Keine Markeneintragungsfähigkeit eines LEGO-Bausteins

14. November 2008
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Eigener Leitsatz:

Für das Eingreifen eines absoluten Eintragungshindernisses einer Form (hier: LEGO-Baustein) genügt es, dass die wesentlichen Merkmale der Form jene Merkmale aufweisen, die für das Erreichen einer technischen Wirkung technisch kausal und hinreichend sind, so dass sie der technischen Wirkung zuzuschreiben sind. Das Vorhandensein anderer Formen, die die gleiche technische Wirkung durch andere technische Lösungen ermöglichen, steht dem nicht entgegen. <br/><br/>

Europäischer Gerichtshof

Urteil vom 12.11.2008

Az.: T-270/06

„Gemeinschaftsmarke – Anmeldung einer dreidimensionalen Gemeinschaftsmarke – Roter Lego-Stein – Absolutes Eintragungshindernis – Zeichen, das ausschließlich aus der Form der Ware besteht, die zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich ist – Art. 7 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii der Verordnung (EG) Nr. 40/94 – Beweisangebote“

In der Rechtssache

Lego Juris A/S mit Sitz in Billund (Dänemark),
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin V. von Bomhard sowie Rechtsanwälte A. Renck und T. Dolde,
– Klägerin –

g e g e n

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM),
vertreten durch D. Botis als Bevollmächtigten,
– Beklagter –

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des HABM und Streithelferin vor dem Gericht:

Mega Brands, Inc. mit Sitz in Montreal (Kanada),
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte P. Cappuyns und C. De Meyer,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Großen Kammer des HABM vom 10. Juli 2006 (Sache R 856/2004‑G) zu einem Nichtigkeitsverfahren zwischen der Mega Brands, Inc. und der Lego Juris A/S

e r l ä s s t

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Achte Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin M. E. Martins Ribeiro sowie der Richter S. Papasavvas (Berichterstatter) und A. Dittrich,

Kanzler: J. Plingers, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. Juni 2008

folgendes

Urteil:

Vorgeschichte des Rechtsstreits

Am 1. April 1996 meldete die Kirkbi A/S, deren Rechtsnachfolgerin die Klägerin, die Lego Juris A/S, ist, gemäß der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in geänderter Fassung beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) eine Gemeinschaftsmarke an.

Dabei handelte es sich um folgendes dreidimensionales Zeichen in roter Farbe:

(Abbildung eines roten LEGO-Bausteins)

Die Marke wurde für folgende Waren der Klassen 9 und 28 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:

– Klasse 9: „Wissenschaftliche, Schifffahrts-, Vermessungs-, elektrische, fotografische, Film-, optische, Wäge-, Mess-, Signal-, Kontroll-, Rettungs- und Unterrichtsapparate und -instrumente, alle soweit sie in Klasse 9 enthalten sind; Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild; Magnet- und elektronische Aufzeichnungsträger, Schallplatten; aufgezeichnete Computerprogramme und Software; Verkaufsautomaten und Mechaniken für geldbetätigte Apparate; Registrierkassen, Rechenmaschinen, Datenverarbeitungsgeräte und Computer; aufgezeichnete Computerprogramme und Software; Feuerlöschgeräte“;

– Klasse 28: „Spiele, Spielzeug; Turn- und Sportartikel (soweit in Klasse 28 enthalten); Christbaumschmuck“.

Am 19. Oktober 1999 wurde die Anmeldemarke als Gemeinschaftsmarke eingetragen.

 Am 21. Oktober 1999 beantragte die Ritvik Holdings Inc., deren Rechtsnachfolgerin die Mega Brands, Inc. ist, die eingetragene Marke gemäß Art. 51 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 40/94 für „Bauspielzeug“ in Klasse 28 für nichtig zu erklären, da der Eintragung die absoluten Eintragungshindernisse gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. a, e Ziff. ii und iii und f der Verordnung entgegenstünden.

Am 8. Dezember 2000 setzte die Nichtigkeitsabteilung das Verfahren bis zur Verkündung des Urteils des Gerichtshofs vom 18. Juni 2002, Philips (C‑299/99, Slg. 2002, I‑5475, im Folgenden: Urteil Philips), aus. Das Verfahren vor der Nichtigkeitsabteilung wurde am 31. Juli 2002 wiederaufgenommen.

Mit Entscheidung vom 30. Juli 2004 erklärte die Nichtigkeitsabteilung die eingetragene Marke für „Bauspielzeug“ in Klasse 28 gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii der Verordnung Nr. 40/94 für nichtig, da die Marke ausschließlich aus der Form der Ware bestehe, die zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich sei.

Am 20. September 2004 legte die Klägerin gegen diese Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung nach den Art. 57 bis 62 der Verordnung Nr. 40/94 beim HABM eine Beschwerde ein. Die Beschwerde wurde der Ersten Beschwerdekammer zur Prüfung zugewiesen.

Am 15. November 2004 lehnte die Klägerin die Vorsitzende der Ersten Beschwerdekammer wegen Besorgnis der Befangenheit gemäß Art. 132 Abs. 3 der Verordnung Nr. 40/94 ab. Mit der Entscheidung R 856/2004‑1 entschied die Erste Beschwerdekammer, die ursprünglich bestimmte Vorsitzende durch ihren ersten Vertreter zu ersetzen.

Mit Fernkopie vom 30. September 2005 beantragte die Klägerin, zum einen wegen der Komplexität der Sache gemäß Art. 75 Abs. 1 der Verordnung Nr. 40/94 eine mündliche Verhandlung anzuordnen und zum anderen die Sache nach Art. 130 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 40/94 an die Große Kammer zu verweisen.

Auf Vorschlag des Präsidenten der Beschwerdekammern verwies deren Präsidium am 7. März 2006 die Sache nach Art. 1b Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 216/96 der Kommission vom 5. Februar 1996 über die Verfahrensordnung vor den Beschwerdekammern des HABM (ABl. L 28, S. 11) an die Große Kammer.

Mit Entscheidung vom 10. Juli 2006 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) lehnte die Große Kammer den Antrag der Klägerin auf Anordnung einer mündlichen Verhandlung ab. Weiter wies sie die Beschwerde als unbegründet zurück, da die Marke nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii der Verordnung Nr. 40/94 für „Bauspielzeug“ in Klasse 28 nicht eintragungsfähig sei.

Zur Begründung führte die Große Kammer in den Randnrn. 32 und 33 der angefochtenen Entscheidung aus, dass der Erwerb von Unterscheidungskraft nach Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 40/94 dem Eingreifen von Art. 7 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii der Verordnung nicht entgegenstehen könne. In Randnr. 34 der angefochtenen Entscheidung wies sie ferner darauf hin, dass Art. 7 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii der Verordnung Nr. 40/94 die Eintragung von Formen verhindern solle, deren wesentliche Merkmale einer technischen Funktion entsprächen, so dass sie frei von jedermann benutzt werden könnten. In Randnr. 36 führte die Beschwerdekammer aus, dass eine Form dem Verbot nicht entgehe, wenn sie ein geringfügiges willkürliches Element wie eine Farbe enthalte. In Randnr. 58 verneinte sie die Relevanz anderer Formen, mit denen die gleiche technische Wirkung erzielt werden könne. In Randnr. 60 erläuterte sie, dass das Wort „ausschließlich“ in Art. 7 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii der Verordnung Nr. 40/94 bedeute, dass die Form keinen anderen Zweck habe als die Erreichung einer technischen Wirkung, und dass das ebenfalls in der Bestimmung enthaltene Wort „erforderlich“ bedeute, dass die Form für die Erreichung dieser technischen Wirkung benötigt werde, woraus aber nicht folge, dass andere Formen die gleiche Aufgabenstellung nicht auch erfüllen könnten. Im Übrigen erörterte die Beschwerdekammer in den Randnrn. 54 und 55 die Merkmale der fraglichen Form, die sie als die wesentlichen Merkmale ansah, und untersuchte in den Randnrn. 41 bis 63 deren Funktionalität.

