Einstweilige Verfügung gegen den Film „Der Baader Meinhof Komplex“

20. Januar 2009
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Eigener Leitsatz:

Knüpft die erzählende Filmkunst an Vorgänge der Wirklichkeit an und wird dabei die Realität aus den geschichtlichen Zusammenhängen gelöst und in neue Beziehungen gebracht, also eine ästhetische Wirklichkeit geschaffen, handelt es sich um ein Kunstwerk, weshalb bei der Grundrechtsabwägung kunstspezifische Maßstäbe anzulegen sind. Werden von Personen der Zeitgeschichte kleinste Abweichungen von Geschehensabläufen geltend gemacht, werfen sie dem Film gerade seine Fiktionalität vor, so dass hieraus keine Persönlichkeitsverletzungen resultieren können.

Landgericht Köln, 28 O 765/08

Urteil vom 09.01.2009

Az.: 28 O 765/08

Urteil

Tenor:  

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Verfügungsklägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Verfügungsklägerin darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Verfügungsbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Zulässigkeit einer Szene, in der die Ermordung des Bankiers Jürgen Ponto in dem von der Verfügungsbeklagten produzierten Film "Der Baader Meinhof Komplex" dargestellt wird.

Die Verfügungsklägerin ist die Witwe des von der RAF im Jahr 1977 ermordeten damaligen Chefs der Dresdner Bank, Jürgen Ponto. Die dem Ehepaar Ponto persönlich bekannte Susanne Albrecht hatte seinerzeit in Begleitung von Brigitte Mohnhaupt und Christian Klar den Bankier in seinem Haus aufgesucht. Nachdem Klar unter Anwendung von Waffengewalt versucht hatte, ihn zu entführen und es zwischen beiden zu einem Handgemenge gekommen war, in dessen Verlauf ein Schuss fiel, feuerte Mohnhaupt mit fünf Schüssen auf das Opfer. Die Verfügungsklägerin befand sich seinerzeit mit im Haus; sie führte ein Telefonat.

Der von der Verfügungsbeklagten produzierte Film erzählt die Geschichte der RAF; er umfasst die gesamte Zeitspanne von den Anfängen 1968 bis zu ihrem Ende und dem Ende der Nachfolgeorganisation im Jahr 1977. In einem ersten Handlungsbogen konzentriert sich der Film hauptsächlich auf die Begründer der Baader-Meinhof-Gruppe und deren wesentlichste Taten bis hin zum Selbstmord von Ulrike Meinhof, während der zweite Handlungsbogen die Entstehung der zweiten Generation des Terrorismus in Deutschland und deren schlimmste Terrorakte zeigt, insbesondere die in das Jahr 1977 fallende Ermordung des damaligen Generalbundesanwaltes Buback, die Ermordung des Bankiers Ponto, die Entführung und Ermordung des Arbeitgeberpräsidenten Schleyer und die Entführung der Lufthansa-Maschine "Landshut". Grundlage für den Film ist das Buch von Stefan Aust "Der Baader Meinhof Komplex", das 1985 erstmals veröffentlicht wurde; weitere Auflagen datieren u.a. von 2005 und 2008. Stefan Aust war auch Berater des Drehbuchautors. Wegen der Einzelheiten der Darstellung der Geschehnisse in dem Film "Der Baader Meinhof Komplex" – insbesondere auch derjenigen um die Ermordung von Jürgen Ponto – wird auf das zu den Akten gereichte Exemplar des Films Bezug genommen (von dem die Kammermitglieder in Vorbereitung des Verhandlungstermins in vollem Umfang Kenntnis genommen haben).

Im August 2007 verfasste der Zeuge Worstbrock, der Justitiar der Verfügungsbeklagten, ein Schreiben an die Verfügungsklägerin, das jedoch aus zwischen den Parteien streitigen Gründen niemals abgesandt wurde (Anlage zur eidesstattlichen Versicherung des Zeugen Worstbrock, Anlage zum Protokoll vom 28.11.2008, Bl. 460 d.A.). Hierin stellte er kurz das Filmprojekt vor und führte sodann aus:

"… Wir produzieren einen Film über die Geschichte des RAF-Terrorismus in den 1970er Jahren…Der Film hält sich in jeder Hinsicht eng an die belegten Tatsachen und insbesondere an das vom Chefredakteur des SPIEGEL, Herrn Stefan Aust, verfasste Werk "Der Baader Meinhof Komplex"… Der Film kommt angesichts seines Themas nicht umhin, auch die Ereignisse des Herbstes 1977 – einschließlich der Ermordung ihres Mannes – zu schildern. Wir dürfen Ihnen in der Anlage die entsprechenden Seiten aus dem Drehbuch übermitteln. Wir wollten Sie hiervon direkt und aus erster Hand informieren, so dass Sie hierüber nicht erst anlässlich des Filmstarts aus der Presse davon erfahren. Wir bedauern, dass dies erst jetzt möglich ist, da wir bislang trotz verschiedener Versuche über keinen Kontakt zu Ihnen verfügen (zwei Anfragen die wir bereits im Mai und im Juni an das Melderegister in München richteten, blieben ohne Erfolg)…".

Zu einem von den Parteien nicht genauer benannten Zeitpunkt rief der Zeuge Worstbrock bei der Tochter der Verfügungsklägerin an. Der Anruf wurde von deren Ehemann angenommen. Der Justitiar teilte mit, wer er sei und worum es gehe und hinterließ seine Telefonnummer. Nach diesem Gespräch, dessen Inhalt im Übrigen streitig ist, gab es keine weiteren telefonischen oder sonstige Kontakte.

In der 48. Kalenderwoche wurde in der Tagesschau der ARD eine kurze Sequenz aus dem Film "Der Baader Meinhof Komplex" wiedergegeben, in der die Schüsse auf den Ehemann der Verfügungsklägerin gezeigt werden. Diesen Ausschnitt sah die Verfügungsklägerin. Die Ausstrahlung des Trailers war Anlass für sie, das ihr seinerzeit verliehene Bundesverdienstkreuz zurückzugeben. Am 27.09.2008 sah die Tochter der Verfügungsklägerin den Film und berichtete der Verfügungsklägerin am folgenden Tag hierüber. Die Darstellung der Ermordung ihres Vaters war auch Gegenstand eines Interviews, das sie der Journalistin Bettina Röhl gab (Anlage Ast 2, Bl. 43 ff. d.A.) und in dem sie unter anderem zu den von ihr festgestellten Fehlern in der Darstellung des Ablaufs der Tat Stellung nahm. So gab sie unter anderem an, ihre Mutter habe nicht unbeteiligt auf der Terrasse gesessen, als die Tat sich ereignete, sondern sie habe im ziemlich abgedunkelten Raum erstarrt am Telefon gesessen, sieben Meter von ihrem Mann entfernt, als er erschossen wurde. Weiter rügte sie, der wohl unverzeihlichste Fehler sei die Darstellung des Todes ihres Vaters selbst, der angesichts der Verwendung von Schalldämpfern durch die Terroristen fast geräuschlos und unheimlich still gewesen sei, während der Film statt dessen "das lärmende Knallen der Pistolen, das ausgekostete Röcheln" und einen brutalisierten Todeskampf zeige. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage Ast 2 Bezug genommen. Am 15.10.2008 traf sich die Verfügungsklägerin mit ihrem Verfahrensbevollmächtigten, der ihr die Szene der Ermordung ihres Mannes vollständig inhaltlich beschrieb. Die Verfügungsklägerin schilderte ihm ihre Erinnerung an die Abläufe der Tat und fertigte auch eine Skizze zu den Örtlichkeiten (Anlage zum Protokoll vom 28.11.2008, Bl. 466 d.A.). Im erklärten Bestreben, einen Vergleich insbesondere im Hinblick auf die Auswertung des Films auf DVD bzw. im Fernsehen auszuhandeln, wandte sich der Verfahrensbevollmächtigte der Verfügungsklägerin an die Verfügungsbeklagte mit Schreiben vom 17.10.2008 (Anlage Ast 3, Bl. 148 ff. d.A.). Es kam zu außergerichtlicher Korrespondenz und Telefonaten, aus denen sich jedoch keine gütliche Einigung ergab.

Mit Schriftsatz vom 03.11.2008 stellte die Verfügungsklägerin bei dem Landgericht Hamburg einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung desselben Inhalts, wie er Gegenstand des vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahrens ist. Sie nahm den Antrag mit Schriftsatz vom 13.11.2008 dort zurück und hat ihn dann am 13.11.2008 bei dem Landgericht Köln angebracht.

Mit ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung erstrebt die Verfügungsklägerin ein Verbot der Veröffentlichung und/oder Verbreitung der im Film "Der Baader-Meinhof-Komplex" gezeigten Szene der Ermordung von Jürgen Ponto – beginnend mit dem Betreten der Terrasse auf welcher eine die Verfügungsklägerin spielende Darstellerin sitzt und telefoniert bis zum Betreten des Wohnraums durch die Darstellerin von der Terrasse aus beim Fliehen der Terroristen aus dem Wohnraum; eine Ordnungsmittelandrohung im Sinne von § 890 ZPO ist nicht Gegenstand des Antrags. Sie beruft sich auf eine unrichtige Wiedergabe des Geschehens und weist in diesem Zusammenhang auf Veröffentlichungen hin, in denen seitens der Verfügungsbeklagten der Anspruch erhoben werde, dass alle Details des Films den historischen Fakten entsprächen. Sie macht geltend, es werde dort dokumentarspielartig fast jede Tat nacheinander in chronischer Reihenfolge gezeigt, so dass der Eindruck erweckt werde, reale Ereignisse würden detailgenau dargestellt. Ausweislich des Buchs zum Film (Katja Eichinger, Der Baader Meinhof Komplex) habe dem Berater des Drehbuchautors, Stefan Aust, in seinem gleichnamigen Buch daran gelegen, "die Geschehnisse mit journalistischer Distanz so detailliert wie möglich zu protokollieren". Herrn Aust sei aber ausweislich seines Buchs bekannt gewesen, dass Ponto "vor den Augen seiner Frau" "vornüber auf den Wohnzimmerboden" gestürzt sei (Anlage Ast 10, Bl. 164 d.A.). Ferner weist die Verfügungsklägerin auf die Äußerung des Regisseurs Edel in dem Buch zum Film hin, der geäußert habe, er habe die Aussage der Verfügungsklägerin zur Frage, ob Christian Klar oder Brigitte Mohnhaupt die tödlichen Schüsse abgefeuert hätte, die von Aust in seinem Buch übernommen worden sei, auch im Film inszeniert.

