Markenrechtliche Verwechslungsgefahr zwischen „Weinstein“ und „WeinStein ums Eck“

16. Mai 2017
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Wein mit Käseplatte, Trauben und Apfel Urteil des OLG Frankfurt a. M. vom 23.02.2017, Az.: 6 U 86/16

Zwischen der für die Dienstleistung "Verpflegung von Gästen" eingetragenen Wortmarke "Weinstein" und dem den Verkauf von Weinen einschließlich deren Verkostung benutzten Zeichen "WeinStein ums Eck" besteht aufgrund der hohen Zeichenähnlichkeit Verwechslungsgefahr. Da nicht dargelegt wurde, ob unter der Bezeichnung "WeinStein ums Eck" tatsächlich auch die Dienstleistung "Bewirtung von Gästen" betrieben wurde, besteht auch kein Auskunftsanspruch.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Urteil vom 23.02.2017

Az.: 6 U 86/16

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 5. April 2016 verkündete Urteil der 6. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass im erstinstanzlichen Urteilsausspruch unter Ziffer I. 3. die Worte „und welcher Gewinn“ und „sowie mit der Bewirtung von Gästen“ und dass unter Ziffer II. die Worte „und/oder mit der Bewirtung von Gästen“ entfallen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.

Das angefochtene Urteil – mit der o. g. Maßgabe – sowie dieses Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 15.000 € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Entscheidungsgründe

I.

Die Beklagte betrieb unter der Bezeichnung „WeinStein ums Eck“ in Stadt1 einen Einzelhandel mit Weinen und mit selbstgemachten, sog. Specksteinen. Sie meldete am 12.3.2014 beim Deutschen Patent- und Markenamt eine gleichnamige Wortmarke u. a. für die unter den Klassen 43 und 41 eingetragenen Waren und Dienstleistungen „Durchführung von Weinproben (Unterhaltungsdienstleistungen); Unterhaltung in Form von Weinverkostungen; Betrieb von Weinbars; Betrieb von Weinstuben; Dienstleistungen von Weinbars; Durchführung von Weinproben (Verpflegung von Gästen mit Getränken)“ an.

Die Klägerin betreibt seit 1993 in Stadt2 unter der Geschäftsbezeichnung „Weinstein“ eine Weinstube. Sie ist Inhaberin mehrerer Marken mit diesem Wortbestandteil, u. a. der am 28.11.1996 angemeldeten Wortmarke „Weinstein“ (Registernummer …1), geschützt für die Dienstleistung „Verpflegung von Gästen“. Nachdem die Klägerin von der Markenanmeldung der Beklagten erfahren hatte, mahnte sie diese erfolglos ab. Die Klägerin erwirkte eine einstweilige Verfügung gegen die Beklagte, worauf diese eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgab. Nun streiten die Parteien über die Löschung der Marke der Beklagten, über den Ersatz der Abmahnkosten sowie über Auskunfts- und Schadensersatzansprüche der Klägerin.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gem. § 540 I Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil verwiesen.

Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, in die Löschung ihrer Marke für die o. g. Dienstleistungen einzuwilligen, der Klägerin Abmahnkosten in Höhe von 1.662,40 € zu ersetzen, ihr Auskunft über den Umfang der Benutzungshandlungen einschließlich des erzielten Umsatzes und des Gewinns zu erteilen. Ferner hat es festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen durch die Nutzung der Bezeichnung „WeinStein ums Eck“ bzw. „weinstein-ums-eck“ im geschäftlichen Verkehr zur Kennzeichnung von Waren und Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Handel von Weinen aller Art und/oder Einzelhandelsdienstleistungen mit Weinen und/oder mit der Bewirtung von Gästen entstandenen und nach der Auskunftserteilung zu beziffernden Schaden zu ersetzen.

Die Beklagte hat gegen das Urteil Berufung eingelegt, mit der sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vortrags ihr Ziel der Klageabweisung weiter verfolgt.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

II.

