Werbung im Schaufenster ohne Preisangabe kann erlaubt sein

13. Februar 2017
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Frau mit Einkaufstaschen steht vor Schaufenster mit Rabattaktion Urteil des BGH vom 10.11.2016, Az.: I ZR 29/15

a) Die Bestimmung des § 1 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 PAngV hat ihre (alleinige) unionsrechtliche Grundlage in der Richtlinie 98/6/EG.

b) Eine Werbung, in der kein Preis für das beworbene Produkt angegeben ist, kann nicht als Angebot im Sinne der Richtlinie 98/6/EG und – entsprechend – im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV angesehen werden.

c) Die Vorschrift des § 4 Abs. 1 PAngV erfasst nicht die reine Werbung im Schaufenster durch Präsentation der Ware ohne Preisangabe.

d) Die der Umsetzung des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG dienende Bestimmung des § 5a Abs. 2 UWG ist hinsichtlich des in der Richtlinie 98/6/EG geregelten Aspekts eines in einer Werbung angegebenen oder anzugebenden Verkaufspreises einer Ware nicht anwendbar.

Bundesgerichtshof

Urteil vom 10.11.2016

Az.: I ZR 29/15

 

Tenor

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 10. November 2016 durch den Vorsitzenden Richter (…), die Richter (…), (…), die Richterin (…) und den Richter (…) für Recht erkannt:

Die Revision gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 29. Januar 2015 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Beklagte betreibt bundesweit Hörgeräteakustiker-Geschäfte. Im Jahr 2012 präsentierte sie im Schaufenster ihrer Niederlassung in Düsseldorf auf zwei Säulen Hörgeräte zum Tragen im Ohr (IdO-Geräte) und zum Tragen hinter dem Ohr (HdO-Geräte) ohne Preisauszeichnung. Neben den Hörgeräten befanden sich auf der anderen Hälfte der Säulenoberfläche erläuternde Hinweise zu IdO-Geräten und HdO-Geräten. Neben den Präsentationssäulen wurden weitere Waren zum Kauf angeboten, darunter Hörgeräte mit Preisauszeichnungen sowie andere Produkte. Die zwei Säulen mit den Hörgeräten waren folgendermaßen gestaltet: […]

Die Klägerin, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e. V., hat die Beklagte deswegen auf Unterlassung und Erstattung pauschaler Abmahnkosten in Anspruch genommen.

Die Klage ist sowohl in erster Instanz (LG Düsseldorf, GewArch 2014, 320) als auch vor dem Berufungsgericht ohne Erfolg geblieben (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2015, 299 = WRP 2015, 467).

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die angegriffene Präsentation im Schaufenster der Beklagten verstoße nicht gegen § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV, weil es sich bei ihr nicht um ein Angebot im Sinne von Fall 1 dieser Vorschrift, sondern um eine ohne die Angabe von Preisen zulässige Werbung im Sinne des Falls 2 dieser Bestimmung handele. Ein Verstoß gegen die Preisauszeichnungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 PAngV scheide schon deshalb aus, weil diese Vorschrift seit dem 13. Juni 2013 nicht mehr anwendbar sei. Außerdem setzte auch diese Vorschrift das Vorliegen eines Angebots voraus.

II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass das Unterlassungsbegehren der Klägerin weder unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes der Beklagten gegen die Verpflichtung zur Preisangabe bei Angeboten gemäß §§ 8, 3, 3a UWG (§ 4 Nr. 11 UWG aF) in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 PAngV (dazu unter II 1) noch wegen eines von der Beklagten begangenen Verstoßes gegen die Preisauszeichnungspflicht gemäß §§ 8, 3, 3a (§ 4 Nr. 11 UWG aF) in Verbindung mit § 4 Abs. 1 PAngV begründet ist (dazu unter II 2). Das Unterlassungsbegehren der Klägerin erweist sich ferner nicht als aus §§ 8, 3, 5a Abs. 2 UWG gerechtfertigt (dazu unter II 3). Damit besteht auch kein Anspruch der Klägerin auf Ersatz ihrer Abmahnkosten gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG.

1. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass ein Unterlassungsanspruch nach §§ 8, 3, 3a UWG (§ 4 Nr. 11 UWG aF) in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 PAngV nicht besteht, weil die Beklagte mit ihrer beanstandeten Präsentation von Hörgeräten im Schaufenster nicht gegen die in dieser Vorschrift der Preisangabenverordnung vorgesehene Pflicht verstoßen hat.

a) Da die Klägerin den geltend gemachten Unterlassungsanspruch auf Wiederholungsgefahr gestützt hat, wäre ihre Klage nur begründet, wenn das beanstandete Verhalten der Beklagten sowohl zum Zeitpunkt seiner Vornahme rechtswidrig gewesen wäre als auch noch zum Zeitpunkt der Entscheidung in der Revisionsinstanz rechtswidrig wäre (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 7. April 2016 – I ZR 81/15, GRUR 2016, 1200 Rn. 11 = WRP 2016, 1359 – Repair-Kapseln; Urteil vom 21. April 2016 – I ZR 151/15, GRUR 2016, 1193 Rn. 13 = WRP 2016, 1354 – Ansprechpartner; Urteil vom 28. April 2016 – I ZR 23/15, GRUR 2016, 1073 Rn. 16 = WRP 2016, 1228 – Geo-Targeting, jeweils mwN).

In der Zeit zwischen der beanstandeten Werbung der Beklagten im Jahr 2012 und der vorliegenden Entscheidung ist das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb mit Wirkung vom 10. Dezember 2015 novelliert worden. Eine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Änderung der Rechtslage folgt daraus aber nicht. Der seit dem 10. Dezember 2015 geltende § 3a UWG entspricht der bis dahin in § 4 Nr. 11 UWG aF enthaltenen Regelung des wettbewerbsrechtlichen Rechtsbruchtatbestands (vgl. BGH, GRUR 2016, 1200 Rn. 11 – Repair-Kapseln, mwN). Ebensowenig folgt daraus eine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Änderung der Rechtslage, dass in § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV durch Art. 7 Nr. 1 Buchst. a des Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung vom 20. September 2013 (BGBl. I, S. 3642, 3661) mit Wirkung vom 13. Juni 2014 das Wort „Endpreise“ durch das Wort „Gesamtpreise“ und durch Art. 11 Nr. 1 Buchst. a des Gesetzes zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie und zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften vom 11. März 2016 (BGBl. I, S. 396, 414) mit Wirkung vom 21. März 2016 das Wort „Letztverbraucher“ durch die Wendung „Verbraucher gemäß § 13 des Bürgerlichen Gesetzbuchs“ ersetzt worden sind.

b) Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 PAngV hat derjenige, der Verbrauchern gem. § 13 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gewerbs- oder geschäftsmäßig oder regelmäßig in sonstiger Weise Waren anbietet, die Preise anzugeben, die einschließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile zu zahlen sind (Gesamtpreise). Soweit die Vorschrift die Unternehmer zur Angabe der Endpreise einschließlich der Umsatzsteuer beim Warenhandel verpflichtet, hat sie ihre Grundlage in Art. 1 und 2 Buchst. a, Art. 3 und 4 Abs. 1 der Richtlinie 98/6/EG über den Schutz der Verbraucher bei der Angabe der Preise der ihnen angebotenen Erzeugnisse. Nach diesen Bestimmungen des Unionsrechts ist bei Erzeugnissen, die Händler Verbrauchern anbieten, der Endpreis für eine Produkteinheit unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar als Verkaufspreis anzugeben, der die Umsatzsteuer einschließt (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 2010 – I ZR 99/08, GRUR 2011, 82 Rn. 18 = WRP 2011, 55 – Preiswerbung ohne Umsatzsteuer).

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat inzwischen entschieden, dass Gegenstand der Richtlinie 98/6/EG über den Schutz der Verbraucher bei der Angabe der Preise der ihnen angebotenen Erzeugnisse nicht allein der Schutz der Verbraucher bei der Preisangabe von Waren unter Bezugnahme auf unterschiedliche Maßeinheiten ist (EuGH, Urteil vom 7. Juli 2016 – C-476/14, GRUR 2016, 945 Rn. 30 bis 35 = WRP 2016, 1096 – Citroën/ZLW). Die Richtlinie 98/6/EG regelt deshalb im Zusammenhang mit der Angabe des Verkaufspreises von Erzeugnissen in Verkaufsangeboten besondere Aspekte im Sinne von Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG und geht damit den entsprechenden Vorschriften in der Richtlinie 2005/29/EG vor (EuGH, GRUR 2016, 945 Rn. 42 bis 45 – Citroën/ZLW). Die Bestimmung des § 1 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 PAngV hat danach ihre (alleinige) unionsrechtliche Grundlage in der Richtlinie 98/6/EG.