Die Verfügungsklägerin behauptet, anders als im Film gezeigt habe sich die Tat wie folgt abgespielt: Jürgen Ponto sei mit den Terroristen auf die Terrasse getreten, während sie telefoniert habe. Sie habe ihn gebeten, auf der Terrasse zu bleiben, bis sie in einem Wohnraum das gerade geführte Telefonat auf dem anderen Apparat habe entgegennehmen können. Dazu sei es notwendig gewesen, dass ihr Mann den Telefonhörer auf der Terrasse in der Hand hielt bis sie im Haus das Telefon abhob, so dass er auflegen konnte. Dies sei auch so geschehen, so dass sie mit ihrer Schwester das Telefonat fortgeführt habe. Ihr Mann sei bis zum Auflegen des Telefons durch ihn mit den Terroristen auf der Terrasse verblieben. Sie sei durch das unmittelbar an die Terrasse grenzende Esszimmer in den nächsten Raum gegangen und habe sich hinter einem Kaminsims sitzend am Telefon befunden. Die Fensterläden seien in den gesamten Räumen verschlossen gewesen, so dass der einzige Lichtstrahl durch die Terrassentür geflutet sei. Während sie der Schwester am Telefon zugehört habe, habe sie gehört, wie ihr Mann ins Esszimmer gekommen sei und gesagt habe "Da wollen wir mal eine Vase holen" und kurz darauf "Sie sind wohl wahnsinnig geworden". Sie habe sich erschrocken nach vorne gebeugt und den jungen Mann und ihren Mann gesehen, die beide einen Arm hoch gestreckt gehabt hätten; an der Stelle, wo die Arme zusammengekommen seien, habe eine Pistole nach oben geragt. Sicherlich habe ihr Mann dem anderen in Selbstverteidigung die Pistole entwinden wollen. Als ihr Lauf nicht mehr auf ihn gezeigt habe, habe sich ein Schuss gelöst. Als nächstes – dies habe sie von ihrem Platz aus nicht sehen können – sei Brigitte Mohnhaupt in das Esszimmer getreten und habe mehrfach auf ihren Mann geschossen, der hinter dem Türrahmen, den die Verfügungsklägerin habe einsehen können, etwas zurückgetreten sei. Die Schüsse seien nicht zu hören gewesen, man habe lediglich viel Rauch gesehen. Sie habe dann gesehen, wie ihr Mann zwei bis drei Schritte nach vorne in ihre Richtung gemacht habe und angeschossen vornüber in dem Zimmer zusammengebrochen sei, in dem sie sich befunden habe. Die Terroristen seien sodann aus dem Haus geflüchtet. Sie habe sofort die Polizei gerufen und sei zu ihrem Mann geeilt.

Demnach gebe es in der Darstellung des Films zu den tatsächlichen Ereignissen folgende Abweichungen, auf die sie ihren Anspruch stütze:

– sie sei als Erste ins Haus gegangen, während ihr Mann mit den Terroristen auf der Terrasse geblieben sei,

– sie habe die Tat mit angesehen; ihr Mann sei vor ihren Augen zusammengebrochen,

– die Räume seien nahezu vollständig verdunkelt gewesen,

– der Mord sei im Esszimmer erfolgt, ihr Mann sei im anschließenden Wohnzimmer zusammengebrochen,

– er sei nicht nach hinten weg auf die Seite gefallen, sondern vornüber,

– die Frisur von Brigitte Mohnhaupt sei durch eine Kopfbedeckung vollständig verdeckt gewesen, so dass sie bei der ersten Fotovorlage die Täterin nicht sofort erkannt habe.

Die Verfügungsklägerin macht geltend, die Darstellung verletze ihre und die postmortalen Persönlichkeitsrechte ihres verstorbenen Ehemannes; zudem habe es von der Tat bisher kein Bildmaterial gegeben, so dass der bisher bestehende Schutz vor Visualisierung nunmehr genommen sei. Im Einzelnen rügt sie Folgendes: Jürgen Ponto müsse es aus seinem postmortalen Persönlichkeitsrecht nicht dulden, dass seine Ermordung zum Zwecke der Unterhaltung gezeigt und er in einer würdelosen Situation abgebildet werde. Ferner müsse er es postmortal nicht dulden, dass seine Ermordung in nahezu jedem Punkt falsch dargestellt werde. Der Film zeige ihn als bloßes passives Opfer der Tat in einer durch laute Ballerei auf Effekthascherei ausgelegten Szene. Sie selbst müsse aus ihrem Recht am eigenen Bild nicht dulden, im Film erkennbar gezeigt zu werden und aus ihrem Persönlichkeitsrecht auch nicht, dass die Szene der Ermordung ihres Mannes ihr eigenes Schicksal grob verfälsche und verharmlose. Sie müsse es weiter nicht hinnehmen, nach 30 Jahren in einer effekthascherischen Darstellung mit der Ermordung ihres Mannes konfrontiert zu werden und erstmals eine Visualisierung der Tat zu erfahren. Sie ist der Ansicht, dass insbesondere angesichts des von ihr dargestellten dokumentarspielähnlichen Charakters des Films, der höchste Authentizität in Anspruch nehme, die Interessenabwägung dazu führen müsse, dass die Kunstfreiheit zurücktrete. Dies gelte insbesondere deshalb, weil die Beteiligten die tatsächlichen Abläufe hätten ermitteln können. Auch müsse dem Opferschutz bei der Verfilmung von Straftaten Rechnung getragen werden. Das Informationsinteresse der Öffentlichkeit – für den Fall aktueller Berichterstattung – bestehe nur bei sachlicher und objektiver Darstellung; angesichts der Zeitdauer habe ihr Interesse als Tatopfer Bedeutung gewonnen, mit der Tat alleingelassen zu werden.

Der von ihr geforderte Eingriff in den Film sei relativ gering; eine Herausnahme der wenigen Minuten störe den dramaturgischen Aufbau nicht. Es gebe darüber hinaus viele Möglichkeiten, den Mord nicht unerwähnt zu lassen, ohne ihn wie geschehen zu visualisieren.

Die Verfügungsklägerin beantragt,

der Verfügungsbeklagten zu untersagen, die im Film "Der Baader-Meinhof-Komplex" gezeigten Szene der Ermordung von Jürgen Ponto – beginnend mit dem Betreten der Terrasse auf welcher die Darstellerin der Verfügungsklägerin sitzt (Darstellerin) und telefoniert durch Jürgen Ponto und die Terroristen bis zum Betreten des Wohnraums durch die Darstellerin von der Terrasse aus beim Fliehen der Terroristen aus dem Wohnraum – zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten und/oder veröffentlichen und/oder verbreiten zu lassen.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

den Antrag der Verfügungsklägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Verfügungsbeklagte macht geltend, anders als von der Verfügungsklägerin dargestellt, handele es sich um einen Spielfilm im Genre des inszenierten Dramas, bei dem eine kunstspezifische Betrachtungsweise zu erfolgen habe und bei dem die Vermutung für Fiktionalität spreche. Auch werde der Film in der Öffentlichkeit nicht als Dokumentarfilm wahrgenommen, was u.a. daraus deutlich werde, dass zahlreiche private Momente dargestellt würden, die nie protokolliert oder sonstwie belegt worden seien und daher dramaturgisch hätten aufgefüllt werden müssen. Auch grenze sich der Film in Details bewusst von der Wirklichkeit ab: eine Vielzahl von Personen trügen erfundene Namen, es gebe fiktionale Personen. Aus der Detailgenauigkeit hinsichtlich der Requisiten könne kein Anspruch auf 100%ige Authentizität des gesamten Films hergeleitet werden. Im Übrigen habe es bei der Darstellung der Ermordung von Jürgen Ponto widersprüchliche Beschreibungen gegeben; die Darstellung im Film entspreche im Wesentlichen dem Buch der Verfügungsklägerin "Lebenseinschnitte" (ASt 24, Bl. 194 ff. d.A.). Bei der Vorbereitung habe das Buch von Stefan Aust in der Auflage von 2005 (AG 2 und Bl. 397 d.A.) vorgelegen; erstmals in der Auflage von 2008 (die die Verfügungsklägerin unstreitig heranzieht) sei die Rede davon gewesen, dass Jürgen Ponto vor den Augen seiner Frau auf den Wohnzimmerboden gestürzt sei. Die Szene bilde die Geschehnisse so ab, wie dies die bei den Dreharbeiten zur Verfügung stehenden Informationen erlaubt hätten. Auch die Darstellungen der Verfügungsklägerin und ihrer Tochter von der Tat gäben keine eindeutige Klarheit über deren Ablauf. Diese seien im Übrigen widersprüchlich. Selbst nach der eigenen eidesstattlichen Versicherung habe die Verfügungsklägerin ihren Mann nicht gesehen, als er zu Boden stürzte.

Die Verfügungsbeklagte habe sich vor Fertigstellung des Films um eine persönliche Kontaktaufnahme zu der Verfügungsklägerin bemüht, um sie von dem Inhalt des Drehbuchs in Kenntnis zu setzen und über die geplante Verfilmung zu informieren, z.B. mit dem entworfenen Schreiben ihres Justitiars. Sie habe erfolglos versucht, die Adresse der Verfügungsklägerin zu ermitteln. Auch eine Anfrage über die Jürgen-Ponto-Stiftung oder persönliche Bekannte der Verfügungsklägerin sei erfolglos geblieben; man habe jeweils erklärt, seitens der Verfügungsklägerin seien Kontaktaufnahmen oder Schreiben nicht erwünscht. Als sie schließlich die Telefonnummer der Tochter erhalten habe und ihr Justitiar dem Schwiegersohn sein Anliegen erklärt habe, habe sich dieser empört gezeigt. Daraufhin habe der Justitiar seine Telefonnummer mit der Bitte hinterlassen, ihn zurückzurufen, was nie erfolgt sei. Mithin habe die Verfügungsklägerin die Möglichkeit, sich zu informieren, ignoriert. Sie habe die Herstellung des Films geschehen lassen in dem Wissen, die Ermordung ihres Mannes werde gezeigt.

Im Übrigen verfüge die Verfügungsklägerin nach eigener Darstellung seit dem 28.09. 2008 über die erforderliche Kenntnis des Inhalts der Szene, weil in der ausgestrahlten Sequenz alle wesentlichen Umstände erkennbar seien; es habe lediglich die Passage gefehlt, in der die Darstellerin der Ehefrau den Raum betritt. Vor dem Hintergrund sei nicht nachvollziehbar, welche weiteren Kenntnisse ihr Verfahrensbevollmächtigter der Verfügungsklägerin am 15.10.2008 noch habe vermitteln können. Es seien im Anschluss an das – im übrigen nicht an die Verfügungsbeklagte gerichtete – Schreiben vom 17.10.2008 nicht fast 2 Wochen lang Vergleichsgespräche geführt worden, vielmehr habe die Verfügungsbeklagte frühzeitig klar gemacht, dass eine Änderung der Szene für sie nicht in Betracht komme. Von daher sei die Eilbedürftigkeit nicht gegeben, wie im Übrigen auch nicht angesichts des Umstandes, dass die Verfügungsklägerin selbst eine Klärung verhindert habe. Hinzu komme im Hinblick auf die zu prüfende Frage der Dringlichkeit des Eilverfahrens die zunächst erfolgte Anbringung des Gesuchs bei dem LG Hamburg; ein derartiges "Forum Shopping" führe zum Wegfall des Verfügungsgrundes.

