen - verantwortlich, wenn es diese nicht veranlasst hat. Auch die Kenntnis davon begründet keine Haftung. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz liegt nur bei Verletzung einer Verkehrspflicht vor, wofür irgendeine Art von Gefahrsetzung erforderlich ist.

Oberlandesgericht Frankfurt

Beschluss vom 27.05.2019

Az.: 6 W 29/19

 

Tenor

1.) Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

2.) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin.

3.) Der Beschwerdewert entspricht dem Kosteninteresse der Klägerin.

Gründe

Die zulässige Beschwerde der Klägerin ist unbegründet. Das Landgericht hat zu Recht die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin auferlegt. Dabei kann dahinstehen, ob es sich – entgegen der sich auch im Antrag niederschlagenden Auffassung der Klägerin – bei den behaupteten Rechtsverstößen der Beklagten jeweils um verschiedene Streitgegenstände oder um einen Streitgegenstand handelt. In keinem der Fälle hat der Beklagte sich nämlich unlauter verhalten, so dass die Klägerin mit ihrer Klage voraussichtlich keinen Erfolg gehabt hätte.

1.) Es kann dahinstehen, ob der Klageantrag überhaupt hinreichend bestimmt war und die – jeweils in unterschiedlichen Kontexten enthaltene – Verwendung des Wortes „Taxi“ in den Anlagen K 2 – K 6 tatsächlich einen Verstoß gegen § 49 IV, V PBefG darstellt, der nach § 3a UWG als unlauter anzusehen wäre, da es jedenfalls an einer Verantwortlichkeit des Beklagten fehlt.

a) Im Ansatz verfehlt ist die Auffassung der Klägerin, der Beklagte hafte unabhängig von Kenntnis und Veranlassung für mutmaßlich unlautere Internetauftritte Dritter. Wie der Senat schon im Verfahren …, an dem beide Parteien beteiligt waren, ausgeführt hat, ist eine Grundlage für eine solche anlasslose Haftung für das Verhalten Dritter nicht ersichtlich. Dem kann die Klägerin auch nicht den Beschluss des OLG Karlsruhe vom 13.12.2000, 4 W 24/00 entgegenhalten. Die Störerhaftung lag dort darin begründet, dass die Beklagte auf ihrer Internetseite A bereitgestellt hatte, die das Suchergebnis der Suchmaschinen beeinflussten, mithin eine eigene Handlung streitgegenständlich war. Gleiches gilt für die Entscheidung des LG Mannheim vom 01.08.1997, 7 O 291/97. Die dort zugrunde gelegte Störerhaftung ist im Übrigen durch den Bundesgerichtshof im Bereich des Unlauterkeitsrechts aufgegeben worden (BGH WRP 2014, 1050, Rnr. 11 – Geschäftsführerhaftung). Für Fälle des sogenannten Verhaltensunrechts, um die es bei Wettbewerbsverstößen geht und in denen keine Verletzung eines absoluten Rechts in Rede steht, kann die Passivlegitimation vielmehr allein nach den deliktsrechtlichen Kategorien der Täterschaft und Teilnahme begründet werden, so dass in vergleichbaren Konstellationen, soweit keine „eigenhändige“ Tatbegehung oder – beteiligung vorliegt, nur die Verletzung einer Verkehrspflicht haftungsbegründend wirken kann.

Die Tatsache alleine, dass die Beklagte Kenntnis von den hier streitgegenständlichen Handlungen Dritter gehabt hatte, kann die Verletzung einer Verkehrspflicht nicht begründen. Der Senat teilt insoweit auch nicht die Auffassung des LG Hamburg (MMR 2017, 48), wonach die unternehmerische Sorgfalt im Sinne von § 3 II UWG eine Handlungspflicht bei offensichtlich fehlerhaften und irreführenden Äußerungen Dritter auslösen kann. Für die Verletzung einer Verkehrspflicht ist zumindest erforderlich, dass irgendeine Art von Gefahrsetzung erfolgt (vgl. BGH GRUR 2007, 890 – Jugendgefährdende Medien bei Ebay). In der Unterhaltung eines Mietwagenbetriebes alleine kann dies jedoch nicht gesehen werden.

b) Eine Haftung der Beklagten kommt daher nur in Betracht, wenn er die konkreten streitgegenständlichen Veröffentlichungen selbst veranlasst hat. Das Landgericht ist indes zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin dies nicht beweisen konnte. Im Einzelnen:

(1) www.(…).de (Anlage K 1a/b)

