Auslegung und Geltungsbereiche mehrerer Betriebsvereinbarungen

13. August 2008
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Eigener Leitsatz:

Betriebsvereinbarungen sind grundsätzlich wie Gesetze auszulegen. Eine ältere Betriebsvereinbarung wird nur durch eine jüngere nach Maßgabe der Zeitkollisionsregel abgelöst, wenn diese miteinander konkurrieren, also denselben Regelungsgegenstand haben.

Bundesarbeitsgericht

Urteil vom 15.4.2008

Az.:9 AZR 26/07

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Bremen vom 19. Juli 2006 – 2 Sa 67/06 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand
  
Die Parteien streiten über einen Abfindungsanspruch des Klägers nach Ausscheiden aus dem Altersteilzeitarbeitsverhältnis.
 
Der am 5. November 1945 geborene Kläger war bei der Beklagten seit dem 13. Dezember 1972 als Lagerkraft beschäftigt. Er ist mit einem GdB von 50 schwerbehindert. Am 16. Oktober 2001 schlossen die Parteien einen Vertrag über die Fortführung ihres Arbeitsverhältnisses als Altersteilzeitarbeitsverhältnis mit Wirkung vom 1. Januar 2002 auf der Basis des Tarifvertrags über Altersteilzeit in der Stahlindustrie vom 20. Juni 2000 (im Folgenden: TV-Altersteilzeit) und der Betriebsvereinbarung vom 1. Oktober 2000 (im Folgenden: BV I/16). In § 9 des Altersteilzeitarbeitsvertrags heißt es:

„Die Altersteilzeit und das Arbeitsverhältnis von Herrn D enden ohne Kündigung am 31.12.2005.“
 
§ 10 des TV-Altersteilzeit enthält eine Abfindungsregelung. Danach erhält jeder Beschäftigte nach Beendigung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses vor Vollendung des 65. Lebensjahres eine Abfindung. Diese errechnet sich aus einem Betrag, der mit der Zahl der vollen Kalendermonate – höchstens jedoch mit 48 Kalendermonaten – multipliziert wird, die zwischen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitnehmer Anspruch auf ungeminderte Altersrente gehabt hätte, liegen. Die BV I/16 wiederholt in Ziff. 5 wortgleich die Abfindungsregelungen aus dem TV-Altersteilzeit.
 
Am 1. Dezember 2002 schlossen die Beklagte und der bei ihr bestehende Betriebsrat einen Interessenausgleich sowie einen Sozialplan. In der Präambel des Interessenausgleichs heißt es ua.:

“Im Rahmen eines umfassenden Rationalisierungs- und Optimierungsprogramms (FIT-Projekt) werden über einen Zeitraum von etwa 2 bis 3 Jahren alle Anstrengungen unternommen, die Kosten von S GmbH, der B GmbH & Co. KG sowie der O GmbH deutlich zu reduzieren, um auf Dauer den sich weiter wandelnden strukturellen Anforderungen des internationalen Stahlmarktes gerecht zu werden …”
 
Zum FIT-Projekt heißt es weiter:

“2.2 FIT-Projekt

Als umfassendes Neustrukturierungs- und Rationalisierungskonzept des gesamten Betriebes soll das FIT-Projekt zu Kosteneinsparungen von jährlich 130 Mio. führen. … Der Vorstand geht davon aus, dass durch die Neustrukturierung und durch Folgeeffekte des produktionsbezogenen Abbaus ca. 1.200 Planstellen bis Ende 2005 abgebaut werden.”
 
Zur Altersteilzeit heißt es sodann:

„4 Beteiligung und soziale Absicherung

Die unter 2.1 bis 2.4 bestehenden Maßnahmen erfordern eine Regelung der Beteiligung der Belegschaft und des Betriebsrates und Vereinbarungen zur sozialen Absicherung. Dazu gehören insbesondere folgende Betriebsvereinbarungen:

– Betriebsvereinbarung zur Altersteilzeit
Diese Betriebsvereinbarungen sollen bis zum 31.12.2003 abgeschlossen werden.
Durch die Anwendung folgender Maßnahmen sollen betriebsbedingte Kündigungen vermieden werden:

– Altersteilzeit

…“         
 
Im Sozialplan vom 1. Dezember 2002 heißt es wie folgt:

„Die im Interessenausgleich genannten Personalanpassungsmaßnahmen sollen sozialverträglich durchgeführt werden. Durch die Realisierung der im Interessenausgleich und Sozialplan genannten Maßnahmen

– Altersteilzeit … sollen betriebsbedingte Kündigungen vermieden werden.
                           