Im Übrigen liege aber auch ein Verfügungsanspruch nicht vor, da eine Persönlichkeitsrechtsverletzung der Verfügungsklägerin bzw. von Jürgen Ponto nicht angenommen werden könne. Zum einen gebe es keine konkreten äußerlichen Ähnlichkeiten der Darsteller von Jürgen Ponto und der Verfügungsklägerin zu den realen Personen. Die Darstellung beider sei so in den Gesamtorganismus des Films eingebettet, dass ihr Persönlich-Privates hinter die zeichenhafte Filmfigur zurücktrete. Die Privatsphäre sei nur kurz angedeutet, soweit es den Ort der Tat betrifft. Zudem bleibe es in der streitgegenständlichen Szene offen, ob die Verfügungsklägerin die Tat habe mit ansehen müssen oder nicht; sie werde in der Zeit gerade nicht auf der Terrasse sitzend dargestellt. Vielmehr zeige der Film nur das Ereignis, das sich im Esszimmer abgespielt habe. Die Darstellerin der Verfügungsklägerin werde – ohne Großaufnahmen bzw. der Darstellung von Emotionen – nach den Schüssen nur ganz kurz gezeigt, als sie ihren am Boden liegenden Ehemann sieht. Der Zuschauer gewinne hieraus den Eindruck, sie habe ihren Mann möglicherweise bei, jedenfalls aber unmittelbar nach Abgabe der Schüsse gesehen; ihr Schrecken werde hierdurch vollständig bewusst. Die weiteren von der Verfügungsklägerin gerügten Abweichungen seien unwesentlich und nicht von persönlichkeitsrechtlicher Relevanz. Auch sei die Darstellung ihres ermordeten Ehemannes nicht ehrverletzend, entstellend, verfälschend oder sonst negativ. Die Darstellung der Verfügungsklägerin spiele eine untergeordnete Rolle, sie erfolge nur im Kontext mit der Ermordung ihres Mannes.

Jedenfalls ergebe die Abwägung aber ein Überwiegen der Kunstfreiheit an der Darstellung eines Ereignisses, an dem besonderes Interesse der Öffentlichkeit bestehe. Der Film sei, auch wenn er auf historischen Tatschen beruhe, ein Kunstwerk, bei dem ausreichend Raum für freie schöpferische Gestaltung bestehe. Die Abwägung müsse die Intensität des Eingriffs in den Persönlichkeitsbereich und das konkrete Interesse, dessen Befriedigung die Produktion dient, bewerten, so z.B. bei einem Kunstwerk auch die freie Themengestaltung. Zu berücksichtigen sei weiterhin das besondere Interesse der Öffentlichkeit an Informationen über vorgefallene schwere Straftaten und die zu ihrer Entstehung führenden Vorgänge. Mit dem zeitlichen Abstand wachse das Interesse an einer tiefergreifenden Interpretation der Tat, das z.B. zu Jahrestagen ins Blickfeld der Öffentlichkeit rücke. So sei die Baader-Meinhof-Gruppe heute unverändert Gegenstand des öffentlichen Interesses, was die Diskussion um die Haftentlassung von Brigitte Mohnhaupt und Christian Klar belege. Auch Jürgen Ponto sei nach seiner beruflichen Position und zudem als eines der ersten Opfer der "zweiten Generation" eine "absolute Person der Zeitgeschichte". Seine Ermordung habe besonderes Entsetzen ausgelöst, weil sie unter Ausnutzung freundschaftlicher Beziehungen erfolgt sei. Die Erinnerung an Jürgen Ponto, soweit sie nicht mit der Tat in Verbindung stehe, sei zudem weitgehend verblasst; der postmortale Rechtsschutz seines Lebensbildes könne nicht uferlos sein, zumal der Film sein Persönlichkeitsbild nicht verfälsche oder ehrverletzend darstelle. Demgegenüber sei die Verfügungsklägerin nicht Opfer der Tat im rechtlichen Sinn. Aufgrund ihrer Ehe mit Jürgen Ponto und ihrer Anwesenheit bei dessen Ermordung sei die Verfügungsklägerin eine "relative Person der Zeitgeschichte"; sie werde auch nur in diesem Zusammenhang dargestellt.

Eine Verletzung ihres Rechts am eigenen Bild scheitere an ihrer Erkennbarkeit; jedenfalls habe sie nicht vorgetragen, dass die Darstellung Merkmale zeige, die ihr zu eigen wären. Auch wenn sich aus dem filmischen Kontext für den Zuschauer ergebe, dass sie die Ehefrau sein müsse, sei allenfalls der Bereich des allgemeinen Persönlichkeitsschutzes eröffnet. Auch wenn man annehme, dass der Bildnisschutz nach § 22 KUG eröffnet sei, lägen die Ausnahmetatbestände des § 23 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 KUG vor.

Selbst bei der Annahme, die Verfügungsklägerin wäre durch die Darstellung im Film in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht betroffen, sei dies jedoch nicht in einer Weise der Fall, dass sie – bei einer umfassenden Güter- und Interessenabwägung – die Verbreitung der Filmszene untersagen lassen könne. Bei der Kunstform des dokumentarisch dramatisierten Films müsse sich der Filmschaffende auf wenige Personen und die Darstellung weniger Taten beschränken. Eine solche sei aber die Ermordung von Jürgen Ponto, die besonders kaltblütig unter Ausnutzung persönlicher Beziehungen erfolgt sei. Dies lasse sich im Film nicht ohne bildliche Wiedergabe darstellen. Dabei halte sich der Film nach den vorliegenden Schilderungen zum realen Geschehen in allen wesentlichen Aspekten streng an den tatsächlichen Ablauf der Tat: den Ablauf des Besuchs, die versuchte Entführung, die Gegenwehr von Ponto und die anschließenden Schüsse. Da hierdurch der Tatablauf nicht in wesentlichen Merkmalen verfälscht würde, sei es unerheblich, ob sie im Wohn- oder im abgedunkelten Esszimmer geschehen sei oder welche Art der Kopfbedeckung Mohnhaupt getragen habe. Genauso verhalte es sich mit der nach wie vor strittigen Frage, wo sich die Verfügungsklägerin in der Zeit aufgehalten habe, bedenke man, dass die Verfügungsklägerin bis heute nicht genau habe aussagen können, ob Klar oder Mohnhaupt die Schüsse abgegeben hätten. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass dem Zuschauer klar sei, dass der Spielfilm nicht den Anspruch erhebe, die historische Wahrheit in jeder Einzelheit, sondern lediglich in den für die Charakterisierung der Personen bzw. ihrer Taten wesentlichen Einzelheiten abzubilden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze und auf die von ihnen eingereichten Urkunden, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist unbegründet.

Die Kammer geht davon aus, dass die grundsätzlich bei Antragstellung anzunehmen gewesene Eilbedürftigkeit im Hinblick auf die durch die Stellungnahme der Verfügungsbeklagten bekannt gewordene zuvor erfolgte Antragstellung mit gleichem Streitgegenstand bei dem Landgericht Hamburg zumindest erheblich zweifelhaft geworden ist. Diese Frage kann indes dahinstehen, da der Verfügungsklägerin der geltend gemachte Unterlassungsanspruch weder aus einer Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts ihres verstorbenen Ehemannes noch aus einer Verletzung ihres Rechts am eigenen Bild zusteht. Soweit sie die Verletzung ihres eigenen Persönlichkeitsrechts durch unrichtige Darstellung des Hergangs der Ermordung in Bezug auf ihre Person rügt, ergibt sich aus der Interessenabwägung, dass sie diese im Ergebnis dulden muss. Im Einzelnen gilt Folgendes:

I.

Grundsätzlich kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Verfügungsklägerin mit der Antragstellung bei dem Landgericht Köln zu lange zugewartet hat, nachdem sie erkannte, dass eine außergerichtliche Lösung fehlgeschlagen war. Sie hat durch eigene eidesstattliche Versicherung und durch diejenige ihrer Tochter sowie die Vorlage des vorprozessualen Schriftverkehrs glaubhaft gemacht, dass sie Kenntnis vom vollständigen Inhalt der streitgegenständlichen Szene erst durch den Bericht ihres Verfahrensbevollmächtigten am 15.10.2008 erhalten hat, der sich sodann unverzüglich mit Schreiben vom 17.10.2008 – allerdings an die Holding-Gesellschaft der Verfügungsbeklagten, die Constantin Film AG – wegen des auch in diesem Verfahren verfolgten Rechtsschutzziels gewandt hat. Es ist sodann zu Korrespondenz und Gesprächen auf verschiedenen Ebenen gekommen, in die sich auch der Justitiar der Verfügungsbeklagten selbst mit Schreiben vom 22.10.2008 eingeschaltet hat. Zwar ist von Seiten des Filmherstellers – wie die Verfügungsbeklagte verdeutlicht – frühzeitig klar gemacht worden, dass eine Änderung der Szene nicht in Betracht komme, jedoch hat der Verfahrensbevollmächtigte der Verfügungsbeklagten (allerdings für die Constantin Film AG) noch im Schreiben vom 23.10.2008 die Gesprächsbereitschaft dieser Seite betont. Dies hat der Verfahrensbevollmächtigte der Verfügungsklägerin mit Schreiben vom 31.10.2008 aufgegriffen und einen Gesprächstermin angeregt, der aber am selben Tag von dem Justitiar der Verfügungsbeklagten verweigert wurde. Von diesem Tag an vergingen bis zur Antragstellung bei der Kammer weniger als zwei Wochen.

