Marktführerschaft als Kriterium für tatsächliche wirtschaftliche Möglichkeiten
Eigener Leitsatz:
Bei der Überprüfung einer verhängten Geldbuße aufgrund bilateraler Vereinbarungen ist der Verweis auf die Marktführerschaft ein maßgebliches Kriterium zur Beurteilung der tatsächlichen wirtschaftlichen Möglichkeiten, Wettbewerber in erheblichem Umfang zu schaden, aber kein Hinweis auf die konkreten Auswirkungen der Zuwiderhandlungen auf den Markt. Ohne weitere Begründung darf aus der Umsetzung eines Kartells nicht gefolgert werden, dass dieses tatsächliche Auswirkungen auf dem Markt hat.
Europäischer Gerichtshof
Urteil vom 03.09.2009
Az.: C-534/07
In der Rechtssache C‑534/07 P
betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs, eingelegt am 26. November 2007,
William Prym GmbH & Co. KG,
Prym Consumer GmbH & Co. KG
mit Sitz in Stolberg (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte H.-J. Niemeyer, C. Herrmann und M. Röhrig,
Rechtsmittelführerinnen,
andere Verfahrensbeteiligte:
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch F. Castillo de la Torre und K. Mojzesowicz als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Beklagte im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann (Berichterstatter) sowie der Richter M. Ilešič, A. Tizzano, A. Borg Barthet und J.-J. Kasel,
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: R. Şereş, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 5. März 2009,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 30. April 2009
folgendes
Urteil
Mit ihrem Rechtsmittel beantragen die William Prym GmbH & Co. KG und die Prym Consumer GmbH & Co. KG die Aufhebung des Urteils des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 12. September 2007, Prym und Prym Consumer/Kommission (T‑30/05, im Folgenden: angefochtenes Urteil), soweit sie durch dieses Urteil, mit dem das Gericht die Entscheidung K(2004) 4221 endg. der Kommission vom 26. Oktober 2004 in einem Verfahren nach Art. 81 [EG] (Sache COMP/F‑1/38.338 – PO/Nadeln) (im Folgenden: streitige Entscheidung) teilweise für nichtig erklärt hat, beschwert sind.
I – Rechtlicher Rahmen
Art. 23 Abs. 2 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Art. 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) bestimmt:
„(2) Die Kommission kann gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung Geldbußen verhängen, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig
a) gegen Artikel 81 oder Artikel 82 des Vertrags verstoßen …
…
Die Geldbuße für jedes an der Zuwiderhandlung beteiligte Unternehmen oder jede beteiligte Unternehmensvereinigung darf 10 % seines bzw. ihres jeweiligen im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes nicht übersteigen.
…
(3) Bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße ist sowohl die Schwere der Zuwiderhandlung als auch deren Dauer zu berücksichtigen.“
Art. 31 der Verordnung Nr. 1/2003 sieht vor:
„Bei Klagen gegen Entscheidungen, mit denen die Kommission eine Geldbuße oder ein Zwangsgeld festgesetzt hat, hat der Gerichtshof die Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung der Entscheidung. Er kann die festgesetzte Geldbuße oder das festgesetzte Zwangsgeld aufheben, herabsetzen oder erhöhen.“
Nr. 1 Abschnitt A der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3, im Folgenden: Leitlinien), lautet:
„Bei der Ermittlung der Schwere eines Verstoßes sind seine Art und die konkreten Auswirkungen auf den Markt, sofern diese messbar sind, sowie der Umfang des betreffenden räumlichen Marktes zu berücksichtigen.
Die Verstöße werden in folgende drei Gruppen unterteilt: minder schwere, schwere und besonders schwere Verstöße:
– minder schwere Verstöße:
Hierbei handelt es sich um in den häufigsten Fällen vertikale Beschränkungen des Handels mit begrenzten Auswirkungen auf den Markt, die zwar einen wesentlichen, jedoch relativ engen Teil des Gemeinschaftsmarkts betreffen.
Voraussichtliche Beträge: von 1 000 bis 1 Mio. [Euro].
– schwere Verstöße:
Es handelt sich in den meisten Fällen um horizontale oder vertikale Beschränkungen der gleichen Art wie in dem vorangehenden Fall, die jedoch entschlossener angewandt werden, deren Auswirkungen auf den Markt umfassender sind und die in einem größeren Teil des Gemeinsamen Marktes zum Tragen kommen können. …
Voraussichtliche Beträge: von 1 Mio. bis 20 Mio. [Euro].
– besonders schwere Verstöße:
Es handelt sich im Wesentlichen um horizontale Beschränkungen wie z. B. Preiskartelle, Marktaufteilungsquoten und sonstige Beschränkungen der Funktionsweise des Binnenmarktes, wie z. B. die Abschottung der nationalen Märkte oder Mißbräuche marktbeherrschender Stellungen von Unternehmen in Quasi-Monopolstellung …
Voraussichtliche Beträge: oberhalb von 20 Mio. [Euro].
…
Es wird auch nötig sein, die tatsächliche wirtschaftliche Fähigkeit der Urheber der Verstöße, Wettbewerber und den Verbraucher wirtschaftlich in erheblichem Umfang zu schädigen, zu berücksichtigen und die Geldbuße auf einen Betrag festzusetzen, der eine hinreichend abschreckende Wirkung entfaltet.
…“
II – Sachverhalt und streitige Entscheidung
Die Vorgeschichte des Rechtsstreits, wie sie sich aus dem angefochtenen Urteil ergibt, kann wie folgt zusammengefasst werden.
Die Rechtsmittelführerinnen sind deutsche Unternehmen, die nach eigenen Angaben eine der führenden europäischen Marken für Kurzwaren aus Metall und Kunststoff sowie für Nähmaterial sind.
Am 7. und 8. November 2001 nahm die Kommission gemäß Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81] und [82] des Vertrages (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204), Nachprüfungen in den Geschäftsräumen verschiedener Hersteller und Vertriebshändler von Kurzwaren in der Gemeinschaft vor, so u. a. bei den Rechtsmittelführerinnen und zwei britischen Unternehmen sowie deren Tochtergesellschaften, nämlich zum einen der Coats Holdings Ltd und der J & P Coats Ltd (im Folgenden zusammen: Coats) und zum anderen der Entaco Group Ltd und der Entaco Ltd (im Folgenden zusammen: Entaco).
Am 15. März 2004 übersandte die Kommission den Rechtsmittelführerinnen, Entaco und Coats eine Mitteilung der Beschwerdepunkte.
Am 26. Oktober 2004 erließ die Kommission die streitige Entscheidung.
In Art. 1 der genannten Entscheidung stellte die Kommission fest, dass die Rechtsmittelführerinnen, Coats und Entaco an aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen beteiligt waren und zwischen dem 10. September 1994 und dem 31. Dezember 1999 eine Reihe von schriftlichen, der Form nach bilateralen Vereinbarungen schlossen, die in der Praxis aber eine dreiseitige Vereinbarung darstellten, mit der diese Unternehmen die Produktmärkte durch Segmentierung des europäischen Marktes für Kurzwaren aus Metall und aus Kunststoff und die räumlichen Märkte durch Segmentierung des europäischen Marktes für Nadeln aufteilten oder zu deren Aufteilung beitrugen.
In Art. 2 der streitigen Entscheidung verhängte die Kommission gegen die Rechtsmittelführerinnen eine Geldbuße in Höhe von 30 Mio. Euro.
In der streitigen Entscheidung wies die Kommission darauf hin, dass sie die Geldbuße nach der Schwere und der Dauer der Zuwiderhandlung festgesetzt habe. So berücksichtigte die Kommission bei der Schwere der Zuwiderhandlung deren Art, deren konkrete Auswirkungen auf den Markt sowie die Größe des betreffenden räumlichen Marktes. Anhand dieser Kriterien kam die Kommission zu dem Ergebnis, dass die an dem in Rede stehenden Kartell beteiligten Unternehmen eine „besonders schwere“ Zuwiderhandlung begangen hätten, und setzte deshalb den Ausgangsbetrag der Geldbuße für die Rechtsmittelführerinnen auf 20 Mio. Euro fest.
