Zahlung von Mitgliedsbeiträgen in einem Fitnessstudio während der Corona-Pandemie

10. Februar 2021
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Kraftraum mit Kraftgeräten Urteil des AG Zeitz vom 01.12.2020, Az.: 4 C 112/20

Das AG Zeitz hat entschieden, dass Fitnessbetreiber einen Anspruch auf eine Vertragsanpassung haben, sofern eine Schließung wegen der aktuellen Corona-Pandemie erfolgen musste. Es sei dem Fitnessstudio-Mitglied auch insbesondere zuzumuten, dass es weiterhin fällige Mitgliedsbeiträge während der Covid-19 bedingten Schließung des Fitnessstudios bezahlt. Nach Ende der eigentlichen Vertragslaufzeit, darf dann aber das Mitglied das Studio für den Zeitraum besuchen, in dem eine Nutzung nicht möglich war. Außerdem benachteiligt eine formularmäßige Vorfälligkeitsklausel nicht den Verbraucher.

Amtsgericht Zeitz

Urteil vom 01.12.2020

Az.: 4 C 112/20

 

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 882,60 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13. März 2020 sowie vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 215,00 Euro zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

und beschlossen:

Der Streitwert wird auf 1.832,46 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Zahlung weiterer Nutzungsentgelte aus einem Fitnessstudiovertrag.

Der Kläger ist Betreiber einer Fitness- und Freizeitanlage in xxx. Der Beklagte schloss am 26. September 2018 mit dem Kläger einen Vertrag über die Nutzung des Fitnessstudios über einen Zeitraum von 24 Monaten, zu einem wöchentlichen Beitrag von 14,77 Euro, welcher sich jeweils zum 1. eines Quartals um 0,19 Euro erhöhen sollte. Die Parteien vereinbarten weiter: […] Der Vertrag verlängert sich jeweils um weitere 12 Monate, sofern nicht unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von mindestens drei Monaten vor dem jeweiligen Beendigungszeitpunkt in Textform gekündigt wird. […] Die vereinbarten Beiträge werden 14tägig jeweils montags im Voraus fällig. Gerät das Mitglied schuldhaft mit mindestens neun wöchentlichen Beiträgen in Verzug, so werden die gesamten, in diesem Vertrag vorgesehenen Beiträge, bis zum nächstmöglichen Vertragsende sofort zur Zahlung fällig. […] 1xjährlich erhalten Sie eine neue Berechtigungskarte, inklusive eines Gesundheitschecks. Hierfür werden jeweils zum 1. Dezember nur 10,00 Euro berechnet. […] Zum ersten jeden Quartals wird für die Standardbetreuung eine Service- und Betreuungspauschale in Höhe von nur 19,00 Euro abgebucht. In der Anlage zum Fitnessstudiovertrag befindet sich darüber hinaus folgender Hinweis: Der Kunde wird auf verschiedene Vertragsvarianten, insbesondere verschiedene Laufzeiten hingewiesen. […]. Durch eine Sonderabsprache regelten die Parteien außerdem eine sog. befristete Ruhenszeit, die dem Beklagten für 28 Wochen, im Zeitraum vom 19. November 2018 bis 2. Juni 2019 eingeräumt wurde. In deren Folge verschob sich das mögliche Vertragsende am 25. September 2020 um 28 Wochen auf den 9. April 2021.

Die Zahlungen der Mitgliedsbeiträge des Beklagten blieben ab dem 3. Juni 2019 aus.

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 17. Januar 2020 forderte der Kläger den Beklagten zur Zahlung eines offenen Beitrages in Höhe von 1.312,46 Euro zuzüglich Zinsen sowie vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten bis zum 3. Februar 2020 auf. Die außergerichtliche Geltendmachung des Klägers blieb erfolglos. Der Kläger holte Auskunft über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beklagten ein, wofür Kosten in Höhe von 8,00 Euro anfielen.

Aufgrund der Corona-Pandemie musste das Fitnessstudio des Klägers vom 20. März 2020 bis zum 17. Mai 2020 auf der Grundlage der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung schließen. Der Kläger öffnete das Fitnessstudio wieder am 18. Mai 2020.

Am 27. Oktober 2020 erklärte der Beklagte dem Kläger die außerordentliche, fristlose Kündigung, unter Vorlage eines ärztlichen Attestes vom 26. Oktober 2020.

