„Volkswinterreifen“ als Wort-/Bild-Marke schützenswert

30. Juni 2011
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Eigener Leitsatz: 

Bei dem Begriff "Volkswinterreifen" handelt es sich um eine neue Wortschöpfung, da diese weder im allgemeinen Sprachgebrauch verankert noch im Lexikon zu finden ist. Zusammen mit der bildlichen Ausgestaltung genügt die Marke noch den an die Unterscheidungskraft zu stellenden Mindestanforderungen. Ferner spricht auch die Komplexität der Gestaltung für die Schutzfähigkeit, da diese vorliegend recht hoch ausfällt. Die Wort-Bild-Kombination wird daher als Herkunftshinweis verstanden.

Bundespatentgericht

Beschluss vom 24.03.2011

Az.: 29 W (pat) 212/10

Entscheidungsgründe:

I.
Das farbige (rot, schwarz, weiß, grau) Wort-/Bildzeichen

Volks.Winterreifen

ist am 24. September 2008 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für nachfolgende Waren und
Dienstleistungen angemeldet worden (im Laufe des Beschwerdeverfahrens geändertes Verzeichnis vom 21. März 2011, Bl. 17/18 GA):
Klasse 35: Merchandising; Verkaufsförderung, nämlich Sales
promotion für Dritte, Cross promotion mit und für Dritte; Einzel- und Großhandelsdienstleistungen im Bereich von Kraftfahrzeugzubehör, insbesondere Winterräder und Reifen, Fahrzeugräder, auch für
den Versandhandel, auch mittels Teleshopping- Sendungen; Online-Dienstleistungen eines e-Commerce- Abwicklers, nämlich Waren- und Dienstleis- tungspräsentation für Werbezwecke, Bestellannahme, Lieferauftragsservice und Rechnungsabwicklung, auch im Rahmen von e-commerce; Rechnungsabwicklung für elektronische Bestellsysteme; Vermittlung von Handelsgeschäften für Dritte über Online-Shops; telefonische und/oder computerisierte Bestellannahme für Teleshopping-Angebote für
Dritte; Vermittlung von Handels- und Wirtschaftskontakten, auch über das Internet; Vermittlung von Verträgen über den An- und Verkauf von Waren
und/oder die Erbringung von Dienstleistungen für Dritte; Beschaffungsdienstleistungen für Dritte (Erwerb von Waren und Dienstleistungen für andere Unternehmen); Zusammenstellung und Systematisierung von Daten in Computerdatenbanken; Pflege von Daten in Computerdatenbanken; Geschäftsführung, Beratung in Fragen der Geschäftsführung, Beratung bei der Organisation und Führung von Unternehmen; betriebswirtschaftliche und organisatorische Beratung; Werbung; Dienstleistungen einer Werbeagentur; Werbung in allen Medien, einschließlich Rundfunk-, Fernseh-, Kino-, Print-, Videotext-, Online- und Teletextwerbung; Organisation und Veranstaltung von Werbeveranstaltungen,
sowie von Ausstellungen und Messen für wirtschaftliche und Werbezwecke; Vermietung von Werbeflächen im Internet; Verteilung von Werbematerial
(Flugblätter, Prospekte, Drucksachen, Warenproben); Vorführung von Waren für Werbezwecke; Waren- und Dienstleistungspräsentationen für Werbezwecke;
Aktualisierung von Werbematerial; Planung und Gestaltung von Werbemaßnahmen; Marketing [Absatzforschung]; Marketing für Dritte in digitalen Netzen; Markt- und Meinungsforschung; Öffentlichkeitsarbeit [Public Relations]; Werbung im Internet für Dritte; Präsentation von Firmen im Internet
und anderen Medien; Sponsoring in Form von Werbung; Durchführung von Ausschreibungen, Auktionen, auch rückläufigen Auktionen, und Versteigerungen, auch im Internet; Durchführung von Preisvergleichen; Durchführung von Versteigerungen und Auktionen, insbesondere im Internet; Entwicklung von Prämienprogrammen als Kundenbindungsmaßnahmen
für Marketingzwecke; Durchführung von Auktionen und Versteigerungen, auch im Internet;

Klasse 38: Bereitstellung des Zugriffs auf Informationen im Internet; Bereitstellung von Internet-Chatrooms; elektronischer Austausch von Nachrichten mittels Chatlines, Chatrooms und Internetforen; E-Mail-Dienste;
Telekommunikation; Telekommunikation mittels Plattformen und Portalen im Internet; Bereitstellung von Telekommunikationskanälen für Teleshopping- Dienste; Weiterleiten von Nachrichten aller Art an Internet-Adressen (Web-Messaging); Elektronische Anzeigenvermittlung (Telekommunikation); Bereitstellung eines Zugangs zu einer e-commerce-Plattform im Internet; Bereitstellen von Internetzugängen (Software); Dienstleistungen eines Internet-Providers, nämlich Vermietung und Vermittlung von Zugriffszeiten
zu Datennetzen, insbesondere zum Internet; Telefondienste für eine Hotline oder Callcenter; Erbringen von Dienstleistungen in Verbindung mit Onlinediensten, nämlich Liefern von Nachrichten und Übermittlung von Informationen in Computernetzwerken, einschließlich On-Demand und anderen
elektronischen Mediendiensten; Bereitstellen eines Zugriffs auf Informationen im Internet, insbesondere auch vermittels interaktiv kommunizierender
(Computer-)Systeme; Sammeln und Liefern von Nachrichten und allgemeinen Nachrichteninformationen, auch elektronischer Art, sowie Ausstrahlung
von (TV/Radio)-Programmen im World Wide Web; Ausstrahlen von Rundfunksendungen (Funk und Fernsehfunk); Dienste von Presseagenturen.