Verfahren und Anträge der Verfahrensbeteiligten:

Mit Klageschrift, die am 25. September 2006 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben. Am 29. und 30. Januar 2007 haben die Streithelferin und das HABM ihre Klagebeantwortung eingereicht.

Mit Schreiben vom 11. Juni 2007 hat die Streithelferin beantragt, einen Beschluss des deutschen Bundespatentgerichts vom 2. Mai 2007 zu den Akten zu nehmen. Mit Entscheidung vom 25. Juli 2007 hat der Präsident der Dritten Kammer des Gerichts diesem Antrag stattgegeben. Die Klägerin hat zu der Entscheidung des deutschen Bundespatentgerichts am 21. August 2007 Stellung genommen. Das HABM hat sich innerhalb der gesetzten Frist nicht geäußert.

Im Rahmen der Änderung der Zusammensetzung der Kammern des Gerichts ab 25. September 2007 ist der Berichterstatter der Sechsten Kammer zugeteilt worden, der die vorliegende Rechtssache daher zugewiesen worden ist.

Am 12. November 2007 hat die Klägerin beantragt, einen Beschluss des Regionalen Gerichtshofs Budapest (Ungarn) vom 12. Juli 2007 zu den Akten zu nehmen. Mit Entscheidung vom 22. November 2007 hat der Präsident der Sechsten Kammer des Gerichts diesem Antrag stattgegeben. Die Streithelferin hat zu der ungarischen Entscheidung am 14. Dezember 2007 Stellung genommen. Das HABM hat sich innerhalb der gesetzten Frist nicht geäußert.

Wegen Verhinderung des ursprünglich benannten Berichterstatters hat der Präsident des Gerichts mit Entscheidung vom 9. Januar 2008 einen neuen, der Achten Kammer angehörenden Berichterstatter benannt, an die die vorliegende Rechtssache daher verwiesen worden ist.

Die Klägerin beantragt,

– die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

– dem HABM die Kosten aufzuerlegen.

Das HABM und die Streithelferin beantragen,

– die Klage abzuweisen;

– der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Zur Zulässigkeit der erstmals beim Gericht eingereichten Unterlagen:

Es ist vorab festzustellen, dass die von der Streithelferin und der Klägerin eingereichten Beschlüsse eines deutschen und eines ungarischen Gerichts (vgl. oben, Randnrn. 15 und 17) erstmals vor dem Gericht geltend gemacht worden sind.

Insoweit ist daran zu erinnern, dass die beim Gericht erhobene Klage der Nachprüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidungen der Beschwerdekammer des HABM im Sinne von Art. 63 der Verordnung Nr. 40/94 dient. Daher ist es nicht Aufgabe des Gerichts, die tatsächlichen Umstände im Licht erstmals vor ihm vorgelegter Beweismittel zu überprüfen. Die Zulassung solcher Beweismittel verstößt nämlich gegen Art. 135 § 4 der Verfahrensordnung des Gerichts, wonach die Schriftsätze der Parteien den vor der Beschwerdekammer verhandelten Streitgegenstand nicht ändern können (Urteil des Gerichts vom 6. März 2003, DaimlerChrysler/HABM [Kühlergrill], T‑128/01, Slg. 2003, II‑701, Randnr. 18).

Die Streithelferin und die Klägerin können sich daher auf die genannten Beschlüsse nicht als Beweismittel für den Sachverhalt der vorliegenden Rechtssache berufen.

Es ist indessen klarzustellen, dass weder die Verfahrensbeteiligten noch das Gericht selbst daran gehindert sind, in ihre Auslegung des Gemeinschaftsrechts Elemente einzubeziehen, die sich aus der gemeinschaftlichen, nationalen oder internationalen Rechtsprechung ergeben. Diese Möglichkeit der Berücksichtigung nationaler gerichtlicher Entscheidungen ist nicht Gegenstand der oben in Randnr. 22 zitierten Rechtsprechung, denn es geht in diesem Zusammenhang nicht darum, der Beschwerdekammer vorzuwerfen, sie habe in einem bestimmten nationalen Urteil genannte Tatsachen außer Betracht gelassen, sondern um die Rüge, dass sie gegen eine Vorschrift der Verordnung Nr. 40/94 verstoßen habe, wobei Rechtsprechung zur Untermauerung dieser Rüge herangezogen wird (Urteil des Gerichts vom 24. November 2005, Sadas/HABM – LTJ Diffusion [ARTHUR ET FELICIE], T‑346/04, Slg. 2005, II‑4891, Randnr. 20, vom 8. Dezember 2005, Castellblanch/HABM – Champagne Roederer [CRISTAL CASTELLBLANCH], T‑29/04, Slg. 2005, II‑5309, Randnr. 16, und vom 12. Juli 2006, Vitakraft-Werke Wührmann/HABM – Johnson’s Veterinary Products [VITACOAT], T‑277/04, Slg. 2006, II‑2211, Randnr. 71).

Folglich sind die von der Streithelferin und der Klägerin eingereichten Beschlüsse eines deutschen und eines ungarischen Gerichts zulässig, soweit sie in der vorliegenden Rechtssache für die Auslegung des Art. 7 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii der Verordnung Nr. 40/94 dienlich sein können.

Zur Begründetheit:

Die Klägerin macht einen einzigen Klagegrund geltend, mit dem sie einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii der Verordnung Nr. 40/94 rügt. Dieser Klagegrund besteht aus zwei Teilen. Mit dem ersten Teil wird eine fehlerhafte Auslegung der genannten Bestimmung beanstandet und mit dem zweiten eine verfehlte Beurteilung des Schutzgegenstands der fraglichen Marke.

Zum ersten Teil des Klagegrundes: fehlerhafte Auslegung des Art. 7 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii der Verordnung Nr. 40/94

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

Die Klägerin trägt erstens vor, dass Art. 7 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii der Verordnung Nr. 40/94 nach seinem Wortlaut nicht darauf abziele, funktionale Formen als solche von der Eintragung als Marke auszuschließen, sondern nur solche Zeichen, die „ausschließlich“ aus der Form der Ware bestünden, die zur Erreichung einer technischen Wirkung „erforderlich“ sei. Eine Form falle daher nur unter diese Bestimmung, wenn sie keine nichtfunktionalen Merkmale aufweise, und ihre äußere Erscheinung dürfe in ihren unterscheidungskräftigen Merkmalen nicht geändert werden können, ohne dass sie ihre Funktionalität verliere.

Zweitens zeige der Kontext des Art. 7 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii der Verordnung Nr. 40/94, dass eine Form, die nicht unter das in dieser Bestimmung vorgesehene absolute Eintragungshindernis falle, darüber hinaus den Voraussetzungen gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. b bis d der Verordnung entsprechen müsse. Aus der Rechtsprechung ergebe sich, dass Formen nur eintragungsfähig seien, wenn sie Unterscheidungskraft erworben hätten, und diese Voraussetzung sei nur selten erfüllt. Es sei daher nicht erforderlich, Art. 7 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii der Verordnung Nr. 40/94 extensiv auszulegen, um das öffentliche Interesse an der Verfügbarkeit von Formen zu wahren oder die Monopolisierung von Produktmerkmalen zu verhindern. Daraus folge, dass diese Bestimmung weder die Verfügbarkeit von Formen erhalten noch eine Monopolisierung von Produktmerkmalen verhindern solle. Sie ziele nur darauf ab, technische Lösungen für die Wettbewerber freizuhalten.

