Kommentar

Raiffeisen Schweiz gewinnt Streit um Typodomain – Infineon AG scheitert schon an Verfahrenssprache

21. November 2019
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Schiefertafel mit der Aufschrift „Do you speak English?" Kommentar zu den UDRP-Verfahren WIPO Case DCH2019-0011 vom 24.09.2019 und NAF Claim No. FA1909001860700

In zwei ähnlich gelagerten Fällen wurde jeweils die Verfahrenssprache zu einem zentralen Thema der Entscheidung. Während die Raiffeisen Schweiz Genossenschaft jedoch die Domain vor der WIPO erstritt, zog die Infineon AG vor dem National Arbitration Forum (vorerst) den Kürzeren. Ihr Antrag, das Verfahren um die Domains und auf Englisch durchzuführen, wurde abgelehnt, weil nicht sichergestellt werden konnte, dass der Gegner überhaupt des Englischen mächtig ist.

Was ist passiert?

Die Raiffeisen Schweiz Genossenschaft ist ein Zusammenschluss aller Schweizer Raiffeisenbanken. Sie ist Inhaberin der Wortmarke „RAIFFEISEN“ und tritt im Internet unter der Domain <raiffeisen.ch> auf. Der Inhaber der in Streit stehenden Domain <raiffesen.ch> und Gegner des vorliegenden Gesuchs auf Übertragung ist ein Herr Lucjan Misiag aus Polen. Die zur Domain gehörige Website zeigt Verlinkungen zur Konkurrenz auf. Die Gesuchstellerin sieht daher ihre Markenrechte verletzt und außerdem einen Verstoß gegen das Schweizer Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb. Aufgrund der hohen Verwechslungsgefahr sei dies schädlich für das Unternehmen. Zudem wies sie darauf hin, dass bereits in einem früheren Verfahren eine Typo-Domain (<raiffeissen.ch>) des Gesuchsgegners an die Genossenschaft übertragen wurde. Auf die Vorwürfe ging der Gegner auch nach Erhalt des auf Deutsch gefassten Übertragungsgesuchs nicht weiter ein, beantragte jedoch, dass die Verfahrenssprache Englisch sein solle.

Antragsteller im zweiten Fall war die Infineon AG, ein international tätiger Hersteller von Halbleitern und die im Internet unter anderem unter <infineon.com> auftritt. Sie zählt „INFINEON“ zu den zu ihren Gunsten geschützten Marken. Die streitigen Domains <yinfineom.com> und <infineom.com> wurden von liu wei jie bei Xin Net Technology Corp registriert. Das DAX-Unternehmen sah seine Rechte verletzt und strengte ein Verfahren vor dem NAF an. Die Gegenseite äußerte sich zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens.

Die Entscheidungen im UDRP-Verfahren

Im ersten Verfahren wurde Andrea Mondini zur Entscheidung berufen (WIPO Fall D2019-0011), die Entscheidung bereitete ihm im Ergebnis keine großen Schwierigkeiten.

Bevor er in die Sachprüfung einstieg, stellte sich ihm zuerst die Frage nach der Verfahrenssprache. Diese richtet sich zunächst grundsätzlich nach der Sprache der Registrierungsvereinbarung zwischen Domaininhaber und Registrar, in vorliegendem Fall Englisch. Dennoch entschied der Jurist auf Antrag, dass das Verfahren auf Deutsch geführt werden solle, weil dies auch in dem genannten früheren Verfahren zwischen denselben Parteien so gehandhabt wurde. Damit sei erwiesen, dass die Gegenseite des Deutschen mächtig sei und angemessen prozessieren könne. Die spätere Prüfung ergab eine Verletzung der Marke „RAIFFEISEN“, weshalb schlussendlich dem Gesuch auf Übertragung stattgegeben wurde.

Im Fall um Infineon wurde Charles A. Kuechenmeister als Einzelpanelist bestellt (NAF Claim No.: FA1909001860700). Zu einer Sachentscheidung kam es hier jedoch erst gar nicht.