Zur Dauer der Zuwiderhandlung stellte die Kommission fest, dass sich diese über einen Zeitraum von fünf Jahren und drei Monaten erstreckt habe. Sie erhöhte deshalb den Ausgangsbetrag der Geldbuße um 50 % und setzte den Grundbetrag der Geldbuße für die Rechtsmittelführerinnen mithin auf 30 Mio. Euro fest.
Im Übrigen lehnte die Kommission es ab, den Rechtsmittelführerinnen mildernde Umstände zuzubilligen, wobei sie betonte, dass die vorzeitige Beendigung der rechtswidrigen Vereinbarung nicht auf ihr Vorgehen zurückzuführen sei und dass sie diese vorzeitige Beendigung bereits bei der Ermittlung der Dauer der Zuwiderhandlung berücksichtigt habe.
III – Das angefochtene Urteil
Die Rechtsmittelführerinnen erhoben am 28. Januar 2005 beim Gericht Klage, mit der sie beantragten, die streitige Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit sie sie betreffe, oder hilfsweise, die gegen sie verhängte Geldbuße aufzuheben oder herabzusetzen.
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Gericht der Klage, soweit sie auf die Herabsetzung der Geldbuße gerichtet war, teilweise mit der Begründung stattgegeben, dass den Rechtsmittelführerinnen die Anwendung der Mitteilung der Kommission über die Nichtfestsetzung oder die niedrigere Festsetzung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 1996, C 207, S. 4) zu Unrecht versagt worden sei. Das Gericht hat im Rahmen seiner Befugnis zur unbeschränkten Nachprüfung aus Art. 229 EG die gegen die Rechtsmittelführerinnen verhängte Geldbuße auf 27 Mio. Euro herabgesetzt und im Übrigen die Klage abgewiesen.
IV – Anträge der Verfahrensbeteiligten vor dem Gerichtshof
Die Rechtsmittelführerinnen beantragen,
– das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit es sie beschwert;
– die streitige Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit sie sie betrifft;
– hilfsweise, die in Art. 2 dieser Entscheidung gegen sie verhängte Geldbuße für nichtig zu erklären oder herabzusetzen;
– weiter hilfsweise, die Sache zur Entscheidung an das Gericht zurückzuverweisen;
– der Kommission die Kosten des gesamten Verfahrens aufzuerlegen.
Die Kommission beantragt,
– das Rechtsmittel zurückzuweisen;
– den Rechtsmittelführerinnen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens aufzuerlegen.
V – Zum Rechtsmittel
Die Rechtsmittelführerinnen stützen ihr Rechtsmittel auf fünf Rechtsmittelgründe, die im Folgenden nacheinander geprüft werden.
A – Zum ersten Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen die Verteidigungsrechte und die Begründungspflicht bei der Aufspaltung des Verwaltungsverfahrens
1. Das angefochtene Urteil
Zu dem Vorbringen der Klägerinnen, durch die Aufspaltung des ursprünglich einheitlichen Verfahrens „Hartkurzwaren“ in die beiden getrennten Verfahren „Hartkurzwaren: Nadeln“ (im Folgenden: Verfahren Nadeln) und „Hartkurzwaren: Verschlüsse“ (im Folgenden: Verfahren Verschlüsse) seien die Verteidigungsrechte verletzt worden, hat das Gericht in Randnr. 61 des angefochtenen Urteils ausgeführt:
„… [Es] ist festzustellen, dass die den Klägerinnen am 15. März 2004 übermittelte Mitteilung der Beschwerdepunkte die eindeutige Überschrift ‚Mitteilung der Beschwerdepunkte im Verfahren PO/Hartkurzwaren: Nadeln‘ trägt. Die Klägerinnen wussten daher spätestens zu diesem Zeitpunkt, dass die Kommission ein getrenntes Verfahren in Bezug auf den Nadelmarkt eröffnet hatte. Sie waren somit in der Lage, sich in ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte gegen die Aufspaltung des Verfahrens zu wehren.“
2. Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
Die Rechtsmittelführerinnen machen geltend, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, indem es in Randnr. 61 des angefochtenen Urteils entschieden habe, sie hätten spätestens mit der genannten Mitteilung der Beschwerdepunkte gewusst, dass die Kommission zwei getrennte Verfahren eröffnen würde, und seien daher in der Lage gewesen, sich gegen diese Aufspaltung des Verwaltungsverfahrens zu wehren. Sie sind der Ansicht, dass sich aus der fraglichen Mitteilung der Beschwerdepunkte lediglich ergeben habe, dass die Kommission ihr Verhalten im Bereich Nadeln als eine im Verhältnis zu ihrem Verhalten im Bereich Verschlüsse eigenständige Zuwiderhandlung angesehen habe. Erst eine ausreichende Darlegung der Tatsachen, auf deren Grundlage die Kommission die Verfahrensaufteilung vorgenommen habe, hätte es ihnen ermöglicht, die Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme zu beurteilen und folglich ihre Interessen wirksam zu vertreten.
Die Rechtsmittelführerinnen tragen weiter vor, die Kommission habe dadurch gegen ihre Begründungspflicht verstoßen, dass sie die Gründe für die Verfahrensaufspaltung nicht dargelegt habe.
Die Kommission macht geltend, die Rechtsmittelführerinnen hätten vor dem Gericht nur vorgetragen, dass sie nicht die Möglichkeit gehabt hätten, die Kommission darauf hinzuweisen, dass die Geldbußen, die in den beiden Verfahren gegen sie verhängt werden könnten, wegen des Zusammenhangs, der zwischen diesen bestehe, die in Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehene Höchstgrenze von 10 % ihres Gesamtumsatzes in der Europäischen Union nicht überschreiten dürften.
Nach Ansicht der Kommission, die einen Begründungsmangel in dieser Hinsicht verneint, ist der erste Rechtsmittelgrund als neu anzusehen und deshalb als unzulässig und hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen, soweit darin ein Verstoß gegen die Begründungspflicht geltend gemacht wird.
3. Würdigung durch den Gerichtshof
Ohne dass eine Prüfung der Zulässigkeit der ersten Rüge erforderlich wäre, ist festzustellen, dass diese nicht durchgreifen kann.
Die Beachtung der Verteidigungsrechte bei der Durchführung von Verwaltungsverfahren im Bereich der Wettbewerbspolitik stellt zwar einen allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts dar, dessen Wahrung der Gerichtshof zu sichern hat (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 15. Oktober 2002, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, C-238/99 P, C-244/99 P, C-245/99 P, C-247/99 P, C-250/99 P bis C-252/99 P und C-254/99 P, Slg. 2002, I-8375, Randnrn. 167 bis 171, vom 14. Juli 2005, ThyssenKrupp/Kommission, C-65/02 P und C-73/02 P, Slg. 2005, I-6773, Randnr. 92, sowie vom 21. September 2006, Nederlandse Federatieve Vereniging voor de Groothandel op Elektrotechnisch Gebied/Kommission, C-105/04 P, Slg. 2006, I-8725, Randnr. 35).
Bei einem Verfahren zur Anwendung von Art. 81 EG sind jedoch im Verwaltungsverfahren zwei Abschnitte zu unterscheiden, und zwar der der Mitteilung der Beschwerdepunkte vorausgehende Abschnitt der Untersuchung und der Abschnitt des restlichen Verwaltungsverfahrens. Jeder dieser aufeinanderfolgenden Abschnitte folgt einer eigenen inneren Logik, wobei der erste Abschnitt es der Kommission ermöglichen soll, zum weiteren Verlauf des Verfahrens Stellung zu nehmen, während der zweite es ihr ermöglichen soll, sich abschließend zu der gerügten Zuwiderhandlung zu äußern (vgl. Urteile Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, Randnrn. 181 bis 183, sowie Nederlandse Federatieve Vereniging voor de Groothandel op Elektrotechnisch Gebied/Kommission, Randnr. 38).