Mit Beschluss vom 30. August 2010 hat die Markenstelle für Klasse 35 die Anmeldung gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG wegen Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass das ohne weiteres verständliche deutsche Wort "Volks-Winterreifen" in seiner Gesamtbedeutung von den angesprochenen Verkehrskreisen so verstanden werde, dass es sich um einen Winterreifen für das Volk, insbesondere um einen besonders preiswerten, günstigen Winterreifen handele. Der Begriff reihe sich nahtlos in eine Reihe vergleichbar gebildeter Begriffe wie "Volks-Aktie", "Volks-Auto", "Volks- Computer" oder auch "Volks-PC" u.s.w. ein. Dieses auf der Hand liegende Verständnis
des Begriffs "Volks-Winterreifen" führe bei einer Kennzeichnung der beanspruchten Dienstleistungen mit dem Anmeldezeichen zu der Vorstellung, dass dieselben in der einen oder anderen Weise mit einem solchen Volkswinterreifen in einem bestimmten Zusammenhang stünden, beispielsweise die durchgeführten Preisvergleiche dazu dienen könnten, einen solchen (preisgünstigen) Volkswinterreifen zu finden. Jede Vorstellung über den Bezug zwischen dem Anmeldezeichen und den damit gekennzeichneten Dienstleistungen werde in irgendeiner Weise sachbezogen sein, so dass der Begriff nicht als betrieblicher Herkunftshinweis verstanden
werde. Auch die grafische Gestaltung verleihe dem Anmeldezeichen keine
Unterscheidungskraft. Bei der unterschiedlichen farbigen Gestaltung des Hintergrundes der einzelnen Wortbestandteile unter Verwendung der Signalfarbe Rot und der rechteckigen Umrahmung des Gesamtzeichens handele es sich um verbreitete, werbeübliche Gestaltungsmittel, mit denen lediglich die durch die Wortbestandteile verkörperte (Werbe-)Botschaft für den Verkehr leicht wahrnehmbar gestaltet werden solle. Auch die Eintragung der entsprechenden Bildmarke (306 73 949) führe entgegen der Auffassung der Anmelderin zu keiner anderen Beurteilung, da bei Würdigung des hier angemeldeten Gesamtzeichens diese grafische Gestaltung vollkommen in den Hintergrund trete, so dass sie nicht als Herkunftshinweis dienen könne. Ebenso wenig schutzbegründend für das Anmeldezeichen könne auch die Eintragung der Gemeinschaftsmarke (CTM 005514443) sein, da die Kennzeichnungskraft und damit auch der Schutzumfang des Wortbestandteils "Volks-" in Alleinstellung vollkommen anders sei, als bei einem mit diesem Bestandteil zusammengesetzten Gesamtbegriff. Die für die Anmelderin bereits eingetragenen gleichgebildeten Marken der "Volks"- Markenserie könnten – auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des EuGH vom 12. Februar 2009 (verbundene Rechtssachen C-39/08 und C-43/08 –
Volks.Handy, Volks.Camcorder, Volks.Kredit und SCHWABENPOST) – an der
fehlenden Eintragbarkeit des Anmeldezeichens nichts ändern, da das DPMA nicht verpflichtet sei, sich mit vergleichbaren Voreintragungen zu befassen. Zur Begründung seiner diesbezüglichen Rechtsauffassung bezieht sich das DPMA auf die Entscheidung des BPatG 33 W (pat) 52/08 – Burg Lissingen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt,
den Beschluss des DPMA vom 30. August 2010 aufzuheben, hilfsweise
die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

Zur Begründung trägt sie vor, dass ein Kernpunkt ihrer geschäftlichen Tätigkeit die crossmediale Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen zur Bewerbung, Vertreibung und zum Absatz von sogenannten "Volks-Produkten" sei. Seit 2002 führe sie – die Beschwerdeführerin, eine 100%ige Tochter des deutschen Konzerns S… AG – sogenannte "Volks-Aktionen" durch, im Rahmen derer sie und
ihr jeweiliger Kooperationspartner gemeinsam ein Produkt auswählten, welches
dann exklusiv als "Volks-Produkt" herausgebracht werde. Sie habe in der Zeit von September 2002 bis November 2010 über 100 solcher "Volks-Aktionen" durchgeführt. Neben der Konzeption und den jeweiligen Namen/Logos bringe sie ihrerseits eine besondere Werbeleistung in die Kooperation ein, indem sie die – von ihrem jeweiligen Kooperationspartner eingebrachten – Produkte umfangreich in Zeitungsbeilagen, gegenseitigen Anzeigen in der BILD-Zeitung, der "BILD am Sonntag" sowie anderen Titeln der S… AG, auf dem eigenen Internetportal und in di versen anderen Medien bewerbe.

Bis Ende Oktober 2010 seien 54 gleichgebildete "Volks"-Marken beim DPMA registriert worden, daneben eine Vielzahl von entsprechenden Gemeinschaftsmarken.
Die Marken seien jeweils aus dem Bestandteil "Volks" und der Gattungsbezeichnung, die das konkrete Produkt beschreibe, sowie in einer dem Corporate Identity der BILD entsprechenden bildlichen Ausgestaltung zusammengesetzt. Die im Streit stehende Marke reihe sich zwanglos in die bekannte "Volks"-Markenserie ein. Ein besonderes Kennzeichen der "Volks"-Markenserie sei die unmittelbar erkennbare Verwandtschaft zur Stammmarke (30135695) der S…G. Die in allen Marken der Serie wiederkehrende bildliche Gestaltung (rot-schwarzer Balken, der Begriff "Volks" auf rotem Hintergrund, sowie eine Gattungsbezeichnung auf schwarzem Hintergrund) spreche für die Wiedererkennbarkeit der einzelnen Marken sowie die Zuordnung zu ihrem Herkunftsbetrieb.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Beschwerdebegründung wird auf die Schriftsätze vom 19. November 2010 und 14. März 2011 (Bl. 11 – 31 und Bl. 178 -188 GA 29 W (pat) 195/10 jeweils samt Anlagen) Bezug genommen.

