„Hörermarkt“ sichert Frequenzstandpunkt

13. Oktober 2017
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Mikrofon im Tonstudio Urteil des OLG München vom 27.07.2017, Az.: U 2879/16 Kart

Frequenzwechsel sind auch gegen den Willen eines Radiosenders zulässig, wenn dieser ein werbefreies und kostenloses Hörfunkprogramm ausstrahlt. Wird das Programm in Erfüllung des rundfunkrechtlichen Grundversorgungsauftrags kostenlos ausgestrahlt, nimmt der Sender nicht an einem relevanten Hörermarkt teil. Daher finden sämtliche Normen des UWG, die einen Frequenzwechsel verhindern könnten, von vornherein keine Anwendung.

Oberlandesgericht München

Urteil vom 27.07.2017

Az.: U 2879/16 Kart

 

Tenor

1. Die Berufungen der Klägerinnen zu 1. bis 5., zu 7. bis 20. und zu 22. bis 40. gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 7. Juni 2016 werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziffer II. des landgerichtlichen Urteils lautet:

II. Von den Kosten des Rechtsstreits im ersten Rechtszug haben die Klägerin zu 3.
11/50 und die übrigen Klägerinnen jeweils 1/50 zu tragen.

2. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin zu 3. 11/48 und die Klägerinnen zu 1., zu 2., zu 4., zu 5., zu 7. bis 20. und zu 22. bis 40. jeweils 1/48 zu tragen.

3. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind im Kostenausspruch vorläufig vollstreckbar. Die Klägerinnen können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115% des zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

A. Die Parteien streiten um die lauterkeits- und kartellrechtliche Zulässigkeit der Änderung des Verbreitungswegs eines öffentlich-rechtlichen Hörfunkprogramms.

Jedenfalls die Klägerinnen zu 2. bis 4., zu 6. bis 32. und zu 34. bis 40. strahlen in B. im UKW-Bereich private, werbefinanzierte Hörfunkprogramme aus. Die Klägerin zu 3. strahlt ihr Programm bayernweit aus, die übrigen Klägerinnen lokal.

Der Beklagte, der Bayerische Rundfunk, veranstaltet unter anderem das terrestrisch nur digital über DAB+ ausgestrahlte, werbefreie Jugendhörfunkprogramm … und das terrestrisch sowohl analog über UKW als auch digital über DAB+ ausgestrahlte Hörfunkprogramm für klassische Musik …-Klassik.

In einer Pressemitteilung vom 10. Juli 2014 (vgl. Anl. K 11) teilte der Beklagte einen Beschluss seines Rundfunkrats mit, dass unter bestimmten Bedingungen das Programm … von 2018 an über die UKW-Frequenzen des Programms …-Klassik ausgestrahlt werden solle.

Die Klägerinnen zu 1., zu 5. und zu 33. tragen vor, auch sie strahlten eigene Programme aus, und sind der Auffassung, deshalb Mitbewerberinnen des Beklagten zu sein.

Die Klägerinnen behaupten, die Umsetzung des angekündigten Vorhabens würde eine massive Abwanderung ihrer Hörer zu … und damit bei ihnen zu massiven Einbrüchen der Werbeeinnahmen führen. Sie erachten das Vorhaben als insbesondere deshalb lauterkeitsrechtlich unzulässig, weil es gegen Vorschriften des Rundfunkstaatsvertrags verstoße, die Marktverhaltensregelungen i. S. d. § 3a UWG darstellten, nämlich § 11c Abs. 2 Satz 6 RStV, wonach der Austausch eines in digitaler Technik verbreiteten Programms gegen ein in analoger Technik verbreitetes Programm nicht zulässig ist, sowie gegen § 19 Satz 3 RStV, wonach die analoge Verbreitung bisher ausschließlich digital verbreiteter Programme unzulässig ist. Das Vorhaben sei auch kartellrechtlich unzulässig, weil sie der marktbeherrschende Beklagte dadurch unbillig behindere.