1 Geltungsbereich

1.

Die Regelungen dieses Sozialplanes gelten für alle von personellen Maßnahmen aufgrund des Interessenausgleiches vom 01.12.02 betroffenen Mitarbeiter, die am 01.12.02 in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis mit der S GmbH, der B oder der O GmbH stehen.

2.

Die Vereinbarung gilt nicht für Mitarbeiter, …

– die in einem befristeten Arbeitsverhältnis stehen

…               
                                               
4.2 Altersteilzeit

Mitarbeitern der Jahrgänge 1940 bis 1948 wird ein Ausscheiden über Altersteilzeit gemäß der Zusatzvereinbarung zur Betriebsvereinbarung Altersteilzeit vom 01.09.2002 angeboten.

…  
                           
4.2.1 Altersteilzeit für Mitarbeiter mit einem Anspruch auf ungeminderte Rente

Mitarbeiter der Jahrgänge 1945 bis 1948, die mit Vollendung des 60. Lebensjahres eine ungeminderte Rente beziehen können, erhalten eine Abfindung in Höhe von 300,– Euro pro vollendetem Jahr der Betriebszugehörigkeit bis zum Ausscheiden. Voraussetzung für die Zahlung der Abfindung ist, dass das Altersteilzeitverhältnis zum frühestmöglichen Zeitpunkt, spätestens bis zum 01.07.2003 eingegangen wird und das Arbeitsverhältnis mit Vollendung des 60. Lebensjahres endet; … Ansonsten sind Mitarbeiter, die eine ungeminderte Rente beziehen können, von der Altersteilzeitregelung ausgenommen.”
 
Am 1. Dezember 2002 schlossen die Beklagte und der bei ihr bestehende Betriebsrat eine neue Betriebsvereinbarung über Altersteilzeit (im Folgenden: BV I/18) mit Wirkung vom 1. September 2002. Es heißt dort:

“Die Betriebsvereinbarung Altersteilzeit (I/16) geht in die folgende, aus 2 Teilen bestehende Betriebsvereinbarung auf (Regelungsteil und Zusatzvereinbarung).

1.1 Geltungsbereich

1. Diese Betriebsvereinbarung gilt für alle Beschäftigten der S GmbH, B GmbH & Co. KG und O GmbH. Beschäftigte im Sinne dieser Betriebsvereinbarung sind die Belegschaftsmitglieder, auf die die Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes Anwendung finden.”
 
Der “Regelungsteil” in Ziff. 1 der BV I/18 bestimmt die Voraussetzungen, unter denen ein Anspruch auf Altersteilzeit besteht, das Verfahren der Antragstellung und der Entscheidung des Arbeitgebers sowie die materiellen Bedingungen während des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses, insbesondere Arbeitszeit und Entgelt. In Ziff. 1.5 wird eine Abfindung für das Ausscheiden aus dem Altersteilzeitarbeitsverhältnis vor Vollendung des 65. Lebensjahres geregelt. Diese Abfindungsregelung entspricht den Abfindungsregelungen des TV-Altersteilzeit sowie der BV I/16. Die BV I/18 enthält in Ziff. 2 eine Zusatzvereinbarung. Dort heißt es, soweit maßgeblich, wörtlich wie folgt:

„2 Zusatzvereinbarung
                           
Präambel
                           
Die Betriebsparteien gehen davon aus, dass die Altersteilzeit ein wesentliches Instrument zum Personalabbau sein wird, mit dem der Beschluss des Aufsichtsrats vom 19.09.2002 umgesetzt werden kann. Damit der Personalabbau zügig und möglichst sozialverträglich vollzogen werden kann, sollen die Belegschaftsmitglieder in der Regel ihre Altersteilzeit mit 60 Jahren beenden und in Rente gehen. Zum Ausgleich von damit verbundenen Rentenverlusten erhalten sie Abfindungen.