Drittens werde nach dem Urteil Philips mit Art. 7 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii der Verordnung Nr. 40/94 nicht das Ziel verfolgt, funktionale Formen als solche vom Markenschutz auszuschließen, sondern nur diejenigen funktionalen Formen, deren Schutz ein Monopol für technische Lösungen oder für Gebrauchseigenschaften der Form schüfe, die der Benutzer auch bei den Waren der Mitbewerber suchen könne. Dem Urteil Philips sei außerdem zu entnehmen, dass im Rahmen der Beurteilung der Unterscheidungskraft die Bestimmung nicht die Eintragung von Formen verhindern solle, die keine willkürliche Ergänzung ohne funktionelle Bedeutung aufwiesen. Diese Erwägung gelte auch für die Beurteilung der Funktionalität.

Folglich schließe Art. 7 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii der Verordnung Nr. 40/94 nicht alle „industriellen Formgebungen“ vom Markenschutz aus. Solche Formen könnten als Marken eingetragen werden, selbst wenn sie ausschließlich aus Elementen bestünden, die eine Funktion besäßen. Die entscheidende Frage sei die, ob der Markenschutz ein Monopol an technischen Lösungen oder an Gebrauchseigenschaften der fraglichen Form schüfe oder ob die Wettbewerber über genügend Freiheit verfügten, um die gleiche technische Lösung anzuwenden und die gleichen Merkmale zu nutzen. In der Rechtssache Philips sei es die vom vorlegenden Gericht festgestellte Gefahr der Begründung eines Monopols mangels Verfügbarkeit alternativer Formen gewesen, die den Gerichtshof in seinem Urteil zu der Feststellung veranlasst habe, dass die Mitbewerber nicht auf andere „technische Lösungen“ verwiesen werden dürften.

Der Gerichtshof habe nämlich in Randnr. 84 des Urteils Philips nicht erklärt, dass Alternativformen sämtlich irrelevant seien. Der Gerichtshof habe entschieden, dass dann, wenn die wesentlichen Merkmale einer Form nur der „technischen Wirkung“ zuzuschreiben seien, die Erreichbarkeit der gleichen Wirkung durch andere Formen, die andere „technische Lösungen“ nutzten, nicht bedeute, dass die Form eintragbar würde. In Wirklichkeit sei das Vorhandensein von funktional gleichwertigen Alternativformen, die die gleiche „technische Lösung“ nutzten, das einzige Kriterium, um festzustellen, ob sich aus der Gewährung von Markenschutz ein Monopol ergäbe; dies sei auch in der amerikanischen Funktionalitätstheorie („functionality doctrine“) anerkannt.

Im Urteil Philips habe der Gerichtshof den Ausdruck „technische Lösung“ verwendet, soweit er das Ziel der Verhinderung einer Monopolbegründung im Auge gehabt habe, während er sich des Ausdrucks „technische Wirkung“ bedient habe, soweit er sich auf andere Formen bezogen habe. Diese Ausdrücke bezeichneten nämlich unterschiedliche Begriffe, da eine „technische Wirkung“ durch verschiedene „technische Lösungen“ erzielt werden könne. Der Gerichtshof habe damit die Möglichkeit ausgeschlossen, Wettbewerber auf andere technische Lösungen zur Erreichung der gleichen Wirkung zu verweisen, während durch das Vorhandensein alternativer Formen, die die gleiche technische Lösung umsetzten, bewiesen werde, dass es keine Gefahren der Monopolisierung gebe.

Diese Unterscheidung entspreche auch der patentrechtlichen Terminologie, in der der Ausdruck „technische Lösung“ synonym mit dem Begriff „patentierte Erfindung“ sei, die die Reichweite des Patentschutzes bestimme und die Erzielung einer „technischen Wirkung“ erlaube. Das gleiche Ergebnis könne rechtmäßig auch durch andere patentierte Erfindungen erzielt werden, während die gleiche „technische Lösung“ nutzende Alternativformen das Patent verletzten. Hingegen verletzten solche Alternativformen nicht eine Marke, die bestimmte Gestaltungen ein und derselben „technischen Lösung“ schütze, sofern die Unterschiede zwischen den Gestaltungen den Verbrauchern die Unterscheidung der Waren ermöglichten. Der Markenschutz bewirke somit kein dauerhaftes technisches Monopol, sondern erlaube den Wettbewerbern des Markeninhabers die Verwendung der gleichen „technischen Lösung“.

Viertens zeige die historische Auslegung, dass der Rat dem Wortlaut des Art. 7 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii der Verordnung Nr. 40/94 die Wörter „ausschließlich“ und „erforderlich“ eingefügt habe, um einem Wettbewerber die Möglichkeit zu nehmen, sich die Reputation einer vertrauten Form mit einer signifikanten technischen Wirkung zunutze zu machen, indem die Eintragung einer solchen Form nicht ausgeschlossen werde, wenn diese Wirkung mittels anderer Formen erreicht werden könne.

Das HABM und die Streithelferin meinen, dass die von der Klägerin vorgeschlagene Auslegung mit dem Urteil Philips unvereinbar sei, da der Gerichtshof entschieden habe, dass das in Art. 7 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii der Verordnung Nr. 40/94 vorgesehene Verbot alle Formen erfasse, die im Wesentlichen funktionaler Art seien und einer technischen Wirkung zugeschrieben werden könnten.

Würdigung durch das Gericht

Nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii der Verordnung Nr. 40/94 sind von der Eintragung Zeichen ausgeschlossen, „die ausschließlich … aus der Form der Ware [bestehen], die zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich ist“. Ebenso sind nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. e zweiter Gedankenstrich der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 1989, L 40, S. 1, im Folgenden: Richtlinie) von der Eintragung Zeichen ausgeschlossen, „die ausschließlich … aus der Form der Ware [bestehen], die zur Herstellung einer technischen Wirkung erforderlich ist“.

Im vorliegenden Fall wirft die Klägerin der Großen Kammer im Wesentlichen vor, sie habe die Reichweite des Art. 7 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii der Verordnung Nr. 40/94 und insbesondere die der darin enthaltenen Wörter „ausschließlich“ und „erforderlich“ verkannt, indem sie angenommen habe, dass das Vorhandensein von funktional gleichwertigen Alternativformen, die die gleiche technische Lösung nutzten, für die Anwendung dieser Vorschrift unerheblich sei.

Insoweit ist erstens festzustellen, dass das Wort „ausschließlich“, das sowohl in Art. 7 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii der Verordnung Nr. 40/94 als auch in Art. 3 Abs. 1 Buchst. e zweiter Gedankenstrich der Richtlinie enthalten ist, im Licht des in den Randnrn. 79, 80 und 83 des Urteils Philips verwendeten Ausdrucks „wesentliche Merkmale, die einer technischen Funktion entsprechen“ zu lesen ist. Diesem Ausdruck kann nämlich entnommen werden, dass eine Form durch das Hinzufügen von nicht wesentlichen Merkmalen, die keine technische Funktion haben, diesem absoluten Eintragungshindernis nicht entgeht, wenn alle wesentlichen Merkmale der Form einer technischen Funktion entsprechen. Die Große Kammer hat daher ihre Prüfung der Funktionalität der in Frage stehenden Form zu Recht anhand der Merkmale vorgenommen, die sie als wesentlich betrachtete. Es ist daher festzustellen, dass sie den Ausdruck „ausschließlich“ richtig ausgelegt hat.