Die Klägerinnen haben beantragt,
den Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, einen Frequenzwechsel vorzunehmen, bei dem das bisher digital ausgestrahlte Jugendradio … den U. Platz des Hörfunkprogramms …-Klassik einnimmt.

Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 7. Juni 2016, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

Hiergegen wenden sich die Klägerinnen zu 1. bis 5., zu 7. bis 20. und zu 22. bis 40. mit ihren Berufungen. Sie wiederholen und vertiefen ihr Vorbringen aus dem ersten Rechtszug und beantragen,
das landgerichtliche Urteil abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung von Ordnungsmitteln zu unterlassen, einen Frequenzwechsel vorzunehmen, bei dem das bisher digital ausgestrahlte Jugendradio … den UKW-Sendeplatz des Hörfunkprogramms …-Klassik einnimmt.

Der Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil und beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat haben die berufungsführenden Klägerinnen erklärt, ihr Begehren primär auf lauterkeitsrechtliche und in zweiter Linie auf kartellrechtliche Ansprüche zu stützen.

Im Übrigen wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 27. April 2017 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

B. Die zulässigen Berufungen der Klägerinnen zu 1. bis 5., zu 7. bis 20. und zu 22. bis 40. sind unbegründet.

I.

Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Klage dieser Parteien zulässig.

1. Der Klageantrag ist hinreichend bestimmt i. S. d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

Nach dieser Vorschrift darf ein Verbotsantrag nicht derart undeutlich gefasst sein, dass Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 ZPO) nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und letztlich die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen bleibt (vgl. BGH GRUR 2017, 537 – Konsumgetreide Tz. 12 m. w. N.). Diesen Anforderungen genügt der Klageantrag.

Zwar ist der im Klageantrag verwendete Begriff der Vornahme eines Frequenzwechsels insoweit unklar, als er sowohl die bloße Änderung der beklagteninternen Frequenzzuweisung zu den einzelnen Programmen als auch die Ausstrahlung der betroffenen Programme auf den neuen Frequenzen in Vollzug der Zuweisungsänderung bezeichnen kann. Für das Verständnis eines im Klageantrag verwendeten Begriffs kann indes auf das klägerische Vorbringen zurückgegriffen werden (vgl. BGH GRUR 2012, 405 – Kreditkontrolle Tz. 11 m. w. N.); im Streitfall haben die Klägerinnen bereits in der Klageschrift (vgl. dort S. 25 f.) und später (vgl. etwa S. 26 der Berufungsbegründung v. 10. Oktober 2016 = Bl. 464 d. A. oder S. 11, 14 u. 19 d. klägerischen Schriftsatzes v. 13. April 2017 = Bl. 595, 598 u. 603 d. A.) klargestellt, dass sie sich gegen die Ausstrahlung des Programms … auf UKW wenden. Damit ist hinreichend klar, worauf der Klageantrag gerichtet ist.

Auch unter dem Gesichtspunkt der Unzulässigkeit einer alternativen Klagehäufung mangels Bestimmtheit (vgl. BGH GRUR 2017, 397 – World of Warcraft II Tz. 28; GRUR 2011, 521 – TÜVI Tz. 8 ff.) bestehen schon deshalb keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage, weil die Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Reihenfolge der Prüfung ihrer Ansprüche bestimmt haben.

2. Entgegen der Auffassung des Beklagten betrifft die Frage der Mitbewerbereigenschaft der Klägerinnen gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1, § 2 Nr. 3 UWG deren Aktivlegitimation und damit nicht die Zulässigkeit der Klage, sondern deren Begründetheit (vgl. Köhler in: Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Aufl. 2017, § 8 UWG Rz. 3.8a).

Nichts anderes gilt für die Betroffeneneigenschaft gemäß § 33 Abs. 1 GWB (vgl. Bech-told/Bosch, GWB, 8. Aufl. 2015, § 33 Rz. 10).