Die Zusatzvereinbarung zielt auf einen frühestmöglichen Rentenbeginn ab.
                           
2.1 Geltungsbereich

Die Zusatzvereinbarung gilt grundsätzlich für alle Belegschaftsmitglieder, die die Voraussetzungen gem. Ziff. 1.1 erfüllen und bis zum 31.12.2008 das 60. Lebensjahr vollenden.


      
2.2 Abfindung

Von den unter Ziff. 1.5 geltenden Abfindungsregelungen wird für den unter Ziff. 2.1 genannten Personenkreis wie folgt abgewichen:

1.

Belegschaftsmitglieder, deren Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Kalendermonats endet, indem das 60. Lebensjahr vollendet wird und die zu diesem Zeitpunkt keinen Anspruch auf eine vorgezogene ungeminderte gesetzliche Rente haben, erhalten eine Abfindung in Höhe von EUR 22.500,00.

…                

4.

Mitarbeiter der Jahrgänge 1945 bis 1948, die mit Vollendung des 60. Lebensjahres eine ungeminderte Rente beziehen können, erhalten eine Abfindung in Höhe von 300 Euro pro vollendetem Jahr der Betriebszugehörigkeit bis zum Ausscheiden.

…             

6.     

Die Abfindung ist bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses fällig.
                           
5 Geltungsdauer und Schlussbestimmungen

1.     

Die Betriebsvereinbarung I/16 wird mit Wirkung zum 01.09.2002 abgelöst. Diese Betriebsvereinbarung tritt ab 01.09.2002 in Kraft.
                              …”  
Mit Schreiben vom 17. Dezember 2003 machte der Kläger einen Abfindungsanspruch gem. Ziff. 2.2 Nr. 4 der BV I/18 geltend. Die Beklagte lehnte eine Zahlung am 12. Januar 2004 ab. Der Kläger schied am 31. Dezember 2005 vereinbarungsgemäß aus dem Altersteilzeitarbeitsverhältnis aus und bezieht seit dem 1. Januar 2006 eine ungeminderte Altersrente.
 
Der Kläger ist der Auffassung, für das Altersteilzeitarbeitsverhältnis der Parteien sei nur noch die BV I/18 maßgeblich, da sie die BV I/16 abgelöst habe. Er habe deshalb Anspruch auf die Abfindung gemäß Ziff. 2.2 Nr. 4 der Zusatzvereinbarung in der BV I/18.
 
Er hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine Abfindung iHv. 9.900,00 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2006 zu zahlen.
 
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
 
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe
   
A.

Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen.
 
I.

Der Kläger hat keinen Abfindungsanspruch aus Ziff. 2.2 Nr. 4 der BV I/18. Die BV I/18 und insbesondere ihre Abfindungsregelung in Ziff. 2.2 Nr. 4 sind auf das Altersteilzeitarbeitsverhältnis der Parteien nicht anzuwenden. Die BV I/18 erfasst nicht bereits zum Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens am 1. September 2002 bestehende Altersteilzeitarbeitsverhältnisse. Das ergibt ihre Auslegung.
 
1.

Betriebsvereinbarungen sind nach ständiger Rechtsprechung wegen ihres normativen Charakters wie Gesetze auszulegen. Auszugehen ist zunächst vom Wortlaut und dem dadurch vermittelten Wortsinn. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Betriebsparteien zu berücksichtigen, soweit er in den Vorschriften seinen Niederschlag gefunden hat. Dabei sind insbesondere der Gesamtzusammenhang sowie der Sinn und Zweck der Regelung zu beachten. Bleiben hiernach noch Zweifel, so können ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte oder auch eine tatsächliche Übung herangezogen werden. Im Zweifel gebührt der Auslegung der Vorzug, die zu einer gesetzeskonformen, sachgerechten und praktisch handhabbaren Regelung führt (BAG 29. September 2004 – 1 AZR 634/03 – EzA EStG § 42d Nr. 2, zu II 1 a der Gründe; vgl. 22. Juli 2003 – 1 AZR 496/02 – BuW 2003, 879, zu II 1 der Gründe; 21. Januar 2003 – 1 ABR 5/02 – AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 117 = EzA BetrVG 2001 § 87 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 1, zu B II 1 der Gründe) .
 
