Unzulässige Rezeptsammelstelle in einer Arztpraxis

22. Oktober 2013
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Eigener Leitsatz:

Es ist wettbewerbsrechtlich unzulässig, in einer Arztpraxis eine Rezeptsammelstelle zu unterhalten. Dabei dürfen, außer in Fällen medizinischer Notwendigkeit, auch grundsätzlich keine Rezepte von der Arztpraxis auf Wunsch von Patienten an eine Apotheke weiter übermittelt werden.

 

Oberlandesgericht Saarbrücken

Urteil vom 25.09.2013

Az.: 1 U 42/13

 

Tenor

1. Die Berufung des Verfügungsbeklagten gegen das am 24. April 2013 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts in Saarbrücken – Az. 7 O 7/13 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils dahin abgeändert wird, dass die Verfügungsklägerin 61 % und der Verfügungsbeklagte 39 % der Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu tragen hat.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Verfügungsbeklagten zur Last.

3. Das Urteil ist vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

A.

Die Verfügungsklägerin betreibt die …, der Verfügungsbeklagte die…

Die Verfügungsklägerin wirft dem Verfügungsbeklagten vor, ungenehmigte Rezeptsammelstellen in Arztpraxen unterhalten zu haben.

Der in niedergelassene Arzt, die ebenfalls dort ansässige ärztliche Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) und und die in niedergelassene Ärztin leiteten dem Verfügungsbeklagten u.a. im Oktober 2012 Rezepte per Telefax zu. Der Verfügungsbeklagte ließ die verordneten Medikamente sodann verpacken und sie durch Boten an die Adressen der Patienten ausliefern. Deshalb mahnte ihn die Verfügungsbeklagte mit Anwaltsschreiben vom 19.12.2012 (GA 313 f.) vorgerichtlich erfolglos ab.

Am 23.1.2013 erging auf Antrag der Verfügungsklägerin eine Beschlussverfügung des Landgerichts Saarbrücken, in welcher dem Verfügungsbeklagten untersagt wurde, in Absprache mit den in Berufsausübungsgemeinschaft tätigen Ärzten Dr., mit Frau Dr. und mit dem Arzt …, nicht genehmigte Rezeptsammelstellen in deren Arztpraxen zu unterhalten. Weiter wurde dem Verfügungsbeklagten untersagt, eine geringere Anzahl von Inkontinenzprodukten an gesetzlich Krankenversicherte abzugeben, wie dies auf den jeweiligen Rezepten verschrieben wurde (Windeltausch).

Gegen die Beschlussverfügung legte der Verfügungsbeklagte am 12.2.2013 Widerspruch ein (GA 346).

Die Verfügungsklägerin geht von einer nach § 11 ApoG verbotenen Absprache zwischen dem Verfügungsbeklagten und den beteiligten Ärzten und dem Unterhalten von Rezeptsammelstellen in deren Arztpraxen unter Verstoß gegen § 24 Abs.1 und 2 ApBetrO aus. Daher stehe ihr ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch nach den §§ 3,4 Nr.11, 8 Abs.1,3 Nr.1 UWG i.V.M. §§ 11 Abs.1 ApoG; § 24 ApBetrO gegen den Verfügungsbeklagten zu. Die Klägerin hat vorgetragen, kurz vor Weihnachten 2012 sei ihr ein Müllsack „zugespielt“ worden, der Kopien von Telefaxjournalen und Faxkopien von Rezepten der o.g. Ärzte sowie von Auslieferungsbelegen des Verfügungsbeklagten enthalten habe. Die Unterlagen belegten, dass in den Arztpraxen in Absprache mit dem Verfügungsbeklagten systematisch und unabhängig von der Art der Erkrankung der Patienten Rezepte gesammelt worden seien, um diese an den Verfügungsbeklagten weiterzuleiten. Die verschriebenen Medikamente seien ausweislich der Auslieferungsbelege nach Erhalt der Telefaxrezepte durch einen Botendienst des Verfügungsbeklagten den Patienten überbracht worden. Anschließend hätten die Boten in den Arztpraxen die Originalrezepte eingesammelt.

Nachdem die Verfügungsklägerin ihren die rezeptwidrig zu niedrige Abgabe von Inkontinenzprodukten an gesetzlich Krankenversicherte betreffenden Verfügungsantrag Ziff.1 c in der mündlichen Verhandlung erster Instanz vom 3.4.2013 zurückgenommen hat (GA 428), hat sie beantragt, die Beschlussverfügung im Übrigen aufrechtzuerhalten.

Der Verfügungsbeklagte hat die Zurückweisung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung und die Aufhebung der Beschlussverfügung beantragt. Er hat die behaupteten Absprachen mit den im Verfügungsgesuch genannten Ärzten mit dem Ziel einer bevorzugten Zuweisung von Verschreibungen an die von ihm betriebene bestritten. Lediglich in Einzelfällen hätten die genannten Ärzte Rezepte an ihn gefaxt, wobei es sich meist um bettlägerige, betagte oder hinfällige Patienten gehandelt habe, denen ein Aufsuchen der Apotheke nicht zumutbar gewesen sei. Auch habe die Praxis bisweilen einem ausdrücklichen Patientenwunsch entsprochen. Im Übrigen seien lediglich etwa 10 % der von den Arztpraxen ausgestellten Rezepte von der Handhabung betroffen gewesen. Er habe die Originalrezepte vor der Auslieferung in den Arztpraxen in der Regel persönlich abgeholt.

Darüber hinaus hat der Verfügungsbeklagte das Vorliegen eines Verfügungsgrundes bestritten. Aus dem an die beteiligten Ärzte gerichteten Schreiben der Verfügungsklägerin vom 2.1.2011 (GA 20 f.) und ihrer eidessstattlichen Versicherung vom 13.1.2013 ergebe sich, dass die Verfügungsklägerin von der monierten Praxis und den hierdurch eingetretenen Umsatzeinbußen bereits ab Januar 2011 Kenntnis gehabt habe.