II.
Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
1. Den Klägerinnen stehen die geltend gemachten Unterlassungsansprüche schon deshalb nicht gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Nr. 1, § 3a UWG zu, weil das beanstandete Verhalten des Beklagten nicht unlauter i. S. d. § 3 Abs. 1 UWG ist. Es bedarf daher weder einer Klärung, ob auch die Klägerinnen zu 1., zu 5. und zu 33. Mitbewerber des Beklagten sind, weil sie eigene Programme ausstrahlen, noch einer Entscheidung darüber, ob die Presseerklärung des Beklagten vom 10. Juli 2014 die Annahme rechtfertigt, es drohe die Vornahme des beanstandeten Verhaltens, und dadurch eine Erstbegehungsgefahr im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 2 UWG begründet worden ist.

a) Die beanstandete Ausstrahlung des Programms … auf UKW-Frequenzen stellt entgegen der Auffassung des Landgerichts keine geschäftliche Handlung i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar.

aa) Nach dieser Vorschrift ist geschäftliche Handlung jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt.

Im Streitfall fehlt es an einem derartigen Zusammenhang mit dem Absatz von Waren oder Dienstleistungen. Insbesondere setzt der Beklagte seine Leistung in Gestalt der Ausstrahlung des Programms … nicht im Sinne dieser Vorschrift ab, da er sie in Erfüllung seines rundfunkrechtlichen Grundversorgungsauftrags kostenlos erbringt; der Begriff des Absatzes eines Produkts erfordert aber, dass das Produkt gegen Entgelt – im weitesten Sinne – vertrieben wird (vgl. Köhler, a. a. O., § 2 UWG Rz. 21; Keller in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 4. Aufl. 2016, § 2 Rz. 27; Lehmler in: Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz -Urheberrecht – Medienrecht, 3. Aufl. 2015, § 2 UWG Rz. 11; jeweils m. w. N.). Die Entrichtung des Rundfunkbeitrags ist hierfür nicht zu berücksichtigen, denn sie stellt als öffentlichrechtliche Abgabe, die ohne Rücksicht auf die Nutzungsgewohnheiten erhoben wird, keine Entgeltleistung für tatsächlich empfangene Sendungen dar (vgl. BVerwGE 154, 275 Tz. 22).

Im Streitfall kommt auch nicht in Betracht, die Ausstrahlung der Programminhalte als Leistung anzusehen, durch welche die Attraktivität des Gesamtprogramms einschließlich von Werbesendungen erhöht wird und die deshalb Teil dessen ist, was durch die für die Werbesendungen geleisteten Entgelte abgegolten wird, denn das Programm … enthält keine Werbung.

Es ist auch nichts dafür erkennbar, dass das Programm … dazu verwendet werden könnte, dorthin Programmteile auszulagern, die nur einen geringen oder einen kaufkraftschwachen Teil von Hörern ansprechen und so die anderen Hörfunkprogramme, in denen der Beklagte Werbung ausstrahlt, stärker auf den Geschmack kaufkräftiger Hörer zurecht zu schneiden und so diese Programme für die angesprochenen Hörer und damit die Werbenden interessanter zu gestalten (vgl. dazu die von den Klägerinnen angeführte Entscheidung OLG Dresden GRUR 1996, 73 [74] – MDR-Sputnik).

b) Selbst wenn die Vornahme des Frequenzwechsels eine geschäftliche Handlung darstellte, könnte sie nicht als unlauter angesehen werden.

aa) Unlauterkeit wegen Rechtsbruchs gemäß § 3a UWG liegt nicht vor. Nach dieser Vorschrift handelt unlauter, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

(1) Die Vorschriften des § 11c Abs. 2 Satz 6 und des § 19 Satz 3 RStV stellen keine Marktverhaltensregelungen im Sinne des § 3a UWG dar.