II.
Die nach § 66 Abs. 1 und 2 MarkenG zulässige Beschwerde der Anmelderin hat in der Sache Erfolg.

Der Eintragung des vorliegenden Wort-/Bildzeichens als Marke gemäß §§ 33
Abs. 2, 41 MarkenG steht kein absolutes Schutzhindernis, insbesondere auch
nicht das der fehlenden Unterscheidungskraft oder des Freihaltebedürfnisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 MarkenG, entgegen.

1. Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem
Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, welches die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (BGH GRUR 2006, 850, 854 Rdnr. 18 – FUSSBALL WM 2006; 2008, 1093, 1094 Rdnr. 13 – Marlene-Dietrich-Bildnis

I). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität
der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten. Da
allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis
begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch
so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. – FUSSBALL WM 2006; a. a. O. – Marlene-Dietrich-
Bildnis I; GRUR 2009, 411 Rdnr. 8 – STREETBALL; 778, 779 Rdnr. 11 – Willkommen im Leben; 949 f. Rdnr. 10 – My World). Wortmarken besitzen dann
keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise
lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 674, 678 Rdnr. 86 – Postkantoor; BGH
GRUR 2001, 1153 – anti KALK; GRUR 2005, 417, 418 – BerlinCard; a. a. O.
Rdnr. 19 – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2009, 952, 953 Rdnr. 10 – DeutschlandCard) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die – etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH GRUR 2001, 1043, 1044 – Gute Zeiten – Schlechte Zeiten; BGH GRUR 2003, 1050, 1051 – Cityservice; a. a. O. – FUSSBALL WM 2006). Besteht eine Marke aus mehreren Elementen, ist bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft von der Gesamtheit der Marke auszugehen (BGH GRUR 2001, 162, 163 – RATIONAL SOFTWARE CORPORATION; a. a. O. – anti Kalk; GRUR 2011, 65 Rdnr. 10 – Buchstabe T mit Strich). Dabei hat sich die Prüfung darauf zu erstrecken, ob die Marke als solche, jedenfalls mit einem ihrer Elemente, den (geringen) Anforderungen an die Unterscheidungskraft 2. Nach diesen Grundsätzen kann vorliegend – entgegen der vom DPMA vertretenen Auffassung – nicht festgestellt werden, dass das verfahrensgegenständliche Wort-/Bildzeichen dem Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG unterliegt.
Das angemeldete Zeichen, das sich aus Wort- und Bildelementen zusammensetzt, weist in seiner Gesamtheit keinen für die beanspruchten Dienstleistungen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsgehalt auf. Ein beschreibender Sinngehalt seiner Einzelbestandteile wird jedenfalls durch den eigenartigen Gesamtbegriff und die – die Mindestanforderungen an das
Vorliegen einer noch so geringen Unterscheidungskraft erfüllende – grafische
Ausgestaltung so weit überlagert, dass der Marke in ihrer Gesamtheit die erforderliche Unterscheidungskraft nicht mehr abgesprochen werden kann.

a) Der Text des angemeldeten Zeichens enthält die beiden in der deutschen
Sprache geläufigen Wortelemente "Volks" und "Winterreifen", die
durch einen Punkt getrennt sind.
aa) "Volks" ist der Genitiv des Substantivs "Volk", welches eine "durch gemeinsame Kultur, Geschichte (und Sprache) verbundene große Gemeinschaft
von Menschen" bzw. die "Masse der Angehörigen einer Gesellschaft,
der Bevölkerung eine Landes, eines Staates" bezeichnet
(Duden – Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. 2006 [CD-ROM]). In
der deutschen Sprache gibt es eine Reihe von geläufigen Begriffen, die
aus einem Substantiv mit einem vorangestelltem "Volks-" gebildet sind.
Diese zusammengesetzten Begriffe lassen sich in fünf Gruppen einteilen:

(1) Begriffe, bei denen dem Bestandteil "Volks-" die Bedeutung "für alle/
jedermann, von allen/jedermann, allen/jedermann zugänglich, alle/jedermann
betreffend, sich an alle/jedermann wendend, von allen/jedermann
ausgeübt" zukommt, wie "Volksaufstand, Volksbelustigung,
Volksbrauch, Volksbücherei, Volkseinkommen, Volksempfinden, Volksfeind,
Volksfest, Volksgemeinschaft, Volksgesundheit, Volksglaube,
Volksheld, Volkshochschule, Volksnahrungsmittel, Volksschule, Volksseele,
Volksseuche, Volkssport, Volkssprache, Volksstamm, Volkstracht,
Volkstrauertag, Volkswirtschaft" (vgl. Duden – Deutsches Universalwörterbuch
a. a. O.; Wortschatzportal Universität Leipzig, http://wortschatz.uni-leipzig.de).

(2) Begriffe mit politischer Bedeutung, wie "Volksabstimmung, Volksarmee
Volksbefragung, Volksbegehren, Volksdemokratie, Volksentscheid,
Volksfront, Volkspartei, Volkssouveränität" (vgl. Duden – Deutsches Universalwörterbuch a. a. O.).