Durch das angefochtene Urteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen gemäß § 540 Abs.1 S.1 Nr.1 ZPO Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Beschlussverfügung vom 23.1.2013 unter Neufassung der Ziff.1 a. und 2 bestätigt. Das Landgericht hält den Nachweis einer verbotswidrigen Absprache nach § 11 Abs.1 ApoG zwar nicht für geführt, geht aber von einem organisierten Zusammenwirken des Verfügungsbeklagten und der beteiligten Ärzte und dem unerlaubten Betreiben von Rezeptsammelstellen in Arztpraxen unter Verstoß gegen § 24 ApBetrO und einem hieran anknüpfenden wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch aus. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Verfügungsbeklagten, der mit seinem Rechtsmittel eine Abänderung der angefochtenen Entscheidung dahin anstrebt, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung unter Aufhebung der Beschlussverfügung zurückgewiesen wird. Der Verfügungsbeklagte vertritt den Standpunkt, das Landgericht habe Ziff. 1 c. der Beschlussverfügung nach Antragsrücknahme aufheben müssen. Des weiteren erhebt er die Vollziehungsrüge und begründet diese damit, dass der Verfügungskläger die nach Widerspruchseinlegung ergangene Urteilsverfügung trotz einer nach seinem Dafürhalten wesentlichen Inhaltsänderung nicht binnen Monatsfrist im Parteibetrieb erneut zugestellt habe. Die Anordnung unterliege daher nach § 927 ZPO ohne Sachprüfung der Aufhebung. In der Sache vertieft und ergänzt der Verfügungsbeklagte unter Vorlage eidesstattlicher Versicherungen der Zeugen vom 1.6.2013 (GA 519), vom 4.6.2013 (GA 521) und vom 8.4.2013 (GA 520) sowie von Stellungnahmen der Apothekerkammer des Saarlandes vom 26.2., 26.3.,17.6.2013 und der Ärztekammer des Saarlandes vom 22.5.2013 sein bisheriges Vorbringen, wonach die von ihm mit den Ärzten geübte Praxis entgegen der Rechtsauffassung des Landgerichts nicht als nach § 24 Abs.1, 2 ApBetrO erlaubnispflichtiges unerlaubtes Betreiben von Rezeptsammelstellen in Arztpraxen zu werten sei. Die den eidesstattlichen Erklärungen der Zeugen entgegenstehenden Angaben der Rechtsanwältin in deren von der Verfügungsklägerin vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen (AST 19, 20 und 26) seien falsch. Der Verfügungsbeklagte hält bezugnehmend auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.3.2008 (Az.: 3 C 27/07) an der Auffassung fest, dass die Wiederholungsgefahr wegen der ihm mit ministeriellem Bescheid vom 20.2.2013 erteilten vorläufigen Versanderlaubnis nach § 11 a ApoG in Wegfall geraten sei. § 24 Abs.1 ApBetrO finde nach dieser Entscheidung auf die Entgegennahme von Arzneimittelbestellungen im Versandhandel keine Anwendung. Der Verfügungsbeklagte bekräftigt seine Auffassung zum fehlenden Verfügungsgrund. Der Verfügungsklägerin, die bis Januar 2011 selbst einen Lieferservice betrieben habe, sei die monierte Praxis bereits im Dezember 2010/Januar 2011 bekannt gewesen. Soweit die Verfügungsklägerin vortrage, die Informationen, die ihr damals vorlagen, hätten für ein gerichtliches Vorgehen nicht ausgereicht, sei es ihre Aufgabe gewesen, substantiiert darzulegen und glaubhaft zu machen, weshalb die Erkenntnisse unzureichend waren. Weiter rügt der Verfügungsbeklagte, das Landgericht habe seine Feststellungen zu einem Verstoß gegen § 24 ApBetrO verfahrensfehlerhaft auf Anlagen gestützt, die einem erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten, nicht nachgelassenen Schriftsatz des Klägervertreters vom 9.4.2013 beigefügt waren, obwohl der Verfügungsbeklagte einer Verwertung des Inhalts dieses Schriftsatzes ausdrücklich widersprochen habe.

Schließlich wendet sich der Verfügungsbeklagte gegen die Kostenentscheidung in dem angefochtenen Urteil, die mit der Streitwertfestsetzung in der Beschlussverfügung vom 23.1.2013 nicht in Einklang zu bringen sei. Hiernach wären der Verfügungsklägerin 2/3 der erstinstanzlich angefallenen Kosten aufzuerlegen gewesen.

Der Verfügungsbeklagte beantragt (GA 675, 501),

das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass der Antrag der Verfügungsklägerin vom 14.1.2013 auf Erlass einer einstweiligen Verfügung unter Aufhebung der Beschlussverfügung vom 23.1.2013 abgewiesen wird.

Die Verfügungsklägerin beantragt (GA 675, 575),

die Berufung des Verfügungsbeklagten zurückzuweisen.

Die Verfügungsklägerin verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Prozessvortrages sowie unter Bekräftigung ihres bisherigen Rechtsstandpunktes. Die Verfügungsklägerin hält daran fest, dass die ihr im Januar 2011 vorliegenden Informationen zu vage waren, um erfolgversprechend gegen den Verfügungsbeklagten gerichtlich vorzugehen. Der Prozessbevollmächtigte der Verfügungsklägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat zur Erläuterung darauf hingewiesen, dass einige der Kunden die Verfügungsklägerin nur gefragt hätten, warum sie nicht wie andere Apotheker auch einen Lieferservice unterhalte. Die Vollziehungsrüge sei nicht begründet. Der Verfügungsklägerin sei die Zustellung der Urteilsverfügung im Parteibetrieb innerhalb der Monatsfrist nicht möglich gewesen, da ihre Prozessbevollmächtigten die dem Landgericht auf Anforderung übersandte Urteilsabschrift erst am 31.5.2012 und damit nach Ablauf der Monatsfrist zurückerhalten hätten. Eine Zustellung im Parteibetrieb sei auch deshalb entbehrlich gewesen, weil keine wesentliche Inhaltsänderung vorliege und weil die Verfügungsklägerin ihren Vollziehungswillen durch die zeitnahe Beantragung einer weiteren einstweiligen Verfügung wegen des erneuten unerlaubten Betriebs einer Rezeptsammelstelle in der Sparkasse Gersheim nachdrücklich dokumentiert habe.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die in dieser Instanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 11. September 2013 (GA 675 bis 677) und den nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Verfügungsbeklagten vom 17.9.2013 verwiesen.