Das Vorliegen eines Verfügungsgrundes im Sinne von §§ 935, 940 ZPO setzt voraus, dass der Erlass der einstweiligen Verfügung notwendig ist, z.B. zur Abwendung wesentlicher Nachteile. Es handelt sich um eine besondere Form des Rechtsschutzbedürfnisses; sein Vorliegen ist aufgrund objektiver Betrachtungsweise zu beurteilen, wobei die schutzwürdigen Interessen beider Seiten gegeneinander abzuwägen sind. Ein Verfügungsgrund fehlt, wenn der Antragsteller trotz ursprünglich bestehenden Regelungsbedürfnisses lange zugewartet hat, bevor er die einstweilige Verfügung beantragt (Vollkommer in Zöller, ZPO, 27. A., § 940 Rn. 6 m.w.N.). Unter Anwendung dieser Gesichtspunkte kommt es nicht entscheidend darauf an, ob – was auf Seiten der Verfügungsbeklagten vermutet wird – die Verfügungsklägerin bereits durch die Erzählung ihrer Tochter, die den Film selbst angesehen hatte, eine vollständige oder nahezu vollständige Kenntnis der Filmszene erlangt hat oder ob ihr Verfahrensbevollmächtigter ihr am 15.10.2008 noch entscheidende weitere Kenntnis hat verschaffen können. Zwar besagt die eidesstattliche Versicherung der Verfügungsklägerin im Einzelnen nichts dazu, inwieweit der Bericht ihrer Tochter unvollständiger war als derjenige ihres Verfahrensbevollmächtigten. Allerdings war jedenfalls nach der Kenntnisnahme der Verfügungsklägerin der Film bereits mit erheblichem Medieninteresse in den Kinos angelaufen, so dass es nach der Einschätzung der Kammer jedenfalls auch anwaltlicher Beratung bedurfte, wie bei Beanstandung einer Szene rechtlich vorzugehen sei. Diese anwaltliche Hilfe hat sie jedenfalls am 15.10.2008 in Anspruch genommen. Ihr Verfahrensbevollmächtigter ist dann unverzüglich tätig geworden mit dem erklärten Ziel, dass die Szene nicht im Hinblick auf die Kinoauswertung, sondern auf diejenige auf DVD bzw. im Fernsehen aus dem Film herausgenommen werden solle. Zwar ist die Verfügungsbeklagte nicht selbst abgemahnt worden, sondern ihre Holding-Gesellschaft. Diese hat sich aber ohne ihre ggf. fehlende Passivlegitimation zu rügen, auf Gespräche eingelassen. Dabei ist zwar zutreffend, dass die Herausnahme der Szene aus dem Film sogleich von Seiten des Filmherstellers abgelehnt wurde, jedoch waren ausweislich der Korrespondenz Gespräche wegen der gerügten Persönlichkeitsrechtsverletzung noch bis zum 31.10.2008 nicht abgelehnt worden. Bis dahin stand mithin die Möglichkeit im Raum, dass die Parteien irgendeinen Weg finden könnten, sich im Hinblick auf etwaige Maßnahmen zu einigen. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Verfügungsantrag am Spätnachmittag des 13.11.2008 bei dem Landgericht Köln per Fax eingegangen ist, geht die Kammer nicht davon aus, dass alleine aufgrund der Zeitabläufe mit der Beantragung trotz ursprünglich bestehenden Regelungsbedürfnisses zu lange zugewartet hat. Hiernach ist angesichts der bevorstehenden Auswertung des Films auch außerhalb der Kinos und die von der Verfügungsbeklagten im Hinblick hierauf zu erwartenden Verbreitungshandlungen ein Regelungsbedürfnis zur Abwendung wesentlicher Nachteile der Verfügungsklägerin durch umfassende weitere Verbreitungshandlungen anzunehmen.

Problematisch ist aber, dass die Verfügungsklägerin, wie sich herausgestellt hat, bereits am 03.11.2008 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung bei dem Landgericht Hamburg gestellt hatte, den sie am 13.11.2008 zurückgenommen hatte. Die Kammer geht davon aus – anderes ist hier nicht bekannt geworden – dass die Rücknahme des Antrags in Hamburg erfolgt ist, bevor der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung in Köln gestellt worden ist.

Auch wenn davon auszugehen ist, dass der zweite, bei dem Landgericht Köln angebrachte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mithin erst nach Rücknahme des ersten Antrags erfolgt ist, so stellt sich die Frage, ob es diesem Antrag, über den zu entscheiden ist, am Rechtsschutzbedürfnis mangeln kann, wenn die Verfügungsklägerin bereits in der Lage war, 10 Tage zuvor bei dem LG Hamburg einen Antrag anzubringen – wenn auch mit der Möglichkeit seiner Zurückweisung und damit seiner Erfolglosigkeit, jedenfalls in erster Instanz. Die Kammer neigt grundsätzlich der Rechtsansicht des Oberlandesgerichts Hamburg (GRUR 2007, 614, 615) dahingehend zu, dass ein Antragsteller grundsätzlich kein schützenswertes Interesse daran hat, einen einem Gericht vorgelegten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wegen besonderer Dringlichkeit sanktionslos wieder entziehen zu können, nur weil zweifelhaft ist, ob das zur Entscheidung angerufene Gericht seiner Rechtsauffassung uneingeschränkt zu folgen bereit ist. Ein Rechtsschutzbedürfnis besteht allein daran, zeitnah eine gerichtliche Überprüfung des Sachverhalts sowie eine vollstreckbare Entscheidung zu erhalten. Das Rechtsschutzbedürfnis umfasst hingegen nicht das Interesse, nur solche Verfahren beschreiten zu wollen, deren Ausgang mit Sicherheit dem erwünschten Ergebnis entspricht. Ein Antragsteller hat in einer derartigen Situation einen rechtlichen Anspruch auf ein Eilverfahren, nicht jedoch auf mehrfache Versuche einer erfolgreichen Anspruchsdurchsetzung. Ein derartiges prozessuales Verhalten ist von dem besonderen Rechtsschutzbedürfnis des Eilverfahrens nicht gedeckt.

Indes ist – was bei der Prüfung des Verfügungsgrundes ebenfalls zu berücksichtigen ist – die Entscheidung des OLG Hamburg zum UWG ergangen, mithin einem Bereich, in dem aufgrund gesetzlicher Regelung (§ 12 Abs. 2 UWG) eine widerlegliche Vermutung für das Bestehen der Eilbedürftigkeit begründet ist und sich die Frage der Dringlichkeit erst dann stellt, wenn der Antragsteller selbst durch sein Verhalten die Dringlichkeitsvermutung entkräftet, wie z.B. durch langes Zuwarten bis zur Antragstellung. Im Bereich des Presse- und Medienrechts, bei dem es um die Frage der Verletzung von Persönlichkeitsrechten geht, hängt die Annahme der Eilbedürftigkeit zunächst wesentlich vom Zeitpunkt des Aufstellens bzw. Verbreitens der streitgegenständlichen Äußerung und dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme des Betroffenen ab, ferner von dem Zeitpunkt, zu dem mit Wiederholungen zu rechnen ist (Burkhardt in Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, Rn. 12.144). Auch in diesem Bereich jedoch stellt sich bei der Prüfung der Frage des Verfügungsgrundes und damit auch des Rechtsschutzbedürfnisses die Frage, ob es einen Anspruch eines nach seiner Sicht durch eine Veröffentlichung in seinen Persönlichkeitsrechten Verletzten gibt, jedenfalls über einen gewissen Zeitraum seinen Antrag nacheinander so vielen Gerichten zur Prüfung zu unterbreiten, bis er eines findet, das eine Beschlussverfügung in seinem Sinne erlässt. Dass diese Frage für den Bereich des Presse- und Verlagswesens durchaus problematisch sein kann, zeigen die Überlegungen des Bundesjustizministeriums, unter anderem mit Blick auf den befürchteten Missbrauch des "fliegenden Gerichtsstands" durch das "forum shopping" Änderungen im Recht der einstweiligen Verfügungen anzuregen. Die Kammer neigt zu der Annahme, dass ein Antragsteller auch im Bereich des Presse- und Medienrechts in einer derartigen Situation (nur) einen rechtlichen Anspruch auf ein Eilverfahren, nicht jedoch auf mehrfache Versuche einer erfolgreichen Anspruchsdurchsetzung hat. Indes kann die Entscheidung über die in Pressesachen – soweit ersichtlich – noch nicht entschiedene Frage dahin stehen, da auch bei Annahme eines Verfügungsgrundes der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen ist.

II.

Der Verfügungsklägerin steht ein Unterlassungsanspruch weder aus eigenem Recht noch aus Verletzung des von ihr zulässigerweise wahrgenommenen postmortalen Persönlichkeitsrechts von Jürgen Ponto zu.

1.

Soweit die Verfügungsklägerin geltend macht, ihr verstorbener Ehemann müsse es aus seinem postmortalen Persönlichkeitsrecht nicht dulden, dass seine Ermordung zum Zwecke der Unterhaltung gezeigt und er in einer würdelosen Situation abgebildet werde sowie dass er aus seinem postmortalen Anspruch auf Unterlassung der Verzerrung seines Lebensbildes nicht dulden müsse, dass seine Ermordung in nahezu jedem Punkt falsch dargestellt werde, ist aus der Sicht der Kammer durch die streitgegenständliche Filmszene unter Berücksichtigung der Reichweite des postmortalen Persönlichkeitsrechtsschutzes eine Persönlichkeitsrechtsverletzung bereits nicht erfolgt.

a)

Nach der Rechtsprechung erfährt das Persönlichkeitsrecht mit dem Tod des Rechtsträgers eine gewisse Einschränkung die sich daraus ergibt, dass kein Grundrechtsschutz des Verstorbenen aus Art. 2 I GG besteht, weil Träger dieses Grundrechts nur die lebende Person ist (vgl. BVerfGE 30, 173 [194] = NJW 1971, 1645 -Mephisto; ZUM 2001, 584, 586 –Kaisen; NJW 2001, 594 – Willy Brandt-Gedenkmünze; vgl. auch Burkhardt in Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, Rn. 5.114). Das gem. Art. 2 I i.V. mit Art. 1 I GG gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht scheidet damit als unmittelbarer Prüfungsmaßstab aus. Das BVerfG betont in ständiger Rechtsprechung die Differenz zwischen Menschenwürde und allgemeinem Persönlichkeitsrecht, die sich etwa daraus ergibt, dass die Menschenwürde im Konflikt mit der Meinungsfreiheit nicht abwägungsfähig ist, während es bei einem Konflikt der Meinungsfreiheit mit dem allgemeinen Persönlichkeitsecht regelmäßig zu einer Abwägung kommt (vgl. BVerfGE 93, 266 [293f.] = NJW 1995, 3303). Geschützt ist bei Verstorbenen zum einen der allgemeine Achtungsanspruch, der den Verstorbenen insbesondere davor schützt, herabgewürdigt oder erniedrigt zu werden. Daneben wird auch der sittliche, personale und soziale Geltungswert geschützt (BVerfG ZUM 2001, 584, 586 – Kaisen). Dies bedeutet, dass das fortwirkende Lebensbild weiterhin gegen grobe Beeinträchtigungen geschützt wird, insbesondere dann, wenn das Lebensbild des Verstorbenen schwerwiegend entstellt oder verfälscht wird (OLG Hamburg, AfP 2005, 76, 77). Steht fest, dass eine Handlung das postmortale Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt, ist zugleich ihre Rechtswidrigkeit geklärt; eine Güterabwägung findet nicht statt. Da jedoch nicht nur einzelne, sondern sämtliche Grundrechte Konkretisierungen des Prinzips der Menschenwürde sind, bedarf es jedoch einer sorgfältigen Begründung, wenn angenommen werden soll, dass der Gebrauch eines Grundrechts auf die unantastbare Menschenwürde durchschlägt (vgl. BVerfG GRUR-RR 2008, 206, 207; BVerfGE 93, 266 [293] = NJW 1995, 3303). Wenn zu untersuchen ist, ob ein dem Schutz des Art. 5 Abs. 3 GG unterstehendes Kunstwerk die Menschenwürde eines Verstorbenen beeinträchtigt, kommt es auf eine Interpretation des Aussagegehalts dieses Kunstwerks an. Bei dieser Interpretation sind die Besonderheiten der künstlerischen Ausdrucksform zu berücksichtigen. b)

Der von der Verfügungsbeklagten produzierte Film stellt ein Kunstwerk dar, das Ausdruck einer freien schöpferischen Gestaltung ist, in der Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse der am Herstellungsprozess beteiligten Personen durch das spezifische Medium Film zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden (BVerfG, NJW 1971, 1645). Damit unterliegt er dem Schutz der durch Art. 5 Abs. 3 GG gewährleisteten Kunstfreiheit. Diesen Schutz kann auch die Verfügungsbeklagte als Produzentin für sich in Anspruch nehmen; sie ist als Mittlerin zwischen Filmkünstlern und Publikum ebenfalls Inhaberin des Grundrechts, das auch den Wirkbereich umfasst (vgl. OLG München, NJW-RR 2008, 1220, 1222).

