Patent kann wirksam Priorität einer Voranmeldung in Anspruch nehmen

29. Oktober 2015
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Gezeichnetes Männchen mit aufleuchtender Glühbirne Urteil des BGH vom 11.08.2015, Az.: X ZR 83/13

Ein europäisches Patent kann wirksam die Priorität eines vorangegangenen Gebrauchsmusters in Anspruch nehmen, wenn beide Anmeldungen dieselbe Erfindung betreffen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die in der Nachanmeldung bezeichnete Merkmalskombination bereits in der Voranmeldung angelegt ist. Der Fachmann muss der Gesamtheit der Ursprungsunterlagen also „unmittelbar und eindeutig“ entnehmen können, dass die Patentanmeldung eine mögliche Ausführungsform der Erfindung darstellt.

Bundesgerichtshof

Urteil vom 11.08.2015

Az.: X ZR 83/13

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 11. August 2015 durch den Vorsitzenden Richter …, die Richter …, … und … für Recht erkannt:

Die Berufung gegen das am 7. März 2013 verkündete Urteil des 10. Senats (juristischen Beschwerdesenats und Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten des Klägers und seiner Streithelferinnen zurückgewiesen.

Tatbestand

Die Beklagten sind Inhaber des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 186 719 (Streitpatents), das am 7. September 2001 unter Inanspruchnahme der Priorität zweier deutscher Gebrauchsmusteranmeldungen vom 8. September 2000 und 13. August 2001 an-gemeldet worden ist und einen Steinkorb betrifft. Der deutsche Teil des Streitpatents wurde in einem vorangegangen Nichtigkeitsverfahren durch rechtskräftiges Urteil des Bundespatentgerichts vom 10. Februar 2011 (10 Ni 8/10) teilweise für nichtig erklärt. Das Streitpatent umfasst seitdem 14 Patentansprüche, wobei Patentanspruch 1 wie folgt lautet:

„Steinkorb, bestehend aus einem den Boden bildenden Flächenelement (3a), vier die Seitenwände bildenden Flächenelementen (3b, 3c) und einem die Oberseite bildenden Flächenelement, die miteinander verbunden sind, welcher im befüllten Zustand beim Anheben, Transportieren auf die Baustelle und dem Versetzen auf der Baustelle formstabil ist, dadurch gekennzeichnet, dass ein mit dem Boden des Steinkorbes (1) fest verbundener Hebebügel (5) zum Anheben des Steinkorbes vorgesehen ist.“

Die weiteren Ansprüche sind auf diesen Anspruch unmittelbar oder mittelbar zurückbezogen.

Der Kläger hat das Streitpatent im Umfang der Ansprüche 1, 2 und 5 bis 9 angegriffen und geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei im angegriffenen Umfang nicht patentfähig. Die Beklagten haben das Streitpatent in der Fassung, die es im vorangegangenen Nichtigkeitsverfahren erhalten hat, und hilfsweise in einer geänderten Fassung verteidigt.

Das Patentgericht hat die Klage abgewiesen. Dagegen wendet sich die Berufung des Klägers, der seinen in erster Instanz gestellten Antrag weiterverfolgt. Die beiden Streithelferinnen sind im Berufungsrechtszug auf Seiten des Klägers beigetreten. Die Beklagten treten dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe

I. 1. Das Streitpatent betrifft einen Steinkorb. Solche Steinkörbe, die auch als Gabionen bezeichnet werden, sind in der Regel aus Gittern aus einem stabilen Material, wie Metall oder Kunststoff, zusammengesetzt, werden mit Steinen befüllt und dienen der Gestaltung von Gartenanlagen, der Errichtung einer Abgrenzung, der Befestigung von Böschungen oder dergleichen mehr. In der Beschreibung des Streitpatents wird ausgeführt, derartige Steinkörbe würden üblicherweise gefaltet oder flach an die Baustelle geliefert, dort zusammengebaut, an ihren endgültigen Platz versetzt und anschließend mit Steinen befüllt. Diese Vorgehensweise könne je nach Platz- und Witterungsverhältnissen beschwerlich sein. Im Stand der Technik sei es aus den Patent Abstracts of Japan, Vol. 2000, No. 20 und der japanischen Offenlegungsschrift 2001 073339 bereits bekannt gewesen, Steinkörbe zunächst zu befüllen, im befüllten Zustand zu transportieren und mittels eines Hebezeuges zu versetzen. Dabei müsse der Steinkorb mit mehreren Seilen oder Ketten am Hebezeug befestigt und anschließend wieder gelöst werden, was zeit- und personalaufwendig sei. Ferner verweist die Beschreibung auf die deutsche Patentanmeldung 43 21 350 (D4), in der ein Drahtkorb für Drän- oder Filtermaterial beschrieben sei, der an in den Eckbereichen des Deckels befindlichen Maschen mittels Haken eines Hebezeugs aufgenommen werden könne.

Vor diesem Hintergrund betrifft das Streitpatent das technische Problem, einen Steinkorb zur Verfügung zu stellen, der auch in befülltem Zustand einfach und schnell transportiert und bewegt werden kann.

2. Zur Lösung dieses Problems schlägt das Streitpatent in Patentanspruch 1 einen Steinkorb vor, dessen Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:

a) Der Steinkorb besteht aus Flächenelementen, wobei

a1) ein Flächenelement den Boden bildet,

a2) ein Flächenelement die Oberseite bildet und

a3) vier Flächenelemente die Seitenwände bilden und wobei

a4) diese Flächenelemente miteinander verbunden sind.

b) Der Steinkorb ist im befüllten Zustand beim Anheben, Trans-portieren auf die Baustelle und beim Versetzen auf der Bau-stelle formstabil.

c) Es ist ein Hebebügel zum Anheben vorgesehen.

d) Der Hebebügel ist fest mit dem Boden des Steinkorbs verbunden.

3. Einige Merkmale bedürfen der Erläuterung:

a) Die konkrete Ausgestaltung der Flächenelemente nach Merkmals-gruppe a und die Wahl des Materials, aus dem sie gebildet sind, überlässt Patentanspruch 1 dem Fachmann. Aus der Wirkungsangabe nach Merkmal b ergibt sich, dass die Flächenelemente so gestaltet und miteinander verbunden sein müssen, dass der Steinkorb auch dann formstabil bleibt, wenn er nach dem Befüllen transportiert, angehoben oder versetzt wird. Daraus ergeben sich für den Fachmann, als den das Patentgericht zutreffend und unangegriffen einen Bauingenieur (FH) mit Erfahrung in Konstruktion und Einsatz von Gabionen angesehen hat, Anforderungen an die Gestaltung und das Material der Flächenelemente sowie ihre Verbindung.

b) Unter einem Hebebügel (Merkmal c) ist aus fachlicher Sicht ein Vorrichtungselement zu verstehen, das eine Biegung oder Krümmung aufweist und zum einen an dem anzuhebenden Gegenstand ansetzt und zum anderen einen Ansatz für ein Hebezeug – etwa einen Bagger, einen Kran oder einen Gabelstapler (Absatz 16) – bietet. Entgegen der Auffassung der Berufung ist dagegen nicht zwingend erforderlich, dass das Element U- oder V-förmig gestaltet ist, also zwei Schenkel und einen zwischen ihnen angeordneten Scheitelpunkt aufweist. Eine derartige Ausbildung eines Hebebügels ist zwar in den Figuren la, 1 b und 3 der Patentschrift gezeigt. Dabei handelt es sich indessen nur um ein Beispiel für eine mögliche Gestaltung eines Hebebügels. Ein U-förmig ausgebildeter Hebebügel wird ferner in Absatz 15 der Beschreibung als eine mögliche Ausbildung der Erfindung erläutert. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf jedoch die Heranziehung von Beschreibung und Zeichnungen nicht zu einer sachlichen Einengung des durch den Wortlaut des Patentanspruchs festgelegten Gegenstands führen (BGH, Urteil vom 7. September 2004 – X ZR 255/01, BGHZ 160, 204 – bodenseitige Vereinzelungseinrichtung).