Die Beurteilungen in der nach den Gemeinschaftsvorschriften vorgesehenen Mitteilung der Beschwerdepunkte sollen den Gegenstand des Verwaltungsverfahrens gegenüber den Unternehmen festlegen, gegen die es eingeleitet worden ist (vgl. u. a. Urteil vom 17. November 1987, British American Tobacco und Reynolds Industries/Kommission, 142/84 und 156/84, Slg. 1987, 4487, Randnr. 70). Dazu müssen in der Mitteilung der Beschwerdepunkte alle wesentlichen Tatsachen, auf die sich die Kommission in diesem Verfahrensstadium stützt, klar angegeben werden. Nach ständiger Rechtsprechung kann diese Darstellung in gedrängter Form erfolgen, da es sich bei dieser Mitteilung um ein vorbereitendes Schriftstück handelt, dessen tatsächliche und rechtliche Wertungen lediglich vorläufiger Natur sind (vgl. u. a. Urteile vom 7. Juni 1983, Musique Diffusion française u. a./Kommission, 100/80 bis 103/80, Slg. 1983, 1825, Randnr. 14, sowie vom 7. Januar 2004, Aalborg Portland u. a./Kommission, C-204/00 P, C-205/00 P, C-211/00 P, C-213/00 P, C-217/00 P und C-219/00 P, Slg. 2004, I-123, Randnr. 67).
Im vorliegenden Fall hat das Gericht in Randnr. 61 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass die den Rechtsmittelführerinnen übermittelte Mitteilung der Beschwerdepunkte die Überschrift ‚Mitteilung der Beschwerdepunkte im Verfahren PO/Hartkurzwaren: Nadeln‘ getragen habe. Die Rechtsmittelführerinnen haben in ihrem Rechtsmittel selbst eingeräumt, dass sich aus dieser Mitteilung ergeben habe, dass die Kommission das Verhalten der Rechtsmittelführerinnen im Bereich Nadeln als eine im Verhältnis zu ihrem Verhalten im Bereich Verschlüsse eigenständige Zuwiderhandlung angesehen habe.
Die Rechtsmittelführerinnen bestreiten somit nicht, dass im vorliegenden Fall die Darlegung der Beschwerdepunkte ausreichend deutlich formuliert war, um ihnen eine tatsächliche Kenntnisnahme des ihnen von der Kommission zur Last gelegten Verhaltens und des von dieser beabsichtigten weiteren Verfahrensverlaufs zu ermöglichen.
Sie stützen ihr Vorbringen, sie hätten sich in diesem Stadium nicht sachdienlich verteidigen können, allein auf die nach ihrer Ansicht fehlende Begründung in der Mitteilung der Beschwerdepunkte in Bezug auf die von der Kommission beabsichtigte Aufspaltung des Verfahrens.
Diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden.
Es würde nämlich bedeuten, von der Kommission zu verlangen, dass sie nicht nur die tatsächlichen und rechtlichen Punkte nennt, die nach ihrer Ansicht in diesem Stadium des Verwaltungsverfahrens einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft begründen, sondern auch, dass sie, zumindest in gedrängter Form, die Gründe darlegt, warum sie in demselben Verfahren nicht beabsichtigt, sich auf bestimmte Punkte zu stützen, die sie ursprünglich untersuchte oder zu untersuchen beabsichtigte. Die Begründungspflicht, die der Kommission im Stadium des Versendens der Mitteilung der Beschwerdepunkte obliegt, würde somit auf Punkte erstreckt, die definitionsgemäß für den Ablauf des von ihr beabsichtigten Verfahrens nicht wesentlich sind. Eine solche Begründungspflicht ginge über die Anforderungen der in Randnr. 28 des vorliegenden Urteils genannten Rechtsprechung hinaus.
Somit ist der erste Rechtsmittelgrund jedenfalls als unbegründet zurückzuweisen.
B – Zum zweiten Rechtsmittelgrund: Verbot der Rechtsverweigerung
1. Das angefochtene Urteil
In Randnr. 64 des angefochtenen Urteils hat das Gericht daran erinnert, dass die Kommission das Recht habe, Verfahren aus objektiven Gründen zu trennen oder auch zu verbinden. Auf das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen, dass solche Gründe im vorliegenden Fall nicht existierten, hat es in Randnr. 65 desselben Urteils ausgeführt, dass die Sachlage nicht ganz mit derjenigen vergleichbar sei, in der es eine solche Trennung beim Vorliegen verschiedener Zuwiderhandlungen zugelassen habe. Zu dem Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen, die ihnen zur Last gelegten Verhaltensweisen stellten in Wirklichkeit eine einzige Zuwiderhandlung dar, hat das Gericht in Randnr. 66 des genannten Urteils ausgeführt, es könne erst nach Erlass der Entscheidung im Verfahren Verschlüsse überprüft werden.
2. Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
Die Rechtsmittelführerinnen rügen, das Gericht habe dadurch einen Rechtsfehler begangen, dass es sich geweigert habe, die Rechtmäßigkeit der Aufspaltung des Verfahrens zu prüfen, obwohl es zum einen anerkannt habe, dass die Kommission eine solche Trennung nur dann vornehmen könne, wenn es sich um gesonderte Zuwiderhandlungen handele, und obwohl es zum anderen mit der Mitteilung der Beschwerdepunkte vom 16. September 2004 im Verfahren Nadeln und derjenigen vom 8. März 2006 im Verfahren Verschlüsse über Anhaltspunkte dafür verfügte habe, dass die Kommission eine einheitliche Zuwiderhandlung willkürlich aufgespalten habe. Das Gericht habe in Randnr. 66 des angefochtenen Urteils zu Unrecht festgestellt, dass zu dem Zeitpunkt, als es das Verfahren Nadeln beraten habe, noch keine Entscheidung der Kommission im Verfahren Verschlüsse vorgelegen habe und deshalb die Annahmen in Bezug auf den Ausgang des Verfahrens Verschlüsse spekulativer Art seien.
Die Kommission schlägt vor, diesen Rechtsmittelgrund zurückzuweisen. Sie ist der Ansicht, dass das Gericht zu Recht entschieden habe, dass das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen nicht vor dem Erlass einer Entscheidung im Verfahren Verschlüsse geprüft werden könne.
3. Würdigung durch den Gerichtshof
In den Randnrn. 64 bis 66 des angefochtenen Urteils hat das Gericht ausgeführt, dass es nach seiner Rechtsprechung möglich sei, ein Verfahren wegen Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft zu trennen und in mehreren Entscheidungen gesonderte Geldbußen zu verhängen, sofern es sich um gesonderte Zuwiderhandlungen handele.
Die Rechtsmittelführerinnen bestreiten diese Ansicht nicht, rügen aber, dass das Gericht nicht geprüft habe, ob im vorliegenden Fall zum einen das in der streitigen Entscheidung im Verfahren „Nadeln“ zur Last gelegte Verhalten und zum anderen das in der Mitteilung der Beschwerdepunkte vom 8. März 2006 im Verfahren „Verschlüsse“ festgestellte Verhalten gesonderte Zuwiderhandlungen darstellten.
Wie in Randnr. 28 des vorliegenden Urteils ausgeführt worden ist, stellt die Mitteilung der Beschwerdepunkte nur ein vorbereitendes Schriftstück dar, dessen tatsächliche und rechtliche Wertungen rein vorläufiger Natur sind. Die spätere Entscheidung braucht nicht notwendig ein Abbild der Mitteilung der Beschwerdepunkte zu sein, da die Kommission die Ergebnisse des Verwaltungsverfahrens berücksichtigen muss, sei es um die Beschwerdepunkte, die sich als nicht ausreichend begründet erwiesen haben, fallen zu lassen, sei es, um ihre Argumente, auf die sie die aufrechterhaltenen Beschwerdepunkte stützt, in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht neu zu ordnen oder zu ergänzen (vgl. u. a. Urteile Musique Diffusion française u. a./Kommission, Randnr. 14, sowie Aalborg Portland u. a./Kommission, Randnr. 67).
Unter diesen Umständen hat das Gericht keinen Rechtsfehler dadurch begangen, dass es in Randnr. 66 des angefochtenen Urteils ausgeführt hat, dass alle Annahmen bezüglich des Vorliegens gesonderter Zuwiderhandlungen spekulativer Art seien, solange in dem Verfahren „Verschlüsse“ noch keine Entscheidung ergangen sei.