Der Senat hat die Akte 7 O 5/13 (= 1 U 41/13; Berufung des Arztes B. gegen eine auf Antrag der Verfügungsklägerin bestätigte Beschlussverfügung) zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.

B.

Die Berufung des Verfügungsbeklagten ist gemäß den §§ 511, 513, 517, 519 und 520 ZPO statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und ordnungsgemäß begründet worden und damit zulässig. In der Sache muss dem Rechtsmittel der Erfolg versagt bleiben.

Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine dem Verfügungsbeklagten vorteilhaftere Entscheidung (§ 513 ZPO).

Das Landgericht hat seine Beschlussverfügung vom 23.1.2013 auf den Widerspruch des Verfügungsbeklagten – nachdem der Verfügungsantrag Ziff. 1 c. infolge Rücknahme gegenstandslos war – in Ziff. 1 a. und 2 gemäß den §§ 935, 936, 925 ZPO im Ergebnis rechtsfehlerfrei bestätigt und festgestellt, dass der Verfügungsklägerin nach den §§ 3, 4 Nr.11 UWG i.V.m. § 8 Abs.1, 3 Nr. 1 UWG und § 24 ApBetrO ein Unterlassungsanspruch gegen den Verfügungsbeklagten zusteht, weshalb diesem zu untersagen war, bei den im Urteilstenor näher bezeichneten Ärzten in deren Arztpraxen nicht genehmigte Rezeptsammelstellen zu unterhalten.

Das Landgericht brauchte die Beschlussverfügung vom 21.3.2013 wegen des in Ziff.1 c. untersagten sog. Windeltauschs nicht aufzuheben, nachdem die Verfügungsklägerin den Antrag in der mündlichen Verhandlung vom 3.4.2013 zurückgenommen hatte. Die Antragsrücknahme war wirksam. Im einstweiligen Verfügungsverfahren bedarf es hierzu auch nach dem Beginn der mündlichen Verhandlung keiner Einwilligung des Gegners (BGH NJW- RR 1993, 1470; Zöller-Greger, ZPO, 29. Aufl. Rn. 13 zu § 269 und Rn. 20 zu § 920 mwN). Die Rücknahme des Verfügungsantrags Ziff. 1 c. hatte gemäß § 269 Abs.3 S.1 ZPO zur Folge, dass die Rechtshängigkeit dieses Antrags rückwirkend entfiel. Die dem zurückgenommenen Antrag stattgebende Beschlussentscheidung wurde damit ipso iure wirkungslos. Eine aufhebende Entscheidung hätte nur klarstellende Bedeutung gehabt. Notwendig war die förmliche Aufhebung entgegen dem Rechtsstandpunkt der Berufung nicht (Stein/Jonas-Roth, ZPO, 22. Aufl. Rn. 44 zu § 269; Wieczorek/Schütze-Assmann, ZPO, 4. Aufl. Rn. 56 zu § 269 mwN; Zöller-Greger, a.a.O. Rn. 17 zu § 269).

I.

Dies vorausgeschickt unterliegt die in der Urteilsverfügung getroffene Anordnung nicht schon deshalb der Aufhebung, weil der Verfügungsbeklagte wegen Versäumung der Vollziehungsfrist des § 929 Abs.2 ZPO nach § 927 ZPO die Aufhebung der Anordnung beantragen könnte.

Nach den §§ 936, 929 Abs.2 ZPO muss der Antragsteller im einstweiligen Verfügungsverfahren seinen Vollziehungswillen binnen eines Monats nach Zustellung einer auf seinen Antrag hin ergangenen Beschlussverfügung durch Zustellung einer Ausfertigung des entsprechenden Beschlusses im Parteibetrieb dokumentieren. Die Vollziehungsfrist ist wesentliches Merkmal des Eilcharakters des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens.

Die Beschlussverfügung vom 21.3.2013 wurde dem Verfügungsbeklagten binnen Monatsfrist im Parteibetrieb zugestellt. Nach h.M. in Rechtsprechung und Schrifttum, der sich der Senat anschließt, beginnt durch das auf den Widerspruch des Verfügungsbeklagten gegen die Beschlussverfügung ergangene diese bestätigende Urteil allerdings eine neue Frist zu laufen. Innerhalb der Frist von einem Monat ab der am 30.4.2012 (Bl. 491 d.A.) erfolgten Zustellung des Urteils wäre die Urteilsverfügung daher grundsätzlich im Parteibetrieb zuzustellen gewesen (BGH NJW 1993, 1077; Zöller-Vollkommer a.a.O. Rn. 12 zu § 929).

Das gilt jedoch nur dann, wenn die Widerspruchsentscheidung wesentliche Änderungen enthält (Zöller-Vollkommer, a.a.O. Rn. 7 zu § 929 mwN), was vorliegend nicht der Fall ist.

Die Verfügungsklägerin hatte die Anträge Ziff. 1 b. und d. bereits vor dem Erlass der Beschlussverfügung vom 23.1.2013 zurückgenommenen. Der Antrag Ziff.1 c. wurde wie ausgeführt in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen, mit der Folge, dass die Beschlussverfügung im Umfang der Antragsrücknahme bereits vor Erlass des angefochtenen Urteils ipso iure wirkungslos geworden war. Durch das auf den Widerspruch ergangene Urteil wurde mithin wegen der infolge Rücknahme wirkungslos gewordenen Anordnung in Ziff.1 c. des Tenors der Beschlussverfügung keine Inhaltsänderung bewirkt. Soweit das Landgericht den Tenor der Beschlussverfügung in Ziff. 1 a. in dem angefochtenen Urteil dahin modifiziert hat, dass dieser nunmehr statt „in Absprache mit“ „bei den Ärzten“ lautet, handelt es sich nicht um eine wesentliche inhaltliche Änderung der Untersagungsanordnung gegenüber der Beschlussverfügung. Durch den neu gefassten Tenor wurde die Untersagungsanordnung entgegen der Rechtsauffassung des Verfügungsklägers auch nicht maßgeblich erweitert. Eine „bei Ärzten unterhaltene Rezeptsammelstelle“ setzt begriffsnotwendig ein nicht auf Einzelfälle medizinischer Notwendigkeit beschränktes organisiertes Zusammenwirken von Ärzten und Apothekern mit dem Ziel voraus, für den Apotheker Rezepte „einzusammeln“. Eine relevante Erweiterung des untersagten Verhaltens liegt nicht vor. Die Änderung ist allein dem Umstand geschuldet, dass das Landgericht zwar von einem organisierten Vorgehen zwischen den beteiligten Ärzten und dem Verfügungsbeklagten ausgeht, dem es das Verhalten der Ärzte rechtsfehlerfrei zurechnet, das Vorliegen einer förmlichen „Absprache“ dessen ungeachtet aber nicht feststellen zu können glaubte.

