Rechtswidrigkeit von „taz“-Werbespots

11. Juli 2007
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Eigener Leitsatz:

Der 5. Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg hat entschieden, dass die „taz“-Werbespots rechtswidrig sind.

Oberlandesgericht Hamburg

Urteil vom 11.07.2007

Az.: 5 U 108/06

In dem Rechtsstreit

(…)

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 5. Zivilsenat, durch die Richter Betz, Rieger, Dr. Koch nach der am 20. Juni 2007 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 8 für Handelssachen, vom 07.04.06 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien sind zwei bundesweit bekannte Presseunternehmen. Im Verlag der Klägerin erscheint die „BILD“-Zeitung, die Beklagte verlegt „die Tageszeitung“ (TAZ). Die Beklagte warb im Jahr 2005 mit zwei Werbespots (Anlagen K6, K12, K14), deren storyboards dem landgerichtlichen Urteil als Anlage beigefügt sind, bundesweit in Kinos für ihr Produkt.

Dieses Verhalten beanstandet die Klägerin im Hinblick auf die in diesen Werbespots erfolgte Bezugnahme auf die „BILD“-Zeitung als marken- und wettbewerbswidrig.

Auf Antrag der Klägerin hatte das Landgericht Hamburg der Beklagten bereits mit Beschluss vom 21.10.05 (315 O 749/05) die streitgegenständliche Werbung im Wege der einstweiligen Verfügung verboten (Anlage K7). Die Klägerin verfolgt vorliegend ihre Ansprüche im Hauptsacheverfahren, nachdem die Beklagte trotz Aufforderung (Anlagen K8/K9) eine Abschlusserklärung nicht abgegeben hatte.

Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt,

I. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000.-, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, diese zu vollziehen an dem Geschäftsführer, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für die Zeitung „die tageszeitung“ (TAZ) mit den aus den nachfolgenden Storyboards ersichtlichen Werbespots zu werben und/oder werben zu lassen:

[es folgen die dem landgerichtlichen Urteil als Anlage beigefügte storyboards];

II. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie Handlungen gemäß Ziff. I begangen hat und zwar unter Angabe der Art, des Zeitpunkts, des Ortes und der Anzahl der Werbemaßnahmen;

III. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die Handlung gemäß Ziff. I entstanden ist und/oder zukünftig noch entstehen wird.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 07.04.06 antragsgemäß verurteilt.

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten. Die Beklagte verfolgt in zweiter Instanz ihr Klagabweisungsbegehren unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Sachvortrags weiter. Die Klägerin verteidigt das landgerichtliche Urteil auf der Grundlage der bereits erstinstanzlich gestellten Anträge.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen im Übrigen wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils sowie auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Landgericht hat die Beklagte zu Recht und mit zutreffender Begründung zur Unterlassung sowie zur Auskunftserteilung verurteilt und die Verpflichtung zur Leistung von Schadensersatz festgestellt. Das streitgegenständliche Verhalten der Beklagten stellt sich jedenfalls als unzulässig herabsetzende vergleichende Werbung i. S. v. §§ 6 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 5 UWG dar und ist damit wettbewerbswidrig. Ihr Berufungsvorbringen rechtfertigt keine abweichende Entscheidung. Es gibt dem Senat Anlass zu folgenden ergänzenden Anmerkungen:

1. Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, dass der grundsätzliche Vorrang des Markenrechts in Situationen der vorliegenden Art einem Rückgriff auf wettbewerbsrechtliche Grundsätze nicht entgegensteht.

a. Mit dem Inkrafttreten des Markengesetzes ist zwar an die Stelle verschiedener kennzeichnungsrechtlicher Regelungen eine umfassende, in sich geschlossene kennzeichnungsrechtliche Regelung getreten. Im Anwendungsbereich der jeweiligen Bestimmungen des Markengesetzes ist für die gleichzeitige Anwendung der Vorschriften des UWG (Generalklauseln der §§ 1 und 3 UWG a.F.) oder des § 823 BGB grundsätzlich kein Raum (BGH GRUR 05, 423, 427 – Staubsaugerfiltertüten; BGH WRP 02, 694, 696 – shell.de). Dies hat auch für eine gleichzeitige Anwendung von § 4 Nr. 7 UWG bei einer herabsetzenden oder verunglimpfenden Verwendung von Marken zu gelten; der Vorschrift kommt im Anwendungsbereich des § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG keine eigenständige Bedeutung zu (BGH WRP 05, 896, 899 – Lila-Postkarte). Neben Ansprüchen aus dem Markenrecht können Ansprüche aus § 3 UWG aber gegeben sein, wenn sie sich gegen ein solches wettbewerbswidriges Verhalten richten, das als solches nicht Gegenstand der markenrechtlichen Regelung ist (BGH WRP 04, 360, 364 – Davidoff II; BGH GRUR 02, 167, 171). Dies ist hier der Fall.

b. Denn der spezifische Unwertgehalt des streitgegenständlichen Verhaltens liegt nicht in der Verwendung der klägerischen Marke selbst, sondern in der von der Beklagten gewählten konkreten Form des Werbevergleichs. Die Beklagte versucht mit den angegriffenen Werbespots in einer herabsetzenden und geschäftsschädigenden Bezugnahme auf die Zeitung und den Titel bzw. die Marke BILD der Klägerin ihre Zeitung TAZ anzupreisen und den umworbenen Verkehrskreisen zu empfehlen, indem sie sich in vermeintlich positiver Weise von dem Presseorgan der Klägerin abzusetzen versucht. Wenngleich die Werbespots der Beklagten unbestreitbar auch durch Witz, Ironie und Sarkasmus geprägt sind, überschreitet die Beklagte mit der gewählten Ausdrucksform eindeutig die Grenzen des wettbewerblich Zulässigen. Denn die Beklagte versucht, ihr Produkt werblich herauszustellen, indem sie das Produkt der Klägerin und deren Leserschaft ohne sachlichen Grund unangemessen und verwerflich abqualifiziert. Für ein derartiges Verhalten kann sich die Beklagte auch nicht mit Erfolg auf ihre Grundrechte der Meinungsfreiheit, der Pressefreiheit und/oder der Kunstfreiheit aus Art. 5 GG berufen. Denn im Rahmen der auch hiernach erforderlichen Interessen- und Güterabwägung geht das Interesse der Klägerin, nicht ohne sachlichen Grund mit ihrem Produkt in den Augen breiter Verkehrskreise herabgewürdigt zu werden den berechtigten Äußerungsinteressen der Beklagten vor.

2. Die Beklagte bestreitet zu Unrecht und ohne Überzeugungskraft, dass ihre beiden Werbespots unverkennbar von der Tendenz getragen sind, die BILD-Zeitung herabzusetzen und damit die Klägerin in ihren geschäftlichen Interessen zu schädigen. Dabei sind beide Werbespots für die lauterkeitsrechtliche Betrachtung als Einheit anzusehen. Dies ist zwischen den Parteien auch letztendlich unstreitig. Zwar ist die Botschaft des ersten Werbespots („Kalle, gib mal Zeitung“) auch ohne den …

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