Die Rechtsmittelführerinnen können keine Rechtsverweigerung geltend machen, da es ihnen, wie sich aus der Argumentation des Gerichts ergibt, freistand, ihre Argumente zum Vorliegen einer einheitlichen Zuwiderhandlung nach dem Erlass der Entscheidung im Verfahren „Verschlüsse“ im Rahmen der Rechtmäßigkeitskontrolle dieser Entscheidung vorzutragen. Die Rechtsmittelführerinnen haben in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt, sie hätten im Übrigen beim Gericht eine Klage nach Art. 230 EG auf Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission im Verfahren „Verschlüsse“ erhoben.
Der zweite Rechtsmittelgrund ist daher als unbegründet zurückzuweisen.
C – Zum dritten Rechtsmittelgrund: Das Gericht habe die Feststellung des Verstoßes der Kommission gegen die Begründungspflicht hinsichtlich der Bestimmung der Schwere der Zuwiderhandlung nicht ausreichend berücksichtigt
Dieser Rechtsmittelgrund ist in zwei Teile untergliedert: Es wird gerügt, das Gericht habe die Feststellung des Verstoßes der Kommission gegen die Begründungspflicht hinsichtlich, erstens, der Größe des relevanten Marktes und, zweitens, der konkreten Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf den Markt nicht ausreichend berücksichtigt.
1. Zum ersten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes, mit dem gerügt wird, das Gericht habe die Feststellung des Verstoßes der Kommission gegen die Begründungspflicht hinsichtlich der Größe des relevanten Marktes nicht ausreichend berücksichtigt
a) Das angefochtene Urteil
In Randnr. 87 des angefochtenen Urteils hat das Gericht ausgeführt, dass die Kommission im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung des wettbewerbswidrigen Zwecks der Übereinkünfte nicht verpflichtet gewesen sei, im Rahmen der Anwendung von Art. 81 Abs. 1 EG eine Marktabgrenzung vorzunehmen. Es hat jedoch in Randnr. 88 des genannten Urteils hinzugefügt, da im verfügenden Teil der streitigen Entscheidung eine Geldbuße in Anwendung der Verordnung Nr. 1/2003 verhängt worden sei, seien die tatsächlichen Feststellungen zum betroffenen Markt relevant, auch wenn ihre Unzulänglichkeit nicht zur völligen Nichtigerklärung der Entscheidung führen könne.
Insoweit hat das Gericht in Randnr. 89 des angefochtenen Urteils ausgeführt:
„Nach den Leitlinien ist nämlich bei der Ermittlung der Schwere eines Verstoßes nicht nur seine Art ‚zu berücksichtigen‘, sondern auch ‚die konkreten Auswirkungen auf den Markt, sofern diese messbar sind‘ (Nr. 1 A Abs. 1). Um die konkreten Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf den Markt zu ermitteln, muss dieser aber abgegrenzt werden. Weiter heißt es in den Leitlinien, zur Ermittlung der Schwere eines Verstoßes sei es ‚nötig‘, ‚die tatsächliche wirtschaftliche Fähigkeit der Urheber der Verstöße, Wettbewerber … zu schädigen, zu berücksichtigen‘ (Nr. 1 A Abs. 4); dies bedeutet, dass die Größe der Märkte und die Marktanteile der betreffenden Unternehmen ermittelt werden müssen.“
Nachdem das Gericht in Randnr. 95 des angefochtenen Urteils festgestellt hatte, dass in Bezug auf die Abgrenzung der relevanten Produktmärkte kein Begründungsmangel vorliege, hat es die Feststellungen der Kommission zur Größe des Marktes in der streitigen Entscheidung geprüft.
In Randnr. 98 des angefochtenen Urteils hat das Gericht ausgeführt, dass die Feststellungen der Kommission zur Größe der drei von ihr bestimmten sachlichen Märkte lückenhaft blieben und es nicht erlaubten, die Größe aller betroffenen Märkte zu prüfen. In Randnr. 99 des angefochtenen Urteils hat das Gericht daraus gefolgert, dass die streitige Entscheidung „unzureichend begründet [ist], was zu ihrer teilweisen Nichtigerklärung führen könnte, es sei denn, dass die Feststellungen der Kommission zur tatsächlichen wirtschaftlichen Möglichkeit der fraglichen Unternehmen, erheblichen Schaden zu verursachen, auf anderen Gründen der [streitigen] Entscheidung beruhen“.
In den Randnrn. 100 und 101 des angefochtenen Urteils hat das Gericht ausgeführt, dass die Rechtsmittelführerinnen die Feststellungen der Kommission in der streitigen Entscheidung, aus denen sich ergeben habe, dass eine solche Möglichkeit bestanden habe, nämlich insbesondere ihre Stellung als europäische Marktführer auf dem Markt der Herstellung von Nadeln, auf dem es nur sehr begrenzten Wettbewerb gegeben habe, nie angefochten hätten.
b) Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
Nach Ansicht der Rechtsmittelführerinnen hat das Gericht gegen Art. 253 EG verstoßen, indem es die streitige Entscheidung nicht für nichtig erklärt hat, obwohl es eine Verletzung der Begründungspflicht in Bezug auf die Größe des relevanten Marktes festgestellt hat. Es habe somit nicht beachtet, dass dieser Fehler sich auf die Feststellung der Schwere der Zuwiderhandlung ausgewirkt habe, da deren Ermittlung die kumulative Heranziehung verschiedener Kriterien erfordere und die Kommission in der genannten Entscheidung selbst ausgeführt habe, dass sie die Größe des relevanten Marktes und die wirtschaftlichen Möglichkeiten der Urheber der Zuwiderhandlung, einen bedeutenden Schaden zu verursachen, berücksichtigt habe.
Auch sei es rechtsfehlerhaft, wenn das Gericht meine, die Kommission habe die konkreten Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf den Markt durch einen Verweis auf die Marktführerschaft der Rechtsmittelführerinnen ausreichend dargelegt. Das Gericht habe damit den Unterschied zwischen der Ermittlung der tatsächlichen wirtschaftlichen Möglichkeit eines Unternehmens, einen erheblichen Schaden zu verursachen, und der Ermittlung der konkreten Auswirkungen auf den Markt verkannt.
Nach Ansicht der Rechtsmittelführerinnen ist die Begründung des angefochtenen Urteils in Randnr. 89 einerseits und den Randnrn. 99 und 100 andererseits widersprüchlich.
Die Kommission erwidert, dass bei korrektem Verständnis des angefochtenen Urteils das Gericht die Pflicht, die Größe der relevanten Märkte zu bestimmen, nur im Hinblick auf die Möglichkeit der Unternehmen, einen spürbaren Schaden zuzufügen, bejaht habe. Könne diese Möglichkeit aber, wie im vorliegenden Fall, mit anderen Mitteln festgestellt werden, so entfalle für sie die Pflicht, die Größe des Marktes zu bestimmen. Darüber hinaus ergebe sich aus der Rechtsprechung des Gerichts, dass die in den Leitlinien dargestellte Methode der Geldbußenberechnung nicht die Berücksichtigung der Größe des betroffenen Marktes bei der Ermittlung des Ausgangsbetrags gebiete.
c) Würdigung durch den Gerichtshof
Nach ständiger Rechtsprechung ist die Schwere der Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft anhand einer Vielzahl von Gesichtspunkten zu ermitteln, zu denen u. a. die besonderen Umstände der Rechtssache, ihr Kontext und die Abschreckungswirkung der Geldbußen gehören, ohne dass es eine zwingende oder abschließende Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden müssten (vgl. u. a. Urteile Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, Randnr. 465, vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C-189/02 P, C-202/02 P, C-205/02 P bis C-208/02 P und C-213/02 P, Slg. 2005, I-5425, Randnr. 241, sowie vom 25. Januar 2007, Dalmine/Kommission, C-407/04 P, Slg. 2007, I-829, Randnr. 129).
Daher ist entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen die Größe des betroffenen Marktes bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung und der Festsetzung der Geldbuße grundsätzlich kein obligatorischer Gesichtspunkt, sondern nur ein relevanter Gesichtspunkt unter anderen (vgl. in diesem Sinne Urteil Dalmine/Kommission, Randnr. 132).
In Randnr. 89 des angefochtenen Urteils hat das Gericht jedoch ausgeführt, dass es nach Nr. 1 Abschnitt A Abs. 4 der Leitlinien bei der Beurteilung der Schwere eines Verstoßes nötig sei, die tatsächliche wirtschaftliche Fähigkeit von Unternehmen, Wettbewerber in erheblichem Umfang zu schädigen, zu berücksichtigen. Es hat weiter ausgeführt, dass dies bedeute, dass die Größe der Märkte ermittelt werden müsse.