Die Versäumung der Monatsfrist zur Zustellung der beglaubigten Urteilsabschrift im Parteibetrieb kann vorliegend aber auch deshalb nicht zur Unzulässigkeit der Vollstreckung der gerichtlichen Anordnung führen, weil die Verfügungsklägerin durch Vorlage von Gerichtsschreiben belegen konnte, dass sie die ihr zugestellte Abschrift des Urteils auf gerichtliche Anforderung vom 14. 5. 2013 zwecks Anbringung des Zustellungsvermerks aus der Hand gegeben hat (GA 492, 610, 493) und dass ihre Prozessbevollmächtigten die Urteilsabschrift mit Schreiben des Gerichts vom 22. Mai 2013 erst am 31. Mai 2013 – und damit nach Ablauf der Monatsfrist des § 929 Abs.2 ZPO – (GA 613) zurückerhalten haben. War der Verfügungsklägerin die Bewirkung der Zustellung im Parteibetrieb aber wegen Umständen, die im gerichtlichen Verantwortungsbereich liegen, nicht möglich, kann ihr die Fristversäumung nicht zum Rechtsnachteil gereichen. Die Prozessbevollmächtigten der Verfügungsklägerin hätten die Zustellung zwar ggfs. schon vor der gerichtlichen Anforderung bewirken können. Jedoch dürfen gesetzliche Fristen ausgeschöpft werden und konnten sie nicht vorhersehen, dass sich die Rücksendung so lange verzögern würde. Soweit die Verfügungsbeklagte in dem nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 17.9.2013 den Rechtsstandpunkt vertritt, für diesen Fall habe die Zustellung im Parteibetrieb umgehend nachgeholt werden müssen, nimmt sie nicht in den Blick, dass das Gesetz eine Nachholung der Zustellung im Parteibetrieb nach Fristablauf nicht vorsieht. Auch eine Wiedereinsetzung kommt nicht in Betracht.

Ob die Parteizustellung auch deshalb entbehrlich war, weil die Verfügungsklägerin ihren Vollziehungswillen vorliegend anderweitig unzweideutig betätigt hat, kann dahinstehen. Rechtsprechung und Schrifttum gehen davon aus, dass die Parteizustellung nicht der einzig mögliche Weg ist, auf dem der Gläubiger den Vollziehungswillen verbindlich gegenüber dem Schuldner betätigen kann (BGH NJW 1990, 124; Zöller a.a.O. Rn. 12 zu § 929). Die Amtszustellung kann ausreichen, wenn Umstände vorliegen, die aus Sicht des Schuldners keinen Zweifel an der Ernstlichkeit des Vollziehungswillens des Gläubigers zulassen, so dass die zusätzliche Parteizustellung bloße Förmelei wäre. Die Verfügungsklägerin hat bereits am 6.5.2013, also nur zwei Wochen nach Verkündung des angefochtenen Urteils, beim Landgericht Saarbrücken erneut den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen den Verfügungsbeklagten wegen eines von ihr behaupteten – allerdings etwas anders gelagerten – Verstoßes gegen § 24 Abs.1 ApBetrO beantragt und dem Verfügungsbeklagten dadurch verbindlich vor Augen geführt, dass sie den unerlaubten Betrieb von Rezeptsammelstellen durch ihn auch in Zukunft unter Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe verhindern will.

II.

Ohne Rechtsfehler stellt das Landgericht fest, dass der Verfügungsklägerin gegen den Verfügungsbeklagten wegen des unerlaubten Betreibens von Rezeptsammelstellen in Arztpraxen ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch nach den §§ 3, 4 Nr.11 i.V.m. § 8 Abs.1, 3 Nr.1 UWG und § 24 Abs.1, 2 ApBetrO zusteht.

1. Die aufgrund des § 21 Abs.2 Nr. 9 ApoG geschaffene Regelung des § 24 ApBetrO verankert ein grundsätzliches Verbot von Rezeptsammelstellen mit Erlaubnisvorbehalt. Rechtsprechung und Schrifttum halten die Vorschrift – auch nach Einführung des Arzneimittelversandhandels – mit der Maßgabe für verfassungsgemäß, dass § 24 Abs.1 ApBetrO nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 13.3.2008 – Az. : 3 C 27/07; A&R 2008, 136) im Bereich des Versandhandels keine Anwendung finden soll. Die Regelung, wonach Rezeptsammelstellen nicht bei Angehörigen der Heilberufe unterhalten werden dürfen (§ 24 Abs.2 ApBetrO), gilt auch nach der Neufassung des § 24 ApBetrO fort.

Eine Verletzung des § 24 Abs.1, 2 ApBetrO begründet zugleich einen Verstoß gegen § 4 Nr.11 UWG. Hiernach handelt wettbewerbswidrig, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Nach übereinstimmender Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum hat die restriktive Regelung des § 24 Abs.1 und 2 ApBetrO, die Neugründungen von Apotheken in den entsprechenden Gebieten nicht auf Dauer erschweren und die in Abs.2 jeglichen Anschein einer wirtschaftlichen Verquickung von Apothekenbetreibern und Angehörigen der Heilberufe bei der Abgabe von Arzneimitteln vermeiden will, Marktlenkungscharakter (Cyran/Rotta, ApBetrO, 5. Aufl. Rn. 20 zu § 24 mwN).