(3) Begriffe, bei denen der Bestandteil "Volks-" auf etwas hinweist, das
volkstümlich bzw. vom Geist und von der Überlieferung des Volkes geprägt
oder getragen ist, wie "Volksdichtung, Volkskunst, Volkslied, Volksmedizin, Volksmärchen, Volksmund, Volksstück" (vgl. Duden – Deutsches Universalwörterbuch a. a. O.). Volkstümlich bedeutet "in seiner Art dem Denken und Fühlen des Volkes entsprechend, entgegenkommend" bzw. "dem Volk eigen", "populär, gemeinverständlich" (Duden – Deutsches Universalwörterbuch a. a. O.). Es beinhaltet nicht das Verständnis von "einfaches/gehobenes Volk" bzw. "Schichten".

(4) Nur bei einem dieser zusammengesetzten Begriffe weist der Bestandteil
"Volks-" einen Bezug zu sozialen Schichten auf, nämlich "Volkstheater" mit der Bedeutung "Theater, das (im Unterschied zum höfischen Theater) inhaltlich und finanziell von allen sozialen Schichten getragen wird (Duden – Deutsches Universalwörterbuch a. a. O.).

(5) Vereinzelt und lediglich bei veralteten Begriffen kommt dem vorangestellten
Element "Volks-" die Bedeutung "günstig, billig, preiswert" zu, wie etwa bei dem (veralteten) Begriff "Volksausgabe" mit der Bedeutung "einfach ausgestattete, preiswerte Buchausgabe" (Duden – Deutsches Universalwörterbuch a. a. O.). Die sogenannten "Volksprodukte" aus der Zeit des Dritten Reiches, wie "Volkswagen" und "Volksempfänger", implizierten zwar, dass die Ware preiswert und für jedermann erschwinglich war und die niedrigen Preise diese Produkte für jedermann zugänglich machen sollten (vgl. Aufsatz "Luxus fürs Volk" vom 16. Dezember 2003 von Prof. Dr. K… TU B…, www.uniprotokolle.de/nachrichten/text/27195/); sie wurden damals als Mittel der Politik zur Sympathieerregung für die Ziele des Dritten Reiches eingesetzt. An Konnotationen aus der Zeit des Dritten Reiches, von der sich die deutsche
Bevölkerung seit der Entstehung der Bundesrepublik distanziert hat und die im heutigen deutschen Sprachgebrauch nicht mehr üblich sind, knüpft der Senat nicht an, und dies nicht nur, weil sie ihm veraltet erscheinen, was im Übrigen dadurch belegt wird, dass ein "Volkswagen" heutzutage teurer ist als manch andere Kraftfahrzeugmodelle.

bb) Ein "Winterreifen" ist ein "den Straßenverhältnissen und Witterungsbedingungen in den Wintermonaten angepasster Autoreifen mit grobem Profil" (Duden – Deutsches Universalwörterbuch, a. a. O.).

cc) Der Punkt zwischen den beiden Wortelementen ist optisch eine Zäsur
und darf nicht unbeachtet bleiben. Denn auch ein für sich genommen
schutzunfähiger Bestandteil kann für die Schutzfähigkeit des Gesamtzeichens
Bedeutung erlangen. Der Umstand, dass ein Bindestrich oder
– wie hier – ein Punkt aufgrund seiner orthografischen Funktion vom
Verkehr nicht als eigenständiges Zeichen wahrgenommen werden mag,
rechtfertigt es nicht, diesen Zeichenbestandteil bei der Prüfung der
Schutzfähigkeit des angemeldeten Zeichens unberücksichtigt zu lassen.
Da es sich um die Anmeldung eines zusammengesetzten Zeichens
handelt, ist maßgeblich, welchen Gesamteindruck der Verkehr
mit dem zusammengesetzten Zeichen verbindet (BGH a. a. O. Rdnr. 12
– Buchstabe T mit Strich).

dd) Die beiden Wortbestandteile verbinden sich im Sprachfluss zu dem
sprachüblich gebildeten Gesamtbegriff "Volkswinterreifen". Dieser Gesamtbegriff
ist in den gängigen Lexika und Wortschatzdatenbanken (Duden – Deutsches Universalwörterbuch, a. a. O.; Wortschatzportal Universität Leipzig a. a. O.) nicht nachweisbar und stellt daher eine sprachliche Neuschöpfung dar. Wie eine Recherche des Senats, auch unter www.google.de, ergeben hat, taucht dieser Begriff nur in Verbindung mit der Anmelderin bzw. ihren "Volks-Aktionen" auf (vgl. www.winterreifen.in/news/volks-winterreifen-von-atu-und-bild-3179).
Ausgehend von den obigen Feststellungen, dass das vorangestellte
Wort "Volks-" bei zusammengesetzten Substantiven, insbesondere bei
solchen, die Gegenstände bzw. Waren bezeichnen, im heutigen
Sprachgebrauch überwiegend die Bedeutung "für alle/jedermann" hat
(vgl. "Volksnahrungsmittel", "Volkstracht"), kann die Wortverbindung "Volkswinterreifen" in ihrer Gesamtbedeutung allenfalls dahingehend verstanden werden, dass es sich um einen Winterreifen für alle, für jedermann
handelt. Jedoch ist im Einzelfall zu prüfen, ob dieser Wortkombination überhaupt ein sinnvoller Aussagegehalt entnommen werden
kann.