Dabei kommt es auf die künstlerische Qualität eines Werkes nicht an (BVerfG, NJW 1975, 1883). Künstlerisches Schaffen ist primär nicht Mitteilung, sondern Ausdruck der individuellen Persönlichkeit des Künstlers. Knüpft erzählende Kunst an Vorgänge der Wirklichkeit an, ist entscheidend, ob die Realität aus den geschichtlichen Zusammenhängen gelöst und in neue Beziehungen gebracht wird, für die nicht die Realitätsthematik, sondern das künstlerische Gebot der anschaulichen Gestaltung im Vordergrund steht (Burkhardt in Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, Rn. 3.2; OLG Hamburg, NJW-RR 2007, 1268 = ZUM 2007, 479).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze gilt Folgendes: Ungeachtet des Umstandes, dass der Film – wie auch sonst viele künstlerische Werke aus Literatur oder Bühnendichtungen – zwar an die Realität anknüpft, haben die Filmkünstler dabei aber eine neue ästhetische Wirklichkeit geschaffen. Dies ist hinsichtlich des Films "Der Baader Meinhof Komplex" bereits deshalb anzunehmen, weil er es zwar unternimmt, die fast 10 Jahre dauernde Geschichte des Terrorismus in Deutschland nach 1968 widerzuspiegeln, dies jedoch nicht etwa in Gestalt einer Reportage unter Verwendung von hierzu vorhandenem zeitgeschichtlichen Filmmaterial, sondern auf Schwerpunkte konzentriert, wie z.B. die persönliche Entwicklung einiger Terroristen oder die Sicht der Bekämpfung des Terrorismus aus der Sicht der Fahnder und durchgehend gespielt durch Schauspieler. Selbst die nach der Festnahme einzelner Terroristen eingeblendeten Fahndungsplakate tragen nicht die Züge der wahren Personen, sondern die Abbildungen der Schauspieler, ebenso wie das Filmplakat. So wird dem Zuschauer in jeder Sequenz des Films deutlich, dass es sich um einen Spielfilm handelt, der in dramatisierter Form, wenn auch realitätsnah, die Darstellung realer und historisch belegbarer Geschehnisse zum Gegenstand hat.

Der Umstand, dass durch den Film somit eine neue ästhetische Wirklichkeit geschaffen worden ist, bringt es mit sich, dass eine kunstspezifische Betrachtung zur Bestimmung des durch den Spielfilm im jeweiligen Handlungszusammenhang dem Zuschauer nahegelegten Wirklichkeitsbezugs zu erfolgen hat, um auf dieser Grundlage die Schwere der Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts bewerten zu können. Die künstlerische Darstellung ist an einem kunstspezifischen, ästhetischen Maßstab zu messen. Dabei ist zu beachten, ob und inwieweit das "Abbild" gegenüber dem "Urbild" durch die künstlerische Gestaltung des Stoffs und seine Ein- und Unterordnung in den Gesamtorganismus des Kunstwerks so verselbstständigt erscheint, dass das Individuelle, Persönlich-Intime zu Gunsten des Allgemeinen, Zeichenhaften der "Figur" objektiviert ist. Ein künstlerisches Werk wie der streitgegenständliche Spielfilm ist zunächst als Fiktion anzusehen, das keinen Faktizitätsanspruch erhebt. Die Vermutung der Fiktionalität gilt im Ausgangspunkt auch dann, wenn hinter den Figuren reale Personen als Urbilder erkennbar sind (vgl. BVerfG GRUR-RR 2008, 206, 207 – Ehrensache; BVerfG, GRUR 2007, 1085 Rn. 82ff. = NJW 2008, 39 – Roman "Esra"). Dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass – auch unter Berücksichtigung des Vortrags der Verfügungsklägerin – die historisch wesentlichen Vorgänge um den Tod ihres Ehemannes im wesentlichen zutreffend wiedergegeben werden, nämlich der Ablauf des Besuchs durch die Terroristen, die versuchte Entführung, die Gegenwehr von Ponto und die anschließenden Schüsse. Selbst die letzten von Jürgen Ponto gesprochenen Sätze, bevor die Schüsse fielen, sind an der Realität orientiert. Insbesondere der Umstand, der die Tat so besonders heimtückisch, brutal und spektakulär erscheinen ließ, nämlich die Ausnutzung der persönlichen Bekanntschaft einer Mittäterin zu dem Ehepaar Ponto und das Eindringen der Gewalt in den häuslichen Bereich des Opfers, wird – von der Verfügungsklägerin insoweit unbeanstandet – im Film wiedergegeben. Hier wird Susanne Albrecht von dem späteren Opfer herzlich als gute Bekannte begrüßt. Diese Wiedergabe bedeutet jedoch umgekehrt nicht, dass die streitgegenständliche Szene – anders als der Rest des Films – vom Zuschauer deshalb nicht als Fiktion verstanden wird. Die Schauspieler, die Terroristen spielen, sind auch diejenigen, die in der Mordszene als die agierenden Täter zu sehen sind. Verglichen mit der Schilderung des Besuchsablaufs durch die Verfügungsklägerin, die z.B. mit der Problematik der Umschaltung des Telefongesprächs Einzelheiten beinhaltet, die auf die Beurteilung der Heimtücke und den Schrecken der Tat keinen Einfluss haben, konzentriert die Filmszene das Geschehen für den Zuschauer nur auf das wesentliche Geschehen, das die Tat im Lichte der öffentlichen Betrachtung charakterisiert.

Soweit die Verfügungsklägerin geltend macht, Abweichungen wie der Umstand, dass sie zuerst ins Haus ging, dass der Raum verdunkelt war, dass Schalldämpfer benutzt worden seien – ein Umstand, der sich im Übrigen in keiner der aktenkundigen Schilderungen der Tat findet, die Grundlage des Films hätten sein können – würden zu einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts ihres verstorbenen Ehemannes führen, macht sie dem Film gerade seine Fiktionalität bzw. die zum Spielfilm gehörenden Elemente, wie die Darstellung der Ereignisse des Jahres 1977 wie in einem Zeitraffer, zum Vorwurf.

Das postmortale Persönlichkeitsrecht von Jürgen Ponto ist bei der gebotenen kunstspezifischen Betrachtungsweise nicht verletzt. Weder wird er in einer besonders privaten noch in einer würdelosen Situation gezeigt. Auch wird dargestellt, dass er sich der Bedrohung durch den Terroristen Christian Klar nicht etwa ohne Gegenwehr hätte ergeben wollen, bevor die weiteren Schüsse auf ihn abgegeben wurden. Eine Verfälschung seines Lebensbildes und damit seiner Menschenwürde ist damit in keiner Weise erkennbar. Zwar wird er als Opfer des Terrorismus gezeigt, hierin liegt aber weder eine Abwertung noch eine Entwürdigung seiner Person. Eine ihn verächtlich machende oder seine Ehre verletzende Wirkung geht von der Darstellung nicht aus. Im Gegenteil wird er auch in dem Moment höchsten Bedrohtseins noch als wehrhafter, sich dem Terroristen entgegensetzender Mensch gezeigt. Darüber hinaus wird – wie dies die Verfügungsbeklagte zutreffend vorträgt – seine Privatsphäre nur insoweit angedeutet, als es den Ort der Tat betrifft. Dass die Schüsse auf Jürgen Ponto im Spielfilm hörbar fallen und nicht etwa durch Schalldämpfer verstummt werden, ändert an der Schrecklichkeit des dargestellten Geschehens nichts, jedenfalls nicht im Hinblick auf eine etwaige Entwürdigung des Persönlichkeitsbildes von Jürgen Ponto. Dass er statt nach hinten weg auf die Seite in Wahrheit vornüber gefallen sei, ist ebenfalls kein ihn entwürdigender Umstand. Ein Todeskampf wird – abgesehen von der Abgabe des letzten Schusses auf das sich aufrichtende Opfer – nicht dargestellt. Sodann verfolgt der Film das an die Schüsse anschließende Geschehen insoweit weiter, als er dann die Flucht der Täter und ihre im Einzelnen unterschiedlichen Reaktionen auf das Geschehen weiter darstellt. Insgesamt kann daher bei der gebotenen kunstspezifischen Betrachtung die Filmszene eine Verletzung der Menschenwürde von Jürgen Ponto nicht angenommen werden, wenn auch – die Grausamkeit des damaligen Geschehens filmisch abbildend – die Szene selbst für den Zuschauer schwer zu ertragen ist. Dass die Verfügungsklägerin die Szene der Schüsse auf den Schauspieler, der ihren Ehemann darstellt, umso quälender empfindet, verkennt die Kammer bei dieser Bewertung nicht.

2.

Ein Unterlassungsanspruch der Verfügungsklägerin selbst ergibt sich nicht aus der Verletzung ihres Rechts am eigenen Bild im Sinne von §§ 22 ff. KUG.