2.

Die Revision meint zu Unrecht, die Betriebsparteien hätten in der BV I/18 ersichtlich nicht zwischen bereits bestehenden und künftigen Altersteilzeitarbeitsverhältnissen unterschieden. Deshalb finde die BV I/18 auch auf bereits bestehende Altersteilzeitarbeitsverhältnisse Anwendung.
 
a) Das trifft nicht zu. Eine entsprechende Differenzierung erfolgt bereits nach dem Wortlaut der Regelung des Geltungsbereichs gem. Ziff. 1.1 der BV I/18. Danach erfasst der persönliche Geltungsbereich der BV I/18 zwar alle Beschäftigten, die dem Betriebsverfassungsgesetz unterfallen. Ziff. 1.1 Nr. 3 schränkt ihn aber ein. Danach kommt Altersteilzeit für Belegschaftsmitglieder in Betracht, die das 55. Lebensjahr vollendet und im aktuellen Arbeitsverhältnis in den letzten fünf Jahren vor Beginn der Altersteilzeit mindestens 1.080 Kalendertage in einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach dem SGB III gestanden haben. Damit wird deutlich, dass die Betriebsparteien den Geltungsbereich nur auf Belegschaftsmitglieder erstrecken wollten, die sich noch im “aktuellen” Arbeitsverhältnis befinden und erst künftig Altersteilzeitarbeitsverhältnisse abschließen wollen. Altersteilzeitarbeitnehmer befinden sich nicht mehr in einem solchen “aktuellen Arbeitsverhältnis” vor Beginn der Altersteilzeit. Sie sind bereits in Altersteilzeit.
 
b) Auch die weiteren Bestimmungen im Regelungsteil zu Ziff. 1 der BV I/18 ergeben, dass die Betriebsparteien nur künftig noch abzuschließende Altersteilzeitarbeitsverträge regeln wollten. Denn die Bestimmungen haben für bereits bestehende Altersteilzeitarbeitsverhältnisse keine Bedeutung mehr, wie etwa der Ausschluss des Anspruchs, wenn sich bereits 4 % der Belegschaftsmitglieder in Altersteilzeit befinden (Ziff. 1.2 Nr. 2), die sozialen Auswahlgrundsätze bei mehreren Anspruchstellern (Ziff. 1.2 Nr. 3) oder die Pflicht des Arbeitgebers zur fristgerechten Entscheidung über den Antrag auf Altersteilzeit (Ziff. 1.2 Nr. 7). Dasselbe gilt für die Grundsätze der Vertragsgestaltung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses hinsichtlich Arbeitszeit und Entgelt (Ziff. 1.3) sowie der sonstigen Regelungen nach Ziff. 1.4 der BV I/18.
 
3.

Entgegen der Auffassung der Revision folgt nichts Abweichendes aus dem Wortlaut des Geltungsbereichs der Zusatzvereinbarung der BV I/18 in Ziff. 2.1. Die Zusatzvereinbarung ist nicht ohne Bezug zum Geltungsbereich des Regelungsteils der BV I/18 auch auf bereits bestehende Altersteilzeitarbeitsverhältnisse anzuwenden.
 
a) Die Revision meint, nach Ziff. 2.1 gelte die Zusatzvereinbarung grundsätzlich für alle Belegschaftsmitglieder, die die Voraussetzungen der Ziff. 1.1 erfüllten und bis zum 31. Dezember 2008 das 60. Lebensjahr vollendeten. Hätten die Betriebsparteien den Geltungsbereich auf die Belegschaftsmitglieder beschränken wollen, die erst noch Altersteilzeitvereinbarungen abschließen wollten, hätte es eines einschränkenden Zusatzes im Geltungsbereich bedurft. Es sei keine Stichtagsregelung vereinbart worden.
 
