Modellbezeichnung ist nicht gleich eine Zweitmarke

25. Januar 2022
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Gesetzbuch Markenrecht mit einem Richterhammer Beschluss des OLG Frankfurt vom 19.11.2021, Az.: 6 W 97/21

Das OLG Frankfurt hat in seinem Beschluss bestätigt, dass die Begriffe „Modellbezeichnung“ und „Zweitmarke“ sich zwar nicht ausschließen, jedoch regelmäßig nicht gleichzusetzen sind. Vielmehr richtet sich das nach dem Kontext und der Verkehrsauffassung im konkreten Fall: Stehen z.B. unter der Überschrift „SUPERDRY“ noch Informationen wie „Stoffhosen SAM SHORTS Uni“ so wird „SAM“ hier lediglich als Modellbezeichnung und nicht als Zuordnung zu einem bestimmten Hersteller verstanden. Entgegen der Ansicht der Klägerin liegt hier somit keine kennzeichenmäßige Verwendung nach Art einer Zweitmarke vor, sodass auch kein Anspruch aus §§ 14 Abs. 5, Abs. 2 Nr.1 MarkenG auf Unterlassung der Benutzung des Wortes „SAM“ für die Klägerin besteht.

Oberlandesgericht Frankfurt

Beschluss vom 19.11.2021

Az.: 6 W 97/21

 

Leitsatz

1. Nicht jeder Modellbezeichnung kommt die Funktion einer Zweitmarke zu. Das setzt vielmehr voraus, dass der Verkehr die Modellbezeichnung einem bestimmten Hersteller zuordnet und nicht davon ausgeht, dass nur ein allein der internen Zuordnung dienendes Bestellzeichen vorliegt.

2. Ein Verständnis des Verkehrs als Zweitmarke kann fehlen, wenn es an einer markentypischen Hervorhebung der Modellbezeichnung mangelt, weil sie weder blickfangmäßig herausgestellt noch anderweitig hervorgehoben ist, und eine Dachmarke prominent ins Blickfeld gerückt ist.

 

Anmerkung:

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Verfahrensgang ausblendenVerfahrensgang
vorgehend LG Frankfurt am Main, 13. Oktober 2021, 2-6 O 260/21, Beschluss
Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

Beschwerdewert: 50.000 €

Gründe

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat den Eilantrag zu Recht zurückgewiesen. Die Antragstellerin hat gegen die Antragsgegnerin keinen Anspruch aus §§ 14 Abs. 5, Abs. 2 Nr.1 MarkenG auf Unterlassung der Benutzung der Marke „SAM“.

a) Im Ausgangspunkt ist vorliegend der Verletzungstatbestand der Doppelidentität in Betracht zu ziehen. Die Antragsgegnerin hat in dem angegriffenen Internetangebot (Anlage Ast1) ohne Zustimmung der Antragstellerin im geschäftlichen Verkehr ein mit der Verfügungsmarke identisches Zeichen („SAM“) für Waren benutzt, die mit denjenigen identisch sind, für die die Marke Schutz genießt (Bekleidung).

b) Das Landgericht hat jedoch zu Recht angenommen, dass nicht festgestellt werden kann, dass der Verkehr die Bezeichnung „SAM“ in dem angegriffenen Internetangebot kennzeichenmäßig nach Art einer Zweitmarke benutzt hat.

 

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aa) Von einer kennzeichenmäßigen Verwendung ist insbesondere auszugehen, wenn ein nicht unerheblicher Teil des angesprochenen Verkehrs in einem Zeichen den Hinweis auf die Herkunft einer Ware oder Dienstleistung aus einem bestimmten Unternehmen sieht (BGH GRUR 2015, 1201 Rn 68 – Sparkassenrot/Santander; GRUR 2019, 522 Rn 25 – SAM). Ob dies der Fall ist, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Die Verkehrsauffassung wird durch die konkrete Aufmachung bestimmt, in der die angegriffene Bezeichnung dem Publikum entgegentritt. Abzustellen ist außerdem auf die Kennzeichnungsgewohnheiten in dem maßgeblichen Warensektor, insbesondere auf die Art und Weise, in der Kennzeichnungsmittel bei den betreffenden Waren üblicherweise verwendet werden. Im Bekleidungssektor gibt es verschiedene Kennzeichnungsgewohnheiten (BGH GRUR 2018, 932 Rn 18 – darferdas?). Geht es um eine Modellbezeichnung in Verkaufsangeboten im Internet, kommt es auf die konkreten Umstände der Verwendung an. Dabei ist das Angebot in seiner Gesamtheit in den Blick zu nehmen (BGH GRUR 2019, 1289 Rn 33 – Damen Hose MO). Insbesondere ihre Hervorhebung oder blickfangmäßige Herausstellung kann für eine markenmäßige Verwendung sprechen (vgl. BGH GRUR 2012, 1040Rn 19 – pjur/pure; BGH GRUR 2017, 520Rn 26 – MICRO COTTON). Erforderlich ist, dass der angesprochene Verkehr in der konkret in Rede stehenden Art der Verwendung einen Hinweis auf einen bestimmten Hersteller des in Rede stehenden Kleidungsstücks erblickt.