Hierbei handelt es sich ersichtlich um eine von der Gemeinde1 verantwortete Internetseite. Dies legt nicht nur die Domain nahe; vielmehr ist rechts oben als Ansprechpartnerin deutlich Frau B aus der Stadtverwaltung der Gemeinde1 angegeben. Im Übrigen wird als weiterer Ansprechpartnerin das VGO Servicezentrum in Stadt1 angegeben. Im Übrigen fehlt es auch ein einem Verstoß gegen § 47 PBefG, da der Begriff des Anrufsammeltaxis ein feststehender Begriff für nach §§ 2 VI, 42 PBefG genehmigungsfähige „flexible Bedienformen des Linienverkehrs“ ist (Heinze/Fehling/Fiedler/Heinze, 2. Aufl. 2014, PBefG § 2 Rn. 55). Hierfür – und nicht für den Verkehr mit Taxen – wird in den Anlagen K 1a und K 1b geworben.

(2) www.(…)de (Anlage k 2)

Auch hierbei handelt es um eine von der Gemeinde verantwortete Seite. Dies ergibt sich – wie schon im zwischen den Parteien geführten Verfahren … – zwanglos aus der Gesamtschau: rechts sind Sprechzeiten des Bürgermeisters und der Verwaltung angegeben.

Auch die Tatsache, dass der Eintrag auch am 01.12.2017 noch abrufbar war, begründet keine Haftung des Beklagten. Die Tatsache alleine, dass der Beklagte Kenntnis von einer mutmaßlich rechtswidrigen Bezeichnung seines Unternehmens durch Dritte hatte, kann eine Haftung nicht begründen. Der Beklagte ist – wie oben ausgeführt – nicht für das Verhalten Dritter verantwortlich; ihn trifft insoweit entgegen der Ansicht der Klägerin keine „aktive Erfolgsabwendungspflicht“.

(3) www.(…).net (Anlage K 3)

Auch hier ist darauf hinzuweisen, dass es sich um eine fremde Domain handelt. Die Klägerin konnte nicht beweisen, dass der Beklagte die Veröffentlichung der Inhalte in der konkreten Form veranlasst hat. Zudem enthält die Internetseite den ausdrücklichen Hinweis „Firmendaten wurden vom Inhaber noch nicht geprüft“

(4) X (K 15)

Im Hinblick auf die Anlage K 15 ist zunächst unklar, welche Handlung die Klägerin angreift. Soweit die Klägerin auf „Keywords“ in Suchmaschinen verweist, ist der Vortrag unsubstantiiert. Es fehlt jeglicher Vortrag dazu, in welcher Weise der Beklagte konkret Suchmaschinenergebnisse beeinflusst haben soll. Daher kann dahinstehen, ob derartige Adwords oder Metatages lauterkeitsrechtlich überhaupt relevant sind.

Soweit die Klägerin auch darauf abzustellen scheint, der Beklagte habe den konkreten Eintrag in Anlage K 15 (und damit auch die Bezeichnung als „Taxiunternehmen“) selbst gestaltet, konnte die Klägerin dies – nachdem der Beklagte dies bestritten hat – nicht beweisen. Insbesondere ergibt sich aus den Anlage K 16 ff. nicht, dass der Beklagte alleine in der Lage war, Änderungen durchzuführen und nicht auch Dritte hier Änderungen vornehmen konnten. Weitere Beweise hierzu hat die Klägerin nicht angeboten. Aus der von der Klägerin vorgelegten Anlage K 22 (Leitfaden von Google) ergibt sich sogar ausdrücklich, das nicht nur der Unternehmer Änderungen vornehmen kann: „Brancheneinträge in Google setzen sich aus den Daten verschiedener Quellen zusammen, beispielsweise Informationen von Drittanbietern, Angaben bei Nutzern und bestätigten Einträgen vom Unternehmensinhaber. […] Wir können darüber hinaus weitere Informationen zu ihren Brancheneintrag hinzufügen, etwa eine Beschreibung des Unternehmens, Fotos, Erfahrungsberichte oder Angaben zu Öffnungszeiten“.