b) Dieser Auffassung widerspricht schon der Wortlaut der Präambel der Zusatzvereinbarung. Danach soll die Altersteilzeit ein wesentliches Instrument zum Personalabbau entsprechend dem Beschluss des Aufsichtsrats vom 19. September 2002 sein. Damit soll die Zusatzvereinbarung erkennbar nur Arbeitnehmer erfassen, die auf Grund dieses Beschlusses und der daraus resultierenden Betriebsänderung noch in Altersteilzeit gehen können, nicht aber Arbeitnehmer, die sich – wie der Kläger – bereits in Altersteilzeit befinden. Als Anreiz und zum Ausgleich von künftigen Rentennachteilen sollen sie die Abfindung nach Ziff. 2.2 der BV I/18 beanspruchen können. Eine solche Anreizfunktion ist für bereits bestehende Altersteilzeitarbeitsverhältnisse sinnlos.
 
c) Diese Auslegung folgt auch aus der Entstehungsgeschichte der Zusatzvereinbarung in der BV I/18. Im Interessenausgleich vom 1. Dezember 2002 ist im Rahmen des FIT-Projekts (Ziff. 2.2 des Interessenausgleichs) ein produktionsbezogener Abbau von ca. 1.200 Planstellen bis Ende 2005 geregelt. Nach Ziff. 4 des Interessenausgleichs soll ua. zur Vermeidung betriebsbedingter Kündigungen und zur sozialen Absicherung der Arbeitnehmer auch eine Betriebsvereinbarung zur Altersteilzeit abgeschlossen werden. Deshalb soll nach Ziff. 4.2 des Sozialplans vom 1. Dezember 2002 den Mitarbeitern der Jahrgänge 1940 bis 1948 ein Ausscheiden über Altersteilzeit gemäß der zum 1. September 2002 abgeschlossenen Betriebsvereinbarung (BV I/18) angeboten werden. Die in der Zusatzvereinbarung verbesserte Altersteilzeitregelung durch höhere Abfindungsbeträge stellt damit einen Anreiz zum Abschluss von Altersteilzeitarbeitsverträgen dar und dient dem Zweck des sozialverträglichen Personalabbaus nach dem Interessenausgleich und dem Sozialplan vom 1. Dezember 2002. Die im Sozialplan in Ziff. 4.3.1.1 geregelte Abfindung entspricht der Abfindungsregelung aus der Zusatzvereinbarung der BV I/18 zu Ziff. 2.2 Nr. 4, auf die sich der Kläger stützt. Es handelt sich deshalb um eine Sozialplanabfindung, die lediglich in der BV I/18 wiederholt wird. Deshalb ist Voraussetzung für die Altersteilzeit und damit auch für die Abfindungsregelung nach Ziff. 4.2 des Sozialplans vom 1. Dezember 2002, dass die altersteilzeitberechtigten Arbeitnehmer zum frühestmöglichen Zeitpunkt ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis eingehen und nicht bereits eingegangen waren. Dem entspricht auch der Geltungsbereich des Sozialplans nach seiner Ziff. 1 Nr. 2. Danach gilt er nicht für Mitarbeiter, die in einem befristeten Arbeitsverhältnis stehen. Das Altersteilzeitarbeitsverhältnis der Parteien war aber bereits bis zum 31. Dezember 2005 befristet. Der Kläger unterfiel deshalb nicht dem Geltungsbereich des Sozialplans und damit auch nicht dem Geltungsbereich der Abfindungsregelung der Zusatzvereinbarung, die lediglich die Sozialplanabfindung wiederholt. Der Geltungsbereich von Sozialplan und Abfindungsregelung in Ziff. 2.2 Nr. 4 der BV I/18 sind insoweit identisch.
 
4.

Ohne Erfolg beruft sich die Revision darauf, die BV I/16 könne nicht mehr Grundlage des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses der Parteien sein, da sie durch die BV I/18 abgelöst worden sei. Die alte Betriebsvereinbarung existiere deshalb nicht mehr.
 