c) Der in der Richtlinie 98/6/EG verwendete Begriff des Anbietens ist dort nicht definiert. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union kann ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher eine Werbung, in der ein Gewerbetreibender die Besonderheiten des beworbenen Erzeugnisses und einen Preis, der aus der Sicht des Verbrauchers dem Verkaufspreis dieses Erzeugnisses gleichkommt, sowie ein Datum genannt hat, bis zu dem das „Angebot“ gültig bleibt, als Angebot des Gewerbetreibenden auffassen, das Erzeugnis zu dem in dieser Werbung genannten Konditionen zu verkaufen (EuGH, GRUR 2016, 945 Rn. 30 – Citroën/ZLW). Die genannten Voraussetzungen müssen dabei kumulativ erfüllt sein (EuGH, GRUR 2016, 945 Rn. 32 – Citroën/ZLW). Deshalb kann eine Werbung, in der – wie im Streitfall – kein Preis für das beworbene Produkt angegeben ist, nicht als Angebot im Sinne der Richtlinie 98/6/EG und – entsprechend – im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV angesehen werden.

2. Das Berufungsgericht hat weiterhin mit Recht angenommen, dass die Beklagte die von ihr im Schaufenster ausgestellten Hörgeräte nicht gemäß § 4 Abs. 1 PAngV durch Preisschilder oder Beschriftung auszeichnen musste.

Das Berufungsgericht ist mit der im Schrifttum überwiegend vertretenen Ansicht (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 34. Aufl., § 4 PAngV Rn. 1; Wenglorz in Fezer/Büscher/Obergfell, UWG, 3. Aufl., S 14 Rn. 191; Sosnitza in Ohly/Sosnitza, UWG, 7. Aufl., Einf PAngV Rn. 20 und § 4 PAngV Rn. 3; Weidert/Völker in Harte/Henning, UWG, 4. Aufl., § 4 PAngV Rn. 1) zu Recht davon ausgegangen, dass der Tatbestand des § 4 Abs. 1 PAngV ein bereits vorliegendes Angebot im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 PAngV voraussetzt.
Die Vorschrift des § 4 Abs. 1 PAngV regelt danach allein die Art und Weise, in der die Preisangabe bei sichtbar ausgestellten oder vom Verbraucher unmittelbar zu entnehmenden Waren zu erfolgen hat. Die Bestimmung erfasst nicht die reine Werbung im Schaufenster durch Präsentation der Ware ohne Preisangabe und geht deshalb nicht über das Schutzniveau der Richtlinie 98/6/EG hinaus (aA Mehler in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 3. Aufl., § 4 PAngV Rn. 1; v. Oelffen, § 5a UWG – Irreführung durch Unterlassen – ein neuer Tatbestand im UWG, 2012, S. 264; Kolb, Die Übergangsregelung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, 2015, S. 83 f. mwN).

3. Das Unterlassungsbegehren der Klägerin ist entgegen der von der Revision in der mündlichen Revisionsverhandlung geäußerten Ansicht auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Vorenthaltens einer wesentlichen Information aus §§ 8, 3, 5a Abs. 2 UWG begründet. Die zuletzt genannte Bestimmung dient der Umsetzung des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG (vgl. BGH, Urteil vom 19. Februar 2014 – I ZR 17/13, GRUR 2014, 584 Rn. 8 f. = WRP 2014, 686 – Typenbezeichnung). Die Richtlinie 98/6/EG regelt jedoch besondere Aspekte im Sinne von Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG der gegebenenfalls als unlauter einzustufenden Geschäftspraktiken in den Beziehungen zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern wie insbesondere solche, die mit der Angabe des Verkaufspreises von Erzeugnissen in Warenangeboten und in der Werbung im Zusammenhang stehen. Damit kann die Richtlinie 2005/29/EG hinsichtlich des in der Richtlinie 98/6/EG geregelten Aspekts eines in einer Werbung angegebenen oder anzugebenden Verkaufspreises nicht zur Anwendung kommen (EuGH, GRUR 2016, 945 Rn. 44 f. – Citroën/ZLW).

III. Da unter Berücksichtigung des mittlerweile vorliegenden Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Sache Citroën/ZLW (GRUR 2016, 945) keine vernünftigen Zweifel an der Auslegung des im Streitfall anwendbaren Unionsrechts bestehen, ist ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV nicht veranlasst (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 – 283/81, Slg. 1982, 3415 Rn. 21 = NJW 1983, 1257 – C. I. L. F. I. T.; Urteil vom 1. Oktober 2015 – C-452/14, GRUR Int. 2015, 1152 Rn. 43 – Doc Generici, mwN).

IV. Danach ist die Revision der Klägerin mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 12.02.2014 – 12 O 630/12 –
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 29.01.2015 – I-2 U 29/14 –

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