Unzulässige AGB-Klauseln bei Mobilfunkanbietern

07. Oktober 2009
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Eigener Leitsatz:

Eine AGB-Klausel, die es dem Mobilfunkanbieter ermöglicht, vor Ablauf der Vertragslaufzeit Klauseln zu ändern, ist unwirksam. Darüber hinaus ist auch eine Klausel unzulässig, die dem Mobilfunkanbieter die Möglichkeit einräumt, bei Zahlungsverzug den Anschluss sofort und ohne vorherige Ankündigung zu sperren. Denn unangemessene Benachteiligungen für den Kunden dürfen durch die AGB nicht entstehen.

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht

Beschluss vom 14.05.2009

Az.: 6 U 41/08

In dem Rechtsstreit T… / V… H… beabsichtigt der Senat, hinsichtlich der Berufung der Beklagten gegen das am 19. September 2008 verkündete Urteil des Einzelrichters der 10, Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe gem. § 522 Abs. 2 ZPO zu verfahren.

Die Berufung der Beklagten hat keine Aussicht auf Erfolg, auch ansonsten liegen keine Gründe vor, die eine Entscheidung des Senats aufgrund mündlicher Verhandlung erforderlich machten.

Mit zutreffenden Erwagungen, denen der Senat beitritt, hat das Landgericht der Beklagten die zukünftige Verwendung der Klausel 1.2 und 8.1 ihrer allgemeinen Geschäftsbedingungen für die Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen gegenüber Verbrauchern untersagt.

Soweit die Beklagte rügt, das Landgericht habe hinsichtlich der Änderungsklausel Ziff. 1.2 der AGB rechtsfehlerhaft § 307 Abs. 1 BGB geprüft, den "an sich" einschlägigen § 308 Nr. 5 BGB aber außer acht gelassen, vermag dies der Berufung nicht zum Erfolg zu verhelfen.
Zwar ist es im Ansatz zutreffend, dass allgemeine Geschäftsbedingungen, die Erklärungen des Vertragspartners des Verwenders im Rahmen der Vertragsdurchführung fingieren, in ihrer Wirksamkeit in erster Linie am Maßstab des § 308 Nr. 5 BGB zu messen sind. Danach ist in allgemeinen Geschaftsbedingungen insbesondere eine Bestimmung unwirksam, wonach eine Erklärung des Vertragspartners des Verwenders bei Vomahme oder Unterlassung einer bestimmten Handlung als von ihm abgegeben oder nicht abgegeben gilt, es sei denn, dass dem Vertragspartner eine angemessene Frist zur Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung eingeräumt ist und der Verwender sich verpflichtet, den Vertragspartner bei Beginn der Frist auf die vorgesehene Bedeutung seines Verhaltens besonders hinzuweisen. Dabei genügen die in Satz 3 und 4 der Klausel Ziff. 1.2 enthaltenen Bestimmungen für den Eintritt der Zustimmungsfiktion – isoliert betrachtet – den Anforderungen des § 308 Nr. 5 BGB; im Zusammenspiel mit der Klausel Ziff. 1.4 der AGB, die dem Kunden für den Fall des Widerspruchs unter bestimmten Umständen auferlegt, den Vertrag schriftlich zu kündigen, da ansonsten – wiederum im Wege der Fiktion – die Anderungen gleichwohl Gültigkeit erlangen, erscheint die AGB-rechtliche Wirksamkeit der Klausel Ziff. 1.2 allerdings schon zweifelhaft. Dies kann im Ergebnis aber dahinstehen, denn selbst die Einhaltung von § 308 Nr. 5 BGB schließt die Inhaltskontrolle nach § 307 ff. BGB nicht aus (BGH NJW-RR 2008, S. 134 ff. [136]). Vielmehr müssen die vom Verwender beanspruchten Wirkungen der fingierten Erklärung den Kriterien dieser Bestimmung standhalten (BGH a.a.O. m.w.N.).

