Transparenzberichte im Internet

04. März 2010
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Eigener Leitsatz:

Die Veröffentlichung von Transparenzberichten im Internet ist auch dann zulässig, wenn diese kritisch wertende Ausführungen zur Qualität von Pflegeleitstungen in Pflegeheimen enthalten. Art. 12 GG schützt nicht vor Verbreitung inhaltlich zutreffender Informationen durch eine staatliche Einrichtung, so das sächsische Landessozialgericht.

Sächsisches LSG

Pressemitteilung vom 02.03.2010

Az.: L 1 P 1/10 B ER

 

Der 1. Senat des Sächsischen Landessozialgerichts hat am 24.02.2010 entschieden, dass die Veröffentlichung von Transparenzberichten im Internet zulässig ist, auch wenn diese kritisch wertende Ausführungen zur Qualität von Pflegeleistungen in Pflegeheimen enthalten. Die entsprechenden Rechtsgrundlagen sind verfassungsgemäß. Die Beschwerde eines Trägers von Pflegeheimen im Raum Dresden hat der Senat deshalb zurückgewiesen.

Der Heimträger hatte sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die angekündigte Veröffentlichung von Transparenzberichten gewandt, die auf der Grundlage von Prüfungsberichten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) zur Qualität der Pflege in zwei Pflegeeinrichtungen erstellt worden waren. Dazu hat der Heimträger im Wesentlichen vorgetragen, dass die in den genannten MDK-Prüfungsberichten dargestellten Pflegemängel bereits durch organisatorische Änderungen beseitigt worden seien. Diese Berichte spiegelten daher nicht die aktuell bestehenden Verhältnisse in den beiden Pflegeheimen wider. Die Veröffentlichung der auf der Grundlage der Prüfungsberichte erstellten Transparenzberichte verstoße daher gegen die Grundrechte des Heimträgers aus Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz sowie aus Art. 14 Grundgesetz.

Der Senat hat sich dieser Auffassung nicht angeschlossen.  Das Grundrecht  aus Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz schützt das Recht, den Beruf frei zu wählen und auszuüben. In der bestehenden Wirtschaftsordnung umfasst dieses Freiheitsrecht das berufsbezogene Verhalten der Unternehmen am Markt nach den Grundsätzen des Wettbewerbes. Es sichert somit die  zu Erwerbszwecken erfolgende Teilhabe am Wettbewerb. Die Wettbewerber haben jedoch keinen grundrechtlichen Anspruch darauf, dass die Wettbewerbsbedingungen für sie gleich bleiben. Insbesondere gewährleistet das Grundrecht keinen Anspruch auf eine erfolgreiche Marktteilhabe oder auf Sicherung künftiger Erwerbsmöglichkeiten. Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz schützt auch nicht vor der  Verbreitung von inhaltlich zutreffenden und unter Beachtung des Gebots der Sachlichkeit sowie mit angemessener Zurückhaltung formulierten Informationen durch einen Träger von Staatsgewalt. Das gilt auch dann, wenn sie für das wettbewerbliche Verhalten der Markteilnehmer von Bedeutung sein und die Inhalte sich auf einzelne Wettbewerbspositionen nachteilig auswirken können. Die Grundsrechtsnorm verbürgt kein ausschließliches Recht auf eigene Außendarstellung und damit auf eine uneingeschränkte unternehmerische Selbstdarstellung am Markt. Zwar darf ein Unternehmen selbst darüber entscheiden, wie es sich und sein Produkt im Wettbewerb präsentieren möchte. Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz vermittelt aber nicht ein Recht des Unternehmens, nur so von anderen dargestellt zu werden, wie es gesehen werden möchte oder wie es sich und seine Produkte selbst sieht. Vielmehr zielt die Rechtsordnung auf die Ermöglichung eines hohen Maßes an markterheblichen Informationen und damit auf Markttransparenz. Dem dienen etwa die rechtlichen Vorkehrungen zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs, die Festlegung von Werberegeln und Maßnahmen des Verbraucherschutzes, der vor allem durch Bereitstellung von Informationen bewirkt wird. Die Veröffentlichung von Transparenzberichten ist als grundrechtsspezifische Einwirkung auf die unternehmerische Betätigungsfreiheit anzusehen, da ein solches – mit amtlicher Autorität versehenes, auf konkrete Pflegedienstleistungen bezogenes und veröffentlichtes – Werturteil die Marktchancen des Anbieters beeinflusst und den Ruf seiner Firma berührt. Allerdings wird der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz dadurch nicht berührt. Denn die Qualitätsprüfung durch den MDK sowie die darauf basierenden Transparenzberichte entsprechen dem Gebot der Sachlichkeit und Neutralität. Sie sind zudem offensichtlich vom Bemühen um Objektivität getragen. Während der Prüfung vor Ort sind Mitarbeiter der jeweiligen Pflegeeinrichtung zu gegen. Den Betreibern der Pflegeeinrichtung bleibt darüber hinaus die Möglichkeit, direkt die in den Transparenzberichten zusammengefassten Ergebnisse der Qualitätsprüfung zu kommentieren. Sie können darüber hinaus kurzfristig Wiederholungsprüfungen beantragen, wobei dieser Umstand – der gestellte Antrag auf Wiederholungsprüfung – ebenfalls im Transparenzbericht zu veröffentlichen ist.  Damit dürfte gewährleistet sein, dass selbst für den Fall, dass sich Informationen in den Transparenzberichten nachträglich als unrichtig erweisen, eine zügige Korrektur gewährleistet werden kann.

Auch Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz ist  nicht verletzt. Der Schutzbereich der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie wird durch die Veröffentlichung der Prüfergebnisse im Transparenzbericht nicht berührt. Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz umfasst nur Rechtspositionen, die einem Rechtssubjekt bereits zustehen, nicht aber in der Zukunft liegende Chancen und Verdienstmöglichkeiten. Daraus folgt, dass Beeinträchtigungen von Absatzmöglichkeiten kein Schutzgut des Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz betreffen. Der Heimträger ist nach Ansicht des Senats in seinen Eigentumspositionen weder durch den MDK-Prüfbericht noch durch den Transparenzbericht eingeschränkt worden. Beeinträchtigt ist nach seinem Vortrag die tatsächliche Möglichkeit, Pflegebedürftige in seinen Pflegeheimen aufzunehmen. Während die rechtliche Befugnis,  Dienstleistungen anzubieten, zum Erworbenen und über Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz geschützten Bestand zu rechnen ist, gehört die tatsächliche Möglichkeit, entsprechende Verträge zu schließen, nicht zu dem bereits Erworbenen, sondern zur Erwerbstätigkeit. Nichts anderes gilt für den vom Heimträger als verletzt gerügten Unternehmensruf. Dieser ist durch Art. 14 Grundgesetz jedenfalls insoweit nicht geschützt, als es sich um Chancen und günstige Gelegenheiten handelt. Auch soweit der Unternehmensruf das Resultat voran gegangener Leistungen darstellt, ist er nicht dem Unternehmen im Sinne einer von      Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz geschützten Eigentumsposition zugewiesen. Er stellt sich am Markt durch die Leistungen und Selbstdarstellung eines Unternehmens einerseits und durch die Bewertung der Marktteilnehmer andererseits immer wieder neu her und ist damit ständiger Veränderung unterworfen.   Art. 14 Grundgesetz schützt nur normativ zugeordnete Rechtspositionen, nicht aber das Ergebnis situativer Einschätzungen der Marktbeteiligten, auch wenn dieses wirtschaftlich folgenreich ist.

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