Der Kläger behauptet, der Beklagte habe eine dauerhafte Sportuntauglichkeit nicht nachweisen können, so dass davon auszugehen sei, dass er das vertraglich vereinbarte Leistungsangebot des Studios weiter in Anspruch nehmen könne.

Der Kläger hat den Erlass eines Mahnbescheids über eine Hauptforderung von 1.832,46 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17. Januar 2020 sowie über Nebenforderungen von insgesamt 223,00 Euro beantragt. Nach Zustellung des Mahnbescheides am 12. März 2020 hat der Beklagte hiergegen am 26. März 2020 Gesamtwiderspruch erhoben.

Mit der Anspruchsschrift vom 28. April 2020 hat der Kläger ursprünglich beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 1.824,87 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit sowie vorgerichtliche Kosten in Höhe von 223,00 Euro zu zahlen.

Nachdem das Gericht auf das teilweise Anerkenntnis des Beklagten in Höhe von 942,27 Euro am 19. Juni 2020 ein Teil-Anerkenntnisurteil erlassen hat, beantragt der Kläger nunmehr,

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 882,60 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit sowie vorgerichtliche Kosten in Höhe von 223,00 Euro zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, dass es ihm aus gesundheitlichen Gründen auf unbestimmte Zeit nicht möglich sei, im Fitnessstudio zu trainieren. Dies würde sich aus dem ärztlichen Attest vom 26. Oktober 2020 ergeben.

Der Beklagte ist außerdem der Auffassung, dass ihn die in der Vereinbarung aufgenommene Vorfälligkeitsklausel unangemessen benachteilige und daher der Zahlungsanspruch des Klägers lediglich bis zum 15. Juni 2020 als fällig anzusehen sei. Außerdem sei der Beklagte wegen der Schließung des Fitnessstudios für die Zeit vom 20. März 2020 bis 17. Mai 2020 von seiner Zahlungspflicht befreit.

Wegen des weiteren Parteivortrages wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

I.

Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Entrichtung der noch ausstehenden Mitgliedsbeiträge (inklusive der Beiträge zum Gesundheitscheck sowie der Service- und Betreuungspauschale) in Höhe von weiteren 882,60 Euro aus dem zwischen den Parteien am 26. September 2018 geschlossenen Fitnessstudiovertrag zu.

II.

Der Anspruch auf die restlichen Mitgliedsbeiträge ist auch als fällig anzusehen. Der Beklagte befand sich mit mehr als neun Wochenbeiträgen in Verzug, da er unstreitig seit dem 3. Juni 2019 die vereinbarten Beiträge nicht mehr zahlte und sich damit schuldhaft in Verzug gesetzt hat.

Die in dem Fitnessstudiovertrag enthaltene Vorfälligkeitsklausel, wonach die gesamten, vorgesehenen Beiträge, bis zum nächstmöglichen Vertragsende sofort zur Zahlung fällig werden, wenn sich das Mitglied schuldhaft mit mindestens neun wöchentlichen Beiträgen in Verzug befindet, verstößt nicht gegen § 307 Abs. 1, Abs. 2 BGB.

Die streitgegenständliche Klausel ist als Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des § 305 Abs. 1 S. 1 BGB Bestandteil der Vertragsbedingungen des Klägers geworden, die für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert und einseitig gestellt worden sind.

Bei der Vorfälligkeitsklausel handelt es sich nicht um eine verbotene Vertragsstrafenklausel im Sinne von § 309 Nr. 6 BGB, sondern um eine der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB unterliegende Vertragsbeendigungsregelung (vgl. erwähnend Bundesgerichtshof, Urteil vom 18. April 2019, Az. III ZR 191/18 mit Verweis auf die Entscheidungen zu den Fitnessstudioverträgen des Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 25. Juni 2003, Az. 7 U 36/03 sowie des Oberlandesgerichts Celle, Urteil vom 19. Oktober 1994, Az. 13 U 38/94, u.a.).

Der Beklagte wird mit der Vorfälligkeitsklausel nicht unangemessen benachteiligt. Gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders, entgegen dem Gebot von Treu und Glauben, unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist (§ 307 Abs. 2 BGB).

