„New Deal for Consumers“: EU will Verbraucherschutz und dessen Durchsetzung stärken – Musterfeststellungsklage kommt in Deutschland
Einführung von Sammelklagen – Musterfeststellungsklage ab November in Deutschland
Verbraucherschutzorganisationen und Verbänden soll das Recht eingeräumt werden, im Namen von Geschädigten per Sammelklage gegen Unternehmen vor Gericht zu ziehen – eine Art der Rechtsdurchsetzung, die sonst vor allem aus den USA bekannt ist („class action“). Das Thema kam im Zuge des Dieselskandals auf die Agenda der Brüsseler Kommission. Ganz so amerikanisch, wie manch ein Unternehmen befürchten mag, wird es nun aber nicht. Klageberechtigte Institutionen dürfen nicht auf Gewinn ausgerichtet sein und unterliegen auch sonst relativ strikten Bedingungen. So soll die Entstehung einer „Klageindustrie“ vermieden werden.
Im Bundestag wurde derweil der Gesetzesentwurf zur Musterfeststellungsklage beschlossen. Dieser soll zum 01.11.2018 in Kraft treten und wird dadurch vor allem für geschädigte VW-Kunden interessant. Es handelt sich dabei um eine Verbandsklage, die z. B. von der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) erhoben werden kann. Auf die Klage des Verbandes hin eröffnet das Gericht ein Register, in das sich Geschädigte eintragen können. Bisher galt, dass jeder Kunde auf sich alleine gestellt war, wenn etwa Energieversorger, Banken und Co. unberechtigt Gebühren erhoben und so den Verbraucher widerrechtlich schädigten. Sowohl großer zeitlicher Aufwand als auch die Last des Prozessrisikos führten dazu, dass die Rechtsdurchsetzung durch die Geschädigten oftmals nicht konsequent betrieben wurde.
Nun wurde einem kleinen Kreis klagebefugter Verbände mit der Musterfeststellungsklage ein Instrument an die Hand gegeben, um Verbrauchern zu ihrem Recht zu verhelfen. Besonders interessant ist diese neu geschaffene Möglichkeit für Geschädigte des VW-Skandals. Deren Ansprüche würden Ende des Jahres verjähren. Für die Dauer der Musterfeststellungsklage ist die Verjährungsfrist für die Geltendmachung der Ansprüche der dem Verfahren angeschlossenen geschädigten Verbrauchern gehemmt. Die vzbv hat angekündigt, am Tag des Inkrafttretens, dem 01. November 2018, Klage erheben zu wollen. Ein daraufhin erwirktes Urteil im Wege der Musterfeststellungsklage wäre bindend.
Anpassung des Verbraucherschutzes im Bereich Online-Dienste
Dass Datenkraken wie Facebook und Google Einhalt geboten werden muss, fordern Datenschützer schon lange. Geht es nach der Kommission, sollen diese Anbieter besser über Vertragsbedingungen informieren. Auch ein 14-tägiges Widerrufsrecht soll Verbrauchern eingeräumt werden – analog zum Widerrufsrecht bei Online-Käufen. Ziel ist es, gleiche Rechte für Verbraucher in beiden Fällen zu etablieren, insbesondere vor dem Hintergrund des enormen Wertes persönlicher Daten. Neben den Betreibern sozialer Netzwerke, soll diese Regelung etwa auch für E-Mail-Provider und Cloud-Dienste gelten.
Veränderungen im Online-Handel: Schutz gegen unfaire kommerzielle Praktiken, aber auch Aufweichung des verbraucherfreundlichen Rückgaberechts
Im Allgemeinen will die EU-Kommission verstärkt gegen den Verbraucher benachteiligende kommerzielle Praktiken vorgehen, so etwa gegen unlautere, irreführende oder aggressive Werbung. Vor allem die Online-Giganten Amazon und Google sind zu mehr Transparenz angehalten. Künftig soll konkret dargelegt werden, anhand welcher Bewertungskriterien, die Position eines Artikels in den Suchergebnissen festgelegt wird. Darüber hinaus wird eine unmissverständliche Kennzeichnung von bezahlten Positionen gefordert.
Doch auch die Firmen sollen von einigen sie belastenden Pflichten entbunden werden. So erfahren die Bestimmungen zum Rückgaberecht Lockerung: Das Rückgaberecht des Kunden erlischt, wenn das Produkt bereits benutzt, d.h. nicht bloß wie im Rahmen eines Tests in einem Ladengeschäft ausprobiert wurde. Zudem ist der Verkäufer erst zur Kaufpreiserstattung verpflichtet, sobald die Ware wieder bei ihm angekommen ist.
Gemischte Reaktionen auf EU-Reform
Die Reaktionen fallen sehr unterschiedlich aus. Während Verbraucherschützer die lang geforderte Möglichkeit der Sammelklage ausdrücklich loben, sehen Gegner den Rechtsfrieden in Europa gefährdet. Zum Teil wird sogar in Frage gestellt, ob Sammelklagen überhaupt zu mehr Recht verhelfen würden. Die verbraucherfreundlichen Neuerungen im Online-Handel werden ebenso begrüßt, wie die Lockerung des Rückgaberechts kritisiert werden.