Von einem Verstoß des Verfügungsbeklagten gegen § 24 Abs.1, 2 ApBetrO – zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt im Oktober 2012 verfügte dieser weder über eine vorläufige Erlaubnis zum Betrieb einer Rezeptsammelstelle noch über einen Apothekenversandhandel – ist in Übereinstimmung mit dem Landgericht auszugehen:

§ 24 Abs.1 ApBetrO definiert Rezeptsammelstellen als Einrichtungen zum Sammeln von Verschreibungen. Der Erlaubnisvorbehalt gilt nicht nur für „klassische“ Rezeptsammelstellen in einem engen institutionellen Sinn. Eine unzulässige Rezeptsammlung liegt nach der Rechtsprechung und der Kommentarliteratur bereits dann vor, wenn ein Apotheker Dritte organisiert dazu veranlasst, für ihn Rezepte zu sammeln, oder wenn Rezepte, die von einem Dritten gesammelt werden, von einem Apotheker entgegengenommen werden (BGH NJW 1982, 1330; OLG Frankfurt, PZ 1978, 1522). Begründet wird dies damit, dass die Arzneimittelsicherheit nicht mehr gewährleistet wäre, wenn die Sammlung von Verschreibungen durch Apothekeninhaber ohne Zuhilfe von genehmigten Rezeptsammelstellen im rechtsfreien Raum erfolgen könnte (Cyran/Rotta a.a.O. Rn. 25 zu § 24 mwN).

Ein Verstoß gegen § 24 Abs.1 und 2 ApBetrO liegt auch dann vor, wenn die Verschreibungen von der Arztpraxis nur gefaxt oder fernmündlich übermittelt oder wenn sie von Mitarbeitern der Arztpraxis oder Apotheke in die Betriebsräume des Apothekers gebracht werden (Cyran/Rotta a.a.O. Rn. 7 zu § 24 mwN), es sei denn, für die entsprechende Handhabung besteht im Einzelfall ein nachvollziehbarer Grund. Ein solcher ist jedoch nur anzunehmen, wenn für die Handhabung medizinische Gründe vorliegen (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13.1.2011 – I ZR 112/08 = BGH MPR 2011, 88 „Hörgeräteakustiker“)

Allein auf den Wunsch von Patienten durften die beteiligten Ärzte die Rezepte nicht per Telefax an den Verfügungsbeklagten übermitteln. Ein Arzt darf, abgesehen von den vorgenannten medizinisch begründeten Notfällen, allein auf den ausdrücklichen Wunsch des Patienten, Rezepte nicht an eine bestimmte Apotheke weiterleiten (vgl. BGH, Urteil vom 17. Oktober 1980 – I ZR 185/78 -, juris, Absatz-Nr. 10 – Apothekenbegünstigung). An diesem Judikat ist festzuhalten (vgl. auch Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl. 2013, § 4 Rn. 11.77; Cyran/Rotta, a.a.O. Rn. 26; Spickhoff, Medizinrecht, 2011, § 34 MBO Rn. 11; Bergmann/Pauge/Steinmeyer, Gesamtes Medizinrecht, 1. Aufl. 2012, § 2 ApoG Rn. 14; Pfeil/Pieck/Blume, Apothekenbetriebsordnung, § 24 Seite 4; allein den Wunsch des Patienten als nicht maßgeblich ansehend BGH, Urteil vom 29. Juni 2000 – I ZR 59/98 –, juris, Absatz-Nr. 48). Ihm liegt die nach wie vor Gültigkeit beanspruchende Erwägung einer regelmäßig völligen Trennung der Aufgabenbereiche des Arztes und des Apothekers zu Grunde. Die gebotene Unabhängigkeit des Arztes, wie sie auch in § 30 BOÄ-Saarland ihren Niederschlag gefunden hat, ist schon bei der Gefahr einer Interessenkollision und der Verwischung der Grenze zwischen ärztlicher Heilbehandlung und Medikamentenversorgung tangiert. Die Norm dient auch und gerade dem Patientenschutz durch Wahrung der ärztlichen Unabhängigkeit gegenüber Dritten (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 14. Februar 2006 – 4 U 1680/05 –, juris, Absatz-Nr. 23).

Das Allgemeininteresse an einer inhaltlichen und organisatorischen Trennung beider Berufsgruppen hat Vorrang vor privaten Wünschen. Das Sammeln und Weiterleiten von Rezepten durch Angehörige der Heilberufe ist unzulässig (Cyran/Rotta, a.a.O.). Deshalb untersagt § 24 Abs. 2 ApBetrO die Einrichtung einer Rezeptsammelstelle bei einem Arzt.

Der Verfügungsbeklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass es ihm im Einzelfall gestattet ist, Empfehlungen zugunsten von Leistungserbringern auszusprechen, was er als Beleg gegen die institutionelle Trennung zwischen Arzt und Apotheker verstehen will. Zutreffend ist zwar, dass der Arzt nach den Berufsordnungen für Ärzte – im Saarland, § 31 Abs. 2 BOÄ – bei Vorliegen eines „hinreichenden Grundes“ Apotheken empfehlen oder an diese verweisen darf. Das schließt eine Empfehlung auf Initiative des Arztes aus, nicht jedoch Empfehlungen auf Bitte von Patienten. Hinreichende Gründe in diesem Sinne können sich aus der Qualität der Versorgung, der Vermeidung von Wegen bei gehbehinderten Patienten oder aus schlechten Erfahrungen ergeben, die Patienten bei anderen Anbietern gemacht haben (vgl. BGH, Urteil vom 13. Januar 2011 – I ZR 111/08 -, juris, Absatz-Nr. 37 – Hörgeräteversorgung II; OLG Koblenz, Urteil vom 14. Februar 2006 – 4 U 1680/05 –, juris, Absatz-Nr. 27

Keinen hinreichenden Grund stellt jedenfalls die größere Bequemlichkeit eines Versorgungsweges dar. Dem – nicht gebrechlichen – Patienten einen weiteren Weg zu ersparen, rechtfertigt keine Empfehlung (vgl. BGH, a.a.O., Absatz-Nr. 38). Hieraus folgt auch, dass der Arzt bei Nichtvorliegen einer der genannten Gründe, nicht nur keine Empfehlung aussprechen, sondern erst Recht nicht ein ausgestelltes Rezept in eine seitens des Patienten gewünschte Apotheke übermitteln darf. Die unmittelbare Einbeziehung des Arztes in den Erwerbsvorgang des Medikamentes durch Übermitteln des Rezeptes ist untersagt. Ein Informationsbedürfnis des Patienten, das die Verweisung an einen bestimmten Apotheker rechtfertigen könnte, ist – anders als in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall der ärztlichen Empfehlung eines Hörgeräteakustikers auf Frage eines Patienten, der nicht wusste, an wen er sich wegen des verordneten Hörgerätes wenden sollte ( vgl. BGH MPR 2011, 88) – in vorliegendem Fall nicht erkennbar.