Die Rechtsmittelführerinnen bestreiten die vom Gericht vorgenommene Analyse nicht, machen aber geltend, dass dessen Ausführungen widersprüchlich seien, da es anschließend in Randnr. 101 des angefochtenen Urteils anerkenne, dass der Verweis auf ihre Marktführerschaft auf dem relevanten Markt die konkreten Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf den Markt ausreichend darlegen könne.
Insoweit liegt jedoch ein falsches Verständnis der Rechtsmittelführerinnen von Randnr. 101 des angefochtenen Urteils vor. Aus dieser Randnummer ergibt sich nämlich, dass der Verweis auf die Marktführerschaft der Rechtsmittelführerinnen als maßgebliches Kriterium für die Beurteilung ihrer tatsächlichen wirtschaftlichen Möglichkeiten, Wettbewerber in erheblichem Umfang zu schädigen, und nicht, wie die Rechtsmittelführerinnen vortragen, für die Ermittlung der konkreten Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf den Markt angesehen wird.
Die Ausführungen des Gerichts sind jedoch in der Tat widersprüchlich, da es einerseits in Randnr. 89 des angefochtenen Urteils bekräftigt hat, dass für die Beurteilung der wirtschaftlichen Fähigkeit eines Unternehmens, einen erheblichen Schaden zu verursachen, die Größe des Marktes ermittelt werden müsse, und es andererseits in den Randnrn. 99 bis 101 dieses Urteils ausgeführt hat, dass die von ihm in dieser Hinsicht festgestellte unzureichende Begründung durch andere Feststellungen ausgeglichen werden könne, wie im vorliegenden Fall durch die Marktführerschaft der Rechtsmittelführerinnen auf dem genannten Markt.
Dieser Widerspruch kann jedoch nicht, wie die Rechtsmittelführerinnen verlangen, zu der Feststellung führen, das Gericht habe die Verletzung der Begründungspflicht durch die Kommission im Hinblick auf die Größe des betreffenden Marktes unzureichend berücksichtigt.
Entgegen den Ausführungen des Gerichts in Randnr. 89 des angefochtenen Urteils erfordert die Berücksichtigung der tatsächlichen wirtschaftlichen Fähigkeit der Urheber der Verstöße, Wettbewerber in erheblichem Umfang zu schädigen, gemäß Nr. 1 Abschnitt A Abs. 4 der Leitlinien nicht, die Größe des Marktes zu ermitteln.
Der Gerichtshof hat zwar entschieden, dass bei der Festsetzung der Geldbuße die Marktanteile eines Unternehmens relevant sind für die Bestimmung des Einflusses, den das Unternehmen auf den Markt ausüben konnte (Urteil vom 17. Dezember 1998, Baustahlgewebe/Kommission, C-185/95 P, Slg. 1998, I-8417, Randnr. 139).
Aus den vom Generalanwalt in den Nrn. 98 bis 101 seiner Schlussanträge dargelegten Gründen lässt sich aus der in der vorstehenden Randnummer genannten Rechtsprechung jedoch nicht ableiten, dass zur Ermittlung des Einflusses eines Unternehmens auf den Markt oder seiner – wie es in den Leitlinien heißt – tatsächlichen Fähigkeit, Wettbewerber in erheblichem Umfang zu schädigen, diese Fähigkeit genau bestimmt werden müsste, so dass die Kommission verpflichtet wäre, zunächst den Markt abzugrenzen und dann dessen Größe unter Berücksichtigung des Umsatzes dieses Unternehmens zu bestimmen.
Im Übrigen hätte bei einer Zuwiderhandlung wie im vorliegenden Fall, bei der es sich um eine Marktaufteilung handelte, eine so formalistische Auslegung des Urteils Baustahlgewebe/Kommission, wie sie von den Rechtsmittelführerinnen vertreten wird, zur Folge, dass der Kommission bei der Methode für die Berechnung der Geldbuße eine Verpflichtung auferlegt würde, die für sie nach ständiger Rechtsprechung bei der Anwendung von Art. 81 EG nicht besteht, wenn die in Rede stehende Zuwiderhandlung einen wettbewerbswidrigen Zweck verfolgt (vgl. u. a. Urteile Aalborg Portland u. a./Kommission, Randnr. 261, sowie Nederlandse Federatieve Vereniging voor de Groothandel op Elektrotechnisch Gebied/Kommission, Randnr. 125).
Das Gericht hat somit in den Randnrn. 99 bis 101 zu Recht anerkannt, dass die wirtschaftliche Fähigkeit der Rechtsmittelführerinnen, Wettbewerber in erheblichem Umfang zu schädigen, durch Feststellungen wie die ihrer Marktführerschaft auf dem betreffenden Markt ermittelt werden konnte.
Somit ist der erste Teil des dritten Rechtsmittelgrundes trotz des von den Rechtsmittelführerinnen zu Recht aufgezeigten Widerspruchs in der Begründung des Gerichts als ins Leere gehend zurückzuweisen.
2. Zum zweiten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes, mit dem gerügt wird, das Gericht habe die Feststellung des Verstoßes der Kommission gegen die Begründungspflicht in Bezug auf die konkreten Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf den Markt nicht berücksichtigt
a) Das angefochtene Urteil
In den Randnrn. 109 bis 112 des angefochtenen Urteils hat das Gericht ausgeführt:
„Die Berücksichtigung der konkreten Auswirkungen auf den Markt ist … nur dann erforderlich, ‚wenn sie messbar erscheinen‘. Die Kommission hat jedoch während des Verfahrens nie geltend gemacht, dass die Auswirkungen im vorliegenden Fall nicht messbar seien, und in ihrer Klagebeantwortung hat sie sich auf den Hinweis beschränkt, dass die Aufteilung der Produktmärkte und der räumlichen Märkte, die in den zwischen den Klägerinnen und Entaco abgeschlossenen Verträgen vorgesehen war, durchgeführt worden sei und somit ‚zwangsläufig reale Auswirkungen auf die Wettbewerbsbedingungen auf den Gemeinschaftsmärkten‘ gehabt habe.
Diese Schlussfolgerung ist aber nicht überzeugend. …
In den Randnrn. 318 bis 320 der [streitigen] Entscheidung hat die Kommission … sich … ausschließlich auf einen Kausalzusammenhang zwischen der Umsetzung des Kartells und seinen konkreten Auswirkungen auf den Markt gestützt, was für die Bußgeldbemessung jedoch nicht ausreicht.
Folglich ist die Kommission der ihr insoweit obliegenden Begründungspflicht nicht hinreichend nachgekommen. Auf die daraus abzuleitenden Rechtsfolgen wird nachstehend in den Randnrn. 190 ff. eingegangen.“
Hinsichtlich der möglichen Rechtsfolgen der Nichtbeachtung der in Randnr. 112 des angefochtenen Urteils genannten Begründungspflicht hat das Gericht in den Randnrn. 188 und 189 desselben Urteils festgestellt, dass im vorliegenden Fall die Zuwiderhandlung, die eine Aufteilung der Produktmärkte und des räumlichen Marktes zum Gegenstand hatte, eine offensichtliche Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht dargestellt und ihrer Natur nach besonders schwer gewogen habe. Folglich war seiner Ansicht nach die Einstufung der Zuwiderhandlung in der streitigen Entscheidung als „besonders schwer“ angesichts der Definition in den Leitlinien gerechtfertigt.
