Deutscher Rundfunkbeitrag vor dem Europäischen Gerichtshof

23. Oktober 2018
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Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hat sich mit dem allgemeinen Rundfunkbeitrag in Deutschland befasst, der zur Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten dient. Das Landgericht Tübingen hatte dem EuGH einen Fragenkatalog zur Prüfung vorgelegt, der die Vereinbarkeit der Erhebung des Beitrags mit europarechtlichen Vorschriften in Zweifel zieht. Generalanwalt Campos Sánchez-Bordona schlug dem Gerichtshof diesbezüglich vor, festzustellen, dass das aktuelle Verfahren zur Erhebung des Beitrags nicht europarechtswidrig ist.

In einer Entscheidung aus dem Jahr 2007 hatte die Europäische Kommission festgestellt, dass die Finanzierungsmethode des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland als „bestehende Beihilfe“ im Sinne des Unionsrechts qualifiziert werden kann. Dies besagt, dass die Beihilfe bereits vor dem Inkrafttreten des Vertrags bestand, der eine Mitteilungspflicht im Falle der Erhebung einer solchen Beihilfe oder einer wesentlichen Änderung an einer bereits bestehenden Beihilfe an die Europäische Kommission vorsieht.

Im Jahr 2013 wurde das Kriterium für die Erhebung des Rundfunkbeitrags geändert: Bis zu diesem Zeitpunkt wurde der Rundfunkbeitrag aufgrund des Besitzes von Rundfunkempfangsgeräten in einer Wohnung fällig, seit 2013 reicht der bloße Besitz einer Wohnung als Eigentümer oder Mieter aus. Diese Änderung wurde von mehreren Beitragspflichtigen vor dem Landgericht Tübingen angefochten. Infolgedessen hat das Gericht mehrere Vorlagefragen zur Vereinbarkeit des Rundfunkbeitrags mit dem Unionsrecht beim Europäischen Gerichtshof eingereicht.

Konkret hat das Landgericht Tübingen dem EuGH drei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt: Zunächst fragte das Gericht an, ob die Änderung in Bezug auf das Erhebungskriterium des Beitrags eine wesentliche gesetzliche Umgestaltung darstellt, die der Europäischen Kommission hätte mitgeteilt werden müssen.

Generalanwalt Campos Sánchez-Bordona legt in seinen Schlussanträgen dar, dass das deutsche Gesetz zur Änderung der Entstehungskriterien des Rundfunkbeitrags keine Änderung einer bestehenden Beihilfe darstellt und deshalb keine neue Beihilfe schafft, die bei der Kommission angemeldet und von ihr hätte genehmigt werden müssen. Nach seiner Ansicht führt die Gesetzesänderung zu keiner wesentlichen Umgestaltung der Beihilfe, weil es sich bei den Beihilfeempfängern weiterhin um die öffentlichen Rundfunkanstalten handelt. Weder der Zweck der Maßnahme, der in der Finanzierung der öffentlichen Dienstleistung besteht, noch der Kreis der subventionierten Tätigkeiten habe sich verändert. Außerdem hätten die staatlichen Behörden dafür zu sorgen, dass die Rundfunkanstalten über Mittel zur Erfüllung ihres öffentlich-rechtlichen Auftrags verfügen.

Die Erhöhung der Zahl der Beitragspflichtigen durch die Gesetzesänderung sowie die angebliche Erhöhung des erzielten endgültigen Beitragsaufkommens hält der Generalanwalt für grundsätzlich irrelevant für die Beurteilung. Die Reform diene unter anderem dem Zweck, die Beitragserhebung aufgrund der zunehmenden Säumigkeit zu vereinfachen. Deshalb könne die bloße Änderung der Grundlage für die Bestimmung der zahlungspflichtigen Personen für sich allein die Höhe der von den Rundfunkanstalten erhaltenen Beihilfen nicht ändern und daher keinen Einfluss auf die Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt haben.

Außerdem sollte festgestellt werden, ob der Rundfunkbeitrag eine gegen Unionsrecht verstoßende bevorzugende Beihilfe zur technischen Ausgrenzung von Sendern aus EU-Staaten beinhaltet, da die Beiträge unter anderem dazu verwendet werden, den Übergang vom digitalen Übermittlungsweg für DVB-T-Signale zu dem moderneren DVB-T2-Verfahren zu ermöglichen, von dem Sender aus anderen Mitgliedsstaaten ausgeschlossen sind.

Die Tatsache, dass die mit dem Rundfunkbeitrag vereinnahmten Mittel dazu dienen, den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanbietern Zugang zur DVB-T2-Technologie zu verschaffen, führt laut Campos Sánchez-Bordona nicht zur Ungültigkeit der Rechtsgrundlage für den Beitrag und beinhalte nicht notwendigerweise eine mit dem Vertrag über die Arbeitsweise der europäischen Union (AEUV) unvereinbare staatliche Beihilfe. Insbesondere entstehe durch die Nutzung der DVB-T2-Technologie keine Monopolstellung, da die Technologie sowohl öffentlich-rechtlichen als auch privaten Rundfunkanbietern offensteht. Somit komme es nicht zu einer Privilegierung der deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gegenüber privaten Anbietern.

Des Weiteren sollte entschieden werden, ob es eine rechtswidrige Privilegierung darstellt, dass öffentlich-rechtliche Fernsehsender nicht wie ihre privaten Wettbewerber etwaige Forderungen gegenüber Zuschauern bei ordentlichen Gerichten titulieren lassen müssen, sondern selbst ohne Gericht einen Titel schaffen dürfen, der gleichermaßen zur Zwangsvollstreckung berechtigt.

Der Generalanwalt sieht keinen Anlass zur Beanstandung des Mechanismus der Zwangsvollstreckung von nicht gezahlten Beiträgen durch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Das Unionsrecht stehe der deutschen Regelung, die es den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gestattet, zur Betreibung rückständiger Beiträge ihre eigenen Vollstreckungstitel auszustellen und zu vollstrecken, ohne die ordentliche Gerichte anrufen zu müssen, nicht entgegen. Zwar könne dieses Vorrecht als Privilegierung gegenüber anderen privaten Wettbewerbern angesehen werden; allerdings diene der Beitrag nur der Finanzierung des öffentlichen Auftrags der Rundfunkanstalten, nicht aber etwaigen gewerblichen Tätigkeiten. Das Zwangsvollstreckungssystem trage zu einer effizienten Beitragserhebung bei. Jedenfalls habe die Kommission die Rechtmäßigkeit des Vorrechts der Vollstreckung von Rückständen in einem Verwaltungszwangsverfahren bereits 2007 festgestellt.

Zusammenfassend sieht Generalanwalt Campos Sánchez-Bordona in der Reform der Beitragserhebung keine neue Beihilfe, die bei der Kommission hätte angemeldet oder genehmigt werden müssen. Auch stehe das Unionsrecht der Befähigung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, zur Beitreibung rückständiger Beiträge eigene Vollstreckungstitel auszustellen und zu vollstrecken, nicht entgegen.

Die Schlussanträge des Generalanwalts entsprechen einem unabhängigen Entscheidungsvorschlag für die betreffende Rechtssache. Der Gerichtshof ist an diese Vorschläge nicht gebunden. Allerdings folgen die Richter des EuGH zumeist den Ausführungen in den Schlussanträgen, weshalb eine Bestätigung des Verfahrens zur Erhebung des Rundfunkbeitrags zu erwarten ist.

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