Das Landgericht ist rechtsfehlerfrei zur Überzeugung gelangt, dass die Verfügungsklägerin durch die vorgelegten Kopien von Faxjournalen, Telefaxkopien von Rezepten und Auslieferungsunterlagen sowie die weiter vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen der Rechtsanwältin D. hinreichend glaubhaft gemacht hat, dass der Verfügungsbeklagte in den drei in Rede stehenden Arztpraxen ohne entsprechende Erlaubnis und entgegen § 24 Abs.2 ApBetrO Rezeptsammelstellen unterhalten hat.

Der Vorwurf der Berufung, die Kammer habe in den Urteilsgründen die Rezepte aus der Anlage AST 5 des nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsatzes des Prozessbevollmächtigten der Verfügungsklägerin vom 9.4.2013 verfahrensfehlerhaft unter Verletzung rechtlichen Gehörs des Verfügungsbeklagten verwertet, ist nicht gerechtfertigt. Die Anlage AST 5 war bereits dem Antragsschriftsatz vom 14.1.2013 beigefügt (GA 12, 28 f.).

Dahinstehen mag, ob sich aufgrund der im Berufungsrechtszug vorgelegten eidestattlichen Erklärungen der Zeugen vom 1.6.2013 (GA 519), vom 4.6.2013 (GA 521) und vom 8.4.2013 (GA 520) in Teilaspekten Zweifel an der Richtigkeit der Darstellung der Zeugin in AST 19, 20 und 26 ergeben. Diese würden jedenfalls nicht die Annahme rechtfertigen, dass die Angaben insgesamt unzuverlässig oder gar unrichtig sind.

Aus dem Faxjournal (Anlage AST 4) und den von der Verfügungsklägerin zur Akte gereichten weiteren Unterlagen ergibt sich, dass im Zeitraum vom 22. bis 29.10.2012 von der Praxis der Frau Dr. 13 Rezepte an die Apotheke des Verfügungsbeklagten per Telefax übermittelt worden sind. Zugunsten des Verfügungsbeklagten kann unterstellt werden, dass die Patientin, auf die sich die eidesstattliche Versicherung AST 19 bezieht, wie behauptet 92 Jahre alt und immobil ist und dass deren 90-jähriger Ehemann keinen PKW mehr selbst fährt (Bl. 508 d.A.).

Ohne Erfolg beruft sich der Verfügungsbeklagte ferner darauf, dass sich in der Nähe der Praxis von Frau eine genehmigte Rezeptsammelstelle befinde, die im Turnus u.a. durch die des Verfügungsbeklagten bedient werde und für deren Bedienung der Verfügungsbeklagte eigenen Angaben zufolge im Oktober 2012 verantwortlich gewesen sein will. Der Verfügungsbeklagte hat im Schriftsatz vom 21.3.2013 eingeräumt, dass er in den Monaten, in denen er turnusmäßig diese Rezeptsammelstelle bedient, nach Leerung der Sammelstelle in der Arztpraxis der Frau Dr. regelmäßig nachgefragt hat, ob noch unerledigte Rezepte vorliegen, die dann ggfs. mitgenommen wurden. Würde es sich bei den 13 im o.g. Zeitraum per Telefax übermittelten Rezepten um solche aus der Sammelstelle gehandelt haben, wäre nicht nachvollziehbar, weshalb zusätzlich aus der Arztpraxis eine Übermittlung per Telefax erfolgt ist. Der Verfügungsbeklagte hätte die Originalrezepte der Sammelstelle entnehmen können.

Aus der Praxis des Arztes sind nach der Anlage AST 4 im gleichen Zeitraum 18 Rezepte an die gefaxt worden. Es mag sein, dass ein Großteil der von dem Arzt per Telefax übersandten Rezepte jugendliche Patienten aus der Einrichtung „“ betraf, mit der der Verfügungsbeklagte einen Versorgungsvertrag nach § 12 a ApoG geschlossen hat. Allerdings würde für eine Rezeptsammlung mit § 12 a ApoG nur dann eine rechtliche Grundlage existieren, die § 24 ApBetrO als Spezialregelung vorginge, wenn die Rezepte durch Heimmitarbeiter gesammelt und dem Beklagten überbracht worden wären (vgl. hierzu Cyran/Rotta a.a.O. Rn. 28 zu § 24). Aufgabe des Heimträgers und nicht des behandelnden Arztes ist es, sich um die Einlösung entsprechender Verordnungen zu kümmern. Für die vorliegend geübte Handhabung der Faxübermittlung von Rezepten unmittelbar durch den behandelnden Arzt an den Apotheker bildet § 12 a ApoG hingegen keine Rechtsgrundlage.

Von der ärztlichen Berufungsausübungsgemeinschaft wurden im selben Zeitraum 37 Rezepte per Telefax an den Verfügungsbeklagten übermittelt.

Zu Recht geht das Landgericht davon aus, dass es sich angesichts der großen Zahl von per Telefax übermittelten Verschreibungen in einem relativ kurzen Zeitraum von nur 8 Arbeitstagen bei lebensnaher Betrachtung nicht ausnahmslos um „ begründete Einzelfälle“ handeln kann; also um Fälle, in denen eine medizinische Notwendigkeit für die Handhabung vorgelegen hat, die – darin ist dem Verfügungsbeklagten zuzustimmen – auch vorliegen kann, wenn ein Patient immobil ist und er niemanden hat, der ein Rezept für ihn besorgt. Auf einen ohne medizinischen Grund geäußerten Patientenwunsch kann sich der Verfügungsbeklagte wie dargelegt nicht berufen.

Zumindest bei den Patienten des Arztes waren medizinische Indikationsstellungen nach der eidesstattlichen Versicherung der Rechtsanwältin nicht gegeben. Gleiches gilt für die Patienten der BAG, die durchaus in der Lage gewesen wären, sich die benötigten Medikamente selbst zu besorgen.