In Randnr. 190 des angefochtenen Urteils hat das Gericht weiter ausgeführt:
„Zur Beurteilung der konkreten Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf den Markt ist bereits festgestellt worden, dass die Kommission in der [streitigen] Entscheidung der ihr obliegenden Begründungspflicht nicht nachgekommen ist … Diese unzureichende Begründung kann jedoch unter den Umständen des vorliegenden Falles nicht zur Aufhebung oder Herabsetzung der Geldbuße führen, da die Einstufung der Zuwiderhandlung als ‚besonders schwer‘ begründet war und die Kommission den niedrigsten in den Leitlinien für eine solche Zuwiderhandlung vorgesehenen Ausgangsbetrag gewählt hat (genauer gesagt den Höchstbetrag für eine ‚schwere‘ Zuwiderhandlung), nämlich 20 Mio. Euro. Wie die Kommission zutreffend ausführt, genügt die Wahl des Mindestbetrags im vorliegenden Fall, um der Verringerung der Auswirkungen der Zuwiderhandlung während des Zeitraums der Zuwiderhandlung Rechnung zu tragen.“
b) Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
Nach Ansicht der Rechtsmittelführerinnen hat das Gericht gegen Art. 253 EG verstoßen, indem es sich geweigert hat, die streitige Entscheidung für nichtig zu erklären, obwohl es einen Verstoß gegen die Begründungspflicht hinsichtlich der konkreten Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf den Markt festgestellt hatte. Indem das Gericht in Randnr. 190 des angefochtenen Urteils entschieden habe, dass diese unzureichende Begründung unter den Umständen des vorliegenden Falles nicht zur Aufhebung oder Herabsetzung der Geldbuße führen müsse, da die Einstufung der Zuwiderhandlung als „besonders schwer“ begründet gewesen sei, habe das Gericht Fragen der materiellen Rechtmäßigkeit der genannten Entscheidung mit Fragen der Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die formelle Begründungspflicht vermengt.
Die Kommission bestreitet das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen. Sie räumt allerdings ein, dass dem Gericht in den Randnrn. 109 bis 112 des angefochtenen Urteils Rechtsfehler unterlaufen seien. Zum einen habe das Gericht von ihr verlangt, dass sie das Fehlen von messbaren konkreten Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf den Markt nachweise, obwohl es selbst nicht festgestellt habe, dass diese Auswirkungen messbar gewesen seien. Zum anderen sei das Gericht von einer ständigen Rechtsprechung abgewichen, nach der die Durchführung einer Vereinbarung mit einem wettbewerbswidrigen Zweck genüge, um das Fehlen von Auswirkungen auf den Markt auszuschließen. Folglich regt die Kommission an, dass der Gerichtshof die Begründung in den Randnrn. 109 bis 112 des angefochtenen Urteils ersetzt, soweit darin Feststellungen zu dem Nachweis und der Messbarkeit der Auswirkungen auf den Markt enthalten sind.
c) Würdigung durch den Gerichtshof
i) Zum Antrag der Kommission, die Begründung zu ersetzen
Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Rechtsmittel zurückzuweisen, wenn zwar die Gründe des Urteils des Gerichts eine Verletzung des Gemeinschaftsrechts erkennen lassen, die Urteilsformel sich aber aus anderen Rechtsgründen als richtig erweist (vgl. u. a. Urteile vom 9. Juni 1992, Lestelle/Kommission, C-30/91 P, Slg. 1992, I-3755, Randnr. 28, sowie vom 9. September 2008, FIAMM u. a./Rat und Kommission, C-120/06 P und C-121/06 P, Slg. 2008, I-0000, Randnr. 187).
Selbst wenn einem Antrag auf Ersetzung der Gründe unter den Voraussetzungen, unter denen er von der Kommission gestellt worden ist, stattgegeben werden könnte, müsste der Antrag im vorliegenden Fall zurückgewiesen werden.
Erstens ist hinsichtlich der Verpflichtung der Kommission, für die Bemessung der Geldbuße das Vorliegen konkreter Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf den Markt festzustellen, daran zu erinnern, dass diese konkreten Auswirkungen zwar ein Faktor sind, der bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen ist, es sich dabei aber um ein Kriterium neben anderen, wie etwa der Art der Zuwiderhandlung und dem Umfang des räumlichen Marktes, handelt. Zudem sind diese Auswirkungen nach Nr. 1 Abschnitt A Abs. 1 der Leitlinien nur dann zu berücksichtigen, wenn sie messbar sind (Urteil vom 9. Juli 2009, Archer Daniels Midland/Kommission, C-511/06 P, Slg. 2009, I-0000, Randnr. 125).
Bei horizontalen Preisabsprachen oder Marktaufteilungen ergibt sich aus den Leitlinien auch, dass diese Kartelle allein aufgrund ihrer Art als besonders schwere Verstöße angesehen werden können, ohne dass die Kommission konkrete Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf den Markt nachweisen müsste. In diesem Fall sind die konkreten Auswirkungen der Zuwiderhandlung nur ein Kriterium neben anderen, das der Kommission, wenn es messbar ist, erlauben kann, den Ausgangsbetrag der Geldbuße über den voraussichtlichen Mindestbetrag von 20 Mio. Euro zu erhöhen.
Im vorliegenden Fall war der Zweck der in Rede stehenden Absprache eine Aufteilung der Märkte, und sie konnte somit als besonders schwerer Verstoß angesehen werden, ohne dass die Kommission konkrete Auswirkungen der Absprache auf den Markt nachweisen muss.
Das Gericht hat jedoch in Randnr. 111 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass die Kommission in dem die Bemessung der Geldbuße betreffenden Teil der streitigen Entscheidung dieses Kriterium in drei mit „Konkrete Auswirkungen der Zuwiderhandlung“ überschriebenen Randnummern geprüft hat.
Unter diesen Umständen konnte das Gericht, das in Randnr. 109 des angefochtenen Urteils ausgeführt hat, dass die Kommission während des Verfahrens nie geltend gemacht habe, dass die konkreten Auswirkungen der Zuwiderhandlung nicht messbar seien, rechtsfehlerfrei feststellen, dass die Kommission zum einen der Ansicht war, die in der streitigen Entscheidung beschriebenen Auswirkungen seien messbar gewesen, und dass sie zum anderen beabsichtigte, dieses Kriterium bei der Bemessung der Geldbuße zu berücksichtigen.
Zweitens ist hinsichtlich der Beweise, die die Kommission in einem solchen Fall vorlegen muss, um konkrete Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf den Markt nachzuweisen, die Ansicht der Kommission zurückzuweisen, dass es insoweit ausreiche, wenn sie auf die Umsetzung des Kartells verweise.
Bei einem solchen Verweis ohne einen anderen zusätzlichen Nachweis handelt es sich nämlich nur um eine Vermutung, dass die Umsetzung des Kartells sich auf den Markt ausgewirkt habe.
Konkrete Auswirkungen der Zuwiderhandlung sind zwar für deren Einstufung als besonders schwer nicht erforderlich, wenn die Vereinbarung einen wettbewerbswidrigen Zweck hat, aber die zusätzliche Berücksichtigung dieses Punktes erlaubt es der Kommission, den Ausgangsbetrag der Geldbuße über den in den Leitlinien festgelegten voraussichtlichen Mindestbetrag von 20 Mio. Euro zu erhöhen, ohne andere Grenze als die Höchstgrenze von 10 % des im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes des betroffenen Unternehmens, die für den Gesamtbetrag der Geldbuße in Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 festgelegt ist.
Im Hinblick auf diese Folgen kann sich die Kommission, wenn sie es für angebracht hält, für die Bemessung der Geldbuße die konkreten Auswirkungen der Zuwiderhandlung als fakultatives Element zu berücksichtigen, nicht auf eine bloße Vermutung beschränken, sondern muss, wie der Generalanwalt in Nr. 140 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, konkrete, glaubhafte und ausreichende Indizien vorlegen, die ihr erlauben, die tatsächlichen Auswirkungen, die die Zuwiderhandlung auf den Wettbewerb auf dem genannten Markt haben konnte, zu beurteilen.
Das Gericht hat somit keinen Rechtsfehler begangen, indem es in den Randnrn. 110 und 111 des angefochtenen Urteils im Wesentlichen entschieden hat, dass sich die Kommission nicht ohne weitere Begründung darauf beschränken durfte, aus der Umsetzung des Kartells zu schließen, dass es tatsächliche Auswirkungen auf den Markt gehabt habe, und dass sie sich bei ihrer Entscheidung nicht ausschließlich auf den Kausalzusammenhang zwischen der Umsetzung des Kartells und seinen konkreten Auswirkungen auf den Markt habe stützen dürfen.