Unangemessen ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Benachteiligung dann, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen. Insoweit bedarf es einer umfassenden Würdigung und Abwägung der wechselseitigen Interessen, bei der die mit der Abweichung vom dispositiven Recht verbundenen Nachteile für den Vertragspartner, die von einigem Gewicht sein müssen, sowie Gegenstand, Zweck und Eigenart des Vertrags zu berücksichtigen sind (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 18. April 2019, Az. III ZR 191/18, Rn. 19 m.w.N., juris). Unter Anlegung dieser Maßstäbe hat der Bundesgerichtshof Vorfälligkeitsklauseln in einem Darlehensvertrag für wirksam gehalten, wenn deren tatbestandliche Voraussetzungen zumindest nicht hinter den Anforderungen zurückbleiben, die an eine Kündigungsregelung gestellt werden. Vertragsverletzungen müssen daher so schwerwiegend sein, dass sie ohne Rücksicht auf den Einzelfall eine automatische Vertragsbeendigung rechtfertigen, was bei einem Zahlungsverzug des Schuldners mit zwei vollen aufeinanderfolgenden Raten anzunehmen ist (vgl. Bundesgerichtshof, a.a.O., Rn. 20 mit Verweis auf die entsprechenden Entscheidungen der beiden Oberlandesgerichte zu den Fitnessstudioverträgen).

Bei dem zwischen den Parteien geschlossenem Fitnessvertrag handelt es sich um einen typengemischten Vertrag mit überwiegend mietrechtlichem Einschlag, so dass vergleichsweise die Regelung in § 543 Abs. 2 Nr. 3a BGB herangezogen werden kann (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 25. Juni 2003, Az. 7 U 36/03, Rn. 35 m.w.N., juris; so auch Landgericht Bonn, Urteil vom 5. August 2014, Az. 8 S 103/14, Rn. 21, juris). Gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 3a BGB steht dem Vermieter ein wichtiger Grund zur außerordentlichen fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses zu, wenn der Mieter für zwei aufeinanderfolgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist. Die von dem Kläger verwendete Klausel weicht von dieser Fristenregelung nicht ab, sondern bewegt sich vielmehr mit dem Verzug von neun Wochenbeiträgen in diesem zeitlichen Rahmen. Darüber hinaus hat der Kläger die Vorfälligkeit auch an eine Schuldhaftigkeit des Verzugseintritts geknüpft. Verletzt der Kunde seine vertraglichen Pflichten durch den schuldhaften Verzug, kann es nicht als unangemessen angesehen werden, wenn er seinerseits für den Rest des Vertrages an seinen ohnehin bestehenden vertraglichen Pflichten festgehalten wird (so auch Landgericht Bonn, a.a.O., Rn. 21). Das Gericht verkennt bei der Entscheidung auch nicht, dass einzelne Kunden mit der Vorfälligkeitsklausel in einem frühen Stadium der Vertragslaufzeit mit einem ggf. hohen Fälligkeitsbetrag konfrontiert werden. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Kunde selbst die Dauer des Fitnessvertrages bestimmen kann. So lässt sich auch der Anlage zu dem zwischen den Parteien vereinbarten Fitnessstudiovertrag entnehmen, dass der Kunde „auf verschiedene Vertragsvarianten, insbesondere verschiedene Laufzeiten hingewiesen wird“. Je nach Dauer der Vertragslaufzeit variieren die jeweiligen wöchentlichen Beiträge der Höhe nach. Dem Beklagten stand es daher unbenommen zu, auch eine kürzere Vertragslaufzeit mit einem dann höheren wöchentlichen Beitrag zu wählen. Er hat sich jedoch bewusst für diese längere Laufzeit von 24 Monaten und den damit einhergehenden Risiken zur Erzielung eines wirtschaftlichen Vorteils entschieden (vgl. so auch Landgericht Bonn, a.a.O., Rn. 21).

III.

Die fälligen Mitgliedsbeiträge umfassen dabei auch den Zeitraum der Covid-bedingten Schließung vom 20. März 2020 bis 17. Mai 2020. Der Kläger hat einen Anspruch auf Vertragsanpassung gem. § 313 Abs. 1 BGB aus den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage. Die geschuldete Leistung des Klägers, die darin besteht, dem Beklagten Zugang zu seinem Fitnessstudio zu verschaffen, wird für die betreffende Zeit bis zu dem Ende der Vertragslaufzeit gestundet. Der Beklagte bleibt für diesen Zeitraum vom 20. März 2020 bis zum 17. Mai 2020 zur Erbringung seiner Gegenleistung verpflichtet.