(5) www.(…).de (Anlage K 4 / K 5)

Auch hier handelt es sich zunächst um eine Veröffentlichung eines Dritten. Soweit die Klägerin behauptet hat, der Beklagte habe die Veröffentlichung veranlasst, war sie hierfür beweisbelastet. Die Klägerin hat zwar darauf hingewiesen, dass es sich um einen sog. „Silver-Eintrag“ gehandelt habe, der kostenpflichtig gewesen sei und deshalb vom Beklagten gezielt gestaltet worden sein müsse; dies reicht jedoch dem Senat für eine hinreichende Überzeugungsbildung nicht aus. Vielmehr ist bei Online-Portalen davon auszugehen, dass die Informationen aus einer Vielzahl von Quellen zusammengetragen werden. Auch die Tatsache, dass in Anlage K 11 ein Foto von der Homepage des Beklagten enthalten ist, spricht nicht zwangsläufig für eine „aktive“ Rolle des Beklagten, ist doch die Übernahme von Fotos von der Homepage für das Suchergebnis – wie auch die gerichtbekannte Google-Bildersuche zeigt – heute technisch leicht machbar und bei Suchmaschinen üblich.

2.) Das Landgericht hat auch zu Recht die Kosten des Streithelfers in erster Instanz nach § 101 ZPO der Klägerin auferlegt.

Für ein Kostenerstattung nach § 101 ZPO muss die Streitverkündete wirksam beigetreten sein, insbesondere darf die Nebenintervention nicht im Zwischenstreit für unzulässig erklärt worden sein. An einer derartigen Wirksamkeit fehlt es hier nicht. Bei der Nebenintervention beschränkt sich die von Amts wegen vorzunehmende Prüfung der Zulässigkeit auf die persönlichen Prozesshandlungsvoraussetzungen des Nebenintervenienten. Die besonderen Voraussetzungen der Nebenintervention sind lediglich auf Antrag einer Hauptpartei und nur im Verfahren nach § 71 ZPO zu prüfen; dies gilt insbesondere für die Frage, ob der Nebenintervenient ein rechtliches Interesse am Obsiegen einer Partei hat (BGH NJW 2006, 773). Ein derartiges Verfahren hätte die Klägerin allerdings hier zum Zeitpunkt der Erledigung nicht mehr durchführen können, da sie mit dem hierfür nach § 71 ZPO notwendigen Antrag zum Zeitpunkt der Erledigung des Rechtsstreits nach § 295 ZPO präkludiert war. Die Streithelferin ist dem Rechtsstreit mit Schriftsatz vom 03.12.2018 beigetreten; ausweislich des Protokolls vom 04.12.2018 ist der Schriftsatz den Parteien – und damit auch der Klägervertreterin – im Termin übergeben worden. Sie hat sodann in Kenntnis des Beitritts den Antrag aus der Klageschrift gestellt. Ein Antrag auf Zurückweisung eines Streitbeitritts ist jedoch dann ausgeschlossen, wenn die Partei in Kenntnis bzw. fahrlässiger Unkenntnis des behaupteten Mangels in der ersten mündlichen Verhandlung, an der der Streitgehilfe teilgenommen hat, keinen Antrag gestellt hat (OLG Köln, NJW-RR 2010, 1679, mwN zur Literatur).

Jedenfalls aber liegt das rechtliche Interesse der Streithelferin auf der Hand. Die Klägerin nimmt die Beklagte aufgrund einer Veröffentlichung auf der Internetseite der Streithelferin in Anspruch. Hätte die Klägerin Erfolg, käme möglicherweise ein Regress gegen die Streithelferin in Betracht. Dies reicht aus, um ein rechtliches Interesse nach § 66 I ZPO zu begründen.

3.) Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Im Beschwerdeverfahren sind die Kosten der Streithelferin nicht erstattungsfähig, da diese sich insoweit am Verfahren nicht beteiligt hat.

4.) Die Rechtsbeschwerde war mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 574 II ZPO nicht zuzulassen. Die Abweichung von der Rechtsprechung des LG Hamburg stellt keinen Zulassungsgrund dar, da diese zum einen nicht rechtskräftig ist und zum anderen eine Divergenz nur vorliegt, wenn von einer Entscheidung eines höherrangigen oder gleichrangigen Gerichts abgewichen wird (BGH NJW 2002, 2473).

5.) Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Jetzt zum Newsletter anmelden!

Erlaubnis zum Versand des Newsletters: Ich möchte regelmäßig per E-Mail über aktuelle News und interessante Entwicklungen aus den Tätigkeitsfeldern der Anwaltskanzlei Hild & Kollegen informiert werden. Diese Einwilligung zur Nutzung meiner E-Mail-Adresse kann ich jederzeit für die Zukunft widerrufen, in dem ich z. B. eine E-Mail an newsletter [at] kanzlei.biz sende. Der Newsletter-Versand erfolgt entsprechend unserer Datenschutzerklärung.

n/a