Das Rechtsmittel der Beklagten hat nur in einem kleinen Umfang Erfolg. Mit Recht hat das Landgericht die Beklagte zur Löschung, zur Erstattung der Abmahnkosten zur Auskunft und zum Schadensersatz verurteilt. Der Klägerin stehen allerdings keine Auskunfts- und Schadensersatzansprüche in Bezug auf die Dienstleistung „Bewirtung von Gästen“ unter der streitbefangenen Geschäftsbezeichnung zu, und die Klägerin kann auch von der Beklagten nicht verlangen, dass sie ihr Auskunft über die mit der Geschäftsbezeichnung erzielten Gewinne gibt.

Dazu im Einzelnen:

Klageantrag zu I. 1 (Teillöschung der Marke „WeinStein ums Eck“)

Der Klägerin steht ein Löschungsanspruch in dem vom Landgericht zuerkannten Umfang gegen die Beklagte zu (§§ 55 I, 51 I, 9 I Nr. 2 MarkenG). Die Klägerin kann ihren Löschungsantrag auf die oben schon erwähnte Wortmarke „Weinstein“ stützen. Der Antrag richtet sich gegen die Registrierung der prioritätsjüngeren Marke „WeinStein ums Eck“ für Dienstleistungen der Gastronomie, registriert in Klassen 41 und 43. Die Registrierung dieser Marke für Waren der Klasse 21 (Weingläser, Weinkrüge, Weinkübel) wird nicht angegriffen.

Das Landgericht hat mit Recht angenommen, dass Verwechslungsgefahr zwischen den streitgegenständlichen Marken besteht. Dazu kommt es auf das Wechselspiel zwischen Kennzeichnungskraft, Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit und Zeichenähnlichkeit an (§ 9 I 2 MarkenG).

1. Die Wortmarke „Weinstein“ hat von Haus aus für die Dienstleistung „Verpflegung von Gästen“ eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Das ist vom Landgericht bereits zutreffend herausgearbeitet worden und wird mit der Berufung nicht substantiiert angegriffen.

Die Kennzeichnungskraft der Klagemarke ist nicht durch identische oder ähnliche Drittzeichen geschwächt worden.

Eine nachträgliche Schwächung der Kennzeichnungskraft kann grundsätzlich nur durch benutzte Drittmarken oder benutzte Geschäftsbezeichnungen eintreten. Die nachträgliche Schwächung stellt einen Ausnahmetatbestand dar und kann deshalb nur dann angenommen werden, wenn der Verkehr durch das Auftreten identischer oder ähnlicher Zeichen im Bereich der eigenen oder einer benachbarten Branche daran gewöhnt ist und sie deshalb nicht mehr einem bestimmten Unternehmen zuordnet (BGH GRUR 2001, 1161 [BGH 15.02.2001 – I ZR 232/98] – CompuNet/ComNet Tz. 34 bei juris; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl., Rn 651 ff. zu § 14 MarkenG). Maßgeblich ist die Auffassung der durch die Marke angesprochenen Verkehrskreise, hier also der bundesdeutsche Durchschnittsverbraucher.

Eine identische oder ähnliche Marke dritter Personen ist von der Beklagten nicht angeführt worden.

Die Beklagte hat vielmehr sechzehn Internet – Anzeigen von Weinlokalen und Weinhandlungen vorgelegt, die in Alleinstellung oder mit ortsbezogenem Zusatz das Zeichen „Weinstein“ in ihrer Geschäftsbezeichnung führen (Anlagen H 3 und H 5). Daraus allein lässt sich aber nicht ableiten, dass der Verkehr in der Weise an das Zeichen „Weinstein“ gewöhnt wäre, dass er es als gebräuchliche Bezeichnung für eine Weinhandlung oder ein Weinlokal auffassen würde. Dagegen spricht auch, dass die von der Beklagten vorgelegten Anzeigen von inhabergeführten Weinhandlungen, Weinlokalen oder -restaurants stammen, die ganz offensichtlich nur eine begrenzte lokale oder regionale Bedeutung haben. Bei derartigen Betrieben verbindet der Kunde mit der Geschäftsbezeichnung gerade eine konkrete Vorstellung über das dahinter stehende Unternehmen.

