Verstoß gegen Hygienevorgaben: was erfährt die Öffentlichkeit?

08. November 2022
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Urteil des VG München vom 06.10.2022, Az.: M 26a E 22.4128

Verstöße gegen Lebensmittelhygiene-Auflagen werden auch dann behördlich veröffentlicht, wenn die Verstöße nach einer amtlichen Feststellung ordnungsgemäß beseitigt wurden. Verbraucher sollen selbst entscheiden können, welche Konsumentscheidungen sie in Zukunft treffen wollen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass eine solche Veröffentlichung das Ansehen des Betriebs mindern, und somit zu erheblichen betriebswirtschaftlichen Einbußen führen kann. Ebenfalls unerheblich ist, dass es nicht nachweislich zu konkreten Kontaminierungen von Lebensmitteln gekommen ist; problematisch und hinreichend für die Begründung einer amtlichen Veröffentlichung sind bereits die Verstöße selbst, also z.B. nicht desinfizierte Griffe, verschmutzte Messer etc.

Verwaltungsgericht München
Beschluss vom 06.10.2022
Az.: M 26a E – 22.4128

 

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

1 Mit seinem Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes begehrt der Antragsteller die vorläufige Untersagung einer Veröffentlichung ihm vorgeworfener lebensmittelrechtlicher Verstöße auf den Internetseiten des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit.

2 Der Antragsteller betreibt unter der Firma D. … … eine Bäckerei in H.

3 Bei einer planmäßigen Routinekontrolle der Lebensmittelüberwachung am … Juli 2022 machte der Antragsgegner dort 70 durch Lichtbilder dokumentierte Zuwiderhandlungen gegen lebensmittelhygienerechtliche Bestimmungen geltend.

4 Mit Schreiben vom 5. August 2022 teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit, dass bei der Kontrolle am … Juli 2022 Tatsachen festgestellt worden seien, nach denen der begründete Verdacht bestehe, dass gegen solche Vorschriften des LFGB verstoßen worden sei, die dem Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Gesundheitsgefährdungen oder vor Täuschung oder der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen. Es sei eine Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a Nr. 3 Lebens- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) beabsichtigt. Die Verstöße seien nicht nur unerheblich oder seien bereits wiederholt festgestellt worden. Deshalb sei die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens 350,00 EUR zu erwarten. Es sei die Veröffentlichung folgender Informationen beabsichtigt:

5 Zugleich wurde dem Antragsteller Gelegenheit gegeben, zur geplanten Veröffentlichung bis spätestens 17. August 2022 Stellung zu nehmen.

6 Mit Schreiben vom … August 2022 äußerte sich der Antragsteller und teilte mit, welche Maßnahmen er ergriffen habe.

7 Am 18. August 2022 erließ der Antragsgegner einen Bußgeldbescheid. Darin waren elf Mängel genannt, die einen Verstoß gegen § 60 Abs. 2 Nr. 26 Buchst. a LFGB i.V.m. § 10 Nr. 1 der Lebensmittelhygiene-Verordnung (LMHV) bzw. § 60 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a) LFGB i.V.m. § 2 Nr. 5 der Lebensmittelrechtlichen Straf- und Bußgeldverordnung (LMRStV) bzw. § 60 Abs. 4 Nr. 2 Buchstabe a) LFGB i.V.m. § 2 Nr. 8 LMRStV darstellten und zu einer Geldbuße in Höhe von 600,00 EUR führten.

8 Mit Schreiben vom 18. August 2022 teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit, dass eine Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a LFGB erforderlich sei. Die Tatsache, dass die Mängel abgestellt worden seien, könne nicht berücksichtigt werden, da die Mängel zum Zeitpunkt der Kontrolle vorhanden gewesen seien. Ebenso könne nicht berücksichtigt werden, dass durch Personalnotstand und Corona das Augenmerk des Antragstellers auf das betriebswirtschaftliche Überleben gerichtet gewesen sei. Die Veröffentlichung der Informationen erfolge auf den Internetseiten des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit nach einer Wartefrist von sieben Werktagen ab Zustellung des Schreibens, wenn bis dahin keine gerichtliche Untersagung erfolgt sei.

9 Mit Schreiben vom … August 2022 legte der Antragsteller Einspruch gegen den Bußgeldbescheid ein.

10 Am … August 2022 beantragte der Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

11 die Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz gemäß § 123 VwGO auf Untersagung der beabsichtigten Veröffentlichung von Informationen nach § 40 Abs. 1a LFMG.

12 Bei den genannten Mängeln handele es sich zum Teil um produktionsbedingte Verunreinigungen und technische Beschädigungen an Dichtungen oder Griffen, von denen allerdings in der Mehrheit der Fälle keine Gesundheitsgefährdungen zu befürchten seien. Mit der Veröffentlichung drohe dem Bäckereibetrieb des Antragstellers eine erhebliche Rufschädigung, die zu Umsatzeinbrüchen führen werde. Dies stelle einen Ein griff in den eingerichteten und ausgeübten Bäckereibetrieb des Antragstellers dar. Ein Großteil der festgestellten mutmaßlichen Mängel sei inhaltlich zu unbestimmt. Es ergebe sich kein konkreter Hinweis, welche Verschmutzung mit welchem Material in welchem Umfang und welche Beschädigungen in welchem Umfang und mit welcher Funktionseinschränkung festgestellt worden seien und welche gesundheitsgefährdenden Auswirkungen von den festgestellten mutmaßlichen Mängeln ausgehen sollten. Es seien unrichtige Feststellungen getroffen worden, diese werden im Einzelnen benannt. Ein Großteil der festgestellten Mängel sei marginal und nicht gesundheitsgefährdend. Eine Veröffentlichung und Rufschädigung wiege daher wesentlich schwerer als eine Aussetzung der Veröffentlichung. Mit den verbleibenden festgestellten mutmaßlichen Mängeln falle der Antragsteller unter die Grenze von 350,00 EUR, wonach die Veröffentlichung zu unterbleiben habe.

13 Mit Schreiben vom 8. September 2022 beantragte der Antragsgegner,

14 den Antrag abzulehnen.