ee) In Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen ist die angemeldete
Wortverbindung in den Verkehrsgewohnheiten der fraglichen Branche
jedenfalls keine Sachaussage.
Selbst hinsichtlich der in Klasse 35 beanspruchten "Einzel- und Großhandelsdienstleistungen im Bereich von Kraftfahrzeugzubehör, insbesondere Winterräder und Reifen, Fahrzeugräder, auch für Versandhandel,
auch mittels Teleshopping-Sendungen", die Winterreifen zum Gegenstand
haben können, lässt sich ein sinnvoller Aussagegehalt der Wortelemente des Anmeldezeichens für das angesprochene Publikum der Kraftfahrzeughalter nicht feststellen. In dieser Branche wird in den Angeboten für Winterreifen nach Reifengröße und Hersteller differenziert (vgl. RäderReifen Tuning Ratgeber, Deutsche Marktübersicht 2008, S. 110, 111, 113, 145). Im Fahrzeugschein befinden sich die Reifenangaben zur zulässigen Reifengröße, nämlich Reifennennbreite, Querschnittsverhältnis, Bauart, Felgendurchmesser, Lastindex und
Speedindex (vgl. RäderReifen Tuning Ratgeber a. a. O, S. 95/96; http:/-
/www.warum-winterreifen.de/kaufberatung/reifengroesse/erklaerung-reifengroesse.php). Es darf daher nicht jede Reifengröße auf jedem Fahrzeug
montiert werden, vielmehr ist maßgeblich, welche Reifen für das
jeweilige Fahrzeug zugelassen sind. Vor diesem Hintergrund macht der
Begriff "Volkswinterreifen" mit der Bedeutung, dass die Winterreifen für
jedermann geeignet sind, keinen Sinn und legt darüber hinaus den Unsinn
einer solchen Aussage dar. Es entspricht nach den o. g. Rechercheergebnissen
auch nicht den Kennzeichnungsgewohnheiten in dieser Branche, dass sich die Angebote von Winterreifen an bestimmte soziologische Zielgruppen (Ober-/Mittel-/Unterschicht) richten, da eine solche Festlegung aus o. g. Gründen unsinnig wäre und die geschäftlichen Möglichkeiten von Reifenhändlern unnötig einschränken würde. Es gibt auch keine Verkehrsgewohnheit in diesem Bereich, dass Winterreifen nur für das deutsche Volk (vgl. "DEM DEUTSCHEN VOLKE" über dem Reichstag) angeboten werden. Entgegen der vom DPMA vertretenen Auffassung ist der Begriff "Volkswinterreifen" auch nicht dahingehend zu verstehen, dass es sich um einen besonders preiswerten, günstigen Winterreifen handelt, da dem Element "Volks-" im heutigen Sprachgebrauch – wie oben dargelegt – nicht (mehr) die Bedeutung von "günstig, billig, preiswert" zukommt. Selbst wenn man einen solchen Bedeutungsgehalt hier annehmen würde, weist das angemeldete Zeichen
trotzdem keinen sinnvollen Aussagegehalt auf, da es sich bei Winterreifen
um keinen Luxusartikel handelt, heutzutage vielmehr (nahezu) jeder,
der Halter eines Kraftfahrzeuges ist, sich auch Winterreifen dazu
kaufen kann und – seit der Neuregelung der Straßenverkehrsordnung
zur "Winterreifenpflicht" bei winterlichen Straßenverhältnissen – sogar
kaufen muss (vgl. § 2 Abs. 3a StVO in der seit dem 4. Dezember 2010
geltenden Fassung).

Mangels eines sinnvollen Aussagegehalts der Bezeichnung "Volkswinterreifen"
in Bezug auf die vorgenannten, beanspruchten Dienstleistungen
kann ihr somit nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen
werden.

Die obigen Ausführungen gelten entsprechend für die übrigen beanspruchten
Dienstleistungen in den Klassen 35 und 38, soweit ihnen
nicht ohnehin jeglicher Bezug zu Winterreifen fehlt.

b) Das angemeldete Zeichen erhält zusätzlich durch die grafische Ausgestaltung
die Funktion eines Unterscheidungsmittels.
Grundsätzlich kann einer Wortelemente enthaltenden Bildmarke – unbeschadet
einer etwaigen fehlenden Unterscheidungskraft dieser Wortelemente
– als Gesamtheit Unterscheidungskraft zugesprochen werden,
wenn die grafischen Elemente ihrerseits charakteristische Merkmale
aufweisen, in denen der Verkehr einen Herkunftshinweis sieht
(BGH GRUR 1991, 136, 137 – NEW MAN; a. a. O. – anti Kalk; EuGH
GRUR 2006, 229, 233 Rdnr. 73, 74 – BioID). Dabei vermögen allerdings
einfache grafische Gestaltungen oder Verzierungen des Schriftbilds, an
die sich der Verkehr etwa durch häufige werbemäßige Verwendung gewöhnt
hat, eine fehlende Unterscheidungskraft der Wörter ebenso wenig
aufzuwiegen, wie derartige einfache grafische Gestaltungselemente
auch für sich wegen fehlender Unterscheidungskraft nicht als Marke
eingetragen werden können. Es bedarf vielmehr eines auffallenden
Hervortretens der grafischen Elemente, um sich dem Verkehr als Herkunftshinweis einzuprägen (BGH a. a. O. 1153, 1154 – anti Kalk; GRUR
2008, 710, 711 Rdnr. 20 – VISAGE).

aa) Das verfahrensgegenständliche Zeichen zeigt zwei Wortelemente in
weißer Farbe und einheitlicher Schriftart auf einem rot/schwarzen Balken mit grauer Umrandung, wobei das Wortelement "Volks" auf rotem und das Wortelement "Winterreifen" auf schwarzem Hintergrund steht.
Das (kleinere) rote und das (größere) schwarze Rechteck innerhalb des
Balkens werden durch eine vertikale weiße Linie voneinander getrennt.
Diese Linie wird wiederum von einem rechteckigen weißen Punkt, der
sich zwischen den beiden Wortelementen an der Textunterkante befindet,
durchbrochen.