Zweitens ergibt sich aus den Randnrn. 81 und 83 des Urteils Philips, dass die Formulierung „zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich“, die sowohl in Art. 7 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii der Verordnung Nr. 40/94 als auch in Art. 3 Abs. 1 Buchst. e zweiter Gedankenstrich der Richtlinie enthalten ist, nicht bedeutet, dass dieses absolute Eintragungshindernis nur eingriffe, wenn die fragliche Form die einzige ist, die die Erreichung der betreffenden Wirkung erlaubt. Der Gerichtshof hat nämlich in Randnr. 81 entschieden, dass durch den Umstand, „dass es andere Formen gibt, die die gleiche technische Wirkung ermöglichen, das Eintragungshindernis … [nicht] ausgeräumt werden kann“, und in Randnr. 83, dass „ein aus [der fraglichen] Form bestehendes Zeichen von der Eintragung aus[geschlossen ist], selbst wenn die fragliche technische Wirkung durch andere Formen erzielt werden kann“. Für das Eingreifen dieses absoluten Eintragungshindernisses genügt es also, dass die wesentlichen Merkmale der Form jene Merkmale aufweisen, die für das Erreichen der fraglichen technischen Wirkung technisch kausal und hinreichend sind, so dass sie der technischen Wirkung zuzuschreiben sind. Die Große Kammer hat daher fehlerfrei entschieden, dass das Wort „erforderlich“ bedeutet, dass die Form für die Erreichung dieser technischen Wirkung benötigt wird, selbst wenn diese durch andere Formen erreicht werden kann.

Drittens ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof entgegen dem Vorbringen der Klägerin in den Randnrn. 81 und 83 des Urteils Philips die Beachtlichkeit des Vorhandenseins von „andere[n] Formen …, die die gleiche technische Wirkung ermöglichen“, verneint hat, ohne die Formen, die eine andere „technische Lösung“ nutzen, von denen zu unterscheiden, die die gleiche „technische Lösung“ nutzen.

Überdies soll nach den Ausführungen des Gerichtshofs Art. 3 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie „verhindern, dass der Schutz des Markenrechts seinem Inhaber ein Monopol für … Gebrauchseigenschaften einer Ware einräumt“, und „vermeiden, dass der durch das Markenrecht gewährte Schutz … zu einem Hindernis für die Mitbewerber wird, Waren mit … diesen Gebrauchseigenschaften im Wettbewerb mit dem Markeninhaber frei anzubieten“ (Randnr. 78 des Urteils Philips). Es lässt sich aber nicht ausschließen, dass die Gebrauchseigenschaften einer Ware, die nach der Entscheidung des Gerichtshofs auch für Mitbewerber zur Verfügung stehen müssen, spezifisch einer bestimmten Form zugehören.

Zudem hat der Gerichtshof in Randnr. 80 des Urteils Philips hervorgehoben, dass Art. 3 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie „das im Allgemeininteresse liegende Ziel verfolgt, dass eine Form, deren wesentliche Merkmale einer technischen Funktion entsprechen …, von allen frei verwendet werden kann“. Diese Zielsetzung ist also nicht allein auf die in einer solchen Form verkörperte technische Lösung gerichtet, sondern auch auf die Form und ihre wesentlichen Merkmale selbst. Da folglich die Form als solche frei benutzt werden können muss, kann der von der Klägerin vertretenen Unterscheidung nicht gefolgt werden.

Nach alledem steht Art. 7 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii der Verordnung Nr. 40/94 der Eintragung jeder Form entgegen, die in ihren wesentlichen Merkmalen ausschließlich aus der Form der Ware besteht, die für das Erreichen der fraglichen technischen Wirkung technisch kausal und hinreichend ist, selbst wenn diese Wirkung durch andere Formen erreicht werden kann, die die gleiche oder eine andere technische Lösung nutzen.

Folglich ist festzustellen, dass die Große Kammer Art. 7 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii der Verordnung Nr. 40/94 nicht fehlerhaft ausgelegt hat.

Dieses Ergebnis wird durch die übrigen Argumente der Klägerin nicht in Frage gestellt.

Soweit die Klägerin erstens geltend macht, Art. 7 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii der Verordnung Nr. 40/94 sei nicht extensiv auszulegen, weil eine Form den Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und 3 der Verordnung nur selten genügen werde, genügt der Hinweis, dass mit diesen Eintragungshindernissen unterschiedliche Zwecke verfolgt werden und ihr Eingreifen von dem Vorliegen unterschiedlicher Voraussetzungen abhängt. Jedes von ihnen ist daher, wie der Gerichtshof in Randnr. 77 des Urteils Philips hervorgehoben hat, im Licht des Allgemeininteresses auszulegen, das ihm jeweils zugrunde liegt, und nicht im Hinblick auf etwaige praktische Wirkungen, die aus dem Eingreifen anderer Eintragungshindernisse resultieren. Dieses Argument ist daher zurückzuweisen.

Was zweitens den Vergleich zwischen dem Markenrecht und dem Patentrecht angeht, ist festzustellen, dass er auf einer Unterscheidung zwischen den Formen beruht, die die gleiche technische Lösung verkörpern, und denen, die andere technische Lösungen verkörpern (vgl. oben, Randnr. 33). Wie jedoch oben in den Randnrn. 40 bis 43 festgestellt worden ist, kann eine solche Unterscheidung nicht vorgenommen werden. Dieses Argument ist daher gleichfalls zurückzuweisen.

Drittens ist darauf hinzuweisen, dass das Vorbringen zu der Entstehungsgeschichte des Art. 7 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii der Verordnung Nr. 40/94 bereits in der Rechtssache Philips vorgetragen worden war, ohne dass dies die vom Gerichtshof vorgenommene Prüfung beeinflusst hätte, und dass sie im Übrigen in jener Rechtssache von Generalanwalt Ruiz-Jarabo Colomer in Nr. 41 seiner Schlussanträge (Slg. 2002, I‑5475) zurückgewiesen wurde. Diesem Argument kann daher nicht gefolgt werden.

Demnach ist der erste Teil des Klagegrundes zurückzuweisen.

Zum zweiten Teil des Klagegrundes: fehlerhafte Beurteilung des Schutzgegenstands der in Frage stehenden Marke

Im Rahmen des zweiten Teils des Klagegrundes erhebt die Klägerin im Wesentlichen drei Rügen, mit denen sie erstens die mangelhafte Ermittlung der wesentlichen Merkmale der fraglichen Marke, zweitens Fehler bei der Beurteilung des funktionalen Charakters der wesentlichen Merkmale der Marke und drittens die fehlerhafte Berücksichtigung einer nationalen Gerichtsentscheidung beanstandet. Die erste und die zweite Rüge sind zusammen zu prüfen.

Zur ersten und zur zweiten Rüge: mangelhafte Ermittlung der wesentlichen Merkmale der in Frage stehenden Marke und Fehler bei der Beurteilung des funktionalen Charakters dieser wesentlichen Merkmale

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

Im Rahmen zunächst der Rüge einer mangelhaften Ermittlung der wesentlichen Merkmale der in Frage stehenden Marke wirft die Klägerin der Großen Kammer vor, sie habe es versäumt, die wesentlichen Merkmale der fraglichen Form zu ermitteln, nämlich die Gestaltung und die Proportionen der Noppen. Sie habe die Funktionalität des Lego-Steins in seiner Gesamtheit unter Einbeziehung von Elementen geprüft, die, wie die Hohlraumseite und die sekundären Stifte, nicht unter den beantragten Schutz fielen, obgleich die Klägerin darauf hingewiesen habe, dass nur die spezielle Form der Außenfläche von der Anmeldung erfasst werde. Die Große Kammer habe damit verkannt, dass die beantragte Eintragung es der Klägerin ermöglichen würde, Markenanmeldungen von genauso aussehenden Bausteinen entgegenzutreten, nicht aber Anmeldungen von Steinen mit anderem Aussehen, und zwar unabhängig davon, ob sie dieselbe technische Lösung umsetzten oder nicht.