15 Der Antrag sei unbegründet, da die Veröffentlichung der Informationen der Verbraucher nach § 40 Abs. 1a LFGB rechtmäßig sei. Der Behauptung des Antragstellers, dass von Seiten des Antragsgegners unrichtige Feststellungen gemacht worden seien, werde widersprochen. Alle Feststellungen, die zum Zeitpunkt der Kontrolle am … Juli 2022 getroffen wurden, seien zutreffend und seien auch in den dargestellten Verhältnissen vorgefunden und entsprechend dokumentiert worden. Die festgestellten Verstöße gegen die hygienischen Anforderungen begründeten durch deren konkretes Vorliegen als Tatsachenfeststellung den Verdacht im Sinne des § 40 Abs. 1a Satz 1 LFGB und seien entsprechend dokumentiert worden. Es lägen Verstöße gegen Vorschriften zur Einhaltung hygienischer Anforderungen nach § 40 Abs. 1a Nr. 3 LFGB vor. Dabei komme es nur darauf an, dass gegen diese Vorschriften verstoßen worden sei. Ob tatsächlich eine hygienische Benachteiligung in Betracht komme, sei nicht relevant. Es sei ohne Bedeutung, dass Lebensmittel nicht unmittelbar unter Verwendung von ersichtlich hygienisch mangelhaften Gerätschaften und Arbeitsplatten bearbeitet worden seien, sondern nur das Umfeld des Verarbeitungsprozesses nicht den hygienischen Anforderungen entspreche. Bei der Herstellung von Lebensmitteln seien beschädigte Ausrüstungsgegenstände benutzt worden und die Zubereitungsräumlichkeiten und -einrichtungen entsprächen nicht den hygienischen Anforderungen, vor allem der VO (EU) 852/2004. Es handele sich um Verstöße nicht unerheblichen Ausmaßes nach § 40 Abs. 1a Nr. 3 LFGB. Die Erheblichkeit ergebe sich nicht nur durch die im Bußgeldbescheid ausgeführten Verstöße, sondern auch durch die Vielzahl der insgesamt im Laufe der Kontrolle festgestellten 70 Verstöße. Zudem ergebe sich die Erheblichkeit aus der Schwere der einzelnen Verstöße. Es handele sich um Altverschmutzungen und deutliche Gebrauchsspuren und Beschädigungen an Ausrüstungsgegenständen, von denen sich Teile lösen und in die Lebensmittel gelangen könnten. Der Antragsteller hätte die Verstöße durch geeignete und konsequente Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen sowie die Änderung von Lagerbedingungen beseitigen können. Bei der verhängten Bußgeldsumme in Höhe von 600,00 EUR sei der Tatsache der umgehenden Mängelbehebung durch den Antragsteller Rechnung getragen worden. Der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid sei für die Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a LFGB nicht relevant. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei die Einbeziehung von Verdachtsfällen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, weil diese für die Erreichung des Gesetzeszweckes unverzichtbar seien. Um eine einheitliche Bearbeitung von Ordnungswidrigkeiten im Landkreis M. zu gewährleisten, wende der Antragsgegner seit einigen Jahren einen eigens erstellten Bußgeldrahmen an, in dem die Betriebe nach Betriebskategorien je nach Betriebsgröße und Verstoßkriterien und je nach Art und Schwere der Verstöße zur Berechnung eingeordnet würden.

16 Zu weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die vorgelegte Behördenakte verwiesen.

II.

17 Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.

18 Nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts der Antragspartei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Regelungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Sicherungsanordnung). Dabei hat die Antragspartei sowohl die Dringlichkeit einer Regelung (Anordnungsgrund) als auch das Bestehen eines zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) zu bezeichnen und glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 1 und 2, 294 Zivilprozessordnung (ZPO)). Der Antrag kann nur Erfolg haben, wenn und soweit sich sowohl Anordnungsanspruch als auch -grund aufgrund der Bezeichnung und Glaubhaftmachung als überwiegend wahrscheinlich erweisen (BayVGH, B.v. 16.8.2010 – 11 CE 10.262 – juris Rn. 20 m.w.N.). Maßgeblich sind die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.

19 1. Der Antrag ist zulässig, insbesondere ist er gemäß § 123 Abs. 5 VwGO statthaft, da in der Hauptsache eine allgemeine Leistungsklage zu erheben wäre. Bei der Veröffentlichung lebensmittelrechtlicher Verstöße nach § 40 Abs. 1a LFGB, die dem Antragsteller mit Schreiben des Antragsgegners vom 5. August 2022 bzw. 18. August 2022 angekündigt wurde, handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt im Sinne des Art. 35 Satz 1 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG). Die Veröffentlichung dient lediglich der Information der Öffentlichkeit und ist somit nicht auf die Herbeiführung einer Rechtsfolge gerichtet. Ihr fehlt das Merkmal der Regelung im Sinne des Art. 35 Satz 1 BayVwVfG (vgl. nur VGH BW, B.v. 28.1.2013 – 9 S 2423/12 – juris, Rn. 4 m.w.N.). Es liegt daher ein schlichtes Verwaltungshandeln vor, so dass keine Anfechtungssituation vorliegt, für die im einstweiligen Rechtsschutz der Vorrang der Verfahren nach dem §§ 80, 80a VwGO gelten würde.

20 2. Der Antrag hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

21 2.1 Zwar fehlt es nicht an der Darlegung eines Anordnungsgrundes. Es ist offensichtlich, dass die geplante Veröffentlichung im Internet für den Antragsteller ganz erhebliche negative Konsequenzen haben kann, die auch bei einem späteren Obsiegen in der Hauptsache nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten. Das Verwaltungshandeln durch amtliche Informationen ist irreversibel. Bei Fehlinformationen ändern daran auch spätere Gegendarstellungen, Richtigstellungen oder sonstige Korrekturen nichts, da die faktischen Wirkungen von Informationen regelmäßig nicht mehr umfassend beseitigt werden können. Eine Verbraucherinformation zu angeblichen Rechtsverstößen eines Unternehmers kann für diesen existenzgefährdend oder sogar existenzvernichtend sein. Dem Antragsteller kann nicht zugemutet werden, die Bekanntgabe des Kontrollergebnisses im Internet bis zu einer Klärung der streitigen Rechtsfragen im Hauptsacheverfahren hinzunehmen (vgl. VGH BW, B.v. 21.5.2019 – 9 S 584/19 – juris, Rn. 6, m.W.N.).

22 2.2 Der Antragsteller hat jedoch keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die Voraussetzungen für den geltend gemachten öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch, der als alleinige Rechtsgrundlage hier in Betracht kommt, sind nicht gegeben.

23 Der auf die Bewahrung des „status quo“ gerichtete öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch wird entweder auf eine analoge Anwendung des § 1004 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) gestützt oder aber aus der Abwehrfunktion der Grundrechte – hier Art. 12 GG – abgeleitet (vgl. BVerwG, U.v. 29.4.1988 – 7 C 33/87 – BVerwGE 79, 254; U.v. 7. 10. 1983 – 7 C 44/81 – BVerwGE 68, 62). Unabhängig von der dogmatischen Herleitung dieses Anspruches setzt er voraus, dass ein rechtswidriger hoheitlicher Eingriff in ein subjektiv öffentlich-rechtliches Recht bevorsteht oder noch andauert (vgl. VGH BW, B.v. 21.5.2019 – 9 S 584/19 – juris; HessVGH, B.v. 8.2.2019 – 8 B 2575/18 – ZLR 2019, 281). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben, denn der durch die Veröffentlichung der Verstöße möglicherweise hervorgerufene Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit ist hier bei summarischer Prüfung durch § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB gerechtfertigt.