Aus dem Zusammenhang mit Merkmal b ergibt sich, dass der Hebebügel dazu dient, den Steinkorb in befülltem Zustand anzuheben. Aus dieser Vorgabe wiederum folgt, dass der Hebebügel so stabil sein muss, dass ein Anheben und Versetzen des befüllten Korbs ermöglicht wird.

c) Der Hebebügel ist nach Merkmal d mit dem Boden des Steinkorbs fest verbunden. Der Bügel setzt mithin am Boden des Steinkorbs an, wobei er sich nach dessen Befüllung durch die Steine hindurch nach oben erstreckt und aus diesen herausragt, so dass ein Hebezeug ansetzen kann. Die feste Verbindung des Hebebügels mit dem Boden des Korbes stellt sicher, dass die beim Anheben der Gabione auftretenden Kräfte im Wesentlichen in den Boden ein-getragen werden. Damit grenzt sich das Streitpatent vom Stand der Technik ab, bei dem die beim Anheben des Steinkorbs auftretenden Kräfte an den Seitenwänden des Korbs angreifen, was die Gefahr einer Verformung des Steinkorbs begründet. Eine solche Verformung ist insbesondere dann, wenn mehrere Steinkörbe nebeneinander angeordnet oder gestapelt werden sollen, ästhetisch und funktional nachteilig.

II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Der Nichtigkeitsgrund mangelnder Patentfähigkeit liege nicht vor. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 sei neu, insbesondere sei im Stand der Technik kein Steinkorb bekannt, der einen fest mit dem Boden verbundenen Hebebügel aufweise. Die in der europäischen Patentanmeldung 106 745 (D2) gezeigten Gabionenbügel seien nicht fest mit dem Korbboden verbunden, dien¬ten nicht dem Anheben der Körbe und seien dazu auch nicht geeignet, sondern bewirkten nur die Herstellung eines Verbunds aneinandergereihter Körbe.

Das deutsche Gebrauchsmuster 200 15 651 (D1) sei nicht als vorveröffentlichter Stand der Technik zu berücksichtigen, weil das Streitpatent wirksam dessen Priorität in Anspruch nehme. Zwar sei dort ein fest mit dem Boden verbundener Hebebügel nicht explizit angegeben. Nach der auf die Figur 1 bezogenen Beschreibung könne der dort offenbarte Steinkorb jedoch Mittel zum Transport des Steinkorbes aufweisen, die als Öse, Haken etc. ausgebildet und mit dem Steinkorb fest verbunden seien. Damit stelle Merkmal d lediglich eine Konkretisierung der in D1 allgemein offenbarten Lehre eines Mittels zum Trans-portieren des Korbes dar, das speziell als Hebebügel ausgestaltet und in der Weise mit dem Steinkorb fest verbunden sei, dass es mit dessen Boden verbunden sei.

Der Gegenstand von Patentanspruch 1 sei auch nicht nahegelegt. Aus dem Stand der Technik ergebe sich für den Fachmann keine Anregung, einen Steinkorb mit einem mit dessen Boden fest verbundenen Hebebügel zu versehen. Eine solche Anregung ergebe sich weder aus D4, die als nächstkommender Stand der Technik anzusehen sei, noch aus D2 oder der US-Patentschrift 4 477 206 (D3).

III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsverfahren im Ergebnis stand.