Grundsätzlich löst zwar die jüngere Betriebsvereinbarung eine ältere gem. der Zeitkollisionsregel ab. Die neue Betriebsvereinbarung tritt dann an die Stelle der bisherigen (vgl. BAG 2. Oktober 2007 – 1 AZR 815/06 – Rn. 19, ZIP 2008, 570; 13. März 2007 – 1 AZR 232/06 – Rn. 23, AP BetrVG 1972 § 77 Betriebsvereinbarung Nr. 32) . Voraussetzung ist allerdings, dass die Betriebsvereinbarungen miteinander konkurrieren. Dazu müssen sie denselben Regelungsgegenstand haben (Fitting 24. Aufl. § 77 Rn. 192) . Eine solche Konkurrenzsituation besteht zwischen der BV I/16 und der BV I/18 aber nicht. Beide regeln nur die Voraussetzungen und Rechtsfolgen neu abzuschließender Altersteilzeitarbeitsverträge. Die Bestimmung der Ziff. 5 der BV I/18, wonach sie die BV I/16 ablöst, hat vor diesem Hintergrund nur die Bedeutung, dass ab Inkrafttreten der neuen Betriebsvereinbarung ausschließlich deren Bestimmungen für neu abgeschlossene Altersteilzeitarbeitsverträge gelten sollen.
 
II.

Die Beschränkung der Abfindungsregelungen auf die Arbeitnehmer, die erst künftig Altersteilzeitarbeitsverhältnisse vereinbaren, ist auch wirksam. Sie entspricht den Grundsätzen von Recht und Billigkeit gem. § 75 Abs. 1 BetrVG und verstößt deshalb nicht gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.
 
1.

Die Betriebsparteien haben bei Sozialplänen – wie auch sonst bei Betriebsvereinbarungen – den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 BetrVG zu beachten. Dieser zielt darauf ab, eine Gleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen. Maßgeblich für das Vorliegen eines die Bildung unterschiedlicher Gruppen rechtfertigenden Sachgrunds ist vor allem der mit der Regelung verfolgte Zweck (BAG 6. November 2007 – 1 AZR 960/06 – Rn. 12, EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 25; 22. März 2005 – 1 AZR 49/04 – BAGE 114, 179, zu 3 a der Gründe) .
 
2.

Der Sozialplan vom 1. Dezember 2002 bezweckt nach seinen Einleitungssätzen die sozialverträgliche Durchführung der künftigen Personalanpassungsmaßnahmen und die Vermeidung betriebsbedingter Kündigungen. Durch die entsprechenden Leistungen sollen für die Arbeitnehmer Anreize geschaffen werden, auch Altersteilzeitarbeitsverträge abzuschließen. Deshalb sollte der Abschluss von Altersteilzeitarbeitsverträgen durch die Abfindungsregelungen in der Zusatzvereinbarung der BV I/18 gegenüber der bisherigen Regelung attraktiver gestaltet werden. Dieser Zweck kann gegenüber Arbeitnehmern, die sich bereits in einem Altersteilzeitarbeitsverhältnis befinden, nicht mehr erreicht werden. Es entspricht zudem dem regelmäßigen Zweck eines Sozialplans, die durch die Betriebsänderungen eintretenden wirtschaftlichen Nachteile auszugleichen oder abzumildern (vgl. BAG 15. Mai 2007 – 1 AZR 370/06 – Rn. 16, ZIP 2007, 1575) . Von der Betriebsänderung war der Kläger aber nicht betroffen. Sie betraf nach Ziff. 2.2 des Interessenausgleichs den künftigen Abbau von 1.200 Planstellen bis Ende 2005. Der ohnehin zum 31. Dezember 2005 auf Grund der Befristung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses ausscheidende Kläger konnte hiervon nicht mehr erfasst werden. Gemessen an diesem Zweck des Sozialplans ist es sachgerecht, bereits bestehende befristete Altersteilzeitarbeitsverhältnisse, die nicht wegen der Betriebsänderung vereinbart worden waren, von den höheren Abfindungsansprüchen auszuschließen.
 
B.

Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Revision nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

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