Zweitens ergebe sich aus dem Urteil Philips, dass die wesentlichen Merkmale einer Form aus der Sicht des maßgeblichen Verbrauchers und nicht mittels einer rein technischen Analyse durch Sachverständige zu ermitteln seien, denn logischerweise seien die wesentlichen Merkmale einer Form zu bestimmen, bevor geprüft werde, ob sie eine technische Funktion erfüllten.

Erweise sich sodann, dass die wesentlichen Merkmale der Form rein funktional seien, so ergebe sich daraus ein unerwünschtes Monopol an einer technischen Funktion. Seien sie es hingegen nicht, insbesondere weil sie ohne Beeinträchtigung der technischen Lösung geändert werden könnten, greife Art. 7 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii der Verordnung Nr. 40/94 nicht ein. Jedoch müsse die in Frage stehende Form, um eingetragen werden zu können, außerdem Unterscheidungskraft erworben haben, was eine schwer zu erfüllende Voraussetzung darstelle.

Drittens seien bei der Bestimmung der wesentlichen Merkmale die vorliegenden Nachweise für die Sichtweise der Verbraucher zu berücksichtigen. Im vorliegenden Fall sei durch verschiedene Untersuchungen nachgewiesen worden, dass bei Betrachtung der Oberseite des Lego-Steins ein beträchtlicher Teil der Verbraucher diesen wegen der Gestaltung und der Proportionen der Noppen einer bestimmten Herkunft zuordnete. Eine 1991 in Deutschland durchgeführte Umfrage habe erwiesen, dass die Verbraucher die funktionalen Elemente erfassten und den Lego-Stein von anderen Spielsteinen mit möglicherweise gleicher Funktionsweise wegen der Gestaltung ihrer Noppen unterschieden. Eine zweite Umfrage im Jahr 2003 habe bestätigt, dass die Gestaltung der Noppen ein unterscheidungskräftiges Element sei.

Viertens bemängelt die Klägerin, dass die Große Kammer die von ihr vorgelegten Beweise unter Bezugnahme auf Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 40/94 außer Betracht gelassen habe, obgleich diese Bestimmung niemals Gegenstand der Erörterungen in dem Verfahren gewesen sei, die Art. 7 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii der Verordnung betroffen hätten. Die Große Kammer habe verkannt, dass dieselben Tatsachen und Beweise rechtlich in unterschiedlichen Zusammenhängen relevant sein könnten.

Im Rahmen ihrer zweiten Rüge – Fehler bei der Beurteilung des funktionalen Charakters der wesentlichen Merkmale der fraglichen Marke – führt die Klägerin aus, dass die Beschwerdekammer nicht die Funktionalität der wesentlichen Merkmale der fraglichen Form geprüft habe. Sie habe den Lego-Stein in seiner Gesamtheit untersucht, sich dabei nur auf die von der Streithelferin beigebrachten Gutachten gestützt, die Berücksichtigung der Existenz von Alternativformen verweigert, die die gleiche technische Lösung nutzen, und die Reichweite und die Auswirkungen des früheren Patentschutzes im Hinblick auf die Beurteilung der Funktionalität einer Form verkannt.

Was zuerst den Aspekt der Gutachten angeht, wirft die Klägerin der Großen Kammer erstens vor, dass sie sich ohne kritische Überprüfung auf das von der Streithelferin beigebrachte und bezahlte Gutachten von Herrn M. sowie auf die Gutachten der Herren P. und R. gestützt habe. Da jedoch das Gutachten von Herrn M. die Funktionalität des Lego-Steins in seiner Gesamtheit zum Gegenstand habe, sei es für die Klärung der Funktionalität der wesentlichen Merkmale der fraglichen Form, d. h. der Gestaltung der Noppen, irrelevant. Weiter seien im vorliegenden Fall die Ausführungen von Herrn P. unerheblich, weil sie das Patent „Duplo“ beträfen und sich nur auf die auf der Innenseite der Steine angebrachten „Röhren“ bezögen. Ebenso gelte die Behauptung von Herrn R., dass die zylindrische Noppe vielseitiger sei als die sechseckige, für eine unendliche Zahl von zylindrischen Formen mit sehr unterschiedlichem Erscheinungsbild und nicht nur für die spezielle Gestaltung der fraglichen Marke.

Zweitens macht die Klägerin in diesem Zusammenhang geltend, dass sie entgegen den Darlegungen der Großen Kammer die Ausführungen von Herrn M. zur Funktionalität der Gestaltung der Noppen insbesondere mittels mehrerer Gutachten widerlegt habe. Die Große Kammer habe diese Gutachten aber weder erwähnt noch erklärt, warum nur das Gutachten von Herrn M. glaubhaft und relevant sei. Die Große Kammer habe sogar in Abrede gestellt, dass es überhaupt Beweise für die fehlende Funktionalität der wesentlichen Merkmale des Lego-Steins gebe. Die Klägerin verweist darauf, dass sie gerichtliche Entscheidungen, in denen eine Funktionsbedingtheit der Form des Lego-Steins verneint worden sei, und außerdem sieben Gutachten – nämlich die der Herren H., B.‑W., R. und B. – vorgelegt habe, in denen bestätigt werde, dass die Gestaltung der Noppen keine technische Funktion erfülle. Die Beschwerdekammer hätte alle diese Beweise berücksichtigen müssen und habe durch deren Nichtberücksichtigung die Verteidigungsrechte der Klägerin, und zwar den Anspruch auf rechtliches Gehör, verletzt.

Drittens habe die Weigerung der Großen Kammer, die von der Klägerin vorgelegten Gutachten zu berücksichtigen, zu einer unrichtigen Beurteilung des Sachverhalts geführt. Dem unabhängigen Gutachten von Herrn B.‑W. sei nämlich zu entnehmen, dass die von Lego verwendete Noppenform technisch nicht erforderlich sei, weil es sich nur um eine der unendlich vielen Möglichkeiten handele, ein ideales Ineinandergreifen von zwei neuen Steinen derselben Serie nach ihrem Zusammenbau zu erreichen, und es technische Alternativen gebe, mit denen diese Funktion ebenso gut erfüllt werden könne. Auch Herr R. habe dargelegt, dass es eine Vielzahl von verschiedenen Noppengestaltungen gebe, die funktional sowie nach ihren Herstellungskosten, ihrer Qualität und ihrer Sicherheit mit denen des Lego-Steins völlig gleichwertig seien und sogar mit dem Lego-Stein kompatibel sein könnten. Die Gutachten der Herren B. und H. hätten bestätigt, dass Alternativgestaltungen funktional gleichwertig seien, und aufgezeigt, dass das besondere Erscheinungsbild der Gestaltung des Lego-Steins eine starke Identität vermittele, die sich vor allem aus den eindeutig wiedererkennbaren Noppen ergebe.