bb) Diese bildliche Ausgestaltung des Anmeldezeichens genügt noch den
an die Unterscheidungskraft zu stellenden (geringen) Mindestanforderungen.
Die einzelnen Gestaltungsmittel, aus denen das vorliegend zu beurteilende
Zeichen zusammengesetzt ist – insbesondere die rechteckigen
Formen, in denen die Wortelemente untergebracht sind, die Inverswiedergabe
der Wortbestandteile (d. h. in Form von weißen Buchstaben
auf dunklem farbigen Hintergrund) sowie die Umrahmung der Gesamtmarke
– mögen hier je für sich genommen noch als werbeüblich anzusehen
sein. Der Beurteilung der Schutzfähigkeit ist jedoch im Rahmen
einer Einzelfallbetrachtung die ganz konkrete Gesamtgestaltung zugrunde
zu legen; nur sofern diese selbst ebenfalls als werbeüblich anzusehen
ist, kommt eine Schutzversagung in Betracht. Die Bedeutung,
die einem einzelnen Bestandteil für den Gesamteindruck eines mehrgliedrigen
Zeichens zukommt, hängt maßgeblich auch davon ab, in welcher
Beziehung er innerhalb der konkreten Gestaltung des jeweiligen
Gesamtzeichens zu den übrigen Zeichenbestandteilen steht (BGH
GRUR 2011, 148 – Goldhase II). Auch die Komplexität der Gestaltung
ist ein Indiz für die Schutzfähigkeit, denn je höher diese ausfällt, umso
eher wird der Verkehr geneigt sein, in der grafischen Wiedergabe der
Gesamtmarke nicht nur den beschreibenden Inhalt der Wortbestandteile
wahrzunehmen, sondern sie als Herkunftshinweis aufzufassen (BPatG 27 W (pat) 32/08 – Neue Post). Eine solche schutzbegründende Komplexität kann vorliegend aber nicht verneint werden. So werden die jeweiligen Hintergründe der Wortbestandteile verschiedenfarbig gehalten;
die Gesamtmarke enthält insgesamt vier Farben (rot, schwarz,
weiß, grau). Hinzu tritt der in Form eines weißen Rechtecks dargestellte
Punkt zwischen den beiden Wortelementen, der die zwischen den Farbfeldern
vertikal verlaufende weiße Linie durchbricht, wodurch der Punkt
besonders auffällt und charakteristisch wirkt. Die ganz konkrete Zusammenstellung dieser verschiedenen Gestaltungsmittel, auch wenn sie für sich genommen werbeüblich sein mögen, genügt damit noch, um der bildlichen Ausgestaltung des Anmeldezeichens nicht jegliche Unterscheidungskraft
absprechen zu können.

cc) Weiter ist zu berücksichtigen, dass für die Beschwerdeführerin von
2004 bis Ende 2010 bereits 62 entsprechend gebildete deutsche Wort-
/Bildmarken aus der "Volks"-Markenfamilie u. a. für Dienstleistungen der
Klassen 35 und 38 eingetragen sind, die jeweils aus dem Bestandteil
"Volks" und der Gattungsbezeichnung, die das konkrete Produkt beschreibt,
sowie einer der Grafik des vorliegenden Zeichens entsprechenden
bildlichen Ausgestaltung (rot/schwarzer Balken mit grauer Umrahmung,
der Begriff "Volks" auf rotem Hintergrund, die jeweilige Gattungsbezeichnung
auf schwarzem Hintergrund, weiße Buchstaben, weiße Trennlinie, rechteckiger Punkt zwischen den Wortelementen) zusammengesetzt sind, wie u. a. die zuletzt eingetragenen Marken (30 2008 007 702, eingetragen am
21. April 2008 für Waren und Dienstleistungen der Klassen 25, 35, 38);
(30 2009 000 798, eingetragen am 8. Juli 2009 für Waren und Dienstleistungen der Klasen 25, 35, 38); 30 2009 000 5672, eingetragen
am 1. Juli 2009 für Waren und Dienstleistungen der Klassen 3, 5, 35,
38);
(30 2009 016 935, eingetragen am 27. Oktober 2009 für
Waren und Dienstleistungen der Klassen 30, 35, 38);
(30 2009 016 945, eingetragen am
27. Oktober 2009 für Dienstleistungen der Klassen 35, 38, 42);
(30 2009 016 921, eingetragen am 4. November 2009
für Waren und Dienstleistungen der Klassen 20, 35, 38);
(30 2009 068 410, eingetragen am 19. Mai 2010 für
Waren und Dienstleistungen der Klassen 3, 5, 35, 38);
(30 2009 061 595, eingetragen am 2. August 2010
für Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 35, 38, 41);
(30 2009 061 597, eingetragen am 2. August 2010 für
Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 35. 38, 41).
Die Beschwerdeführerin hat glaubhaft dargelegt, dass sie von
September 2002 bis Februar 2011 im Rahmen der crossmedialen Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen insgesamt 122 sog. "Volks-
Aktionen" durchgeführt hat, die jeweils wenige Wochen angedauert haben
(vgl. Übersicht "Volks-Aktionen" – Stand 7. Februar 2011, Anlage
zum Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 9. Februar 2011, Bl. 173/174 GA 29 W (pat) 195/10). Neben der Konzeption und den jeweiligen Namen/Logos bringt die Beschwerdeführerin eine besondere Werbeleistung in die Kooperation ein, indem sie die – von ihrem jeweiligen
Kooperationspartner eingebrachten – Produkte umfangreich in Zeitungsbeilagen,
gegenseitigen Anzeigen in der BILD-Zeitung, der "BILD
am Sonntag" sowie anderen Titeln der S… AG, auf dem ei
genen Internetportal und in diversen anderen Medien bewirbt. Die Absatzzahlen
der bisherigen "Volks-Aktionen" belaufen sich auf insgesamt
über … Millionen Euro (vgl. Anlage H 8 zum Schriftsatz vom
19. November 2010, Bl. 69/70 GA 29 W (pat) 195/10), insgesamt sind
rund … Millionen "Volks-Produkte" verkauft worden, d. h. im Durch
schnitt hat jeder zweite Bundesbürger ein solches Produkt erworben.
Die Bewerbung von verschiedenen "Volks-Produkten" ergibt sich aus
den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen (Anzeigen zu
verschiedenen "Volks-Aktionen", Anlage H 12 zum Schreiben vom
7. Februar 2011, Bl. 152 – 161 GA 29 W (pat) 195/10, und Anlage H 17
zum Schriftsatz vom 14. März 2011, Bl. 218 – 235 GA 29 W (pat) 195/10; Pressestimmen zu den Volks-Produkten, Anlage zum o. g. Protokoll, Bl. 175 GA 29 W (pat) 195/10; Plakat zur 100. Volks-Aktion, Anlage zum o. g. Protokoll) und ist dem Senat auch aus eigener Wahrnehmung in den Medien bekannt.