aaa) Eine Norm regelt das Marktverhalten im Interesse der Mitbewerber, Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer, wenn sie einen Wettbewerbsbezug in der Form aufweist, dass sie die wettbewerblichen Belange der als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in Betracht kommenden Personen schützt. Eine Vorschrift, die dem Schutz von Rechten, Rechtsgütern oder sonstigen Interessen von Marktteilnehmern dient, ist eine Marktverhaltensregelung, wenn das geschützte Interesse gerade durch die Marktteilnahme, also durch den Ab-schluss von Austauschverträgen und den nachfolgenden Verbrauch oder Gebrauch der erworbenen Ware oder in Anspruch genommenen Dienstleistung berührt wird. Nicht erforderlich ist eine spezifisch wettbewerbsbezogene Schutzfunktion in dem Sinne, dass die Regelung die Marktteilnehmer speziell vor dem Risiko einer unlauteren Beeinflussung ihres Marktverhaltens schützt. Die Vorschrift muss jedoch – zumindest auch – den Schutz der wettbewerblichen Interessen der Marktteilnehmer bezwecken; lediglich reflexartige Auswirkungen zu deren Gunsten genügen daher nicht (vgl. BGH, a. a. O., – Konsumgetreide Tz. 20 m. w. N.).

bbb) Danach sind die genannten Vorschriften des Rundfunkstaatsvertrags keine Marktverhaltensregelungen i. S. d. § 3 a UWG.

Allein der Umstand, dass in der Präambel des Rundfunkstaatsvertrags das auch die Interessen der privaten Rundfunkveranstalter betreffende duale Rundfunksystem angesprochen wird, führt entgegen der Auffassung der Klägerinnen nicht dazu, dass dem Rundfunkstaatsvertrag insgesamt und damit jeder einzelnen seiner Regelungen der Zweck zugeschrieben werden könnte, das Marktverhalten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zum Schutze der privaten Veranstalter zu regeln. Es bedarf vielmehr einer konkreten Prüfung jeder Regelung auf ihre Schutzrichtung.
§ 11c Abs. 2 Satz 6 RStV soll die von den vertragschließenden Ländern angestrebte Entwicklung hin zur Digitalisierung dadurch fördern, dass der „Rückfall“ eines ausschließlich digital gestarteten Programms in die analoge Verbreitung verhindert wird (vgl. BayLT-Drs. 16/260 S. 16 li. Sp.). Entgegen der Auffassung der Klägerinnen verleiht der Umstand, dass private Rundfunkveranstalter terrestrisch lediglich den analogen Übertragungsweg nutzen mögen, einer rundfunkrechtlichen Unterscheidung der Übertragungswege nicht ohne weiteres den Charakter einer Marktverhaltensregelung, weil sich daraus allein nicht ergibt, dass mit dieser Unterscheidung der Schutz der wettbewerblichen Interessen der Marktteilnehmer bezweckt würde. Andere Umstände, die darauf hinweisen könnten, dass die Regelung des § 11c Abs. 2 Satz 6 RStV sich nicht nur lediglich reflexartig zugunsten der privaten Rundfunkveranstalter auswirkt, sondern deren Schutz bezweckt, werden von den Klägerinnen nicht dargetan und sind auch sonst nicht ersichtlich. Ein Schutzbezug zu privaten Rundfunkveranstaltern weist die Vorschrift deshalb nicht auf.