1. Die Auffassung des Patentgerichts, D1 sei nicht als Stand der Technik anzusehen, trifft zu.

a) Bei der Anmeldung eines europäischen Patents kann das Prioritätsrecht einer vorangegangenen Gebrauchsmusteranmeldung nach Art. 87 Abs. 1 EPÜ in Anspruch genommen werden, wenn beide dieselbe Erfindung betreffen.

Diese Voraussetzung ist nach der Rechtsprechung des Senats erfüllt, wenn die mit der Nachanmeldung beanspruchte Merkmalskombination in der Voranmeldung in ihrer Gesamtheit als zu der angemeldeten Erfindung gehörend offenbart ist. Der Gegenstand der beanspruchten Erfindung muss im Prioritätsdokument identisch offenbart sein; es muss sich um dieselbe Erfindung handeln. Dabei ist die Offenbarung des Gegenstands der ersten Anmeldung nicht auf die dort formulierten Ansprüche beschränkt, vielmehr ist dieser aus der Gesamtheit der Anmeldeunterlagen zu ermitteln. Für die Beurteilung der identischen Offenbarung gelten die Prinzipien der Neuheitsprüfung. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist danach erforderlich, dass der Fachmann die im Anspruch bezeichnete technische Lehre den Ursprungsunterlagen „unmittelbar und eindeutig“ als mögliche Ausführungsform der Erfindung entnehmen kann (BGH, Urteil vom 11. Februar 2014 – X ZR 107/12, BGHZ 200, 63 Rn. 19 ff. – Kommunikationskanal).

b) Nach dieser Maßgabe nimmt das Streitpatent das Prioritätsrecht der D1 zu Recht in Anspruch.

In D1 ist ein Steinkorb beschrieben, der aus Flächenelementen besteht, die den Boden und die vier Seitenwände des Korbes bilden. Ein solcher Steinkorb kann auch so ausgebildet sein, dass er auch nach oben hin ein solches Flächenelement aufweist und damit allseitig geschlossen ist (Schutzanspruch 6). Der Steinkorb ist so ausgebildet, dass er auch beim Anheben im befüllten Zustand formstabil ist.

D1 offenbart auch einen Hebebügel im oben erläuterten Sinne, der fest mit dem Boden des Steinkorbs verbunden ist. Auch wenn dieser Begriff weder in den Ansprüchen noch in der Beschreibung verwendet wird, zeigt doch die nachstehend wiedergegebene einzige Figur der D1 ein stabförmiges Element, das aus der Steinfüllung herausragt und an seinem oberen Ende ein gerundetes Gebilde aufweist. In der Beschreibung ist hierzu erläutert, dass der Steinkorb Mittel zum Transportieren aufweise, die als Öse, Haken oder dergleichen ausgebildet sein können. Der Fachmann entnimmt dem, dass der in der Figur gezeigte Stab so ausgebildet sein kann, dass er an seinem oberen Ende eine Biegung oder Krümmung aufweist, an welcher das in der D1 angesprochene Hebegerät (S. 6 letzter Absatz) ansetzen kann, um den befüllten Steinkorb anzuheben.

[Abbildung]

Der Fachmann entnimmt der D1 weiter, dass der dort offenbarte Hebebügel fest mit dem Boden des Steinkorbs verbunden ist. In der Beschreibung ist zwar nur von einer festen Verbindung mit dem Steinkorb die Rede, doch ergibt sich, wie auch die Berufung nicht in Zweifel zieht, für den Fachmann aus der Figur ohne Weiteres, dass der dort gezeigte Hebebügel mit seinem unteren Ende nirgends anders als am Boden des Steinkorbs ansetzen kann.