bb) In dem vorliegenden Angebot wird „SAM“ als Modellbezeichnung verstanden, nämlich als Bezeichnung der angebotenen Shorts aus dem Hause Superdry. Dies ergibt sich zwanglos aus dem Kontext der blickfangmäßigen, fett gedruckten Überschrift „SUPERDRY“ und der Unterüberschrift „Stoffhosen SAM SHORTS Uni“. Bei dieser Art der Gestaltung erkennt der angesprochene Verkehr, dass „SAM“ das konkrete Kleidungsmodell bezeichnen soll, während „SUPERDRY“ als Dachzeichen für eine ganze Modellreihe steht.

cc) Mit der Einordnung als Modellbezeichnung ist allerdings noch nicht gesagt, dass eine markenmäßige Benutzung zu verneinen ist. Die Begriffe „Modellbezeichnung“ und „Zweitmarke“ schließen sich nicht aus. Vielmehr ist eine Zweitmarke regelmäßig auch eine Modellbezeichnung. Sie dient nämlich neben der für eine ganze Produktlinie vorgesehenen Dachmarke der Kennzeichnung eines konkreten Modells (z.B. VW – Golf; Levi`s – 501; kinder – bueno; etc.). Allerdings kommt nicht jeder Modellbezeichnung die Funktion einer Zweitmarke zu. Das setzt vielmehr voraus, dass der Verkehr die Modellbezeichnung einem bestimmten Hersteller zuordnet und nicht davon ausgeht, dass nur ein allein der internen Zuordnung dienendes Bestellzeichen vorliegt, das auch andere Hersteller zur internen Individualisierung ihrer Modelle verwenden können. Seine frühere Rechtsprechung, wonach bei Modellbezeichnungen im Bekleidungssektor regelmäßig davon auszugehen ist, dass sie zumindest auch auf die Herkunft der Ware aus einem bestimmten Betrieb hinweisen (vgl. BGH GRUR 1970, 552 – Felina-Britta; BGH BB 1961, 229 – Tosca), hat der BGH aufgegeben (BGH GRUR 2019, 522 Rn 41 – SAM). Nach neuer Lesart des BGH sieht der angesprochene Verkehr im Modebereich häufig in einer Herstellerangabe den alleinigen Herkunftshinweis (vgl. BGH GRUR 2019, 1289 Rn 39 – Damen Hose MO). Dies soll jedenfalls dann gelten, wenn die Herstellerangabe – wie hier – vorangestellt oder in besonderer Weise hervorgehoben ist. Wird in einem Angebot für Bekleidungsstücke neben der Herstellerangabe ein weiteres Zeichen als Modellbezeichnung verwendet, kann deshalb nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass eine solche Modellbezeichnung ebenfalls als Herkunftshinweis verstanden wird. Dies hängt vielmehr von der konkreten Art der Verwendung ab.

dd) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann nicht angenommen werden, dass der von dem Internetangebot nach Anlage Ast1 angesprochene Durchschnittsverbraucher in der Modellbezeichnung „SAM“ zugleich einen Herkunftshinweis im Sinne einer Zweitmarke sieht. Es fehlt an einer markentypischen Hervorhebung. Der Verkehr geht daher nicht davon aus, dass die Bezeichnung „SAM“ zusätzlich zu der prominent ins Blickfeld gerückten Dachmarke „SUPERDRY“ dazu eingesetzt wird, um das konkrete Shorts-Modell der Herkunft nach zu kennzeichnen. Die Modellbezeichnung „SAM“ ist weder blickfangmäßig besonders herausgestellt noch ist sie anderweitig hervorgehoben. Sie reiht sich vielmehr in eine mehrere Informationen enthaltende Unterüberschrift ein, wobei die Begriffe der Unterüberschrift teilweise groß, teilweise klein geschrieben sind. Der Umstand, dass die übrigen Elemente der Unterüberschrift („Stoffhosen“; „SHORTS; „Uni“) für das angebotene Kleidungsstück alle glatt beschreibend sind, genügt im Streitfall nicht, um annehmen zu können, dass der Verkehr der Bezeichnung „SAM“ einen Herkunftshinweis entnimmt. Auch der räumliche Zusammenhang zu der bekannten Herstellerangabe SUPERDRY genügt für sich genommen nicht (vgl. OLG Frankfurt am Main GRUR-RR 2020, 487 – Damen-Hose-MO). Der Zusammenhang zu dem Dachzeichen wird vorliegend durch die vor- und nachgeordneten beschreibenden Begriffe inhaltlich aufgehoben. Ein Verständnis als Zweitmarke lässt sich bei dieser Sachlage nicht hinreichend sicher feststellen. Der Verkehr erwartet im Rahmen einer Aufzählung von Produkteigenschaften in der Regel keinen Herkunftshinweis. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ist der Fall nicht mit der Senatsentscheidung vom 17.9.2021 vergleichbar (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 17.9.2021 – 6 W 51/21 = NZFam 2021, 827). In dem dortigen Angebot was das Zeichen „Sam“ Teil der hervorgehobenen Angebotsüberschrift („Threadbare Rundhalspullover Sam“). Es war innerhalb der nur drei Begriffe umfassenden Wortkombination klar als nähere Bezeichnung des Kleidungsstücks erkennbar und wurde nach Art einer Zweitmarke verwendet.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen (§ 97 ZPO).

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