Ein zweiter Aspekt im Rahmen der zweiten Rüge liege in der verfehlten Annahme der Großen Kammer, dass es auf die von den Mitbewerbern der Klägerin verwendeten funktional gleichwertigen Alternativgestaltungen nicht ankomme, während diese in Wirklichkeit bedeutsam für die Frage seien, ob der Schutz einer Form ein Monopol an einer technischen Lösung schaffe oder nicht. Die Große Kammer widerspreche sich selbst, wenn sie zum einen ausführe, dass nur die Formen, die zur Erfüllung einer technischen Funktion erforderlich seien, vom Schutz ausgeschlossen seien, zum anderen aber betone, dies bedeute nicht, dass andere Formen nicht die gleiche technische Funktion erfüllen könnten.

In Wirklichkeit gebe es kein anderes Mittel als die Prüfung der alternativen Gestaltungen, um festzustellen, ob die wesentlichen Merkmale einer Form funktional seien und im Fall ihres Schutzes die Gefahr eines Monopols bewirken könnten. Alle Sachverständigen einschließlich derjenigen, auf deren Darlegungen sich die Große Kammer gestützt habe, folgten dieser vergleichenden Herangehensweise, und zwar insbesondere hinsichtlich der alternativen Gestaltungen der Noppen. Aus einer Entscheidung eines US-amerikanischen Berufungsgerichts ergebe sich, dass für die Beurteilung der Funktionalität einer Form die Alternativgestaltungen von Bedeutung seien.

Das Argument schließlich, dass durch die Eintragung aller funktional gleichwertigen Gestaltungen ein Monopol an einer technischen Lösung erlangt werden könne, lasse erkennen, dass sich die Große Kammer selbst nicht sicher gewesen sei, ob die fragliche Marke wirklich ein Monopol bewirken werde. Außerdem ließe sich dieses Argument jeder Anmeldung einer Marke entgegenhalten, für die es nur eine begrenzte Zahl möglicher Kombinationen gebe, so etwa den Zwei-Buchstaben-Kombinationen, die das HABM jedoch zur Eintragung zugelassen habe. Es sei auch unrealistisch, zu behaupten, es sei „leicht, alle denkbaren Formen einzutragen“, weil eine Form die übrigen absoluten Eintragungshindernisse überwinden müsse, was nur im Fall von sehr wenigen dreidimensionalen Zeichen dank des Erwerbs von Unterscheidungskraft gelungen sei.

Als ein dritter Aspekt im Rahmen dieser Rüge sei zu beachten, dass die Große Kammer die Auswirkungen des früheren Patentschutzes auf die Beurteilung der Funktionalität einer Form verkannt habe. Ein und derselbe Gegenstand könne durch verschiedene Rechte des geistigen Eigentums geschützt sein.

Die Große Kammer habe erstens verkannt, dass ein früheres Patent im amerikanischen Recht kein unwiderlegbarer Beweis für die Funktionalität der offengelegten Merkmale sei, sondern ein Beweis, der durch den Nachweis der Verfügbarkeit funktional gleichwertiger Gestaltungen überwunden werden könne. Diese Rechtsprechung beziehe sich außerdem auf die mit einem Patent beanspruchten Merkmale und nicht auf die offengelegten Merkmale, wie die Beschwerdekammer fälschlicherweise angenommen habe. Schließlich gebe es im europäischen Markenrecht keine Funktionalitätstheorie wie in den USA.

Zweitens habe die Große Kammer verkannt, dass die wesentlichen Merkmale der fraglichen Marke, die kreiszylindrischen Noppen, keine patentierbare Erfindung seien und nie durch ein Patent geschützt gewesen seien. Beansprucht worden sei ein spezieller Mechanismus der Zusammenfügung von Bausteinen, der von keiner besonderen Gestaltung der Noppen abhängig sei. Das zeige zum einen, dass die Gestaltung der Noppen für die Funktionalität eines Spielbausteins irrelevant sei, und zum anderen, dass die früheren Patente niemals Dritte daran gehindert hätten, eine bestimmte Noppenform zu verwenden. Die Große Kammer habe aber die hierzu von der Klägerin vorgebrachten Tatsachen und Argumente nicht geprüft.

Drittens lasse sich daraus, dass die „zylindrischen“ Stifte in den Patenten als die bevorzugte Ausführung der Noppen beschrieben worden seien, nicht herleiten, dass die technische Lösung nur durch solche Stifte erreicht werden könne oder dass die Gestaltung der Noppen funktional wäre. Überdies beziehe sich der technische Ausdruck „zylindrisch“ auf eine unendliche Zahl unterschiedlich aussehender Zylinderformen. Es habe daher niemals ein patentrechtlich gewährtes Monopol an „zylindrischen“ Stiften gegeben.

Viertens könne ein visuell ähnlicher Baustein die Rechte an der Marke des Lego-Steins verletzen, nicht aber das frühere Patent, wenn er eine unterschiedliche technische Lösung nutze. Umgekehrt könnten alternative Formen frühere Patente verletzen, nicht aber die fragliche Marke, wenn sie sich durch ihre Oberseite unterschieden. Folglich gewähre die fragliche Marke keine ausschließlichen Rechte an einer technischen Lösung und verlängere nicht den sich aus den früheren Patenten ergebenden Schutz. Dass zahlreiche Konkurrenten Bausteine mit unterschiedlichem Erscheinungsbild, aber unter Verwendung der gleichen technischen Lösung vermarktet hätten, beweise, dass die Konkurrenz nicht durch ausschließliche Rechte der Klägerin beeinträchtigt sei.

Als ein vierter Aspekt im Rahmen dieser Rüge schließlich sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin durch den Schutz der fraglichen Form als Marke kein Monopol an der technischen Lösung erlange, da die gleiche technische Lösung durch eine unendliche Zahl von verschiedenen Formen erreicht werden könne, die die Verbraucher unterscheiden könnten. Deshalb brauchten die Mitbewerber für die Nutzung der gleichen technischen Lösung nicht die Form des Lego-Steins nachzuahmen, die wegen ihrer Bekanntheit für andere Marktteilnehmer wirtschaftlich attraktiv sei. Ein solches wirtschaftliches Interesse werde aber durch Art. 7 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii der Verordnung Nr. 40/94 nicht geschützt, der im vorliegenden Fall nicht eingreife, weil das Problem eines Monopols nicht bestehe.

Das HABM und die Streithelferin treten diesem Vorbringen der Klägerin entgegen.

Würdigung durch das Gericht

Soweit die Klägerin erstens geltend macht, dass die Ermittlung der wesentlichen Merkmale der fraglichen Form aus der Sicht des Verbrauchers vorzunehmen sei und dass bei der Analyse die Verbraucherumfragen zu berücksichtigen seien, ist darauf hinzuweisen, dass diese Ermittlung im Rahmen von Art. 7 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii der Verordnung Nr. 40/94 mit dem konkreten Ziel vorgenommen wird, die Prüfung der Funktionalität der in Frage stehenden Form zu ermöglichen. Um die Funktionalität der wesentlichen Merkmale einer Form zu untersuchen, ist jedoch die Wahrnehmung des angesprochenen Verbrauchers nicht erheblich. Denn der angesprochene Verbraucher verfügt möglicherweise nicht über die technischen Kenntnisse, die für die Beurteilung der wesentlichen Merkmale einer Form erforderlich sind, so dass aus seiner Sicht bestimmte Merkmale wesentlich sein können, obgleich sie es im Kontext einer Untersuchung der Funktionalität nicht sind, und umgekehrt. Es ist deshalb festzustellen, dass die wesentlichen Merkmale einer Form für die Anwendung von Art. 7 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii der Verordnung Nr. 40/94 in objektiver Weise und auf der Grundlage der grafischen Darstellung und etwaigen Beschreibungen, die bei der Anmeldung eingereicht wurden, bestimmt werden müssen.