Infolgedessen muss der Antrag der Kommission auf Ersetzung der Gründe auf alle Fälle zurückgewiesen werden.
ii) Zum Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen
Dem Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen, dass das Gericht einen Rechtsfehler begangen habe, indem es sich nach der Feststellung eines Verstoßes gegen die Begründungspflicht hinsichtlich der konkreten Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf den Markt geweigert habe, die streitige Entscheidung für nichtig zu erklären, kann nicht gefolgt werden.
Hinsichtlich der Nachprüfung wettbewerbsrechtlicher Entscheidungen der Kommission durch den Gemeinschaftsrichter ist daran zu erinnern, dass über die reine Kontrolle der Rechtmäßigkeit hinaus, die nur die Zurückweisung der Nichtigkeitsklage oder die Nichtigerklärung des angefochtenen Rechtsakts ermöglicht, die nach Art. 229 EG dem Gericht durch Art. 31 der Verordnung Nr. 1/2003 erteilte Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung den Gemeinschaftsrichter ermächtigt, den angefochtenen Rechtsakt, auch ohne ihn für nichtig zu erklären, unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände abzuändern und z. B. die Höhe der Geldbuße anders festzusetzen (Urteil Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, Randnr. 692).
Im Rahmen der Rechtmäßigkeitskontrolle hat das Gericht zunächst in Randnr. 112 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass die Begründung hinsichtlich eines der Kriterien, die von der Kommission für die Ermittlung der Schwere einer Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG bei der Bemessung der Geldbuße herangezogen wurden, nämlich des Kriteriums der konkreten Auswirkungen des Verstoßes auf den Markt, unzureichend war. In Anbetracht der Vielzahl der Kriterien, die, wie in Randnr. 54 des vorliegenden Urteils ausgeführt, von der Kommission herangezogen werden können, um für die Festsetzung der Geldbuße die Schwere einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht festzustellen, hat das Gericht keinen Rechtsfehler begangen, indem es entschieden hat, dass seine Feststellung in Bezug auf eines der genannten Kriterien nicht automatisch die auch nur teilweise Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung zur Folge habe.
Zweitens hat das Gericht aufgrund seiner Befugnis zur umfassenden Nachprüfung in Randnr. 190 des angefochtenen Urteils den von ihm festgestellten Verstoß berücksichtigt und geprüft, ob dieser sich auf die Höhe der Geldbuße ausgewirkt hat und ob dieser Betrag somit abzuändern ist. Im Rahmen dieser Prüfung hat das Gericht entschieden, dass es nicht angebracht sei, den in der streitigen Entscheidung festgesetzten Ausgangsbetrag der Geldbuße zu ändern.
Das Gericht hat somit sowohl bei der Kontrolle der Rechtmäßigkeit als auch in Ausübung seiner Befugnis zur umfassenden Nachprüfung die Rechtsfolgen, die aus dem Verstoß der Kommission gegen ihre Begründungspflicht hinsichtlich der konkreten Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf den Markt zu ziehen waren, angemessen beurteilt.
Der zweite Teil des dritten Rechtsmittelgrundes ist somit zurückzuweisen.
Nach alledem ist der dritte Rechtsmittelgrund insgesamt als unbegründet zurückzuweisen.
D – Zum vierten Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen die Leitlinien und falsche Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung
Dieser Rechtsmittelgrund umfasst ebenfalls zwei Teile. Im ersten Teil wird die Nichtberücksichtigung der Fehlerhaftigkeit der Ermittlung der konkreten Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf den Markt gerügt, im zweiten Teil die Nichtberücksichtigung der Tatsache, dass die Rechtsmittelführerinnen die Zuwiderhandlung freiwillig beendet haben sollen, als mildernder Umstand.
1. Zum ersten Teil des vierten Rechtsmittelgrundes: Nichtberücksichtigung der Fehlerhaftigkeit der Ermittlung der konkreten Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf den Markt
a) Das angefochtene Urteil
Dieser Teil des Rechtsmittelgrundes richtet sich insbesondere gegen die Randnrn. 188 bis 190 des angefochtenen Urteils, auf die in den Randnrn. 68 und 69 des vorliegenden Urteils hingewiesen wird.
b) Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
Die Rechtsmittelführerinnen machen geltend, das Gericht habe in den Randnrn. 188 bis 190 des angefochtenen Urteils in zweifacher Hinsicht einen Rechtsfehler begangen. Zum einen habe es angenommen, dass der Begründungsmangel hinsichtlich der konkreten Auswirkungen der Zuwiderhandlung rechtlich unerheblich sei, da diese in Anbetracht ihrer abstrakten Form als „besonders schwer“ angesehen werden könne. Diese Nichtberücksichtigung der konkreten Umstände der Zuwiderhandlung widerspreche sowohl den Leitlinien als auch der Rechtsprechung des Gerichtshofs und der Entscheidungspraxis der Kommission. Zum anderen habe das Gericht zu Unrecht den in den Leitlinien für eine „besonders schwere“ Zuwiderhandlung vorgesehenen Ausgangsbetrag als einen zwingend vorgeschriebenen Mindestbetrag angesehen. Dieser Ansatz stehe im Widerspruch zur Entscheidungspraxis der Kommission und verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Die Kommission verweist zum Teil auf ihr Vorbringen im Rahmen des dritten Rechtsmittelgrundes in Bezug auf die konkreten Auswirkungen der Zuwiderhandlung. Sie ergänzt, das Gericht habe den in den Leitlinien vorgesehenen Ausgangsbetrag nicht als eine nicht unterschreitbare Schwelle angesehen, sondern in den Randnrn. 206 und 223 des angefochtenen Urteils seine Verhältnismäßigkeit untersucht. Was das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen zur Entscheidungspraxis der Kommission angehe, so seien die von ihnen angeführten Beispiele entweder nicht einschlägig oder neu oder nicht richtig wiedergegeben.
c) Würdigung durch den Gerichtshof
Hinsichtlich des ersten von den Rechtsmittelführerinnen geltend gemachten Rechtsfehlers, der die abstrakte Qualifizierung der Zuwiderhandlung durch das Gericht ohne Berücksichtigung der Fehlerhaftigkeit der Ermittlung der konkreten Auswirkungen auf den Markt betrifft, ist daran zu erinnern, dass für die Bemessung der Geldbuße die Dauer der Zuwiderhandlungen und alle Faktoren, die im Rahmen der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlungen berücksichtigt werden können, heranzuziehen sind, wie das Verhalten jedes einzelnen Unternehmens, die Rolle, die jedes Unternehmen bei der Abstimmung der Verhaltensweisen gespielt hat, der Gewinn, den die Unternehmen aus diesen Verhaltensweisen ziehen konnten, ihre Größe und der Wert der betroffenen Waren sowie die Gefahr, die derartige Zuwiderhandlungen für die Ziele der Europäischen Gemeinschaft bedeuten (vgl. Urteile Musique Diffusion française, Randnr. 129, und Dansk Rørindustri u. a./Kommission, Randnr. 242). Somit sind die Auswirkungen einer wettbewerbswidrigen Praxis bei der Beurteilung der angemessenen Höhe der Geldbuße kein ausschlaggebendes Kriterium. Gesichtspunkte, die die Intention eines Verhaltens betreffen, können größere Bedeutung haben als solche, die dessen Wirkungen betreffen, vor allem, wenn es sich wie hier dem Wesen nach um schwere Zuwiderhandlungen wie eine Marktaufteilung handelt (vgl. Urteil vom 2. Oktober 2003, Thyssen Stahl/Kommission, C-194/99 P, Slg. 2003, I-10821, Randnr. 118).
Was den zweiten Rechtsfehler betrifft, wonach das Gericht den in den Leitlinien für einen „besonders schweren“ Verstoß vorgesehenen Ausgangsbetrag der Geldbuße zu Unrecht als einen zwingend vorgeschriebenen Mindestbetrag angesehen haben soll, ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht in Randnr. 190 des angefochtenen Urteils sich darauf beschränkt hat, zu prüfen, ob sich der Fehler, den es in Bezug auf die Beurteilung der konkreten Auswirkungen der Zuwiderhandlung festgestellt hatte, auf die Bemessung der Geldbuße ausgewirkt hat. Im Rahmen dieser Prüfung hat es zunächst festgestellt, dass die Kommission keine Erhöhung des Ausgangsbetrags wegen Auswirkungen auf den Markt vorgenommen habe. Bei der Ausübung seiner unbeschränkten Nachprüfungsbefugnis war es zweitens der Ansicht, dass der Ausgangsbetrag, der in der streitigen Entscheidung zugrunde gelegt worden ist, dadurch gerechtfertigt werden könne, dass die Zuwiderhandlung als „besonders schwer“ angesehen worden sei. Der Umstand, dass das Gericht es im vorliegenden Fall nicht für angebracht hielt, den von der Kommission festgelegten Ausgangsbetrag zu ändern, kann nicht bedeuten, dass es den Betrag von 20 Mio. Euro als Mindestbetrag angesehen hat, der nicht unterschritten werden kann.