Bei den zwei kurzen Bildsequenzen, in denen eine Schauspielerin die Verfügungsklägerin darstellt, handelt es sich nicht um deren Bildnisse im Sinne der §§ 22 ff. KUG. In der streitgegenständlichen Szene wird eine weibliche Person, die der Zuschauer mutmaßlich für die Ehefrau von Jürgen Ponto halten wird, zweimal kurz gezeigt. Diese Person wird allerdings weder vorgestellt noch namentlich benannt. Beim zweiten Mal sieht man nur ganz kurz, wie sie von der Terrasse aus das Esszimmer betritt; die Szene dauert maximal eine Sekunde. Der erste Auftritt zeigt diese Person telefonierend, auf der Terrasse sitzend. Sie sagt lediglich zum Telefonhörer gewandt "Sekunde" und dann die Sätze "Was für eine schöne Überraschung. Ich muss nur rasch das Gespräch beenden". Schon nach dem Wort "Überraschung" ist sie nicht mehr im Bild zu sehen. Ihr Hinterkopf ist dann noch kurz im Bild, während gezeigt wird, wie die Terroristinnen Albrecht und Mohnhaupt auf der Terrasse Platz nehmen, während die Szene sich weiter dem Geschehen auf der Terrasse und danach im Wohnzimmer zuwendet, wo dann alsbald die Schüsse fallen. Angesichts der Art der Darstellung und angesichts des Umstandes, dass die Verfügungsklägerin zu einer etwaigen Ähnlichkeit dieser dargestellten Person mit ihr selbst nichts weiter vorträgt, ist davon auszugehen, dass ein "Bildnis" im Sinne des KUG nicht anzunehmen ist.

Unter einem "Bildnis" ist "die Darstellung der Person in ihrer wirklichen, dem Leben entsprechenden Erscheinung" (von Strobl-Albeg in Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, Rn. 7.8) bzw. "die Darstellung einer Person, die deren äußere Erscheinung in einer für Dritte erkennbaren Weise wiedergibt" (BGH, NJW 2000, 2201, 2202 – Marlene Dietrich, Der blaue Engel -), zu verstehen. Es muss sich also um eine Person, d.h. um einen Menschen handeln, der erkennbar wiedergegeben wird. In der Regel sind es die Gesichtszüge, die einen Menschen erkennbar machen (von Strobl-Albeg, a.a.O., Rn. 7.13). Auch die Abbildung eines Doppelgängers einer berühmten Person ist als Bildnis der berühmten Person anzusehen, wenn der Eindruck erweckt wird, bei dem Doppelgänger handele es sich um die berühmte Person selbst (BGH, NJW 2000, 2201, 2202). Allerdings ist die Wiedergabe der Gesichtszüge keine notwendige Voraussetzung des Bildnisschutzes. Es genügt, dass der Abgebildete durch Merkmale erkennbar ist, die gerade ihm zu eigen sind. Die Erkennbarkeit kann sich auch aus anderen, die betreffende Person kennzeichnenden Einzelheiten ergeben (BGH, NJW 2000, 2201, 2202; BGH, NJW 1979, 2205 – Fußballtor).

In Bezug auf die Verfügungsklägerin scheidet angesichts der geschilderten Wiedergabe der Person, die als Ehefrau des Bankiers Ponto zu vermuten ist, die Annahme einer Erkennbarkeit aus. Eine besondere äußere Ähnlichkeit der Darstellerin mit der Verfügungsklägerin ist weder vorgetragen noch aus sonstigen Umständen anzunehmen. Ihr Name wird nicht genannt. Auch sonstige etwa typische, die Verfügungsklägerin identifizierende äußere Merkmale werden weder abgebildet noch nachgestellt. Auch hat die Verfügungsklägerin nichts dazu vorgetragen, ob sie etwa durch die filmische Darstellung in Maske, Bewegung und Sprechweise imitiert und gezeigt wird, so, wie man gewöhnt ist, die Verfügungsklägerin zu sehen.

Die Kammer geht mit dem OLG München (NJW-RR 2008, 1220, 1221) davon aus, dass die §§ 22 ff. KUG bei einer so gelagerten Darstellung auch nicht unter dem Gesichtspunkt der filmischen Darstellung des "Lebens- oder Charakterbildes" anwendbar sind. Zwar wird die Schauspielerin, die die Verfügungsklägerin darstellen soll, im Haus der Person gezeigt, die von dem Angestellten mit "Herr Ponto" angesprochen wird und sie ist auch kurz gemeinsam mit dieser Person zu sehen. Auch wird der Betrachter des Films auf Grund des Kontextes der Darstellung darauf schließen, dass es sich bei der gezeigten weiblichen Person um die Ehefrau von Jürgen Ponto handeln soll. Dies führt jedoch nicht zur Eröffnung des speziellen, in §§ 22 ff. KUG geregelten Bildnisschutzes, da die Verfügungsklägerin nicht erkennbar in ihrer wirklichen, dem Leben entsprechenden äußeren Erscheinung wiedergegeben wird. Vielmehr beruht ihre Identifizierung auf der Ähnlichkeit der Handlung und der Ereignisse. Bei dieser Fallgestaltung ist auch nach der Ansicht der Kammer nicht der Regelungsbereich der §§ 22 ff. KUG, sondern der Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eröffnet. Alleine der Umstand, dass alleine aus einem filmischen Kontext bei dem Zuschauer die Assoziation hervorgerufen wird, es handele sich um die Verfügungsklägerin, reicht nicht aus, um ein Bildnis im Sinne des KUG anzunehmen (vgl. auch KG, Beschluss vom 23.10. 2008, Az. 10 U 140/08 m.w.N.).

3.

Eine den geltend gemachten Unterlassungsanspruch rechtfertigende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Verfügungsklägerin ergibt sich bei der gebotenen Abwägung aber auch ansonsten nicht. Dabei verkennt die Kammer nicht, wie tief sich die Verfügungsklägerin durch die filmische Darstellung der Ermordung ihres Mannes und die Konfrontation mit dem nachgestellten Geschehen nach nunmehr 30 Jahren verletzt und getroffen fühlen mag.

a)

Im Hinblick auf die Prüfung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist allerdings davon auszugehen, dass die Verfügungsklägerin in der streitgegenständlichen Filmszene aus dem Kontext erkennbar ist. Erkennbarkeit ist im Zweifel nicht nur bei namentlicher Erwähnung anzunehmen, sondern kann auch aus der Anführung individualisierender Merkmale folgen. Wird – wie in der Szene – zwar kein Name genannt, hängt die Erkennbarkeit davon ab, ob die gemeinte Person aufgrund sonstiger Umstände identifizierbar ist, wenn z.B. seine berufliche Position genannt wird (Burkhardt a.a.O., Rn. 12.43, 12.54 m.w.N.). Wie dargelegt geht der Zuschauer des Films aufgrund der Zusammenhänge, wie die Nennung des Namens des Mannes und des Umstandes, dass die weibliche Person offenbar zu ihm gehört und in dem Haus wohnt, davon aus, es müsse sich um Frau Ponto handeln. Damit ist grundsätzlich der Schutzbereich ihres Persönlichkeitsrechts eröffnet und die Verfügungsklägerin kann sich auf ihre Privatsphäre und das Recht, allein gelassen zu werden, berufen. Das Recht auf Achtung seiner Privatsphäre kann jedermann, auch "Personen der Zeitgeschichte", für sich in Anspruch nehmen (BGH NJW 1996, 1128). Es ist Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 1 und 2 GG, das jedermann einen autonomen Bereich privater Lebensführung zugesteht, in dem er seine Individualität unter Ausschluss anderer entwickeln und wahrnehmen kann (BGH a.a.O.).

b)

Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass bei der Verfilmung von Straftaten, zu denen auch die Ermordung des Ehemannes der Verfügungsklägerin gehört, dem Opferschutz Rechnung zu tragen ist (OLG München, NJW-RR 2008, 1220, 1222; OLG Hamburg, NJW 1975, 649). Die Kammer geht davon aus, dass die Verfügungsklägerin aufgrund ihrer Anwesenheit in dem Haus, in dem sich die Ermordung ihres Mannes ereignete und insbesondere aufgrund der Nähe, in die sie zu den Tätern geriet, Opfer und nicht nur mittelbares Opfer der Tat ist. Für diese Bewertung ist es unerheblich, ob der Darstellung der Verfügungsklägerin oder derjenigen in dem Film gefolgt wird; in jedem Fall befand sie sich während der Tat unmittelbar neben dem Raum, in dem sie geschah. Denn die Verfügungsklägerin ist damit nicht nur einfach eine Angehörige des Getöteten, sondern sie befand sich selbst in unmittelbarer Gefahr und war ohne ihr Zutun und gegen ihren Willen in den zeitgeschichtlichen Vorgang der Ermordung ihres Ehemannes hineingezogen worden (vgl. hierzu Burkhardt, a.a.O., Rn 8.23).

c)

Weiterhin hat die Verfügungsklägerin durch ihre eidesstattliche Versicherung – im Zusammenhang mit der Vorlage von Urkunden, z.B. von Auszügen aus dem Buch "Der Baader Meinhof Komplex" und ihres eigenen Buches "Lebenseinschnitte" glaubhaft gemacht, dass die streitgegenständliche Szene insofern unrichtig ist, als sie ihre Anwesenheit im Haus – und zwar unmittelbar neben dem Raum, in dem die Schüsse abgegeben wurden – nicht wiedergibt, sondern hier die dargestellte Ehefrau auf der Terrasse verblieben ist und das Haus erst nach den Schüssen betritt. Nach der eidesstattlichen Versicherung der Verfügungsklägerin geschah der Mord an ihrem Ehemann vor ihren Augen, egal ob er zwischenzeitlich gerade hinter die Tür zurückgetreten war und sie ihn selbst in diesem Moment nicht sehen konnte. Er ist somit in ihrer unmittelbaren Nähe zusammengebrochen. Richtig ist, dass der Film in dieser Szene – aus der Sicht der Verfügungsklägerin – den Grad ihres Schreckens und das Maß ihrer eigenen Gefährdung nicht zutreffend darstellt. Dies gilt auch dann, wenn unterstellt werden kann, dass der Film es offen lässt, ob die im Film dargestellte Ehefrau von der Terrasse aus unmittelbar neben dem Raum, in dem die Schüsse fielen, die Ermordung ihres Mannes mit ansehen musste. Hierfür spricht allerdings vieles, da die Darstellerin der Verfügungsklägerin bereits beim Betreten des Raums erschreckt dargestellt wird. Auch nach der filmischen Darstellung ist allerdings von einer gefährlichen Nähe der Ehefrau zu den Terroristen auszugehen, zumal die beiden weiblichen Terroristen sich hiernach einen kurzen Moment mit der Ehefrau auf der Terrasse befanden, unmittelbar bevor Brigitte Mohnhaupt die Schüsse abgab.