2. Auch die Auffassung des Patentgerichts, der Gegenstand von Patentanspruch 1 sei dem Fachmann nicht durch den Stand der Technik nahegelegt, beanstandet die Berufung erfolglos.

a) Ausgangspunkt für den Fachmann ist die deutsche Offenlegungsschrift 43 21 350 (D4). Sie offenbart einen Drahtkorb für Stützmauern oder Uferverbauungen, der nicht nur einen Boden und vier Seitenwände, sondern auch einen Deckel und damit ein Flächenelement aufweist, das die Oberseite bildet (Merkmalsgruppe a). In der Beschreibung der D4 wird erläutert, dass der Steinkorb auch in befülltem Zustand mittels eines Hebezeuges angehoben werden kann, wobei durch besondere Vorrichtungselemente, insbesondere Deckel-und Bodenstabilisierungen gewährleistet wird, dass sich der Boden nicht durch-biegt. Damit ist auch Merkmal b vorweggenommen.

Dagegen sind Merkmale c und d nicht offenbart. Ob der erstmals im Berufungsrechtszug gehaltene Vortrag des Klägers, bei den als Deckel- bzw. Bodenstabilisierung bezeichneten Elementen der in D4 gezeigten Vorrichtung handele es sich um Hebebügel im Sinne des Streitpatents, zuzulassen ist, kann dahingestellt bleiben, weil er in der Sache nicht zutrifft. D4 gibt keinerlei Hinweis dahin, dass die entsprechenden Vorrichtungselemente, die in Figur 1 mit den Bezugszeichen 37 und 38 versehen sind, geeignet sind, als Ansatz für ein Hebezeug zu dienen. Ihr Zweck besteht nach der Beschreibung (Sp. 3, Z. 60 bis Sp. 4, Z. 42; Sp. 5, Z. 7 bis 9) allein in der Stabilisierung des Drahtkorbs. Sie sollen verhindern, dass sich bei gefülltem Drahtkorb der Boden durchbiegt, wenn der Korb angehoben wird. Die Haken eines Hebezeuges sollen nach D4 dagegen in die mit dem Bezugszeichen 47 versehenen, in den Eckbereichen der Oberseite des Drahtkorbs angeordneten Einhängeöffnungen angreifen (Sp. 4, Z. 66 bis Sp. 7, Z. 7).

Der Offenbarungsgehalt der japanischen Offenlegungsschrift 2001 073339 reicht nicht weiter, zudem ist dieses Dokument erst am 21. März 2001 und damit nach dem maßgeblichen Prioritätsdatum veröffentlicht worden.

b) Der Fachmann erhielt aus dem Stand der Technik keine Anregung, einen Steinkorb der in D4 gezeigten Art dahin weiter zu entwickeln, dass er einen mit dem Boden fest verbundenen Hebebügel aufweist.

Eine entsprechende Anregung ergibt sich – entgegen der Auffassung der Berufung – nicht aus der europäischen Patentanmeldung 106 745 (D2).

D2 betrifft einen Schutzbelag für einen Gewässerboden und ein Verfahren zu dessen Verlegung. D2 beschreibt, dass ein solcher Belag aus mehreren nebeneinander angeordneten Gabionen gebildet wird und dass die Verlegung eines solchen Belags unter Wasser mit Schwierigkeiten verbunden sein kann. Zur Bewältigung dieser Probleme wird vorgeschlagen, mehrere Gabionen zunächst an Land zusammenzusetzen und zu befüllen und anschließend das so gebildete Element insgesamt auf die Wasserfläche zu verbringen, um es auf den Gewässerboden abzulassen. Die Anordnung der Gabionen wird dazu mit Verankerungselementen (organes d’ancrage) versehen. Das vorgefertigte Element wird anschließend an eine als Hebevorrichtung dienende Traverse (palonnier) angehängt, die eine Vielzahl von Einhängeelementen (organes d’accrochage) aufweist, die der Zahl der Verankerungselemente entsprechen und in diese eingreifen. Das vorgefertigte Element wird sodann mit der Traverse auf einen Lastkahn verladen und auf die Wasserfläche transportiert. Dort wird die Winde des Verlegegeräts (le treuil de l’apparat de pose) an die Traverse gehängt, das vorgefertigte Element angehoben und dann abgesenkt (S. 1, Z. 26 bis S. 2, Z. 15).