Hinsichtlich des Vorbringens der Rechtsmittelführerinnen zur Entscheidungspraxis der Kommission genügt der Hinweis, dass diese nicht als rechtlicher Rahmen für Geldbußen im Wettbewerbsrecht dient, da die Kommission in diesem Bereich über ein weites Ermessen verfügt, bei dessen Ausübung sie nicht an frühere eigene Beurteilungen gebunden ist (vgl. u. a. Urteile Dansk Rørindustri u. a./Kommission, Randnrn. 209 bis 213, sowie vom 19. März 2009, Archer Daniels Midland/Kommission, Randnr. 82).
Somit ist der erste Teil des vierten Rechtsmittelgrundes zurückzuweisen.
2. Zum zweiten Teil des vierten Rechtsmittelgrundes: Nichtberücksichtigung der Tatsache, dass die Rechtsmittelführerinnen die Zuwiderhandlung freiwillig beendet haben sollen, als mildernder Umstand
a) Das angefochtene Urteil
In Randnr. 211 des angefochtenen Urteils hat das Gericht unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung ausgeführt, dass im Rahmen der Bemessung einer wegen Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht verhängten Geldbuße ein mildernder Umstand allenfalls zugebilligt werden könne, wenn die fraglichen Unternehmen durch das Eingreifen der Kommission zur Beendigung ihres wettbewerbswidrigen Verhaltens veranlasst worden seien.
Nachdem es in Randnr. 212 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, dass sich aus der streitigen Entscheidung ergebe, dass die vorzeitige Kündigung der rechtswidrigen Vereinbarung nicht auf ein Eingreifen der Kommission oder einen Entschluss der Rechtsmittelführerinnen, die Zuwiderhandlung zu beenden, zurückgegangen sei, sondern auf eine Entscheidung im Rahmen der Wirtschaftsstrategie, hat das Gericht in Randnr. 213 des genannten Urteils entschieden, dass die vorzeitige Kündigung der Vereinbarung bereits bei der Beurteilung der Dauer der Zuwiderhandlung berücksichtigt worden sei und daher keinen mildernden Umstand darstellen könne.
b) Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
Die Rechtsmittelführerinnen sind der Ansicht, dass das Gericht in den Randnrn. 211 und 213 des angefochtenen Urteils einen Rechtsfehler begangen habe, da seine Analyse nicht die Freiwilligkeit der Beendigung der Zuwiderhandlung berücksichtige. Aus eigener Initiative auf ein rechtswidriges Verhalten zu verzichten, müsse einen mildernden Umstand darstellen, der nicht bei der Beurteilung der Dauer der Zuwiderhandlung berücksichtigt werde.
Nach Ansicht der Kommission entspricht die Analyse des Gerichts der ständigen Rechtsprechung in dem Bereich, die nicht in Frage zu stellen sei.
c) Würdigung durch den Gerichtshof
Zu den mildernden Umständen, die eine Herabsetzung des Grundbetrags der Geldbuße zur Folge haben können, gehört nach Nr. 3 dritter Gedankenstrich der Leitlinien die Beendigung der Verstöße nach dem ersten Eingreifen der Kommission, insbesondere bei Nachprüfungen.
In Randnr. 158 des Urteils Dalmine/Kommission hat der Gerichtshof die Würdigung durch das Gericht bestätigt, wonach ein mildernder Umstand nach Nr. 3 dritter Gedankenstrich der Leitlinien nicht gewährt werden kann, wenn die Zuwiderhandlung bereits vor dem ersten Eingreifen der Kommission beendet worden war oder wenn die Unternehmen schon vor diesem Zeitpunkt die klare Entscheidung getroffen hatten, sie zu beenden.
Somit hat das Gericht keinen Rechtsfehler begangen, indem es die Weigerung der Kommission in der streitigen Entscheidung, den Rechtsmittelführerinnen aufgrund ihrer Entscheidung, die die Zuwiderhandlung begründenden Vereinbarungen zu beenden, mildernde Umstände zu gewähren, bestätigt hat, da die letztgenannte Entscheidung, wie die Rechtsmittelführerinnen selbst ausführen, vor dem Eingreifen der Kommission und unabhängig davon getroffen worden war.
Unter diesen Umständen ist der zweite Teil des vierten Rechtsmittelgrundes und folglich der vierte Rechtsmittelgrund insgesamt zurückzuweisen.
E – Zum fünften Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße
1. Das angefochtene Urteil
In den Randnrn. 228 bis 232 des angefochtenen Urteils hat das Gericht die Verhältnismäßigkeit der Höhe der in der streitigen Entscheidung verhängten Geldbuße nacheinander im Hinblick auf das Volumen der relevanten Märkte, der Größe und der Wirtschaftskraft der Rechtsmittelführerinnen, ihrer finanziellen Situation und der Gefahr, in dem Verfahren Verschlüsse mit einer Geldbuße belegt zu werden, geprüft. Es kam in Randnr. 233 dieses Urteils zu dem Ergebnis, dass das auf einen Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gestützte Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen in vollem Umfang zurückzuweisen sei.
2. Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
Die Rechtsmittelführerinnen machen geltend, das Gericht habe bei der Ermittlung der Schwere der Zuwiderhandlung im Rahmen der Bemessung der Geldbußen in zweifacher Hinsicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen. Zum einen habe es die Leitlinien formelhaft angewandt, ohne die konkreten Umstände der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen. Zum anderen habe es die Verhältnismäßigkeit der Geldbuße nur im Hinblick auf einzelne Kriterien ohne Gesamtabwägung der Umstände des Einzelfalls überprüft.
Nach Auffassung der Kommission ist dieser Rechtsmittelgrund unzulässig, weil er auf die Überprüfung der Höhe der Geldbuße durch den Gerichtshof hinauslaufe. Hilfsweise macht die Kommission geltend, dass das Gericht die Verhältnismäßigkeit der Geldbuße eingehend geprüft habe und dass die Argumente der Rechtsmittelführerinnen nicht überzeugend seien.
3. Würdigung durch den Gerichtshof
Mit ihrer ersten Rüge wiederholen die Rechtsmittelführerinnen im Wesentlichen die Erwägungen, die im Rahmen des zweiten Teils des vierten Rechtsmittelgrundes dargelegt worden sind, und sie ist deshalb aus den gleichen Gründen wie dieser zurückzuweisen.
Zur zweiten Rüge ist festzustellen, dass mit ihr im Wesentlichen die Überprüfung der Höhe der vom Gericht festgesetzten Geldbuße durch den Gerichtshof angeregt wird. Nach ständiger Rechtsprechung kann der Gerichtshof bei der Entscheidung im Rahmen eines Rechtsmittels nicht aus Gründen der Billigkeit die Beurteilung des Gerichts, das in Ausübung seiner unbeschränkten Nachprüfungsbefugnis über die Höhe einer gegen ein Unternehmen wegen eines Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht festgesetzten Geldbuße entscheidet, durch seine eigene Beurteilung ersetzen (vgl. u. a. Urteile Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, Randnr. 614, sowie Dansk Rørindustri u. a./Kommission, Randnr. 245).
Der fünfte Rechtsmittelgrund ist somit als unzulässig zurückzuweisen.
Nach alledem ist das Rechtsmittel in vollem Umfang zurückzuweisen.
VI – Kosten
Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung, der gemäß Art. 118 der Verfahrensordnung auf das Rechtsmittelverfahren entsprechende Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Rechtsmittelführerinnen mit ihrem Vorbringen unterlegen sind, sind ihnen gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden:
1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
2. Die William Prym GmbH & Co. KG und die Prym Consumer GmbH & Co. KG tragen die Kosten.