Aus dem in der vorstehenden Randnummer Gesagten ergibt sich im Übrigen, dass die Klägerin der Großen Kammer zu Unrecht vorwirft, sie habe die jeweilige Reichweite des (die Funktionalität einer Form betreffenden) Art. 7 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii und des (ihre erworbene Unterscheidungskraft betreffenden) Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 40/94 verkannt, und dass sie nicht mit Erfolg geltend machen kann, dass in beiden Fallgestaltungen Verbraucherumfragen maßgebend sein müssten.

Zweitens beanstandet die Klägerin, dass die Große Kammer die Bestimmung der wesentlichen Merkmale der in Frage stehenden Form versäumt und nicht die in Frage stehende Form, sondern den Lego-Stein in seiner Gesamtheit geprüft habe, wobei sie in ihre Analyse die nicht sichtbaren Elemente wie den inneren Hohlraum und die sekundären Stifte einbezogen habe.

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung die Form nur so, wie sie oben in Randnr. 2 wiedergegeben ist, Gegenstand der Prüfung der Anmeldung sein darf (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 30. November 2005, Almdudler-Limonade/HABM [Form einer Limonadenflasche], T‑12/04, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 42 bis 45, vom 17. Januar 2006, Henkel/HABM [Rot-weiße rechteckige Tablette mit einem blauen ovalen Kern], T‑398/04, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 25, und vom 31. Mai 2006, De Waele/HABM [Form einer Wurst], T‑15/05, Slg. 2006, II‑1511, Randnr. 36). Da nämlich die grafische Darstellung den Zweck hat, die Marke selbst festzulegen, muss sie in sich abgeschlossen sein, um klar und eindeutig den genauen Gegenstand des Schutzes zu bestimmen, den die eingetragene Marke ihrem Inhaber gewährt (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil des Gerichtshofs vom 12. Dezember 2002, Sieckmann, C‑273/00, Slg. 2002, I‑11737, Randnrn. 48 und 50 bis 52). Da im vorliegenden Fall die Klägerin die in Frage stehende Form bei der Anmeldung nur mittels der oben in Randnr. 2 wiedergegebenen grafischen Darstellung beschrieben hat und jede spätere Beschreibung unberücksichtigt bleiben muss (vgl. in diesem Sinne Urteil Form einer Limonadenflasche, Randnr. 42), sind die wesentlichen Merkmale allein auf der Grundlage dieser Darstellung zu bestimmen.

Den Randnrn. 38, 39, 42, 54, 55 und 61 bis 63 der angefochtenen Entscheidung ist zu entnehmen, dass die Große Kammer den Lego-Stein tatsächlich in seiner Gesamtheit geprüft und insbesondere, in den Randnrn. 54 und 55 der angefochtenen Entscheidung, den inneren Hohlraum und die sekundären Stifte, die in der Darstellung der fraglichen Marke nicht sichtbar sind, als wesentliche Merkmale benannt hat, die Gegenstand der Prüfung seien.

Es ist jedoch festzustellen, dass diese Prüfung auch alle Elemente umfasste, die in der oben in Randnr. 2 wiedergegebenen grafischen Darstellung sichtbar sind und die nach Auffassung der Großen Kammer alle bestimmte technische Funktionen erfüllen, nämlich – laut Randnr. 54 der angefochtenen Entscheidung – die Höhe und der Durchmesser der primären Noppen im Hinblick auf die Haftkraft der Spielsteine, die Zahl der Noppen im Hinblick auf die Vielseitigkeit beim Zusammenbau und die Noppenanordnung zwecks Ineinandergreifen beim Zusammenbau, ferner die Seitenflächen für die Verbindung mit anderen Seitenflächen zu einer Mauer, die Gesamtform eines Bausteins und schließlich dessen Größe für seine Handhabbarkeit durch Kinder. Es ist ebenfalls festzustellen, dass die Akten nichts enthalten, was die zutreffende Bestimmung dieser Merkmale als die wesentlichen Merkmale der fraglichen Form in Frage stellen könnte.

Da aber die Große Kammer somit alle wesentlichen Merkmale der fraglichen Form fehlerfrei bestimmt hat, ist der Umstand, dass sie auch andere Merkmale berücksichtigt hat, auf die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung ohne Einfluss.

Die erste Rüge ist daher zurückzuweisen.

Zur zweiten Rüge ist hervorzuheben, dass die Große Kammer im Rahmen der Untersuchung der Funktionalität der auf diese Weise bestimmten wesentlichen Merkmale durch nichts daran gehindert war, auch nicht sichtbare Elemente des Lego-Steins wie den inneren Hohlraum und die sekundären Stifte sowie jedes andere relevante Beweiselement zu berücksichtigen. Die Große Kammer hat sich im vorliegenden Fall insoweit auf die früheren Patente der Klägerin, auf deren Angabe, dass diese Patente die funktionalen Elemente des Lego-Steins beschrieben, und auf die Gutachten der Herren M., P. und R. gestützt.

In diesem Zusammenhang wirft die Klägerin der Großen Kammer vor, dass sie ohne kritische Überprüfung das Gutachten von Herrn M. herangezogen habe, das zudem den Lego-Stein in seiner Gesamtheit zum Gegenstand habe. Die Klägerin weist weiter darauf hin, dass die Äußerungen von Herrn P. den Duplo-Stein und die von Herrn R. alle zylindrischen Noppenformen und nicht nur die des Lego-Steins beträfen. Es ist jedoch festzustellen, dass sich die Herren P. und R. zur Funktionalität zylindrischer Noppen als solcher geäußert haben und dass sich die Große Kammer auf diese Äußerungen bezogen hat, gerade um ihre Beurteilung der Funktionalität der zylindrischen primären Noppen der fraglichen Form zu untermauern. Zwar wurde das Gutachten von Herrn M. von der Streithelferin vorgelegt und bezahlt, jedoch bestätigen die früheren Patente die Feststellungen von Herrn M. zur Funktionalität der Merkmale des Lego-Steins ebenso wie im Übrigen die von der Klägerin beigebrachten Gutachten. Ferner ist der von der Klägerin hervorgehobene Umstand, dass die Untersuchungen von Herrn M. den Lego-Stein in seiner Gesamtheit betreffen, unerheblich, weil diese Untersuchungen die Funktionalität der wesentlichen Merkmale der fraglichen Form umfassen.

Aus dem Vorstehenden folgt auch, dass das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen ist, dem zufolge durch ihre eigenen Gutachten die fehlende Funktionalität der wesentlichen Merkmale der fraglichen Form nachgewiesen worden sei. Die Sachverständigengutachten und die Urteile nationaler Gerichte, auf die sich die Klägerin für ihr Vorbringen beruft, wonach die Alternativformen als Beleg für die fehlende Funktionalität des Zeichens relevant seien, beweisen nämlich ihrer Auffassung nach, dass die Form des Lego-Steins nicht die einzige Form sei, mit der sich die gewünschte Wirkung erzielen lasse, und dass sie daher nicht technisch erforderlich sei. Oben in Randnr. 42 ist jedoch festgestellt worden, dass die Beurteilung der Funktionalität einer Form unabhängig vom Bestehen anderer Formen vorzunehmen ist, und oben in Randnr. 39, dass das Wort „erforderlich“ bedeutet, dass die Form die für die Erreichung der fraglichen Wirkung technisch hinreichenden Merkmale aufweisen muss.