Für die Regelung in § 19 Satz 3 RStV gilt nichts anderes. Zur gesamten Vorschrift des § 19 RStV nimmt die amtliche Begründung nicht auf den Schutz privater Rundfunkveranstalter Bezug, sondern nur auf die verfassungsrechtlich geschützte Entwicklungsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (vgl. BayLT-Drs. 16/260 S. 22 re. Sp.). Das Verbot der analogen Verbreitung bisher ausschließlich digital verbreiteter Programme in § 19 Satz 3 RStV kann daher lediglich als – weitere, neben dem sich aus § 19 Satz 2 RStV ergebenden Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit bestehende – Einschränkung der grundsätzlichen Wahlfreiheit der Übertragungswege gemäß § 19 Satz 1 RStV verstanden werden, die das Ziel der Digitalisierung der Übertragungswege fördern soll (so auch S. 31 d. klägerischen Schriftsatzes v. 11. April 2017 = Bl. 574 d. A.), ohne dass damit auch der Schutz privater Rundfunkveranstalter angesprochen wäre.

ccc) Im Übrigen widerspricht Art. 2 Abs. 4 BayRG nach dem Beschluss des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 17. Juli 2017 VII-15, dort Tz. 62 ff., den Regelungen in § 11c Abs. 2 Satz 6 und § 19 Satz 3 RStV inhaltlich nicht, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, der streitgegenständliche, von Art. 2 Abs. 4 BayRG getragene Wechsel des Verbreitungswegs des Programms … verletze den Rundfunkstaatsvertrag.

(2) Es kann dahin stehen, ob der Beklagte – wie die Klägerinnen meinen – mit dem Wechsel der UKW-Frequenzbelegung von …-Klassik zu … gegen seinen rundfunkrechtlichen Grundversorgungsauftrag verstößt. Denn dieser stellt ebenfalls keine Marktverhaltensregelung i. S. d. § 3a UWG dar. Vielmehr trifft dieser sich aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ergebende Funktionsauftrag die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gerade als Gegengewicht zu den privaten Veranstaltern (vgl. BVerfGE 136, 9 Tz. 31 f. [in juris Tz. 36 f.]; 119, 181 [217 f.]; jeweils m. w. N.); ihm kann keineswegs der Zweck beigemessen werden, private Veranstalter als Marktteilnehmer zu schützen.

bb) Der beanstandete Frequenzwechsel verstößt auch nicht gegen das generelle Verbot unlauterer geschäftlicher Handlungen nach § 3 Abs. 1 UWG.

(1) Insbesondere kann der von den Klägerinnen angenommene Verstoß gegen § 11c Abs. 2 Satz 6 oder § 19 Satz 3 RStV oder den Grundversorgungsauftrag des Beklagten nicht zur Begründung dieses Vorwurfs herangezogen werden.

Der Gesetzgeber hat mit dem Erlass des § 4 Nr. 11 UWG im Jahr 2004, dem der nunmehr geltende § 3a UWG entspricht (vgl. BGH GRUR 2017, 409 – Motivkontaktlinsen Tz. 12), zum Ausdruck gebracht, dass Verstöße gegen außerwettbewerbsrechtliche Rechtsnormen allein unter den besonderen Voraussetzungen dieser Vorschrift als unlauter anzusehen sind. Er hat sich dabei von der Erwägung leiten lassen, dass es nicht Aufgabe des Lauterkeitsrechts sein kann, alle nur denkbaren Gesetzesverstöße im Zusammenhang mit geschäftlichen Handlungen (auch) lauterkeitsrechtlich zu sanktionieren, sofern sie sich auf das Marktverhalten der Marktteilnehmer auswirken. Aus diesem Grund können Verstöße gegen außerwettbewerbsrechtliche Normen, die keine Marktverhaltensregelungen i. S. d. § 3a UWG sind, nicht allein wegen ihrer – nach Auffassung der Klägerinnen bestehenden – Gesetzeswidrigkeit nach § 3 UWG als unlauter angesehen werden (vgl. BGH GRUR 2016, 513 – Eizellspende Tz. 35).

(2) Die beanstandete Maßnahme ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt der allgemeinen Marktbehinderung unlauter.