Die ständige Präsenz einer Vielzahl von – insbesondere hinsichtlich Layout,
Design, Farbgebung und Struktur – gleichartig aufgebauten Wort-
/Bildzeichen aus der "Volks"-Markenfamilie auf dem deutschen Markt
seit nunmehr mindestens sieben Jahren rechtfertigt den Schluss, dass
sich der Verkehr inzwischen an diese Art der Aufmachung als Kennzeichnung
der jeweiligen Produkte gewöhnt hat und darin einen betrieblichen
Herkunftshinweis sieht (EuGH GRUR 2010, 228 Rdnr. 59 – Vorsprung
durch Technik). Hierfür spricht zudem die erkennbare Verwandtschaft
der "Volks"-Marken zur Stammmarke (30135695) der S… AG, die Hauptgesellschafterin der Beschwerdeführerin ist, und der offensichtliche Bezug zu der beim deutschen Publikum allgemein bekannten BILD-Zeitung.

dd) Indiziell für die Schutzfähigkeit des Anmeldezeichens spricht, dass die
Grafik für sich allein schon als Bildmarke (306 73 949) eingetragen ist, so dass von einer Schutzfähigkeit der bildlichen Ausgestaltung als solcher ausgegangen
werden muss. Es mag sich zwar lediglich um eine Platzhaltermarke
handeln, was dem DPMA zweifellos erkennbar sein musste, dennoch
kam es zu ihrer Eintragung. Eine Schutzfähigkeit nunmehr zu verneinen,
bleibt allein dem Verfahren nach § 50 MarkenG vorbehalten.
Dieser grafischen Gestaltung kann daher innerhalb des angemeldeten
Gesamtzeichens nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen und
sie nur als werbemäßig angesehen werden. Abgesehen davon tritt sie
auch entgegen der Ansicht des DPMA durch die – nicht sachbezogenen
– Wortbestandteile nicht vollkommen in den Hintergrund, sondern
ist zumindest als gleichwertig anzusehen (siehe oben unter bb).
Der Senat geht zudem nicht von einem grundsätzlich rechtswidrigen
Handeln des DPMA bei der Eintragung dieser Vielzahl von 62 "Volks"-
Marken und der obigen Bildmarke aus.

ee) Eine andere Beurteilung folgt auch nicht daraus, dass die angesprochenen
Verkehrskreise in dem Anmeldezeichen neben dem Herkunftshinweis
auch gleichzeitig eine Werbebotschaft für die damit gekennzeichneten
Dienstleistungen erkennen. Denn zum einen schließen sich die
Identifizierungsfunktion der Marke einerseits und die Werbewirkung andererseits nicht aus, zum anderen steht der anpreisende Charakter des
Anmeldezeichens nicht derart im Vordergrund, dass der Verkehr ihm
nicht mehr einen Herkunftshinweis entnehmen kann (EuGH a. a. O.
Rdnr. 44 und 45 – Vorsprung durch Technik; BGH a. a. O. Rdnr. 28 My World). Die betriebliche Herkunftshinweiswirkung der Marken aus
der "Volks"-Markenfamilie ergibt sich für das Publikum insbesondere
aus folgenden Faktoren, die zum Teil kumulativ auftreten:
– Die Bewerbung der "Volks-Aktionen" durch prominente Testpersonen,
wie beispielsweise die "Volks-Farbe" durch Fußball-Weltmeister
Andy Brehme, der "Volks-Wanderschuh" durch Biathlon-
Olympiasiegerin Uschi Disl, das "Volks-Los" durch TV-Moderator
Frank Elstner, der "Volks-Rasierer" durch Ex-Tennisprofi Carl-Uwe
Steeb, die "Volks-Arznei" durch die Skisportlegenden Rosi
Mittermaier und Christian Neureuther, das "Volks-Frühstück"
durch Fußball-Weltmeister Karl-Heinz Riedle und die "Volks-Fernbedienung"
durch TV-Moderator Hendrik Hey. Hieraus entnimmt
der Verkehr einen Qualitätshinweis, da die Prominenten das Produkt
laut den Anzeigen getestet haben und hiervon überzeugt
("begeistert") sind.