24 2.2.1 Rechtsgrundlage für die beabsichtigten Veröffentlichungen ist § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB. Danach informiert die zuständige Behörde die Öffentlichkeit unverzüglich unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels oder Futtermittels sowie unter Nennung des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel oder Futtermittel hergestellt oder behandelt oder in den Verkehr gelangt ist, wenn der durch Tatsachen […] hinreichend begründete Verdacht besteht, dass […] gegen sonstige Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes, die dem Schutz der Endverbraucher vor Gesundheitsgefährdungen oder vor Täuschung oder der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen, in nicht nur unerheblichem Ausmaß oder wiederholt verstoßen worden ist und die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens dreihundertfünfzig Euro zu erwarten ist […].

25 Wie das Bundesverfassungsgericht entschieden hat, verstößt § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB in der heute geltenden Fassung nicht gegen das Grundgesetz (vgl. BVerfG, B.v. 21.3.2018 – 1 BvF 1/13 – BVerfGE 148,40).

26 2.2.2 Die geplante Veröffentlichung erfüllt die hierfür erforderlichen Tatbestandsvoraussetzungen des § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB.

27 2.2.2.1 Beim Betrieb des Antragstellers handelt es sich um ein Lebensmittelunternehmen i.S.d. Art. 3 Nr. 2 Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit, da Lebensmittel produziert werden (ABl EG, L 31/1, Lebensmittel-Basis-VO).

28 2.2.2.2 Es liegt ein durch Tatsachen hinreichend begründeter Verdacht vor, dass der Antragsteller gegen sonstige Vorschriften im Anwendungsbereich des LFGB, die der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen, verstoßen hat.

29 2.2.2.2.1 Für die Frage, ob ein durch Tatsachen hinreichend begründeter Verdacht besteht, genügen ein in tatsächlicher Hinsicht unaufgeklärter Verdacht oder theoretische Überlegungen der Behörde nicht. Die den Verdacht begründenden Tatsachen müssen aus Sicht der Behörde aufgeklärt und in den Überwachungsergebnissen entsprechend dokumentiert sein (BVerfG, B.v. 21.3.2018 – 1 BvF 1/13 – juris Rn. 44; BT-Drs. 17/7374, S. 20). Damit bedarf es einer hohen Wahrscheinlichkeit, dass ein Verstoß auch tatsächlich gegeben ist.

30 Der Antragsgegner hat alle Verstöße bei der Kontrolle am … Juli 2022 beanstandet und im Kontrollbericht der Lebensmittelüberwachung nachvollziehbar dokumentiert. Auch hat er umfassende Lichtbildaufnahmen von den Verstößen gefertigt und vorgelegt. Ein durch Tatsachen hinreichend begründeten Verdacht ist daher gegeben.

31 2.2.2.2.2 Es handelt sich ferner um Verstöße gegen Vorschriften im Anwendungsbereich des LFGB, die dem Schutz der Einhaltung hygienischer Vorschriften dienen. So liegt ein hinreichender Verdacht vor, dass der Antragsteller gegen Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anh. II Kap. V Nr. 1 Buchst. a), Kap. IX Nr. 2 VO (EG) Nr. 852/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über Lebensmittelhygiene (ABl. EU L 139 vom 30.04.2004), §§ 3, 2 Abs. 1 Nr. 1 LMHV, Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anh. II Kap. 1 Nr. 1 VO (EG) Nr. 852/2004 verstoßen hat.

32 a) Gemäß Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anh. II Kap. V Nr. 1 Buchst. a) VO (EG) Nr. 852/2004 müssen Gegenstände, Armaturen und Ausrüstungen, mit denen Lebensmittel in Berührung kommen, gründlich gereinigt und erforderlichenfalls desinfiziert werden. Die Reinigung und die Desinfektion muss so häufig erfolgen, dass kein Kontaminationsrisiko besteht. Vorliegend war nach Feststellung des Antragsgegners mit dem Hobelmaschineneinsatz ein Gegenstand, der mit Lebensmitteln in Berührung kommt, verunreinigt und mithin gegen Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anh. II Kap. V Nr. 1 Buchst. a) VO (EG) Nr. 852/2004 verstoßen worden. Dieser Verstoß wurde nach Ziffer 5.4 des Bußgeldbescheides vom 18. August 2022 bei der Bemessung des Bußgeldes zugrunde gelegt. Der Antragsteller bestreitet die Verschmutzung des Hobelmaschineneinsatzes nicht. Dass die Reinigung wegen fehlenden Reinigungspersonals vergessen worden sein soll, ist unerheblich, der Antragsteller ist aufgrund seiner Verantwortung als Lebensmittelunternehmer verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass die erforderlichen Reinigungsarbeiten durchgeführt werden. Es wurde nicht vorgetragen, dass das Reinigungspersonal kurzfristig am Tag der Kontrolle ausgefallen ist.

33 b) Die verunreinigten und nass ineinander gestellten Schüsseln nach Ziffer 5.1 des Bußgeldbescheides vom 18. August 2022 hingegen stellen keinen Verstoß gegen Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anh. II Kap. V Nr. 1 Buchst. a) VO (EG) Nr. 852/2004 dar. Hierbei steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass es sich um Altverschmutzungen handelte. Nach dem Vortrag des Antragstellers befinden sich die Schüsseln im Dauereinsatz, so dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass sie unmittelbar vor der Kontrolle benutzt und zur Reinigung bereitgestellt worden waren.

34 c) Auch der Zustand der Messer nach Ziffer 5.4 des Bußgeldbescheides vom 18. August 2022 stellt keinen Verstoß gegen Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anh. II Kap. V Nr. 1 Buchst. a) VO (EG) Nr. 852/2004 dar. Eine Verschmutzung der Messer ist auf dem Lichtbild Nr. 121 zumindest nicht zweifelsfrei erkennbar.

35 d) Gemäß Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anh. II Kap. IX Nr. 2 VO (EG) Nr. 852/2004 sind Rohstoffe und alle Zutaten, die in einem Lebensmittelunternehmen vorrätig gehalten werden, so zu lagern, dass gesundheitsgefährdender Verderb verhindert wird und Schutz vor Kontamination gewährleistet ist. Dies wurde vorliegend nach Feststellung des Antragsgegners nicht eingehalten.