2. Es besteht teilweise Identität und teilweise hochgradige Dienstleistungsähnlichkeit, da die im Verzeichnis der angegriffenen Marke enthaltenen Dienstleistungen einen Ausschnitt aus dem Oberbegriff „Bewirtung von Gästen“ bilden oder – soweit es um die Unterhaltung von Gästen oder um die Durchführung von Weinproben geht – ihm hochgradig nahekommen.

3. Das Landgericht hat auch zutreffend Zeichenähnlichkeit angenommen, die der Senat als hochgradig (überdurchschnittlich) bewertet. Beim Zeichenvergleich stehen sich „Weinstein“ und „WeinStein ums Eck“ gegenüber. Der Zusatz „…ums Eck“ wird vom Verkehr als beschreibend verstanden, weil er darunter einen in seiner Nähe liegenden Weinhandel oder Weinausschank vermutet.

Die unterschiedliche Schreibweise des prägenden Bestandteils „Weinstein“ im angegriffenen Zeichen ist ebenfalls unerheblich. Für die Bejahung der Markenähnlichkeit reicht regelmäßig bereits die Ähnlichkeit in einem der Wahrnehmungsbereiche (klanglich, schriftbildlich oder begrifflich) aus (BGH GRUR 2011, 824 [BGH 20.01.2011 – I ZR 31/09] – Kappa). Bei der klanglichen Wahrnehmung spielt die unterschiedliche Schreibweise keine Rolle.

Klageantrag zu I. 2) – Abmahnkosten

Der Kläger verlangt auch mit Recht die Erstattung seiner Kosten für das Abmahnschreiben vom 20.1.2015 (Anlage K 6). Der Anspruch ergibt sich aus § 14 VI MarkenG bzw. aus §§ 677, 670 BGB, jeweils in Verbindung mit § 14 II Nr. 2 MarkenG.

Die Abmahnung war berechtigt, weil die Beklagte durch den Betrieb ihres Geschäfts unter „Weinstein ums Eck“ und durch die Markenanmeldung mindestens die o. g. Wortmarke „Weinstein“ des Klägers verletzt hat (vgl. dazu BGH GRUR 2016, 1301, Tz. 67 – Kinderstube).

Die Beklagte hat die Bezeichnung „Weinstein“ markenmäßig zur Kennzeichnung ihrer Einzelhandelsdienstleistungen genutzt. Es spielt keine Rolle, dass „WeinStein ums Eck“ die Geschäftsbezeichnung der Beklagten ist. Für eine markenmäßige Nutzung ist es ausreichend, wenn der angesprochene Verkehr zu der Annahme veranlasst wird, dass eine Verbindung zwischen dem angegriffenen Unternehmenskennzeichen und den Waren oder Dienstleistungen besteht, die der Dritte vertreibt (BGH GRUR 2009, 772 [BGH 18.12.2008 – I ZR 200/06] Tz. 48 – Augsburger Puppenkiste). Dies ist aufgrund der Aufmachung des Geschäftsbetriebs der Beklagten ohne weiteres gegeben.

Die Beklagte hat durch ihre Markenanmeldung auch eine Erstbegehungsgefahr für die Nutzung ihres Zeichens zur Kennzeichnung der im Tatbestand aufgeführten Dienstleistungen (Oberbegriff: Bewirtung von Gästen) geschaffen.

Die Kennzeichnungskraft der Klagemarke ist durchschnittlich, die Zeichenähnlichkeit zwischen „Weinstein“ und „Weinstein ums Eck“ ist hoch. Dazu ist oben schon alles Entscheidende gesagt worden. Die mit der Klagemarke geschützte Dienstleistung „Verpflegung von Gästen“ hat gewisse Überschneidungen mit dem Vertrieb von Weinen und ist daher im Ähnlichkeitsbereich mit der von der Beklagten ausgeübten „Einzelhandelsdienstleistung mit Weinen“ angesiedelt (BGH GRUR 2000, 883, 884 [BGH 20.01.2000 – I ZB 32/97] – Papagallo).