Wenn – wie hier – in einem Zeitraum von nur 8 Werktagen drei Arztpraxen nahezu 70 Rezepte per Telefax an einen bestimmten Apotheker übersenden, spricht schon die Lebenserfahrung dafür, dass es sich – jedenfalls auch – um Fälle handelt, in denen die Rezeptübermittlung per Telefax im Einzelfall keine medizinischen Gründe hat, sondern Resultat einer Verständigung der beteiligten Ärzte und dem Apotheker ist und Bequemlichkeitserwägungen von Patienten geschuldet ist. Der Senat verkennt nicht, dass es vorkommen kann, dass Patienten von sich aus den Wunsch äußern, das verschriebene Medikament von einem bestimmten Apotheker zu erhalten. In der Regel wird es Patienten aber gleichgültig sein, welcher Apotheker sie mit dem verschriebenen Medikament versorgt, da Qualitätsunterschiede nicht zu besorgen sind.

Aufgabe des Verfügungsbeklagten wäre es daher im Rahmen substantiierten Bestreitens gewesen, näher darzulegen, weshalb es sich trotz der Vielzahl von Fällen in relativ kurzer Zeit ausnahmslos um Einzelfälle mit medizinischer Indikation gehandelt hat, worauf der Senat die Parteien in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat.

Der Verfügungsbeklagte muss sich das Sammeln der Rezepte durch die beteiligten Ärzte zurechnen lassen. Die große Zahl von Rezeptübermittlungen per Telefax in kurzer Zeit belegt in ausreichenden Weise, dass es sich um ein konzertiertes, von dem – zumindest konkludenten – Einverständnis des Verfügungsbeklagten getragenes Vorgehen handelt. Der Senat schließt aus, dass drei Arztpraxen einem Apotheker in 8 Werktagen, ohne mit ihm über die Handhabung zuvor gesprochen zu haben, aus eigenem Antrieb nahezu 70 Rezepte per Telefax übermitteln. Auch wenn mit der Verletzung des § 24 ApBetrO zumeist auch ein Verstoß gegen § 11 ApoG einhergeht, da Absprachen – wie dargelegt – auch konkludent getroffen werden können, sieht sich der Senat an die Einschätzung, eine Absprache sei nicht ausreichend dargelegt, gebunden, da die Feststellung im Berufungsrechtszug von den Parteien nicht in Frage gestellt wird.

Ohne Erfolg rekurriert der Verfügungsbeklagte wegen der Rechtmäßigkeit der geübten Praxis auf § 17 Abs.2 ApBetrO. Nach der Vorschrift ist die Zustellung von Medikamenten durch Boten im Einzelfall zulässig ist. Vorliegend geht es nicht um die Auslieferung von Medikamenten durch Boten im Einzelfall oder um Lieferungen im Wege des Versandhandels, sondern um das Unterhalten nicht erlaubter Rezeptsammelstellen in drei Arztpraxen.

2. Die Wiederholungsgefahr als materiell-rechtliche Voraussetzung eines Unterlassungsanspruches wird aufgrund des Erstverstoßes vermutet. Sie ist nicht deshalb entfallen, weil dem Verfügungsbeklagten zwischenzeitlich durch Bescheid des Ministeriums für Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie des Saarlandes vom 20.2.2013 eine vorläufige Erlaubnis zum Versand apothekenpflichtiger Arzneimittel nach § 11 a ApoG erteilt worden ist. Zum einen betreffen die hier in Rede stehenden Wettbewerbsverstöße nicht den Versandhandel mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, sondern das Sammeln von Rezepten durch Ärzte, das nach § 24 Abs.2 ApBetrO – von Ausnahmefällen abgesehen (vgl. hierzu Cyran/Rotta a.a.O. Rn. 79 f.) – weiterhin unzulässig ist. Zum anderen beschränkt sich die Apothekertätigkeit des Verfügungsbeklagten nicht auf den Versandhandel. Er betreibt weiterhin die als stationäre Ausgabestelle für Medikamente. Auch weil der Verfügungsbeklagte an der Auffassung festhält, sein von der Verfügungsklägerin beanstandetes Verhalten sei rechtens, besteht die nicht ausgeräumte Gefahr, dass er auch in Zukunft außerhalb des Versandhandels unerlaubte Sammelstellen in Arztpraxen organisieren wird, um seinen Arzneimittelabsatz zu optimieren und sich auf diese Weise Wettbewerbsvorteile gegenüber rechtstreuen Konkurrenten zu verschaffen.

III.

Die Einwendungen der Berufung gegen das Vorliegen eines Verfügungsgrundes greifen nicht durch.

Die Dringlichkeit wird in Wettbewerbssachen bei stattgefundenen Wettbewerbsverstößen nach § 12 Abs.2 UWG vermutet. Aufgabe des Verfügungsbeklagten war es, die Vermutungsregel dadurch zu widerlegen, dass er Umstände vorträgt und glaubhaft macht, die belegen, dass der Wettbewerbsverstoß der Klägerin früher als behauptet bekannt war und dass die Verfügungsklägerin hiergegen auch mit Aussicht auf Erfolg früher hätte gerichtlich vorgehen können.

Zwar spricht nach dem Inhalt der eidesstattlichen Erklärung der Verfügungsklägerin in der Tat einiges dafür, dass diese bereits im Januar 2011 Hinweise auf die vom Beklagten geübte Praxis erhalten hatte. Dass diese Hinweise allerdings so konkret waren, dass die Verfügungsklägerin bestimmte Wettbewerbsverstöße unter Angabe des jeweils beteiligten Arztes, des betroffenen Patienten sowie des Zeitpunkts und der Art der Verschreibung und des Datums der Faxübermittlung des Rezepts sowie der Auslieferung des Medikaments substantiiert hätte darlegen und vor allem glaubhaft machen können, ergibt sich weder aus deren eidesstattlicher Erklärung noch aus dem Vorbringen des Verfügungsbeklagten.