36 aa) So wurden Lebensmittel in Kunststoffbehältern aufbewahrt, die für den Kontakt mit Lebensmitteln ungeeignet waren (Nr. 1.1 des Bußgeldbescheides vom 18. August 2022). Nach § 31 Abs. 1 LFGB ist es verboten, Materialien oder Gegenstände im Sinne des § 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 LFBG, die den in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1935/2004 festgesetzten Anforderungen an ihre Herstellung nicht entsprechen, als Bedarfsgegenstände zu verwenden. Nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1935/2004 sind Materialien und Gegenstände, einschließlich aktiver und intelligenter Materialien und Gegenstände nach guter Herstellungspraxis so herzustellen, dass sie unter den normalen oder vorhersehbaren Verwendungsbedingungen keine Bestandteile auf Lebensmittel in Mengen abgeben, die geeignet sind, die menschliche Gesundheit zu gefährden oder eine unvertretbare Veränderung der Zusammensetzung der Lebensmittel herbeizuführen oder eine Beeinträchtigung der organoleptischen Eigenschaften der Lebensmittel herbeizuführen. Nach Art. 15 Abs. 1 a) der Verordnung (EG) Nr. 1935/2004 sind Materialien und Gegenstände, die noch nicht mit Lebensmitteln in Berührung gekommen sind, wenn sie in den Verkehr gebracht werden, mit der Angabe „Für Lebensmittelkontakt“ oder mit einem besonderen Hinweis auf ihren Verwendungszweck zu kennzeichnen. Eine entsprechende Kennzeichnung, die auf eine Beschaffenheit nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1935/2004 schließen lassen könnte, ist bei dem streitgegenständlichen Behältnis nicht gegeben. Der Schutz vor Kontamination der im Behältnis befindlichen Lebensmittel ist daher nicht gewährleistet. Dass das Behältnis nach Angaben des Antragstellers bereits seit Jahren im Einsatz ist und bei vorhergehenden Kontrollen nicht beanstandet wurde, entbindet den Antragsteller nicht von der Verpflichtung, die derzeit geltenden gesetzlichen Regelungen einzuhalten.

37 bb) Weiter wurden mit dem Produkt „… …“ nach Ziffer 4.1 des Bußgeldbescheides vom 18. August 2022 Lebensmittel auf dem Boden gelagert. Dadurch bestand die Gefahr, dass sich Keime im weiteren Arbeitsprozess auf Lebensmittel übertragen und diese kontaminieren können. Der Vortrag des Antragstellers, die Eimer seien frisch geliefert und kurzfristig dort abgestellt worden und der geöffnete Eimer befinde sich auf einem Rolli, von dem aus der Inhalt direkt entnommen werde, da keine Arbeitstischfläche bei der Verwiegung vorhanden sei, steht dem nicht entgegen. Denn aus der Dokumentation der Lichtbilder ergibt sich, dass die Eimer im Arbeitsablauf nicht nur auf Rollis gelagert werden, sondern zum einen gestapelt (Bild 150) und zum anderen in Regalen gelagert (Bild 88) werden. Durch die Stapelung der vormals am Boden gelagerten Eimer besteht die Gefahr, dass die Deckel der Eimer mit Keimen des Fußbodens kontaminiert werden, so dass beim Öffnen der Eimer eine Kontamination der darin befindlichen Lebensmittel zu befürchten ist. Durch eine Lagerung der zuvor am Boden befindlichen Eimer in Regalen, in denen gleichzeitig daneben und danach am selben Platz auch andere Lebensmittel gelagert werden, besteht die Gefahr, dass andere Lebensmittel mit Keimen des Fußbodens kontaminiert werden.

38 cc) Ferner waren nach Ziffer 4.2 des Bußgeldbescheides Rollis sichtbar, die stark verunreinigt waren. Auf den Rollis waren Lebensmittelbehälter gelagert. Dadurch bestand die Gefahr, dass sich Keime im weiteren Arbeitsprozess auf Lebensmittel übertragen und diese kontaminieren. Der Vortrag des Antragstellers, die Lebensmittel würden direkt vom Rolli aus ohne Tischkontakt verwogen, steht dem nicht entgegen. Denn wie aus der Lichtbilddokumentation auf Blatt 74 zu entnehmen ist, werden die auf den Rollis befindlichen Eimer im regulären Arbeitsablauf gestapelt, so dass die Deckel der weiteren Eimer mit Keimen der verschmutzten Rollis verunreinigt werden können, so dass im weiteren Arbeitsprozess beim Öffnen der Eimer die Gefahr einer Kontamination der darin befindlichen Lebensmittel besteht.

39 dd) Bei der Verunreinigung des Ventilatorschutzgitters des Kühlaggregats liegt hingegen kein Verstoß gegen Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anh. II Kap. IX Nr. 2 VO (EG) Nr. 852/2004 vor, da nicht ersichtlich ist, inwieweit hier konkret Lebensmittel in einer Weise gelagert wurden, die der genannten Vorschrift widerspricht. Es handelt sich vielmehr um einen Verstoß gegen § 3 Satz 1 LMHV (siehe unten unter c)). Dass vom Antragsgegner eine andere Rechtsgrundlage angenommen wird, ist unerheblich, da die der Veröffentlichung zugrundeliegenden Tatsachen bezeichnet wurden und die Rechtsgrundlage in der Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a LFGB nicht genannt wird.

40 e) Nach § 3 Satz 1 LMHV dürfen Lebensmittel nur so hergestellt, behandelt oder in den Verkehr gebracht werden, dass sie bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt der Gefahr der nachteiligen Beeinflussung nicht ausgesetzt sind. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 LMHV ist nachteilige Beeinflussung eine Ekel erregende oder sonstige Beeinträchtigung der einwandfreien hygienischen Beschaffenheit von Lebensmitteln, wie durch Mikroorganismen, Verunreinigungen, Witterungseinflüsse, Gerüche, Temperaturen, Gase, Dämpfe, Rauch, Aerosole, tierische Schädlinge, menschliche und tierische Ausscheidungen sowie durch Abfälle, Abwässer, Reinigungsmittel, Pflanzenschutzmittel, Tierarzneimittel, Biozid-Produkte oder ungeeignete Behandlungs- und Zubereitungsverfahren.

41 aa) Nach den Feststellungen des Antragsgegners war der Griff des Kühltisches 2 erheblich verunreinigt (Ziffer 1.2 des Bußgeldbescheides vom 18. August 2022). Durch das Anfassen konnten sich diese Verunreinigungen lösen und auf die Hände des Personals sowie im Nachgang auf die zubereiteten Speisen gelangen, für welche damit die Gefahr der nachteiligen Beeinflussung bestand. Dass die Verunreinigung laut Antragsteller durch Mitarbeiter in der Pause verursacht worden sein soll und eine Reinigung für den nächsten Morgen vorgesehen war, ist unerheblich, da die Verunreinigung im Vorbereitungsraum der Küche und damit in einem Produktionsraum vorhanden war und eine Reinigung erst am nächsten Tag eine nachteilige Beeinflussung anderer Lebensmittel am Tag der Verunreinigung nicht ausschließen konnte.

42 bb) Zudem waren mehrere Behälter, die zur Aufbewahrung von Lebensmitteln bereitgehalten wurden, außen verunreinigt (Ziffer 3.1 des Bußgeldbescheides vom 18. August 2022). Durch das Anfassen konnten sich diese Verunreinigungen lösen und auf die Hände des Personals sowie im Nachgang auf die zubereiteten Speisen gelangen, für welche damit die Gefahr der nachteiligen Beeinflussung bestand. Da die Behälter auch nach Angaben des Antragstellers bei der Teigherstellung verwendet werden, ist eine nachteilige Beeinflussung von Lebensmitteln möglich. Unerheblich ist dabei, dass in diesem Arbeitsbereich keine bereits zubereiteten Speisen verwendet werden.