Klageantrag zu I. 3. – Auskunft

Der Klägerin steht ein Auskunftsanspruch aus §§ 14 II 2, VI MarkenG i. V. 242 BGB in dem zuerkannten Umfang zu.

Da die begehrte Auskunft die Durchsetzung eines Schadensersatzanspruchs vorbereiten soll, setzt der Anspruch voraus, dass die Beklagte schuldhaft die Markenrechte der Klägerin verletzt hat und dass dieser dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch gem. § 14 VI MarkenG zusteht, zu dessen Berechnung sie die Auskunft benötigt.

a) Es ist unstreitig, dass die Beklagte unter der Geschäftsbezeichnung „WeinStein ums Eck“ einen Einzelhandel mit Weinen betrieben hat. Die Beklagte hat zumindest fahrlässig die Markenrechte des Klägers verletzt. Sie hätte vor der Verwendung ihrer Kennzeichnung sorgfältig prüfen müssen, ob Markenrechte Dritter verletzt werden und ggf. Rechtsrat einholen müssen, was hier nicht geschehen ist (Ströbele/Hacker aaO., Rn 502 f. zu § 14 MarkenG).

Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass die Beklagte unter der Bezeichnung „WeinStein ums Eck“ tatsächlich auch die Dienstleistung „Bewirtung von Gästen“ betrieben hat. Insoweit können der Klägerin also keine Schadensersatz- und dementsprechend auch keine Auskunftsansprüche zustehen. Soweit die Beklagte eingeräumt hat, sie lasse ihre Käufer vor dem Kauf die Weine auch einmal probieren, kann darin keine Bewirtung von Gästen gesehen werden. Das wäre nur dann der Fall, wenn die Beklagte für diese Proben eine Vergütung verlangen würde.

Dass vor dem kleinen Geschäftslokal der Beklagten eine Sitzbank mit Tisch aufgestellt wird, reicht das ebenfalls für entsprechende Feststellungen nicht aus, denn nur aus der Tatsache, dass die Kunden beim Probieren sitzen dürfen, wird man noch keine „Bewirtung von Gästen“ herleiten können.

b) Unbegründet ist auch der Antrag auf Auskunft über die mit der Geschäftsbezeichnung erzielten Gewinne. Da die wirtschaftlichen Berührungspunkte der Parteien eher theoretischer Natur sind, steht eine Berechnung des Ersatzanspruchs nach Lizenzanalogie im Vordergrund. Die Auskunftspflicht ist in diesem Fall auf die Bekanntgabe der Netto-Umsätze beschränkt (Ströbele/Hacker aaO., 580 zu § 14 MarkenG; BGH GRUR 2008, 524 Tz. 45 – The Home Store). Selbst wenn man einen Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns annehmen wollte, so könnte der Umfang des Anspruchs hier ohne weiteres geschätzt werden, womit eine Auskunftsverpflichtung über den erzielten Gewinn ausscheidet (BGH GRUR 2006, 419, [BGH 06.10.2005 – I ZR 322/02] Tz. 17 – Noblesse).

b) In zeitlicher Hinsicht ist der Auskunftsanspruch zwar nicht mit dem nachgewiesenen Beginn der ersten Verletzungshandlung begrenzt (BGH GRUR 2007, 877 [BGH 19.07.2007 – I ZR 93/04] – Windsor Estate). Der Schadensersatzanspruch kann aber vor Eintragung der Marke (hier: 20.12.2006) noch nicht entstanden sein, so dass insoweit die Rückwirkung beschränkt ist.

Klageantrag zu II. – Schadensersatz

Auch der Schadensersatzanspruch gem. § 14 VI MarkenG folgt den dargestellten Beschränkungen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 I, 92 II 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis der Beklagten folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Vorinstanz:
LG Frankfurt am Main, Urteil vom 05.04.2016 – 3-6 O 94/15

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