Daran gemessen benachteiligt die beanstandete Klausel die Kunden der Beklagten entgegen den Geboten Treu und Glauben unangemessen (§ 307 Abs. 1 S. 1 BGB). Denn nach der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung ermöglicht die Klausel Im Wege der Zustimmungsfiktion nicht nur die Anpassung von Details der vertraglichen Beziehung der Parteien, vielmehr erhält die Beklagte dadurch die Handhabe, ohne Einschränkungen Essentialia des Vertrages abzuändern, u.a. auch die vom Kunden zu entrichtenden Entgelte. Um derartige, die Grundlagen der rechtlichen Beziehungen der Parteien betreffenden Änderungen durchzusetzen, bedarf es eines den Erfordemissen der §§ 145 ff. BGB genügenden Anderungsvertrages bzw. einer Anderungskündigung; denn in der Praxis läuft eine derartige Klausel auf eine einseitige, inhaltlich nicht eingegrenzte Änderungsbefugnis der Beklagten hinaus, die für weniger gewichtige Anpassung des Vertrages hinzunehmen wäre, nicht jedoch für die nach dem Wortlaut der Klausel mögliche weitgehende Veränderung des Vertragsgefüges.

Zudem sind Preisanpassungsklauseln auch nur dann zulässig, wenn die Befugnis des Verwenderszu Preisanhebungen von Kostenerhöhungen abhängig gemacht wird und die einzelnen Kostenelemente sowie deren Gewichtung bei der Kalkulation des Gesamtpreises offen gelegt werden, so dass der andere Vertragsteil bei Vertragsschluss die auf ihn zukommenden Preissteigerungen einschätzen kann (BGH 111 ZR 247/06, Urteil v. 15.11.2007, Rnr. 10 zitiert nach Juris). Derartiges ist der beanstandeten Klausel gerade nicht zu entnehmen.

Zu Recht hat das Landgericht auch die Klausel Ziff. 8.1 lit. b, wonach die Beklagte zur teilweisen oder vollständigen Sperre der vertraglich vereinbarten Leistungen, insbesondere des Zugangs des Kunden zu den Mobilfunknetzen berechtigt ist, wenn sich der Kunde in Zahlungsverzug befindet, als unwirksam angesehen.
Dabei kann dahinstehen, ob die gesetzgeberische Wertung für die Voraussetzungen einer Sperre § 45 k des Telekommunikationsgesetzes heranzuziehen ist.
Denn nach der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung der Klausel ist die Beklagte zu einer für den Kunden kostenpflichtigen (Ziff. 8.3 der AGB) Sperrung des Mobilfunkanschlusses sowohl fü̈r ein- als auch fü̈r ausgehende Anrufe berechtigt, wenn der Kunde auch nur mit einem Cent "in Verzug" geraten ist. Dies sogar ohne vorherige Ankündigung einer solchen Sperre.
Die unangemessene Benachteiligung des Kunden durch eine derartige Klausel liegt für den Senat auf der Hand.
Angesichts der vielfältigen Kündigungsmöglichkeiten für die Beklagte (Ziffern 11 u 12 der AGB) kommt eine Sperrung für ausgehende Anrufe "an sich" vorwiegend dann ernsthaft in Betracht, wenn der Kunde mit eher geringfügigen Beträgen in Verzug geraten ist, wobei die Beklagte gem. Ziff. 8.3 ihrer AGB bei jeder Art der Sperre insbesondere den Anspruch auf das monatliche Grundentgelt behält.
Dies offenbart, dass die zu weitgehenden Sperrmöglichkeiten vorwiegend den Sinn haben sollen, eine Kündigung durch die Beklagte – verbunden mit dem Verlust des Anspruchs auf Zahlung des monatlichen Grundentgeltes – zu umgehen.

Die Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 2 Wochen.

Auf die erheblichen Kostenvorteile bei Berufungsrücknahme wird hingewiesen.

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