Der Umstand, dass die Verfügungsklägerin einräumt, im Januar 2011 aufgrund nicht näher konkretisierte Hinweise darauf erlangt zu haben, dass der Verfügungsbeklagte in Absprache mit Ärzten Rezepte sammelt um Medikamente per Boten an Patienten auszuliefern, führt entgegen der Rechtsauffassung des Verfügungsbeklagten nicht zu einer Umkehr der Darlegungslast mit der Folge, dass es nunmehr Sache der Verfügungsklägerin wäre, zu belegen, dass die Informationen, die sie erhalten hat, zu vage waren, um mit Aussicht auf Erfolg gerichtlich gegen den Verfügungsbeklagten vorgehen zu können.

Die Verfügungsklägerin macht unwiderlegt geltend, dass die ihr damals vorliegenden Informationen allgemeinerer Art waren. Selbst wenn sie konkreter gewesen sein sollten, kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass Informanten auch bereit waren, ihre der Verfügungsklägerin gemachten Angaben bei Gericht an Eides Statt zu versichern oder als präsente Zeugen vor Gericht zu erscheinen (§ 294 ZPO). Soweit es sich um Patienten der betroffenen Ärzte handelte, mussten sie befürchten, dass das Vertrauensverhältnis zum Hausarzt dadurch Schaden nehmen könnte. Auch die anonym geführte Diskussion im Internetforum für Gersheim und Umgebung versetzte die Klägerin nicht zu einem erfolgversprechenden gerichtlichen Vorgehen gegen den Beklagten und die beteiligten Ärzte in die Lage.

Belastbare Belege, die einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung Aussicht auf Erfolg verleihen, standen der Verfügungsklägerin nach ihrem nicht widerlegten Vortrag erst zur Verfügung, als ihr kurz vor Weihnachten 2012 der Müllsack mit den Telefaxrezepten und den Auslieferungsbelegen „zugespielt“ wurde. Daraufhin hat sie nach erfolgloser Abmahnung zeitnah den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt.

IV.

Die von der Berufung angegriffene Kostenentscheidung des Landgerichts, die der Senat auch ohne Beanstandung von Amts wegen zu prüfen hat, bedarf der Korrektur. Die Kosten des ersten Rechtszuges waren nicht wie geschehen gegeneinander aufzuheben, sondern in der Weise zu verteilen, dass der Verfügungsklägerin 61 % und dem Verfügungsbeklagten 39 % der Kosten der 1. Instanz aufzuerlegen waren.

Die allein auf die in der Beschlussverfügung für die vier anfangs gestellten Anträge festgesetzten Einzelstreitwerte und dem unter Berücksichtigung des Gesamtstreitwerts von 60.000 EUR anzunehmenden Anteilen am Obsiegen und Unterliegen im ersten Rechtszug abstellende Betrachtungsweise des Verfügungsbeklagten greift zu kurz. Der Verfügungsbeklagte lässt bei der angestrebten Kostenverteilung von 2/3 zu 1/3 zu Lasten der Verfügungsklägerin unberücksichtigt, dass die Anträge Ziff. 1 b) und d), die mit jeweils 10.000 EUR an dem Gesamtstreitwert von 60.000 EUR beteiligt waren (GA 343), bereits vor Erlass der Beschlussverfügung vom 23.1.2013 zurückgenommen wurden.

Da infolge der teilweisen Antragsrücknahme vor der mündlichen Verhandlung die anwaltlichen Terminsgebühren nur aus einem geringeren Streitwert angefallen sind, sind die unterschiedlichen Obsiegens- und Unterliegensanteile ins Verhältnis zu setzen und hiervon ausgehend ist ein einheitlicher Kostenausspruch zu bilden. Danach ergibt sich folgende Berechnung (vgl. Theimer/Theimer, Mustertexte zum Zivilprozess, Band I, 7.Aufl. 2008, S. 325 f.; Anders/Gehle, Das Assessorexamen im Zivilrecht, 11. Aufl. 2013, Rn. P-28ff. und Rn. A-198):

Die anwaltliche Terminsgebühr, KV 3104 RVG, ist nur aus einem Streitwert von 40.000 Euro entstanden. Man hat im Termin ausweislich des Protokolls erörtert und streitig verhandelt. Erst nach Erörterung der Sach- und Rechtslage wurde der ursprüngliche Verfügungsantrag Ziffer 1 c. zurückgenommen.

Ausgehend vom ursprünglichen Streitwert (60.000 Euro) trägt die Klägerin 2/3, der Beklagte 1/3 der Kosten.

Dies würde jedoch nicht berücksichtigen, dass die Klägerin mit der Hälfte des Streitwertteils, über den mündlich verhandelt wurde, obsiegt hat. Daher ergibt sich folgende Berechnung:

Gerichtskosten

KV 1210 GKG – Streitwert: 60.000 Euro: 556 Euro x 3 = 1.668 Euro

Davon trägt:

Klägerin (2/3) = 1.112 Euro

Beklagter (1/3) = 556 Euro

RA-Kosten Verfahrensgebühr:

1,3 aus 60.000 Euro (1.123) = 1.459,90 Euro x 2 = 2.919,80 Euro

Davon trägt:

Klägerin (2/3) = 1.946,53

Beklagter (1/3) = 973,27 Euro

RA-Kosten Terminsgebühr:

Streitwert: 40.000 Euro

1,2 aus 40.000 Euro (902) = 1.082,40 Euro x 2 = 2.164,80 Euro

Davon trägt:

Klägerin (1/2) = 1.082,40 Euro

Beklagter (1/2) = 1.082,40 Euro

Es sind Gesamtkosten in Höhe von:

1.668 Euro
2.919,80 Euro
2.164,80 Euro

6.752,60 Euro

entstanden.

Hiervon entfallen auf

die Klägerin

1.112 Euro
1.946,53 Euro
1.082,40 Euro

Gesamt: 4.140,93 Euro

Damit trägt er Kosten von (4.140,93 ./. 6.752,60) = rund 61 %

den Beklagten:

556 Euro
973,27 Euro
1.082,40

Gesamt: 2.611,67

Damit trägt er Kosten von (2.611,67 ./. 6.752,60) = rund 39%

Die Berufung des Verfügungsbeklagten war mit dieser Maßgabe mit der Kostenfolge aus § 97 Abs.1 ZPO und Vollstreckbarkeitserklärung gemäß § 542 Abs.2 ZPO zurückzuweisen.

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