43 cc) Des Weiteren war die Oberfläche und die darunterliegenden Schichten der Bedieneinheit des Backofens erheblich verunreinigt und zum Teil nicht leicht zu reinigen. Durch das Anfassen konnten sich diese Verunreinigungen lösen und auf die Hände des Personals sowie im Nachgang auf die Lebensmittel gelangen, für welche damit die Gefahr der nachteiligen Beeinflussung bestand (Ziffer 3.2 des Bußgeldbescheides vom 18. August 2022). Der Vortrag des Antragstellers, dass die Bedieneinheit defekt sei, steht dem nicht entgegen, da eine Berührung der Bedieneinheit aus Versehen oder weil der Defekt nicht bekannt oder in Erinnerung ist, nicht ausgeschlossen werden kann.

44 dd) Zudem waren Schüsseln, mit denen Lebensmittel in Berührung kommen, beschädigt, so dass nicht ausgeschlossen werden konnte, dass sich Teile lösen, die in im Betrieb zubereitete Lebensmittel gelangen und diese dadurch nachteilig beeinflusst werden (Ziffer 5.2 des Bußgeldbescheides vom 18. August 2022). Dass neue Schüsseln als Ersatz zur Verfügung standen, steht dem nicht entgegen, da die beschädigten Schüsseln dennoch weiter in Verwendung waren.

45 ee) Des Weiteren wurde für Reinigungsarbeiten ein verunreinigter und muffig riechender Schwamm verwendet (Ziffer 5.3 des Bußgeldbescheides vom 18. August 2022). Dadurch bestand die Gefahr der nachteiligen Beeinflussung der damit in Berührung kommenden Gegenstände. Dass nach dem Vortrag des Antragstellers der Schwamm zur Entsorgung übersehen worden sei, steht dem nicht entgegen, da der Antragsteller als Lebensmittelunternehmer dafür Sorge tragen musste, dass die lebensmittelrechtlichen Vorgaben eingehalten werden.

46 ff) Ferner war das Ventilatorschutzgitter des Kühlaggregates erheblich verunreinigt (Ziffer 2.1 des Bußgeldbescheides vom 18. August 2022). Durch die Luftzirkulation bestand eine nachteilige Beeinflussung der offen gelagerten Lebensmittel sowie die Gefahr der Kontamination dieser. Dass der Reinigungszyklus aufgrund von Krankheit des Reinigungspersonals auf 7-tägig umgestellt worden war, steht dem nicht entgegen, da der Antragsteller als Lebensmittelunternehmer dafür Sorge zu tragen hatte, dass die Anforderungen an die Sauberkeit im Unternehmen auch bei Krankheit des Reinigungspersonals gewährleistet war.

47 Die festgestellten Verunreinigungen stellen gleichzeitig auch einen Verstoß gegen
Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anh. II Kap.1 Nr. 1 VO (EG) Nr. 852/2004 dar, wonach Betriebsstätten, in denen mit Lebensmitteln umgegangen wird, sauber und stets instand gehalten sein müssen. Dass diese Vorschrift vom Antragsgegner bislang nicht benannt wurde, ist unerheblich, da die der Veröffentlichung zugrundeliegenden Tatsachen bezeichnet wurden und die Rechtsgrundlage in der Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a LFGB nicht genannt wird.

48 Informationen über derartige Hygienemängel können grundsätzlich auch dann erfolgen, wenn Lebensmittel zwar nicht unmittelbar unter Verwendung von ersichtlich hygienisch mangelhaften Gerätschaften und Arbeitsplatten bearbeitet wurden, sondern lediglich das Umfeld des Verarbeitungsprozesses nicht den hygienischen Anforderungen entspricht. Denn bei Lebensmitteln, die in einem solchen Umfeld hergestellt werden, kann je nach der Art des festgestellten Hygieneverstoßes ein deutlich erhöhtes Risiko für eine nachteilige Beeinflussung, etwa durch die Kontamination mit Schimmelpilzsporen oder Mikroorganismen über die Raumluft, bestehen. Daher setzt eine Information über solche Hygienemängel nicht voraus, dass eine nachteilige Beeinflussung bestimmter Lebensmittel nachgewiesen worden ist (VGH BW, B. v. 21. 5. 2019 – 9 S 584/19, beck-online Rn. 18). Vorliegend ist aufgrund der Zahl der Hygienemängel und der Tatsache, dass sie über den Betrieb verteilt sind, davon auszugehen, dass eine Kontamination der Lebensmittel bei der Verarbeitung durch Mikroorganismen in der Raumluft oder die Übertragung über den Kontakt mit verschmutzten Händen, die aufgrund der Verunreinigung zahlreicher Gegenstände und Flächen nicht sauber gehalten werden können, naheliegen.

49 § 3 Satz 1 LMHV ist vorliegend auch anwendbar. In der amtlichen Begründung (BR-Drucksache 327/07) wird ausgeführt, dass mit § 3 die Regelung des bisherigen § 3 Satz 1 der Lebensmittelhygieneverordnung, die durch Art. 22 Nr. 6 aufgehoben wird, zur Begrenzung etwaiger Strafbarkeitslücken im Zusammenhang mit der Bewährung der unmittelbar anzuwendenden Anforderungen der VO (EG) Nr. 852/2004 und Nr. 853/2004 und auf diese Gemeinschaftsrechtsakte gestützter, unmittelbar anwendbarer Durchführungsvorschriften fortgeführt und weiterentwickelt werde. Zweck des § 3 Satz 1 LMHV, der neben den grundsätzlich wohl abschließenden Regelungen der VO (EG) Nr. 852/2004 und Nr. 853/2004 steht, ist damit die Begrenzung etwaiger Strafbarkeitslücken hinsichtlich von Verstößen gegen diese europarechtlichen Normen (vgl. etwa Kraus/Voß, ZLR 2010, 415 ff.). Die lebensmittelrechtliche Straf- und Bußgeldverordnung (LMRStV) enthält nur für solche europarechtlichen Regelungen Straf- oder Bußgeldandrohungen, die ein konkretes und einer bestimmten Person zuzuordnendes Verhalten vorschreiben oder untersagen. Die Vorschriften des EU-Hygienepakets stellen daneben häufig nur Zustandsverbote oder -gebote fest. § 3 LMHV dient zur Sicherstellung der wirksamen Sanktionierung in diesen Fällen. Über § 3 LMHV können solche Verstöße gegen hygienerechtliche Vorschriften des EU-Rechts geahndet werden, die nicht von den Regelungen der LMRStV erfasst sind. Aufgrund des Vorrangs des einschlägigen EU-Rechts enthält § 3 Satz 1 LMHV jedoch die immanente Einschränkungen, dass die in ihm genannte sorgfaltswidrige Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung von Lebensmitteln auf einer Zuwiderhandlung gegen ein in den VO (EG) Nr. 852/2004 und Nr. 853/2004 normiertes Verbot resultieren muss (vorliegend Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anh. II Kap.1 Nr.1 VO (EG) Nr. 852/2004). Weiter muss es sich um ein Verbot handeln, das nach der lebensmittelrechtlichen Straf- und Bußgeldverordnung nicht selbst straf- oder bußgeldbewehrt ist, was im Fall Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anh. II Kap.1 Nr.1 VO (EG) Nr. 852/2004 gegeben ist. In dieser Auslegung verstößt § 3 Satz 1 LMHV nicht gegen das europäische Normwiederholungsverbot. Denn es wiederholt die europarechtlichen Normen nicht, sondern ergänzt sie mittels einer diese allgemein umschreibenden Formulierung um die Möglichkeit, über § 10 Nr. 1 LMHV eine bußgeldrechtliche Ahndung und damit ihre effektive Durchsetzung zu ermöglichen (vgl. auch Boch, in: LFGB 8. Online-Auflage 2019, § 40 Rn. 56; VG Ansbach B.v. 13.3.2020 – 14 E 19.2400, beck-online, Rn.31).