Daher ist gleichfalls das Vorbringen zurückzuweisen, dass die Große Kammer durch die Nichtberücksichtigung der von der Klägerin beigebrachten Gutachten den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt habe. Da nämlich das sich aus diesen Gutachten ergebende Vorbringen auf der verfehlten Unterscheidung zwischen Formen, die die gleiche technische Lösung verkörpern, und unterschiedliche technische Lösungen verkörpernden Formen beruht, war die Große Kammer nicht verpflichtet, sich in der angefochtenen Entscheidung auf diese Gutachten zu beziehen, und hat durch diese Unterlassung jedenfalls nicht den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt.

Demnach ist zu konstatieren, dass die Feststellungen der Großen Kammer zur Funktionalität der wesentlichen Merkmale der fraglichen Form berechtigt sind.

Die übrigen Argumente der Klägerin vermögen die vorstehenden Feststellungen nicht in Frage zu stellen.

Die Klägerin meint erstens, dass angesichts der Anforderungen der Rechtsprechung an die Unterscheidungskraft das von der Großen Kammer angeführte Argument, wonach ein Monopol an dieser Lösung mittels der Eintragung aller eine bestimmte technische Lösung verwendenden Formen erlangt werden könne, unrealistisch sei. Selbst wenn aber das Gericht davon auszugehen hätte, dass die Eintragung dieser Formen unrealistisch ist, könnte dies nicht den Befund der Funktionalität der fraglichen Form in Frage stellen. Dieses Vorbringen der Klägerin ist daher zurückzuweisen.

Zweitens ist es ebenso als unerheblich anzusehen, ob im amerikanischen Recht ein Nachweis aus einem Patent unwiderlegbar ist oder nicht. Mit ihrer Bezugnahme auf die amerikanische Rechtsprechung in Randnr. 40 der angefochtenen Entscheidung hat die Große Kammer nämlich ihre Prüfung der Funktionalität des Lego-Steins nicht auf eine solche Unwiderlegbarkeit gestützt. Sie hat ihre in den Randnrn. 41 bis 63 der angefochtenen Entscheidung vorgenommene Prüfung auf das Urteil Philips gestützt und in den Randnrn. 42 bis 48 sowie 52 und 53 der angefochtenen Entscheidung die früheren Patente als einen Faktor unter anderen berücksichtigt, ohne darin einen unwiderlegbaren Beweis zu erblicken.

Drittens sind die Argumente der Klägerin unerheblich, dass der Schutz einer technischen Lösung durch ein Patent nicht den markenrechtlichen Schutz einer diese Lösung verkörpernden Form ausschließe und dass diese beiden gesonderten Schutzarten unterschiedlicher Reichweite seien. Denn diese Gegebenheiten sind von der Großen Kammer in Randnr. 39 der angefochtenen Entscheidung anerkannt worden, und sie hat sich im Folgenden auf die früheren Patente nur bezogen, um den funktionalen Charakter der wesentlichen Merkmale des Lego-Steins darzulegen.

Viertens macht die Klägerin geltend, dass ihre Mitbewerber für die Umsetzung der gleichen technischen Lösung nicht auf eine Nachahmung der Form des Lego-Steins angewiesen seien und dass wegen der fehlenden Gefahr einer Monopolbegründung Art. 7 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii der Verordnung Nr. 40/94 nicht eingreife. Dieses Vorbringen beruht aber auf der irrigen Konzeption, dass die Verfügbarkeit anderer Formen, die die gleiche technische Lösung verkörperten, eine fehlende Funktionalität der in Frage stehenden Form belege. Dementgegen ist oben in Randnr. 42 hervorgehoben worden, dass nach dem Urteil Philips die funktionale Form als solche für jedermann verfügbar sein muss. Dieses Vorbringen ist daher zurückzuweisen.

Nach alledem ist festzustellen, dass die Große Kammer die Funktionalität der in Frage stehenden Form zu Recht bejaht hat. Die zweite Rüge ist daher zurückzuweisen.

Zur dritten Rüge: fehlerhafte Berücksichtigung der Entscheidung eines nationalen Gerichts und angebliche Parteilichkeit der angefochtenen Entscheidung

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

Die Klägerin wirft der Großen Kammer vor, dass sie einerseits eine Entscheidung des kanadischen Obersten Gerichtshofs berücksichtigt und andererseits eine Entscheidung der Rechtbank Breda (Bezirksgericht Breda, Niederlande) für unerheblich gehalten habe. Beide Entscheidungen hätten jedoch die behauptete Funktionalität der Form des Lego-Steins betroffen, seien im Kontext unlauteren Wettbewerbs und der Schutzrechtsverletzung ergangen und hätten eine sklavische Nachahmung zum Gegenstand gehabt. Der einzige Unterschied liege darin, dass das kanadische und das niederländische Gericht zu gegenteiligen Schlüssen gelangt seien. Dass die Große Kammer selektiv das Urteil des kanadischen Obersten Gerichtshofs und nur die ihr eigenes Ergebnis stützenden Gutachten berücksichtigt habe, zeige die Parteilichkeit ihrer Herangehensweise.

Das HABM und die Streithelferin treten diesem Vorbringen der Klägerin entgegen.

Würdigung durch das Gericht

Soweit die Klägerin erstens vorträgt, dass sich die Große Kammer auf eine Entscheidung des kanadischen Obersten Gerichtshofs bezogen und ein in den Niederlanden ergangenes Urteil außer Betracht gelassen habe, genügt der Hinweis, dass die Klägerin selbst einräumt, dass die Entscheidungen der nationalen Gerichte auf die Entscheidungen der Beschwerdekammern des HABM ohne Einfluss sind. Die Gemeinschaftsregelung für Marken ist nämlich ein autonomes System, und die Rechtmäßigkeit der Entscheidungen der Beschwerdekammern ist allein auf der Grundlage der Verordnung Nr. 40/94 in ihrer Auslegung durch den Gemeinschaftsrichter zu beurteilen (vgl. Urteil des Gerichts vom 12. März 2008, Suez/HABM [Delivering the essentials of life], T‑128/07, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung). Im Übrigen geht aus der angefochtenen Entscheidung hervor, dass die Große Kammer ihre Entscheidung nicht auf die kanadische Entscheidung gestützt hat, sondern dass sie, nachdem sie die Funktionalität des Lego-Steins bereits bejaht hatte, darauf hingewiesen hat, dass ihre Analyse durch die Entscheidungen zahlreicher nationaler Gerichte, darunter das Urteil des kanadischen Obersten Gerichtshofs, bestätigt werde.

Zweitens ist festzustellen, dass die Klägerin der Großen Kammer zu Unrecht eine parteiliche Haltung vorwirft. Zum einen nämlich hat die Große Kammer in Randnr. 65 der angefochtenen Entscheidung dargelegt, aus welchen Gründen ihr das in den Niederlanden ergangene Urteil unmaßgeblich erschien. Zum anderen folgt aus der oben in den Randnrn. 36 bis 49 vorgenommenen Prüfung, dass die Große Kammer die von der Klägerin vorgelegten Gutachten zu Recht für unerheblich hielt, weil sie alle auf die Verfügbarkeit anderer die gleiche technische Lösung verkörpernder Formen abzielten. Das HABM hebt im Übrigen zu Recht hervor, dass die Sache an die Große Kammer verwiesen wurde, dass die Vorsitzende der Ersten Kammer nach dem Ablehnungsantrag der Klägerin durch ihren Vertreter ersetzt wurde und dass das HABM verschiedene weitere Maßnahmen zur Gewährleistung eines unparteiischen Verfahrens ergriff.

Diese Rüge ist daher zurückzuweisen.

Nach allem ist die Klage abzuweisen.

Kosten:

Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr, wie vom HABM und der Streithelferin beantragt, die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Achte Kammer)

für R e c h t erkannt und entschieden:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Lego Juris A/S trägt die Kosten.

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