Der amerikanische Jurist stellte zunächst fest, dass die Registrierungsvereinbarungen für beide Domains in Chinesisch gefasst sind. Nach der ICANN-Policy bestimme sich danach im Grundsatz die Verfahrenssprache. Es stehe jedoch im Ermessen des Expertenpanels, nach den Umständen des Einzelfalls eine abweichende Verfahrenssprache festzulegen. Die Klägerin beantragte, auf Englisch fortzufahren, da sie des Chinesischen nicht mächtig sei. Sie argumentierte, die Englisch-Kenntnisse der Gegenseite stellten sich zumindest als ausreichend dar, um die geschützte Marke zu einer Typo-Domain zu verändern. Das Verfahren auf Chinesisch abzuhalten, gehe unangemessen zu ihren Lasten und würde das Prozedere nur unnötig herauszögern, weil alles auf eine der Gesuchstellerin geläufigen Sprache übersetzt werden müsse.

Kuechenmeister bestätigte, dass Angemessenheit und auch die entstehenden Kosten wichtige, zu berücksichtigende Faktoren seien. Gleichwohl sei es aus Gründen der Fairness oberstes Gebot, dass sichergestellt ist, dass die Gegenseite die Verfahrenssprache derart beherrscht, dass sie sie die Vorwürfe begreifen und sich im Prozess angemessen verteidigen kann. Gerade diese wichtigste Voraussetzung sah er nicht als gegeben an und wies den Antrag ab. Neben dem für ihn nicht überzeugenden Vorbringen der Infineon AG, stellte er fest, dass auch die zu den Domains gehörigen Websites noch nicht einmal ein Minimum an englischer Sprache enthielten. Mangels weiterer Umstände, waren die Registrierungsvereinbarungen für die Verfahrenssprache maßgebend.

Der Einzelpanelist stellte fest, dass die Anordnung, das Übertragungsgesuch zu übersetzen und fortan auf Chinesisch fortzufahren wohl nicht zielführend sei, da auch er des Chinesischen nicht mächtig sei. Infolgedessen erklärte er das Verfahren für beendet, ohne jedoch in der Sache zu entscheiden. Für die Infineon AG ist es daher zumindest möglich ein neues Verfahren in der gleichen Sache anzustrengen.

Fazit

Für treue Leser dürfte mittlerweile klar sein, dass ein UDRP-Verfahren in der Regel stichhaltige Beweise erfordert, um das Expertenpanel auf die eigene Seite zu ziehen. Doch neben den rechtlichen oder rein tatsächlichen Ausführungen, können auch prozessuale Fragen, wie die Verfahrenssprache, erheblich an Bedeutung gewinnen. Was auf den ersten Blick vielleicht banal klingt, kann dazu führen, dass eine im Grunde klare Entscheidung überhaupt nicht getroffen werden kann. Dies mag auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheinen, weil sich die Gegenseite durch bloßes Nichtverteidigen (vorerst) aus der Affäre ziehen kann, ist aus Gründen der Fairness jedoch nachvollziehbar.

In Fällen, in denen die Parteien aus unterschiedlichen Ländern kommen, gibt es zwei Möglichkeiten, die nun auch der Infineon AG offenstehen: Stichhaltig beweisen, dass die Gegenseite Englisch spricht oder einen Übersetzer engagieren und das Verfahren auf Chinesisch führen.

1 Kommentar

  1. Johannes Bach, 27. November 2019

    Das ist eine absurde Sichtweise. Englisch ist Weltsprache und hat beherrscht zu werden, wenn man in Dingen tätig wird, die weltweiten Einfluß haben – wie eben Netzangelegenheiten. Vielmehr soll sich der Chinese einen Dolmetscher nehmen und auf Englisch verhandeln. Aber hier zeigt sich eine Regelungslücke.
    Aber mal unter uns: Chinesen, die solche Webseiten-„Kopien“ veranstalten können, müssen notwendigerweise Englisch sprechen können – wie sonst können sie die Chance erkennen und das Registrierungsverfahren durchführen. Sie machen sowas ja nur, weil sie hoffen, ihre Störseiten an den Gestörten verkaufen (im Prinzip ist das Erpressung!) zu können.

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