50 2.2.2.3 Dabei handelt es sich auch um Verstöße in nicht nur unerheblichen Ausmaß im Sinne des § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB. Der unbestimmte Rechtsbegriff des „nicht nur unerheblichen Ausmaßes“ ist anhand von quantitativen und qualitativen Kriterien zu konkretisieren. Dabei können nur solche Verstöße als erheblich gelten, die von hinreichendem Gewicht sind, um für die betroffenen Unternehmen potentiell gravierende Folgen zu rechtfertigen. So kann ein nicht nur unerhebliches Ausmaß dann anzunehmen sein, wenn es sich um einen Verstoß mit besonders nachteiligen Folgen für den einzelnen Verbraucher handelt oder eine Vielzahl von Verbrauchern betroffen ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. 3. 2018, 1 BvF 1/13; Boch, in: LFGB, 8. Aufl. 2019, § 40 Rn. 52; VGH BW, B. v. 28. 11. 2019 – 9 S 2662/19 -). Bereits die Anzahl der Verstöße rechtfertigt vorliegend die Annahme der Erheblichkeit. Es liegt kein einzelner Verstoß vor, sondern insgesamt zumindest zehn, die aus dem Bußgeldbescheid des Antragsgegners vom 18. August 2022 berücksichtigt werden müssen. Diese Verstöße beruhen auf einer einheitlichen Motivation und sind Konsequenz eines einheitlichen Reinigungs- und Hygienedefizits. Die Folge dieses Defizits ist in ihrer Gesamtheit als erheblich anzusehen. Nach dem Zweck der Norm soll eine hinreichende Grundlage für eine Konsumentscheidung der Verbraucher geschaffen und zur Einhaltung der Bestimmungen des Lebens- und Futtermittelrechts beigetragen werden (BVerfG, B.v. 21.03.2018 – 1 BvF 1/13 – Rn. 32, juris). Den Behörden ist es lediglich verwehrt, jeden beliebigen Verstoß gegen hygienerechtliche Vorschriften als Anlass für eine Veröffentlichung der Verstöße zu nehmen. Aus den genannten Zwecken folgt aber, dass eine Veröffentlichung dann gerechtfertigt sein muss, wenn die einzelnen, für sich genommen unerheblichen Verstöße in ihrer Gesamtheit die Erheblichkeitsschwelle überschreiten (VG Stuttgart B. v. 23.9.2019 – 16 K 2470/19, beck-online, Rn. 43). Vorliegend sind durch die Anzahl der Verstöße und die davon betroffenen Produkte (alle Produkte, die im Unternehmen hergestellt werden) auch eine Vielzahl von Verbrauchern betroffen.

51 2.2.2.4 Weiter ist die Verhängung eines Bußgeldes in Höhe von mindestens 350,00 EUR zu erwarten.

52 2.2.2.4.1 Die der Veröffentlichung zugrundeliegenden Verstöße gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften sind bußgeldbewehrt. Die Bußgeldbewehrung der Verstöße gegen Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anh. II Kap. IX Nr. 2 VO (EG) Nr. 852/2004 ergibt sich aus §§ 60 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a), 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) LFGB, § 2 Nr. 8 LMRStV, die der Verstöße gegen Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anh. II Kap. V Nr. 1 Buchst. a) VO (EG) Nr. 852/2004 aus §§ 60 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a), 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) LFGB, § 2 Nr. 5 LMRStV und die der Verstöße gegen § 3 Satz 1 LMHV aus §§ 60 Abs. 2 Nr. 26 Buchst. a), 14 Abs. 2 Nr. 1 LFGB i.V.m. § 10 Nr. 1 LMHV.

53 § 60 Abs. 2 Nr. 26 Buchst. a) LFGB und § 60 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a) LFGB verstoßen nicht gegen das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot (BayVGH, B.v. 28.11.2019 − 20 CE 19.1995 – juris Rn. 54; VG Frankfurt am Main B.v. 04.05.2020 – 5 L 2067/20.F – juris Rn. 26; VG Ansbach, B.v. 2.8.2021- AN 14 E 20.1682 – beck-online Rn. 75 ff.). Mit Beschluss vom 11. März 2020 (2 BvL 5/17 – juris) hat das Bundesverfassungsgericht die Blankettstrafnorm des § 58 Abs. 3 Nr. 2 LFGB, soweit sie über § 58 Abs. 1 Nr. 18 auf § 13 Abs. 1 Nr. 1 und 2 LFGB verweist, als mit dem Grundgesetz vereinbar angesehen. Die Entscheidung betrifft zwar nicht die streitgegenständlichen § 60 Abs. 2 Nr. 26 Buchst. a) LFGB und § 60 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a) LFGB i.V.m. § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) LFGB, sie ist jedoch, soweit sie sich – wie vorliegend – auf § 14 Abs. 2 Nr. 1 LFGB bezieht, auf die vorliegende Fallkonstellation übertragbar (VG Ansbach, B.v. 02.08.2021 – AN 14 E 20.1682 – beck-online Rn.77). Dafür spricht die parallele Regelungssystematik der Normen. Denn sowohl § 14 Abs. 2 Nr. 1 LFGB als auch § 13 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 LFGB ermächtigen jeweils nur, soweit es zur Erfüllung der in § 1 Abs. 1 Nr. 1, auch in Verbindung mit Abs. 2 bzw. Abs. 3 LFGB genannten Zwecke, mithin zum Schutz der Verbraucher durch Vorbeugung gegen eine oder Abwehr einer Gefahr für die menschliche Gesundheit durch Einhaltung der Hygienevorschriften erforderlich ist, Regelungen durch Rechtsverordnung zu treffen. Durch das Zusammenlesen der Paragraphenketten erschließt sich der Regelungsgehalt der Vorschriften, so dass der Aufwand zur Bestimmung desselben zwar deutlich erhöht ist, jedoch nicht derart, dass er nicht mehr erkennbar wäre (BVerfG, B.v. 21.9.2016 – 2 BvL 1/15 – NJW 2016, 3648 – juris Rn. 96). Mit dem Lebensmittelunternehmer ist auf den sach- und fachkundigen Normadressaten abzustellen, bei dem von besonderen diesbezüglichen Kenntnissen auszugehen ist (VG Ansbach, B.v. 2.8.2021 – AN 14 E 20.1682 – beck-online Rn. 78; VG Würzburg, B. v. 31.8.2021 – 8 E 21.1045 – beck-online Rn. 66 f.)