Eine solche soll dann vorliegen, wenn ein für sich genommen zwar nicht unlauteres, aber immerhin bedenkliches Wettbewerbsverhalten die ernstliche Gefahr begründet, dass der auf der unternehmerischen Leistung beruhende Wettbewerb in erheblichem Maß eingeschränkt wird (vgl. BGH GRUR 2010, 455 – Stumme Verkäufer II Tz. 20 m. w. N.). Mangelt schon dem Merkmal des nicht unlauteren, aber gleichwohl bedenklichen Wettbewerbsverhaltens jegliche Kontur, so erschöpft sich im Streitfall das Vorbringen der Klägerinnen zum Ausmaß der Einschränkung ihrer Teilnahme am Wettbewerb im Wesentlichen in der allgemeinen Behauptung, die UKW-Ausstrahlung des Programms … werde zu Einbrüchen bei ihren Werbeeinnahmen in mehrfacher Millionenhöhe führen, und reicht nicht aus, die Annahme einer existenzgefährdenden Beeinträchtigung, wie sie für einen Anspruch wegen allgemeiner Marktbehinderung erforderlich wäre (vgl. BGH GRUR 2004, 877 [880] – Werbeblocker), durch konkreten Tatsachenvortrag zu stützen.

Die Einschätzung, der Beklagte handele unverhältnismäßig, weil es im Rahmen des Grundversorgungsauftrags nicht erforderlich sei, einen Frequenzwechsel vorzunehmen, sondern es ausreiche, die bereits bestehenden UKW-Programme zu „verjüngen“, um eine zusätzliche junge Hörerschaft zu erschließen, ist schon deshalb nicht geeignet, die Annahme einer unlauteren allgemeinen Marktbehinderung zu stützen, weil solche Maßnahmen zwangsläufig dazu führten, dass die Interessen älterer Hörer in geringerem Maße berücksichtigt würden, und deshalb mit Blick auf die Erfüllung des Grundversorgungsauftrags insgesamt nicht gleich wirksam wären.

2. Den Klägerinnen stehen die geltend gemachten Unterlassungsansprüche auch nicht aus § 33 Abs. 1 Satz 2 GWB i. V. m. § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB oder Art. 102 AEUV zu.

a) Die beanstandete Maßnahme stellt keine unbillige Behinderung i. S. d. § 19 Abs. 2 Nr. 1, § 20 Abs. 3 GWB dar.

aa) Der Beklagte ist schon nicht Normadressat dieser Vorschriften.

(1) Zwar sind gemäß § 185 Abs. 1 Satz 1 GWB die Vorschriften des Ersten bis Dritten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen und damit diejenigen der §§ 18 f. GWB auch auf Unternehmen anzuwenden, die ganz oder teilweise im Eigentum der öffentlichen Hand stehen oder die von ihr verwaltet oder betrieben werden. Der Beklagte ist indes im Rahmen der beanstandeten Maßnahme nicht als Unternehmen anzusehen.

Die Erstellung und Verbreitung der Hörfunk- und Fernsehprogramme des Beklagten, einer Anstalt des öffentlichen Rechts, dient als Medium und Faktor des Prozesses freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung (§ 11 RStV). Die beanstandete Maßnahme verfolgt als Teil der Programmgestaltung keine wirtschaftlichen Ziele und unterliegt deshalb nicht dem Kartellrecht (vgl. Stadler in: Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, 12. Aufl. 2014, Bd. 1 § 130 GWB Rz. 49). Zwar kann auch eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt wirtschaftliche Ziele verfolgen (und ist dann als Unternehmen im Sinne des Kartellrechts anzusehen), etwa hinsichtlich der Vergütung für die Einräumung des Rechts der Kabel weitersendung, durch Sponsoring und Produktplatzierung oder in gewissem Umfang auch sonstige kommerzielle Tätigkeiten gemäß § 16a RStV (vgl. BGH NJW 2016, 74 – Einspeiseentgelt Tz. 37). Dem Parteivorbringen kann indes nicht entnommen werden, dass im Streitfall derartige Ziele verfolgt würden; insbesondere enthält das Programm …, gegen dessen Ausstrahlung auf UKW-Frequenzen sich die Klägerinnen wenden, keine Werbung und dient daher nicht der Einnahmenerzielung.