Allerdings – und das ist im Rahmen der noch durchzuführenden Abwägung zu berücksichtigen – ist die Szene so gestaltet, dass sie sich auf die wesentlichen Personen (also den Ermordeten und die Täter) konzentriert, das Geschehen also keinesfalls aus der Sicht der Verfügungsklägerin darstellen will. Immerhin ist davon auszugehen, dass der Wahrheitsschutz von Bedeutung ist. Je mehr ein Künstler für sich beansprucht, die soziale Wirklichkeit darzustellen, desto schutzwürdiger ist das Interesse des Dargestellten, dass die Darstellung seiner Person nicht im Gegensatz zu dieser Wirklichkeit erfolgt. Umgekehrt ist die Freiheit der Darstellung dann wesentlich weiter, wenn es um Passagen geht, die deutlich fiktiver Natur sind (BGH NJW 2005, 2844; OLG Hamburg, NJW-RR 2007, 1268; OLG München, NJW-RR 2008, 1220, 1222).

d)

Die weiteren Abweichungen, die die Verfügungsklägerin im Hinblick auf den Geschehensablauf rügt, sind in Bezug auf die Darstellung ihrer Person in der Filmszene nicht von persönlichkeitsrechtlicher Relevanz in Bezug auf sie. Dies betrifft die Beleuchtung des Raums, die Kopfbedeckung der Darstellerin von Brigitte Mohnhaupt, die Fragen, ob die Schüsse im Wohn- oder im Esszimmer abgegeben wurden, ob die Täter Schalldämpfer benutzten oder ob die Schüsse laut hörbar waren und in welcher Weise Jürgen Ponto nach den Schüssen zusammenbrach. Aus der maßgeblichen Sicht des Durchschnittsrezipienten wird dieser die Wiedergabe dieser Einzelheiten jedenfalls nicht auf die Darstellung der Verfügungsklägerin beziehen. Auch wenn die Verfügungsklägerin die Kopfbedeckung von Brigitte Mohnhaupt dafür anführt, dass sie diese bei der ersten Gegenüberstellung nicht erkannt hat, ist dies zwar ein Umstand, der für die Verfügungsklägerin persönlich von Wichtigkeit ist, der jedoch zum einen im Film nicht dargestellt wird und der sich auch nicht im allgemeinen Interesse befindet. Gleiches gilt für die Beleuchtung des Raums und für die Frage, ob diese einen Umstand bildete, der schließlich der Verfügungsklägerin das Leben rettete. Tatsächlich ereignete sich das Geschehen auch nach dem Vortrag der Verfügungsklägerin nicht so, dass etwa die Täter auch nach deren Verbleiben suchten, weil sie in ihr eine möglicherweise unerwünschte Zeugin sahen, sondern sie verließen unstreitig das Haus, nachdem auf ihren Ehemann die Schüsse abgegeben worden waren. Das Zimmer, in dem geschossen wurde, war im Film dasjenige, das an die Terrasse angrenzt. Im Hinblick auf eine etwaige Verletzung des Persönlichkeitsbildes der Verfügungsklägerin ist es unerheblich, ob dies das Esszimmer oder das Wohnzimmer war. Auch der Umstand, ob die Schüsse hörbar waren, ist für die Frage der unrichtigen Darstellung des Lebensbildes der Verfügungsklägerin unerheblich. Sie selbst hat in der Darstellung der Tat in ihrem Buch "Lebenseinschnitte" hierauf offensichtlich selbst keinen Wert gelegt. Sie beschreibt, dass sich zunächst aus der Waffe von Christian Klar ein Schuss gelöst habe und schreibt im Anschluss daran "Sekunden danach lebt er nicht mehr, denn die andere Frau kommt durch die Terrassentür hereingestürzt und feuert viele Male." (Anlage Ast 27, Bl. 199 d.A.). Dies wird der unbefangene Leser dahin verstehen, dass die Schüsse – wie normalerweise – hörbar gewesen sind. Es kommt daher für die Entscheidung nicht darauf an, ob der Film sich in diesen Punkten exakt an die wahren Geschehnisse hält. Denn die Verfügungsklägerin mag vielleicht hierdurch mittelbar betroffen sein; in ihrem Persönlichkeitsrecht ist sie nicht verletzt, was der Unterlassungsanspruch wegen wahrheitswidriger Behauptung voraussetzt. Der Schutz vor Unwahrheit reicht nämlich nicht soweit, dass der Betroffene einen Anspruch darauf hat, in der Öffentlichkeit nur so dargestellt zu werden, wie er sich selbst sieht oder von anderen gesehen werden möchte (BGH NJW 2006, 609).

e)

Die unter a) bis c) dargestellten, die Verfügungsklägerin durch die Verfilmung der damaligen Geschehnisse beeinträchtigenden Umstände tragen den von ihr geltend gemachten Unterlassungsanspruch jedoch deshalb nicht, weil eine Abwägung mit der der Verfügungsbeklagten zustehenden Kunstfreiheit ergibt, dass eine rechtswidrige Persönlichkeitsrechtsverletzung nicht vorliegt. Der von der Verfügungsbeklagten hergestellte Film genießt, wie unter Punkt II 1 b) dargestellt, den Schutz der durch Art. 5 Abs. 3 GG gewährleisteten Kunstfreiheit. Es handelt sich um einen Spielfilm, der auf historischen Tatsachen beruht und der in dramatisierter Form, wenn auch realitätsnah, die Darstellung realer und zudem historisch belegbarer Geschehnisse zum Gegenstand hat. Zwar ist die streitgegenständliche Szene nicht rein fiktiver Natur, so dass der Verfügungsbeklagten keine ganz weite Freiheit der Darstellung insoweit zustand. Sie hatte aber im Rahmen der realitätsnahen Darstellung die Möglichkeit, mit den Mitteln der künstlerischen Gestaltung des Stoffs und insbesondere seine Einbeziehung in das Gesamtkonzept eine bestimmte Darstellungsweise zu wählen:

Ein Kunstwerk wie der Film "Der Baader Meinhof Komplex" strebt eine gegenüber der "realen" Wirklichkeit verselbstständigte "wirklichere Wirklichkeit" an, in der die reale Wirklichkeit auf der ästhetischen Ebene in einem neuen Verhältnis zum Individuum bewusster erfahren wird. Die erforderliche Abwägung kann nicht allein auf die Wirkungen eines Kunstwerks im außerkünstlerischen Sozialbereich abheben, sondern muss auch kunstspezifischen Gesichtspunkten Rechnung tragen. Die Entscheidung darüber, ob durch die Anlehnung der künstlerischen Darstellung an Persönlichkeitsdaten der realen Wirklichkeit ein der Veröffentlichung des Kunstwerks entgegenstehender schwerer Eingriff in den schutzwürdigen Persönlichkeitsbereich des Dargestellten zu befürchten ist, kann nur unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls getroffen werden. Dabei ist zu beachten, ob und inwieweit das "Abbild" gegenüber dem "Urbild" durch die künstlerische Gestaltung des Stoffs und seine Ein- und Unterordnung in den Gesamtorganismus des Kunstwerks so verselbstständigt erscheint, dass das Individuelle, Persönlich-Intime zu Gunsten des Allgemeinen, Zeichenhaften der "Figur" objektiviert ist. Wenn eine solche, das Kunstspezifische berücksichtigende Betrachtung jedoch ergibt, dass der Künstler ein "Porträt" des "Urbilds" gezeichnet hat oder gar zeichnen wollte, kommt es auf das Ausmaß der künstlerischen Verfremdung oder den Umfang und die Bedeutung der "Verfälschung" für den Ruf des Betroffenen an (BVerfGE 30, 173, 195, 198). Die Kunstfreiheit wird umso eher Vorrang beanspruchen können, je mehr die Darstellungen des Urbilds künstlerisch gestaltet und in die Gesamtkonzeption des Kunstwerks eingebettet sind (vgl. BVerfG, GRUR 2007, 1085, 1088 – Esra; BVerfGE 30, 173, 195 – Mephisto; BGH NJW 2005, 2844, 2847 – Esra).

Stehen sich der Persönlichkeitsschutz auf der einen Seite und die Filmfreiheit auf der anderen Seite gegenüber, so hat die Lösung davon auszugehen, dass nach dem Willen der Verfassung beide Verfassungswerte essenzielle Bestandteile der freiheitlichen demokratischen Ordnung des Grundgesetzes bilden, so dass grundsätzlich keiner von ihnen einen Vorrang beanspruchen kann. Vielmehr ist unter Berücksichtigung der falltypischen Gestaltung und der besonderen Umstände des Einzelfalls zu entscheiden, welches Interesse zurückzutreten hat. Bei der erforderlichen Abwägung muss auf der einen Seite die Intensität des Eingriffs in den Persönlichkeitsbereich durch die Auswertung des geplanten Filmwerks und auf der anderen Seite das konkrete Interesse, dessen Befriedigung die Produktion dient und zu dienen geeignet ist, bewertet werden (OLG München NJW-RR 2008, 1220, 1222). Je stärker der Autor eine Figur von ihrem Urbild löst und zu einer Kunstfigur verselbstständigt ("verfremdet"; vgl. BVerfGE 30, 173, 195 – Mephisto), umso mehr wird ihm eine kunstspezifische Betrachtung zugute kommen. Dabei geht es bei solcher Fiktionalisierung nicht notwendig um die völlige Beseitigung der Erkennbarkeit, sondern darum, dass dem Leser oder Zuschauer deutlich gemacht wird, dass er nicht von der Faktizität des Erzählten ausgehen soll (BGH NJW 2008, 2587, 2588)

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze gilt im Hinblick auf den geltend gemachten Unterlassungsanspruch Folgendes: zugunsten des Persönlichkeitsrechts der Verfügungsklägerin ist zu berücksichtigen, dass sie in die bildliche Darstellung ihrer Person nicht eingewilligt hat. Zwar mag die Verfügungsbeklagte Bemühungen entwickelt haben, die Verfügungsklägerin während der Drehzeit über die Drehbuchpassage zu informieren; allerdings wird selbst in dem Entwurf des Anschreibens an sie weder ihre Zustimmung erbeten, sie darstellen zu dürfen noch wird sie danach gefragt, ob das Drehbuch dem Ablauf des Attentats entspricht. Die streitgegenständliche Passage nimmt ihren Anfang im privaten Lebensbereich der Verfügungsklägerin. Es kommt hinzu, dass sie Opfer einer Straftat geworden ist und insofern Opferschutz für sich in Anspruch nehmen kann. Schließlich ist auch dem Wahrheitsschutz Rechnung zu tragen. Zugunsten der Verfügungsklägerin wirkt es sich aus, dass die an der Herstellung des Films beteiligten Personen deutlich gemacht haben, welch hohen Wert auf Authentizität sie gelegt haben. Dies hat die Verfügungsklägerin vorgetragen und belegt. Daher ist davon auszugehen, dass hinsichtlich der Darstellung der streitgegenständlichen Szene keine sehr weite Freiheit bestand, da diese eindeutig nicht zu den Passagen zählt, die fiktiver Natur sind. Es ist auch das Interesse der Verfügungsklägerin anzuerkennen, über 30 Jahre nach der Tat nicht zum Gegenstand eines Films gemacht zu werden, zumal die Ermordung ihres Mannes und das Miterleben dieses schrecklichen Geschehens ohne Zweifel eine kaum nachfühlbare persönliche Belastung für die Verfügungsklägerin bedeutete. Umso belastender ist es nunmehr, sich mit der Darstellung dieser Ereignisse in einem besonders öffentlichkeitswirksamen Filmprojekt konfrontiert zu sehen.