54 2.2.2.4.2 Es ist die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens 350,00 EUR zu erwarten. Diese Tatbestandsvoraussetzung unterliegt der vollen gerichtlichen Überprüfbarkeit (BayVGH, B.v. 28.11.2019 – 20 CE 19.1995 – juris Rn. 56). Hierbei muss durch die Behörde kein konkretes Bußgeld prognostiziert werden. Es genügt, wenn sie nachvollziehbar darlegt, dass zu erwarten ist, dass es die Erheblichkeitsschwelle von 350,00 EUR überschreiten wird (vgl. VG Frankfurt am Main, B.v. 12.12.2019 – 5 L 3285/19.F – juris Rn.37). Da im Lebensmittelrecht kein einschlägiger Bußgeldkatalog existiert, ist die Höhe des Bußgeldes sowohl von den festgestellten Mängeln als auch von subjektiven Merkmalen wie Vorsatz, Häufigkeit der Verstöße, Erstmaligkeit der Verstöße, Einsichtsfähigkeit und weitere Kriterien abhängig (VG Stuttgart, B.v. 23.9.2019 – 16 K 2470/19 – juris Rn. 57, 58).

55 Die Verstöße wurden vorliegend in Tateinheit begangen, so dass nach § 19 Abs. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) eine einheitliche Bußgeldbewertung erfolgt. Danach wird nur eine einzige Geldbuße festgesetzt, wenn dieselbe Handlung mehrere Gesetze, nach denen sie als Ordnungswidrigkeit geahndet werden kann oder ein solches Gesetz mehrmals verletzt. „Dieselbe Handlung“ im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit liegt dann vor, wenn mehrere natürliche Handlungen in einem solchen unmittelbaren Zusammenhang stehen, dass sich das gesamte Tätigwerden bei natürlicher Betrachtungsweise für einen Dritten als einheitlich zusammengefasstes Tun oder Unterlassen darstellt, das auf einem nach außen erkennbaren einheitlichen Willen beruht (vgl. Sackreuther in BeckOK OWiG, Graf, 31. Ed. 1.7.2021, § 19 Rn. 10.). Die festgestellten Hygiene- und Reinigungsverstöße beruhen vorliegend sowohl auf der gleichen Motivationslage und erfolgten derart in einem unmittelbaren zeitlichen und räumlichen Zusammenhang, dass sich das Geschehen für einen Dritten als auf einem einheitlichen Willen beruhend darstellt. Es handelt sich um Hygiene- und Reinigungsmängel, die alle darauf zurückzuführen sind, dass es der Antragsteller unterlassen hat, die erforderlichen Reinigungsmaßnahmen durchzuführen. Der Antragsgegner hat im Bußgelbescheid vom 18. August 2022 ein Bußgeld in Höhe von 600,00 EUR verhängt. Dabei wurde der Tatsache der umgehenden Mängelbehebung durch den Antragsteller durch eine Reduzierung der ursprünglich errechneten Bußgeldhöhe von 700,00 EUR Rechnung getragen.

56 Dass der Verstoß unter Ziffer 5.1 nicht und der Verstoß unter Ziffer 5.4 nur hinsichtlich des Hobelmaschineneinsatzes geahndet werden kann, führt nicht zur Annahme der Erwartung eines Bußgeldes unter 350,00 EUR. Denn aus den Aufzeichnungen des Antragsgegners (Blatt 3 ff. der Behördenakte) ergibt sich, dass der Verstoß unter Ziffer 5.1 mit einem Betrag in Höhe von 50,00 EUR und der Verstoß unter Ziffer 5.4 hinsichtlich Hobelmaschineneinsatz und Messern einheitlich mit 100,00 EUR angesetzt wurde, so dass davon auszugehen ist, dass ein Betrag in Höhe von 50,00 EUR auf die Messer entfällt. Nach Abzug der nicht zu ahndenden Verstöße verbleibt somit ein zu erwartendes Bußgeld in Höhe 500,00 EUR.
57 Vom Antragsgegner wurde ferner nachvollziehbar dargelegt, dass es sich

nach dessen Verwaltungspraxis um einen Betrieb mittlerer Größe handelt und die Bußgelder für die einzelnen Verstöße entsprechend dem vom Antragsgegner erstellten sog. „Bußgeldrahmen“ festgesetzt wurden.

58 Es spricht auch nichts gegen die Annahme von bedingtem Vorsatz, da die Mängel offensichtlich und für den Antragsteller jederzeit erkennbar waren. Der Vortrag des Antragstellers, die Verstöße seien zum Teil auf eine Erhöhung des Reinigungszyklus zurück zu führen, der aufgrund der Erkrankung des Reinigungspersonals veranlasst wurde, stehen der Ahndung durch ein Bußgeld nicht entgegen. Der Antragsteller ist aufgrund seiner Verantwortung als Lebensmittelunternehmer verpflichtet, dafür Sorge tragen zu können, dass auch bei Personalausfall die rechtlichen Vorgaben eingehalten werden können.