(2) Entsprechend kann auch nicht von einer Marktbeherrschung des Beklagten ausgegangen werden.

Als sachlich relevanter Markt käme allein ein „Hörermarkt“ in Betracht, nicht auch ein Hörfunkwerbemarkt, weil das von der beanstandeten Maßnahme betroffene Programm … werbefrei ausgestrahlt wird, der Beklagte also mit der von den Klägerinnen angegriffenen Verlagerung dieses Programms in den UKW-Verbreitungsweg nicht auf dem Hörfunkwerbemarkt agiert.

Einen „Hörermarkt“ gibt es indes nicht, weil die Leistungen der Rundfunkveranstalter den Hörern kostenlos zur Verfügung gestellt werden und es daher an der für einen Markt erforderlichen Austauschbeziehung fehlt (vgl. Kühnen in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Kersting/Meyer-Lindemann, Kartellrecht, 3. Aufl. 2016, § 18 GWB Tz. 41; Bechtold/Bosch, a. a. O., § 18 Rz. 21; Fuchs/Möschel in: Immenga/Mestmäcker, GWB, 5. Aufl. 2014, § 18 Rz. 50).

Zwar kann auch ohne Entgeltleistung ein Markt vorliegen (vgl. § 18 Abs. 2a GWB in der seit dem 9. Juni 2017 geltenden Fassung). Allerdings rechtfertigt die Feststellung einer unentgeltlichen Austauschbeziehung nicht stets die Annahme, dass ein wettbewerbsrechtlich relevanter Markt vorliege; werden unentgeltliche Leistungen aus nichtwirtschaftlichen Motiven angeboten, ohne Teil einer zumindest mittelbar oder längerfristig auf Erwerbszwecke angelegten Strategie zu sein, fehlt die entsprechende Relevanz (vgl. BT-Drs. 18/10207 S. 48). Im Streitfall bietet der Beklagte seine Leistungen in Erfüllung seines rundfunkrechtlichen Grundversorgungsauftrags, also aus nichtwirtschaftlichen Gründen, an, so dass die Annahme eines Marktes nicht in Betracht kommt.

(3) Im Übrigen wäre die sich aus der Ausstrahlung des Programms … auf den UKW-Frequenzen ergebende Behinderung der Klägerinnen, die darin liegt, dass dadurch deren für den Werbemarkt bedeutsamen Hörerzahlen und die damit verbundenen Einnahmen sinken dürften, nicht unbillig i. S. d. § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB.

Ob eine Behinderung unbillig ist, ist aufgrund einer Gesamtwürdigung und Abwägung aller beteiligten Interessen zu beurteilen, die sich an der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes zu orientieren hat (st. Rspr., vgl. BGH NJW 2016, 2504 – JaguarVertragswerkstatt Tz. 31 m. w. N.).

aaa) Entgegen der Auffassung der Klägerinnen ergibt sich die Unbilligkeit der Behinderung nicht aus einer Verletzung der rundfunkrechtlichen Vorschriften in § 11c Abs. 2 Satz 6 und § 19 Satz 3 RStV.

Nach dem Beschluss des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 17. Juli 2017 VII-15, dort Tz. 62 ff., widerspricht Art. 2 Abs. 4 BayRG den Regelungen in § 11c Abs. 2 Satz 6 und § 19 Satz 3 RStV inhaltlich nicht, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, der streitgegenständliche, von Art. 2 Abs. 4 BayRG getragene Wechsel des Verbreitungswegs des Programms … verletze den Rundfunkstaatsvertrag.