Gemäß § 313 Abs. 1 BGB kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, wenn sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten. Eine Anpassung des Vertrags ist möglich, wenn einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

Der von den Parteien zugrunde gelegte Umstand, dass das Fitnessstudio des Klägers innerhalb der angegebenen Öffnungszeiten geöffnet und dem Beklagten für sein Training zugänglich sein wird, hat sich nach Vertragsschluss mit Wirksamwerden der Sächsischen Corona-Schutzverordnung geändert, nach der den Fitness- und Sportstudios vorübergehend die Öffnung untersagt wurde. Es ist auch davon auszugehen, dass die Parteien den Vertrag mit anderem Inhalt geschlossen hätten, sofern die Parteien die Schließung des Fitnessstudios auf der Grundlage dieser Verordnung bei Vertragsschluss gekannt hätten. Die Umstände der angeordneten Schließung liegen auch nicht im Verantwortungsbereich des Klägers. Vielmehr stellt die Corona-Pandemie unzweifelhaft einen Fall höherer Gewalt dar, die keinem Risikobereich einer Partei zugeordnet werden kann.

Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles ist dem Beklagten die Vertragsanpassung auch zumutbar. Es ist dem Beklagten zuzumuten, dass er die fälligen Mitgliedsbeiträge weiter bedient, dabei jedoch selbst die Gegenleistung des Klägers erst am Ende der eigentlichen Vertragslaufzeit in Anspruch nehmen kann. Die Vertragsanpassung bietet insbesondere unter Heranziehung des Willens des Gesetzgebers in Zusammenhang mit Art. 240 § 5 EGBGB eine sachgerechte Lösung. Nach Art. 240 § 5 Abs. 2 EGBGB ist der Betreiber einer Sport- oder sonstigen Freizeiteinrichtung, die aufgrund der COVID-19-Pandemie zu schließen war, berechtigt, dem Inhaber einer vor dem 8. März 2020 erworbenen Nutzungsberechtigung anstelle einer Erstattung des Entgelts einen Gutschein zu übergeben. Zwar bezieht sich Art. 240 § 5 EGBGB ausdrücklich nur auf die Rückerstattung bereits gezahlter Beträge. Jedoch widerspräche es dem Willen des Gesetzgebers, im Rahmen des § 313 Abs. 1 BGB zu einer Unzumutbarkeit der Vertragsanpassung und damit zu dem Ergebnis zu kommen, dass der Kunde des Fitnessstudios nicht zur Zahlung der Beiträge verpflichtet ist, wohingegen sich der Kunde, der bereits ordnungsgemäß gezahlt hat, aufgrund des Art. 240 § 5 Abs. 2 EGBGB mit einem Gutschein zufriedengeben muss.

IV.

Der Beklagte hat darüber hinaus den Fitnessstudiovertrag auch nicht wirksam zum 27. Oktober 2020 fristlos, vor Ende der vereinbarten Mindestvertragslaufzeit, gekündigt. Vielmehr wirkt die Kündigung des Beklagten vom 27. Oktober 2020 als ordentliche Kündigung zum 9. April 2021, dem Zeitpunkt nach Verlängerung um die 28 Wochen Ruhenszeit.

Dem Beklagten steht kein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung des Fitnessvertrages vom 26. September 2018 zu.

Ein wichtiger Grund zur Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei trägt allerdings der Kunde, der einen längerfristigen Vertrag über die Erbringung einer Leistung abschließt, grundsätzlich das Risiko, diese aufgrund einer Veränderung seiner persönlichen Verhältnisse nicht mehr nutzen zu können. Etwas Anderes gilt nur, wenn ihm aus Gründen, die er nicht beeinflussen kann, eine weitere Inanspruchnahme der Leistungen des anderen Vertragspartners nicht mehr zumutbar ist. Bei einem Vertrag über die Nutzung eines Fitnessstudios kann ein solcher, nicht in seinen Verantwortungsbereich fallender Umstand etwa in einer Erkrankung des Kunden gesehen werden (vgl. zum Vorstehenden: Bundesgerichtshof, Urteil vom 4. Mai 20216, a.a.O., Rn. 12). Ein wichtiger Grund kann insbesondere darin zu sehen sein, dass eine dauerhafte Erkrankung die Benutzung der Fitnessgeräte verhindert (vgl. Landgericht Arnsberg, Urteil vom 22. Dezember 2010, Az. 3 S 138/10, Rn. 44, juris).

Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines wichtigen Grundes trägt grundsätzlich der Kunde (vgl. Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 8. Februar 2012, Az. XII ZR 42/10, Rn. 33, juris).

Der Beklagte kam seiner Darlegungs- und Beweislast nicht hinreichend nach. Der Beklagte hat weder substantiiert vorgetragen noch hinreichend das Vorliegen eines wichtigen Grundes belegt. Insbesondere dem zum Schriftsatz vom 27. Oktober 2020 vorgelegtem Attest vom 26. Oktober 2020 lässt sich keine Rechtfertigung zur außerordentlichen Kündigung entnehmen. Zwar enthält das Attest den Hinweis, dass der Beklagte „auf unbestimmte Zeit nicht im Fitnessstudio trainieren kann“ und das entsprechende Facharztbefunde vorliegen, jedoch lassen sich aus dem Attest und dem ergänzenden Vorbringen keine konkreten Angaben zur Dauer der Erkrankung und zu dessen Schwere entnehmen. Auch wenn grundsätzlich von einem Kunden keine genauen Angaben über die konkrete Art der Erkrankung verlangt werden können (vgl. Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 8. Februar 2012, a.a.O.), so ist der Kunde jedoch angehalten, weiter zur Dauer und Schwere der gesundheitlichen Situation vorzutragen und deren Beeinträchtigung auf die sportliche Betätigung vorzutragen. Diesem Darlegungs- und Beweiserfordernis ist der Beklagte, trotz qualifizierten Bestreitens des Klägers, nicht nachgekommen.

V.

Aufgrund der begründet geltend gemachten Hauptforderung steht dem Kläger ein Anspruch auf Zahlung der Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gem. §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. § 187 Abs. 1 BGB seit dem 13. März 2020 zu. Gem. § 696 Abs. 3 ZPO gilt die Streitsache mit Zustellung des Mahnbescheids als rechtshängig geworden, da die Sache alsbald an das Amtsgericht Zeitz abgegeben wurde.

Dem vorsteuerabzugsberechtigten Kläger steht ferner ein Anspruch auf Erstattung vorprozessualer Rechtsanwaltskosten in beantragter Höhe von 215,00 Euro zu. Die Rechtsanwaltskosten berechnen sich anhand des Gegenstandswertes bis 2.000,00 Euro wie folgt:

1,3fache Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG: 195,00 Euro

Pauschale für Post- und Telekommunikation gemäß Nr. 7002 VV RVG: 20,00 Euro

Nettosumme: 215,00 Euro.

Nicht ersatzfähig sind dagegen die Kosten für die Bonitätsauskunft in Höhe von 8,00 Euro. Kosten für Bonitätsauskünfte gehören nicht zu den vom Schutzbereich der Haftung im Verzug umfassten ersatzfähigen Schadenspositionen. Das Risiko, dass der in Anspruch genommene Schuldner nicht zahlungsfähig ist, fällt in den Risikobereich des klagenden Gläubigers. Kosten für Bonitätsauskünfte wendet der Gläubiger allein im eigenen Interesse auf. Sie sind daher keine notwendigen Kosten der Rechtsverfolgung und können nicht auf den beklagten Schuldner abgewälzt werden (vgl. Landgericht Hildesheim, Beschluss vom 9. Juli 2019, Az. 3 T 13/19, Rn. 33 m.w.N., juris).

VI.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Zuvielforderung des Klägers in Höhe von 8,00 Euro war verhältnismäßig geringfügig und hat keine höheren Kosten veranlasst. Entsprechend verhält es sich mit der teilweisen Klagerücknahme in Höhe von 7,59 Euro, so dass dem Beklagten auch dieser Kostenanteil aufzuerlegen war. § 93 ZPO war ebenfalls nicht heranzuziehen, da der Beklagte durch sein Verhalten Veranlassung zur Klageerhebung gegeben hat.

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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Satz 1 Nr. 11 Alt. 1, 711 Satz 1, Satz 2 ZPO sowie die Festsetzung des Streitwertes aus § 3 ZPO, § 39 Abs. 1 GKG nach Maßgabe des Wertes der Hauptforderung

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