Die nachstehend wiedergegebene Figur 1 der D2 zeigt ein Ausführungsbeispiel.

[Abbildung]

In dem hinteren Korb ist ein Bügel zu sehen, der aus der bereits vorhandenen Steinfüllung herausragt, durch die Steine hindurch nach unten bis etwa zum Boden reicht und dort um 90 Grad abgewinkelt ist. In der Beschreibung wird dies dahin erläutert, dass jede Gabione mit einer oder mehreren Spangen (Bügeln) versehen ist, deren Anzahl und Verteilung von ihrer mechanischen Festigkeit und dem nach der Befüllung mit Steinen erreichten Gesamtgewicht abhängig ist (S. 5, Z. 13 bis 17). Die Einhängeelemente der Hebetraverse ordnen sich über den Bügeln an und greifen in diese ein (S. 6, Z. 27 bis 29). Entgegen der Auffassung des Patentgerichts dienen die Spangen mithin nicht allein als Verankerungsorgane (organes d’ancrage), sondern zugleich als Einhängeorgan (organe d’accrochage), also als Ansatz für ein Hebezeug. Sie stellen damit Hebebügel im Sinne des Streitpatents dar.

Aus D2 ergibt sich jedoch keine Anregung, den Hebebügel fest mit dem Boden des Steinkorbs zu verbinden, also einen Ansatz zu wählen, bei dem die zum Anheben erforderlichen Kräfte am Boden angreifen.

Die vertikal verlaufenden Bereiche der Bügel werden nach der Beschreibung der D2 auf dem Boden der Gabione fixiert (S. 3, Z. 13 bis 15). Dabei handelt es sich jedoch nur um eine vorläufige Fixierung, die lediglich dazu dient, die Position des Bügels für die Zeit zu sichern, bis der Korb befüllt ist. Die endgültige Fixierung der Bügel erfolgt dagegen nach D2 durch das Gewicht der Steine und ihre gegenseitige Blockierung (S. 5, Z. 25 bis 27: Par leur poids et en se bloquant entre elles, les pierres assurent la fixation definitive des épingles d’ancrage 14 dans les gabions). Die Bügel werden auch nicht durch das den Boden bildende Flächenelement geführt, sondern verlaufen nach der Biegung um 90 Grad oberhalb des Bodens und durch die Seitenwand des Korbes. Der Fachmann erkennt, dass die beim Anheben auftretenden Kräfte bei einer solchen Anordnung über die parallel zum Boden verlaufenden Teile des Bügels nicht am Boden des Korbes, sondern an der Steinfüllung und an den Seitenwänden angreifen.

Eine Anregung zur festen Verbindung von Hebebügeln mit dem Boden des Steinkorbes ergibt sich auch nicht aus dem US-Patent 4 447 206 (D3), deren Figur 7 nachstehend wiedergegeben ist:

Die dort gezeigten Kabel (18) sind im unteren Bereich des mit Steinen gefüllten flexiblen, matratzenartigen Elements an Rohren (17) befestigt. D3 lässt sich kein Hinweis darauf entnehmen, dass die Kabel unmittelbar oder über die Rohre am Boden des Elements angreifen, geschweige denn mit diesem fest verbunden sind. Aus der Beschreibung ergibt sich insoweit lediglich, dass die Rohre auf dem Boden der Gabione liegen (Sp. 5, Z. 8 ff.: Four steel tubes 17 rest on the bottom of the gabion …) und die mit einer Bindemasse versetzte Steinfüllung untergreifen.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG in Verbin-dung mit §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 2, 100 Abs. 1 ZPO. Die Streithelferinnen des Klägers gelten als dessen Streitgenossen (BGH, Urteil vom 16. Oktober 2007 – X ZR 226/02, GRUR 2008, 60 – Sammelhefter II).

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