Im Übrigen hat das Ziel der rundfunkrechtlichen Vorschriften in § 11c Abs. 2 Satz 6 und § 19 Satz 3 RStV, die Digitalisierung der Übertragungswege zu fördern (vgl. BayLT-Drs. 16/260 S. 16 li. Sp.), ausschließlich rundfunkrechtliche Bedeutung und ist wettbewerbsrechtlich neutral. Die von den Klägerinnen postulierte Verletzung dieser Vorschriften ist auch deshalb nicht geeignet, die kartellrechtliche Unbilligkeit der mit der angegriffenen Maßnahme einhergehenden Behinderungen zu begründen (vgl. zu außerhalb des GWB stehenden wirtschaftspolitischen Zielen BGH, Urt. v. 24. September 1979 – KZR 20/78, – Modellbauartikel II, juris, dort Tz. 27 [insoweit in GRUR 1980, 125 nicht abgedruckt] Loewenheim in: Loewenheim/Meessen/Riesen-kampff/Kersting/Meyer-Lindemann, a. a. O., § 19 GWB Tz. 24).

bbb) Dass der Beklagte durch Rundfunkbeiträge finanziert wird, kann nicht als Einsatz eines leistungsfremden Mittels angesehen werden, der zur Unbilligkeit der Behinderung führte. Gleiches gilt sowohl für den – von den Klägerinnen als selbstschädigendes Verhalten bezeichneten Umstand, dass der Beklagte mit der beanstandeten Maßnahme seine eigenen finanziellen Interessen dadurch beeinträchtigt, dass auch Hörer seiner eigenen UKW-Hörfunkprogramme mit Werbung zu … abwandern könnten, als auch dafür, dass der Beklagte – anders als die Klägerinnen – aufgrund seiner öffentlich-rechtlichen Sonderstellung über fünf landesweite UKWFrequenzen verfügt. Diese Umstände beruhen auf dem besonderen rundfunkrechtlichen Auftrag des Beklagten zur Grundversorgung und sind nicht geeignet, die kartellrechtliche Unbilligkeit zu begründen.

b) Aus dem kartellrechtlichen Missbrauchsverbot nach Art. 102 AEUV kann eine Unzulässigkeit der Verbreitung des Programms … gleichfalls nicht hergeleitet werden. Aus denselben Erwägungen wie zu § 19 GWB ergibt sich, dass auch eine missbräuchliche Ausnutzung der marktbeherrschenden Stellung i. S. d. Art. 102 AEUV durch den Beklagten nicht vorliegt (vgl. zum Gleichlauf der erforderlichen Interessenabwägungen BGH NJW 2016, 2266 – Pechstein Tz. 66).

Es bedarf daher auch keiner Entscheidung, ob die unionsrechtlichen Wettbewerbsregeln im Streitfall gemäß Art. 106 Abs. 2 Satz 1 AEUV unanwendbar sind.

C. 1. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO hinsichtlich der Kosten des Berufungsverfahrens.

Hinsichtlich der Kosten des ersten Rechtszugs ist eine Abänderung geboten. Zum einen kommt eine gesamtschuldnerische Kostentragungspflicht der unterliegenden Klageparteien – selbst bei Gesamtgläubigerschaft, die im Streitfall nicht vorliegt – nicht in Betracht (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 17. September 1990 – 5 W 309/90, juris, dort Tz. 4; Hüßtege in: Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl. 2016, § 100 Rz. 11; Herget in: Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 100 Rz. 13; Schulz in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2016, § 100 Rz. 12), zum anderen ist eine Anpassung der Kostentragungslast an die unterschiedlichen Beteiligungen der Klägerinnen am Rechtsstreit gemäß § 100 Abs. 2 ZPO geboten.

Bei der Bestimmung der Quoten folgt der Senat den Angaben der Klägerinnen auf Seite 60 der Klageschrift, wonach auf die Klägerin zu 3. ein Teilstreitwert von 220.000,- € entfällt und auf die übrigen Klägerinnen jeweils ein Teilstreitwert von 20.000,- €.

2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

3. Die Revision ist zuzulassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

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