59 2.2.2.5 Der Antragsgegner hat die beanstandeten Lebensmittel hinreichend bezeichnet. Grundsätzlich richtet sich die Genauigkeit der Bezeichnung des Lebensmittels nach dem jeweiligen Verstoß und ist ausgehend von diesem zu bestimmen (VGH BW, B.v. 21.4.2019 – 9 S 584/19 – juris Rn.15). Die Veröffentlichung muss – insbesondere bei umfassenden Verstößen – keine vollständige Aufzählung aller betroffenen Lebensmittel beinhalten, sondern vor allem aus der Sicht des Normzwecks – Gesundheits- und Verbraucherschutz – hinsichtlich der genannten Lebensmittel zutreffend sein (VG Freiburg, B.v. 30.4.2019 – 4 K 168/19 – juris). Wegen der erheblichen Folgen einer Veröffentlichung für den Betroffenen hat sie schonend und damit so genau wie möglich zu erfolgen, um dem Eindruck vorzubeugen, es seien Lebensmittel betroffen, die dies überhaupt nicht sind (VGH BW, B.v. 21.4.2019 – 9 S 584/19 – juris Rn.15). Informationen über Hygienemängel können grundsätzlich auch dann erfolgen, wenn Lebensmittel zwar nicht unmittelbar in hygienisch mangelhafter Weise bearbeitet werden, jedoch im Umfeld des Umgangs mit ihnen generelle Hygienemängel festgestellt wurden (vgl. BayVGH, B.v. 18.3.2013 – 9 CE 13.80 -, juris Rn. 20). Daher setzt eine Information über solche Hygienemängel nicht voraus, dass eine nachteilige Beeinflussung bestimmter Lebensmittel nachgewiesen worden ist und nur diese in der Veröffentlichung benannt werden (vgl. VGH BW, B.v. 21.3.2019 – 9 S 584/19 -, juris Rn. 18; HessVGH, B.v. 8.2.2019 – 8 B 2575/18 -, juris Rn. 29 ff.; BayVGH, B.v. 18.3.2013 – 9 CE 13.80 -, juris Rn. 20; OVG Rheinland-Pfalz, B.v. 13.2.2013 – 6 B 10035/13 -, juris Rn. 19; so auch Boch, in: LFGB 8. Online-Auflage 2019, § 40 Rn. 37).

60 Die festgestellten „Mängel bei der Betriebshygiene /Reinigungshygiene“ beziehen sich nicht auf einzelne im Betrieb des Antragstellers produzierte Produkte bzw. einzelne Betriebsbereiche, vielmehr waren die Mängel auf verschiedene Bereich des Betriebs erstreckt. Vor diesem Hintergrund ist nicht abzugrenzen, welche Produkte konkret betroffen waren, so dass eine nähere Eingrenzung nicht möglich und die beabsichtigte Bezeichnung daher nicht zu beanstanden ist.

61 2.2.3 Die Veröffentlichung ist auch verhältnismäßig. Die Verpflichtung zur Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a LFGB ist aufgrund der erheblichen Grundrechtsrelevanz durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eingeschränkt (Rathke in Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand 179. EL März 2021, § 40 LFGB Rn. 81). Dieser Grundsatz steht der Veröffentlichung jedoch nicht entgegen. Das öffentliche Interesse an der Information über die verfahrensgegenständlichen Verstöße gegen das Lebensmittelrecht rechtfertigt einen Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG, auch wenn der Antragsteller eine erhebliche Beeinträchtigung seines Geschäftsbetriebs befürchtet. Dieser – möglicherweise – gewichtige Grundrechtseingriff ist dadurch relativiert, dass der betroffene Lebensmittelunternehmer die gesetzlich vorgesehenen negativen Öffentlichkeitsinformationen durch sein eigenes rechtswidriges Verhalten selbst veranlasst hat, die er umgekehrt durch rechtstreues Verhalten hätte verhindern können, und dass sein Fehlverhalten angesichts der Konsequenzen für die Verbraucherinnen und Verbraucher einen Öffentlichkeitsbezug aufweist (so ausdrücklich BVerfG, B.v. 21.3.2018 – 1 BvF 1/13 – BVerfGE 148, 40 – juris Rn. 36).

62 Auch der Umstand, dass die Beseitigung der Mängel bereits vor der beabsichtigten Information der Öffentlichkeit nach § 40 Abs. 1a LFGB erfolgt ist, führt nicht zu einer Unverhältnismäßigkeit des Eingriffs. Denn nicht nur die Publikation anhaltender, sondern auch die Veröffentlichung bereits beseitigter Verstöße ist geeignet, zur Transparenz am Markt beizutragen und entspricht der gesetzlichen Intention. Die lebensmittelrechtliche Unzuverlässigkeit eines Unternehmers in der jüngeren Vergangenheit kann durchaus für die Konsumentscheidung des Verbrauchers in der Gegenwart und Zukunft eine relevante Tatsache darstellen, auch wenn die festgestellten Verstöße zwischenzeitlich beseitigt wurden. Nach dem Gesetz soll dem Verbraucher überlassen werden, welche Schlüsse er aus Verstößen gegen das LFGB zieht. Das gilt insbesondere im Hinblick auf den generalpräventiven Zweck der Regelung. Die Publikation behobener Verstöße erhöht die abschreckende Wirkung der Informationsregelung und fördert damit die Einhaltung der einschlägigen Vorschriften (BVerfG B.v. 21.3.2018 – 1 BvF 1/13 – NJW 2018, 2109 Rn. 38; VG Würzburg, B.v. 12.12.2012 – W 6 E 12.994 – juris m.w.N., VG Würzburg, B. v. 31.8.2021 – 8 E 21.1045, beck-online, Rn. 51).

63 Selbst wenn die nachrangig mit § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB verfolgte erzieherische Wirkung für das betroffene Unternehmen (vgl. BT-Drs. 17/12299, S. 7; BVerfG, Beschluss vom 21. 3. 2018, 1 BvF 1/13 -, juris) im Fall des Antragstellers bereits weitgehend eingetreten sein sollte, sind Konsumentscheidungen der Verbraucher, für die die Veröffentlichung eine Entscheidungsgrundlage liefern soll, im Veröffentlichungszeitraum noch zu erwarten.

64 2.2.4 Die nach § 40 Abs. 3 LFGB erforderliche Anhörung des Antragstellers hat mit Schreiben vom 5. August 2022 mit Fristsetzung bis zum 17. August 2022 stattgefunden. Bereits mit Schreiben vom 3. August 2022 war dem Antragsteller eine Anhörung nach § 55 OWiG übersandt worden, in dem die einzelnen Beanstandungen aufgelistet waren.

65 Die Anhörung muss derart erfolgen, dass der Unternehmer sich inhaltlich sinnvoll zu der beabsichtigten Veröffentlichung äußern kann. Hierzu muss ihm zumindest der vollständige Wortlaut der geplanten Veröffentlichung bekannt gegeben werden (vgl. BayVGH, B.v. 28.11.2019 – 20 CE 19.1995 – juris Rn. 44; VG Regensburg, B.v. 21.12.2012 – RN 5 E 12.1895 – juris Rn. 96; Holle in Streinz/Meisterernst BasisVO / LFGB, 1. Aufl. 2021, § 40 Rn. 164). Dies war der Fall. Zudem war aus den Angaben im Anhörungsschreiben vom 3. August 2022 ersichtlich, aufgrund welcher Verstöße die Veröffentlichung erfolgen soll.

66 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

67 4. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1 des Gerichtskostengesetzes i.V.m. Nr. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs. Eine Reduzierung des Regelstreitwertes auf die Hälfte des Auffangwertes kommt vorliegend nicht in Betracht, weil die Entscheidung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Hauptsache vorwegnimmt (vgl. BayVGH, B.v. 4.8.2020 – 20 CE 20.719 – juris Rn. 13).

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