– Ein günstiger (Aktions-)Preis, wie beispielsweise das "Volks-Profispray"
zum "Aktionspreis: 5,49 €", die "Volks-Fernbedienung"
zum "Aktionspreis: 24,99 €", der "Volks-Wanderschuh" für "nur
79,75 €", der "Volks-Rasierer" als "unschlagbares Ass zum fairen
Preis von nur 99,00 €"; das "Volks-Telefon" als "Höchstkomfort
zum Niedrigpreis … nur 59,99 €", die "Volks-Zahnbürste" für
"€ 29,99 statt € 44,99", das "Volks-Sandwich nur für kurze Zeit
zum Probierpreis 2,22 €" das "Volks-Notebook" für "nur 449 €".
– Eine Zugabe zum eigentlichen Produkt bzw. eine Sonderabgabegröße,
wie z. B. bei der "Volks-Farbe", bei der es zu jedem 750 ml
Aktionsgebinde eine Magnetfahne fürs Auto gratis dazu gibt, beim
"Volks-Profispray" mit 300 ml Inhalt "+ 30 ml EXTRA", bei der
"Volks-Versicherung", bei der es beim Beratungsgespräch einen MP4-Player gratis gibt, beim "Volks-Menü" mit "+ 1 von 4 Design-
Gläsern nach Wahl", bei der "Volks-Arznei … mit den besonderen
Extras: Kräutertee + Honig + Honig-Löffel" bzw. "nur jetzt mit dem
gratis Designer-Teeglas", oder beim "Volks-Notebook", bei dessen
Kauf man eine Notebook-Tasche oder einen Rucksack zum
"einmaligen Vorzugspreis von jeweils nur 29,90 €" erhält.
– Besondere Ausstattungsmerkmale bzw. Leistungsinhalte, wie die
"Volks-Versicherung" mit "mehr Sicherheit dank 110%iger Beitragsgarantie",
das "Volks-Los" mit "zusätzlichen Gewinnchancen
für alle", das "Volks-Telefon … jetzt mit dem neuen KX-TG7521",
das "neue Volks-Sandwich" mit "der Extraportion Vollkorn-Geschmack",
das "Volks-Frühstück" mit "SuperSnack und Kaffee"
oder das "Volks-Notebook", bei dem der Kunde ohne Aufpreis aus
acht verschiedenen Abdeckungen wählen kann.
– Der jeweils gut sichtbare Hinweis in den Anzeigen und auf den
Waren, dass es sich um "Eine gemeinsame Volks-Aktion von …
(dem jeweiligen Kooperationspartner und) Bild.de" handelt (vgl. zu
den obigen Ausführungen insgesamt die von der Beschwerdeführerin
vorgelegten Anzeigen zu verschiedenen Volks-Aktionen,
Bl. 152 – 169 und Bl. 218 – 235 GA 29 W (pat) 195/10, sowie
die Pressestimmen zu den Volks-Produkten S. 13, 17, 18, 20, 24,
28, 30, 32, 34, 36. 38, 58, Anlage zum o. g. Protokoll).
Die o. g. Faktoren vermitteln dem angesprochenen Publikum den
Eindruck, dass die jeweiligen Produkte nicht lediglich von dem hinter
Bild.de stehenden Unternehmen werbemäßig empfohlen werden,
sondern dieses vielmehr auch Einfluss auf deren Auswahl
und Besonderheiten hat verbunden mit der Botschaft, dass es das
jeweilige Produkt nur im Rahmen seiner Volks-Aktionen zu diesem Preis bzw. mit den besonderen Dreingaben und/oder Ausstattungsmerkmalen
gibt. Damit verfügen die Zeichen der "Volks"-
Markenserie über die Eignung, die damit gekennzeichneten Produkte
als solche eines bestimmten Unternehmens zu individualisieren.
ff) Darüber hinaus ist auch bei den zur Kennzeichnung der beanspruchten
Dienstleistungen praktisch bedeutsamen und naheliegenden
Verwendungsmöglichkeiten des Anmeldezeichens auf Gegenständen,
die bei der Erbringung der fraglichen Dienstleistungen
zum Einsatz gelangen, wie insbesondere auf der Berufskleidung,
auf Geschäftsbriefen und -papieren, Prospekten, Preislisten,
Rechnungen, Ankündigungen und Werbedrucksachen, anzunehmen,
dass der angesprochene Verkehr das Zeichen ohne weiteres
als Marke verstehen wird (BGH GRUR 2010, 825 Rdnr. 21 f. –
Marlene-Dietrich-Bildnis II).
Sämtliche oben dargestellten Umstände hat das DPMA bei der
Prüfung der Unterscheidungskraft des Anmeldezeichens im vorliegenden
Einzelfall nicht gewürdigt.

3. Im Hinblick auf die fehlende Eignung der Wortverbindung des Anmeldezeichens zur unmittelbaren Beschreibung der beanspruchten Dienstleistungen sowie die unterscheidungskräftige grafische Gestaltung unterliegt das angemeldete Zeichen auch keinem Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.
Denn es wird nicht der Schutz für eine zeichenmäßige Verwendung
der Wörter "Volks" und "Winterreifen" in jedweder Form, sondern nur in der
gegebenen graphischen Gestaltung begehrt. Diese bestimmt und beschränkt
zugleich den Schutzbereich der beanspruchten Bezeichnung (vgl. BGH
a. a. O. – NEW MAN).

Der angefochtene Beschluss war daher aufzuheben.

4. Vor einer Eintragung des angemeldeten Zeichens wird das DPMA jedoch
noch Unklarheiten in Klasse 38 des Dienstleistungsverzeichnisses (Bl. 2 VA)
zu klären haben, welche es im Beanstandungsbescheid vom 27. April 2009
(Bl. 7/8 VA) vorläufig zurückgestellt hat und von der Beschwerdeführerin
auch im geänderten Verzeichnis vom 21. März 2011 (Bl. 17/18 GA) noch
nicht berücksichtigt wurden.

 

 

 

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