Dennoch stand der Verfügungsbeklagten ein gewisser Spielraum zu, innerhalb dessen sie sich im Hinblick auf die Darstellung der Verfügungsklägerin gehalten hat. Im Hinblick auf die Verfügungsbeklagte war Folgendes zu berücksichtigen: Zu ihren Gunsten ist zu berücksichtigen, dass die Ermordung von Jürgen Ponto, insbesondere im Bezug auf die Geschichte des Terrorismus in Deutschland nach 1968 und den "deutschen Herbst" des Jahres 1977 ein besonders herausragendes Ereignis der Zeitgeschichte darstellt. Dieses Ereignis ist auf vielfältige Weise in der deutschen politischen Diskussion präsent. Hier kann nicht nur die jüngst geführte breite öffentliche Diskussion um die Frage der Haftentlassung der Terroristen Klar und Mohnhaupt angeführt werden, sondern beispielsweise auch die im Sommer 2007 öffentlich bekundete Forderung des Sohnes des ermordeten damaligen Generalbundesanwalts Buback, die Ermittlungen wieder aufzunehmen. Die in den Medien veröffentlichten Erklärungen des ehemaligen Terroristen Peter-Jürgen Book im Herbst 2007 und sein Gespräch mit Michael Buback sind ebenso zu nennen. Anlässlich des 90. Geburtstages des damals amtierenden Bundeskanzlers Helmut Schmidt sind gerade die Ereignisse im Jahr 1977 wieder thematisiert worden. Auch die damals geschehene Entführung der Lufthansamaschine Landshut ist jüngst Gegenstand einer Verfilmung geworden. Ferner sind im Zusammenhang mit dem 40. Jahrestag der Studentenproteste des Jahres 1968 im Jahr 2008 die damaligen Vorgänge in einer breiten Öffentlichkeit diskutiert worden. Die von den Terroristen der RAF begangenen Verbrechen zählen zu den spektakulärsten Straftaten in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, hinsichtlich derer weiterhin ein erhebliches Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit zum Verständnis der Mitglieder der RAF besteht. Bei schweren Gewaltverbrechen gewinnt mit zunehmendem zeitlichen Abstand das Interesse an einer tiefer greifenden Interpretation der Tat, ihrer Hintergründe und gesellschaftsbedingten Voraussetzung an Bedeutung (BVerfG NJW 1973, 1226, 1229 – Lebach), was bezogen auf die Thematik des Terrorismus in den siebziger Jahren ebenso gilt, die die Zeitgeschichte der Bundesrepublik Deutschland in ganz besonderem Maß geprägt haben.

Unter dem bei der Abwägung zu berücksichtigenden Aspekt war ferner zu prüfen, ob und inwieweit das "Abbild" gegenüber dem "Urbild" durch die künstlerische Gestaltung des Stoffs und seine Ein- und Unterordnung in den Gesamtorganismus des Kunstwerks so verselbstständigt erscheint, dass das Individuelle, Persönlich-Intime zu Gunsten des Allgemeinen, Zeichenhaften der "Figur" objektiviert ist. Eine solche Verselbständigung durch die verwandten filmischen und dramaturgischen Mittel zeigt sich in der Einbettung der streitgegenständlichen Szene in den Gesamtzusammenhang des Films einerseits und andererseits in dem hohen Maß der Objektivierung der Darstellung in der streitgegenständlichen Szene. Während sich der Spielfilm in seinem ersten Teil – bis zum Selbstmord von Ulrike Meinhof – der Persönlichkeit und der Persönlichkeitsentwicklung der Terroristen der ersten Generation widmet und dabei deren familiäres und Alltagsleben sehr eingehend zeichnet, werden die Straftaten der 2. Generation im Jahr 1977 im zweiten Teil des Films in der Art einer Aufzählung, fast schematisch reduziert auf die Taten selbst, dargestellt. Vor dem Hintergrund der angestrebten Befreiung von Andreas Baader und den anderen in Stuttgart-Stammheim einsitzenden Terroristen der ersten Generation einerseits und den in Rede und Gegenrede dargestellten Überlegungen des – als solchen auch nicht ausdrücklich benannten – Leiters des Bundeskriminalamts werden die Persönlichkeiten der Täter fast gar nicht mehr dargestellt. Ihre Taten werden reduziert auf das wichtigste Geschehen und unter völliger Weglassung der Zeichnung der Person und der Persönlichkeit ihrer Opfer in der Art einer Aufzählung wiedergegeben, ohne dass auf deren Seite emotionale Reaktionen gezeigt werden. Zutreffend bezeichnet die Verfügungsbeklagte dies als eine Darstellung wie im Zeitraffer. Insbesondere auch die streitgegenständliche Szene ist derart in den Gesamtorganismus des Films eingebettet, dass das Persönliche und Private der Verfügungsklägerin und ihres Ehemannes hinter die Filmfigur zurücktritt. Dass es sich bei dem Ermordeten um den Bankier Ponto handelt, erfährt der Zuschauer nur durch die Anrede des Angestellten mit diesem Namen. Die Darstellerin der Verfügungsklägerin wird gar nicht mit Namen genannt. Der Zuschauer erfährt in dieser Szene die – insoweit unstreitig richtig dargestellten – Elemente von öffentlichem Interesse, dass nämlich eine Täterin (Susanne Albrecht) das spätere Opfer kannte und es so gelang, die Terroristen zu einem scheinbar privaten Besuch in dessen Haus zu bringen, wo sie unter Waffengewalt zunächst versuchten, den Ehemann der Verfügungsklägerin zu entführen und, als dieser sich zur Wehr setzte, erbarmungslos erschossen. Der Schrecken und das Leid der Verfügungsklägerin, insbesondere auch durch das Miterleben-Müssen der Tat sind nicht Thema des Films, genauso wenig wie das Leid der Opfer der anderen terroristischen Taten des Jahres 1977 dargestellt wird. Unter Berücksichtigung der gebotenen kunstspezifischen Betrachtung ist hier für den Zuschauer deutlich zu sehen, dass der Film es nicht anstrebt, die reale Wirklichkeit 1: 1 abzubilden, sondern diese aus einer bestimmten Perspektive zu zeigen, um dem Zuschauer die "Botschaft" des Films nahe zu bringen. Die durch die Einbettung in einen Spielfilm gekennzeichnete Vermengung von tatsächlichen und fiktiven Schilderungen bringt es mit sich, dass eine angestrebte besonders pointierte Darstellung gegebenenfalls nur unter Weglassung von parallel geschehenden Ereignissen erfolgen kann.

Die Art und Weise der Darstellung im Film belastet die Verfügungsklägerin insgesamt nicht unangemessen, zumal ihr wirkliches Abbild nicht wiedergegeben wird, eine besondere Ähnlichkeit der Schauspielerin mit der Verfügungsklägerin ebenfalls nicht erkennbar ist. Die Filmszene ist nicht entwürdigend oder rufschädigend in Bezug auf die Verfügungsklägerin gestaltet. Immerhin bleibt es nach der Darstellung offen, ob die auf der Terrasse – damit auch unmittelbar neben dem Raum in dem geschossen wurde – verbliebene Person das Geschehen mit eigenen Augen ansehen musste. Dass die Szene nicht die besondere Belastung zeigt, der die Verfügungsklägerin durch ihre Anwesenheit im direkt an den Tatort grenzenden Zimmer ausgesetzt war, sondern die Schauspielerin nach den Schüssen nur mit einem in hohem Maß erschreckten Gesichtsausdruck den Raum betreten lässt, erscheint als ein Ausfluss der Fiktionalität des Films. Das Filmwerk als Ganzes unterfällt der Freiheit der Themenwahl und Themengestaltung im Rahmen der Kunstfreiheit; dies beinhaltet auch die Entscheidung, mit welchen Szenen und auf welche Art und Weise die darzustellende Geschichte erzählt werden kann und soll (vgl. OLG München, NJW-RR 2008, 1220, 1224). Es ist aufgrund der – aus der Sicht der Opfer – distanzierten Gestaltung der Szene nicht davon auszugehen, der Zuschauer werde annehmen, die Empfindungen und Leiden der Verfügungsklägerin im Zusammenhang mit dem Erleben der schrecklichen Geschehnisse würden hier verharmlosend dargestellt. Eine schwere Persönlichkeitsverletzung der Verfügungsklägerin ist in der Art der Darstellung insgesamt nicht zu sehen. Die Kammer geht auch nicht davon aus, dass sie ein erhebliches Interesse hat, in dem Film nicht dargestellt zu werden. Eine Vergleichbarkeit mit dem Sachverhalt, der der Entscheidung des OLG Hamburg (NJW 1975, 649) zugrundelag, ist bereits deshalb nicht gegeben, weil die Verfügungsklägerin in dem Film nur kurz als Nebenfigur auftaucht und nicht das Attentat an ihrem Mann Hauptthema des Films ist. Eine Zeichnung ihrer Privatsphäre findet so gut wie nicht statt; sie wird – wie im Übrigen zutreffend – nur als während der Tat im Haus und in nächster Nähe zum Tatort anwesend dargestellt.

Berücksichtigt man im Zusammenhang mit der Darstellung der Verfügungsklägerin, dass zwischen dem Maß, in dem das Kunstwerk eine von der Wirklichkeit abgelöste ästhetische Realität schafft und der Intensität der Verletzung des Persönlichkeitsrechts eine Wechselbeziehung dahingehend besteht, dass, je stärker Abbild und Urbild übereinstimmen, desto schwerer die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts wiegt (BVerfG, NJW 2008, 39 ff. – Esra), so ergibt die Abwägung mit der entgegenstehenden Kunstfreiheit, dass die Verfügungsklägerin die nur schemenhafte Zeichnung ihrer Person im Ergebnis hinzunehmen hat.

Insoweit kommt auch der von der Verfügungsklägerin als Minus im Rahmen von § 938 ZPO zu ihrem Antrag (im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 29.12.2008 angeregte) Zusatz im Vorspann, der Gegenstand der Vergleichsanregung der Kammer war, nicht in Betracht.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 6, 711 ZPO.

Die nicht nachgelassenen Schriftsätze der Verfügungsklägerin vom 29.12.2008 und der Verfügungsbeklagten vom 19.12.2008 sind hinsichtlich der Rechtsausführungen berücksichtigt.

Streitwert: 100.000,00 EUR.

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