Gerichtszuständigkeit bei illegalem Herunterladen von Musik

11. Februar 2009
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Eigener Leitsatz:

Bei einer negativen Feststellungsklage hinsichtlich des Vorwurfs des illegalen Herunterladens von Musik ist ein Gericht nicht schon deshalb zuständig, weil (auch) in seinem Bezirk heruntergeladen wurde. Vielmehr sind auch andere die Sachnähe begründende Faktoren zu berücksichtigen. Daneben widerspricht ein Wahlrecht des Schädigers Sinn und Zweck des § 32 ZPO, der insoweit teleologisch zu reduzieren ist.

Amtsgericht Mannheim

Beschluss vom 21.5.2008

Az.: 9 C 142/08

Beschluss

Tenor

Das Amtsgericht Mannheim erklärt sich für örtlich unzuständig und verweist den Rechtsstreit auf Antrag des Klägervertreters ohne vorherige mündliche Verhandlung gem. § 281 ZPO an das örtlich zuständige Amtsgericht Hannover.

Der Termin vom 9.06.2008 wird aufgehoben.

Gründe
  
1. örtliche Unzuständigkeit des Amtsgerichts Mannheim
 
Für eine Zuständigkeit des Amtsgerichts Mannheim gibt es keinen Anknüpfungspunkt.
 
Allgemeiner Gerichtsstand der Beklagten ist nach §§ 12, 17 ZPO deren Sitz und damit München. Zwar ist anerkannt, dass die negative Feststellungsklage auch überall dort zulässig ist, wo die Leistungsklage mit umgekehrtem Rubrum möglich wäre (so z.B. OLG Köln, Urteil vom 7.04.1978 – 6 U 179/77 – GRUR 1978, 658 m.w.N.; Musielak/ Foerste , ZPO, 5.Aufl. 2007, § 256 Rn. 36 m.w.N.), allerdings führt dies lediglich zur Zuständigkeit des Amtsgerichts Hannover als dem Gericht, dem nach der niedersächsischen Zuständigkeitsverteilung in Urheberrechtssachen betreffend die Amtsgerichte im Oberlandesgerichtsbezirk Celle, in welchem die Klägerin (und Beklagte einer gedachten Leistungsklage) nach §§ 12, 13 ZPO ihren Wohnsitz hat, Rechtsstreitigkeiten, die ihren Grund (auch) im Urheberrecht haben, zugewiesen sind.
 
Auf die der hiesigen Beklagten im Rahmen einer von ihr angestrengten Leistungsklage zustehende Wahlmöglichkeit, den jetzigen Kläger am Ort der unerlaubten Handlung (§ 32 ZPO) – und damit auch vor dem Amtsgericht Mannheim als dem Gericht, in dessen Bezirk die streitgegenständlichen Musikstücke (auch) abrufbar waren (vgl. hierzu zuletzt z.B. LG Düsseldorf, Urteil vom 23.01.2008 – 12 O 246/07) – zu verklagen, kann sich der Kläger einer negativen Feststellungsklage dagegen nicht berufen. Denn § 32 ZPO hat neben der Sachnähe – die im vorliegenden Fall wegen der am Wohnort des Klägers ansässigen Zeugen bzw. dem dortigen Standort des Rechners ebenfalls beim Amtsgericht Hannover größer ist – auch die Privilegierung des Geschädigten im Sinn, der neben §§ 12, 13 ZPO auch auf (den meist näheren Gerichtsstand des Ortes der Begehung der unerlaubten Handlung und damit) § 32 ZPO rekurrieren können soll (Musielak/ Heinrich , § 32 Rn. 1; Zöller/ Vollkommer , ZPO, 26.Aufl. 2007, § 32 Rn. 1). Dass nunmehr der Schädiger selbst diese Wahlmöglichkeit im Rahmen der negativen Feststellungsklage in Anspruch nehmen können soll, widerspricht dem Sinn und Zweck des § 32 ZPO (vgl. Musielak/ Foerste , a.a.O. m.w.N.), weshalb die Vorschrift insoweit teleologisch zu reduzieren ist, sodass es keinen validen Anknüpfungspunkt für eine hiesige Zuständigkeit gibt. Das von der Klägerin zitierte und in ihrem Sinne entschiedene, aber eine gänzlich anders gelagerte Fallkonstellation betreffende Verfahren 1 C 463/06 des Amtsgerichts Mannheim, das wohl ausschlaggebend für die Wahl des Klageortes gewesen sein dürfte, genügt dafür jedenfalls nicht.
 
Diese Ansicht wird gestützt von der zu § 17 WahrnG (UrhWG) ergangenen Literatur und Rechtsprechung. Die als ausschließlicher Gerichtsstand für Klagen von Verwertungsgesellschaften ausgestaltete Norm, die entweder das Gericht am Wohnsitz/Sitz des Verletzers oder dasjenige, in dessen Bezirk die Verletzungshandlung [= § 32 ZPO] vorgenommen wurde, für zuständig erklärt, ist im umgekehrten Fall, d.h. bei Klagen des Verletzers gegen die Verwertungsgesellschaft gerade nicht anwendbar (vgl. hierzu Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 2.Aufl.2006, § 17 WahrnG Rn. 2; Schricker/ Reinbothe , Urheberrecht, 2.Aufl. 1999, § 17 WahrnG Rn. 3). Auch wenn § 17 WahrnG in der hiesigen Konstellation nicht einschlägig ist, zeigt sich dadurch jedenfalls, dass (zumindest auch) zugunsten des Geschädigten geschaffene Normen dem Schädiger nicht zum Vorteil gereichen dürfen.
 
2. örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Hannover
 
Die Klägerin hat hilfsweise für den Fall, dass das Amtsgericht Mannheim ihre Auffassung zur örtlichen Zuständigkeit nicht teilt, Verweisung an das nach Ansicht des Gerichts zuständige Amtsgericht beantragt.
 
Diese Vorgehensweise ist zulässig, insbesondere bedarf es keiner ausdrücklichen Benennung des zuständigen Gerichts (Musielak/ Foerste , § 281 Rn. 8), da sich aus dem bisherigen Vortrag der Klägerin klar ergibt, dass ihre Wahl nach § 35 ZPO dann, wenn der Gerichtsstand Mannheim (oder jeder andere Tatortgerichtsstand) wegen der oben unter 1. geschilderten Reduktion ausscheidet, auch nicht auf den ihr weiter zur Verfügung stehenden Gerichtsstand München fällt. Eine solche Verweisung an das Amtsgericht München kam darüber hinaus auch deshalb nicht in Betracht, weil es die hiesige Beklagte durch Erhebung einer Leistungsklage und der damit verbundenen Sperrwirkung für eine negative Feststellungsklage (Zöller/ Vollkommer/Greger , Einl. Rn. 78; § 256 Rn. 16 m.w.N.) selbst in der Hand hatte, die Sache in München verhandeln zu lassen, da es ihr im Rahmen der Leistungsklage nicht verwehrt war, sich auf § 32 ZPO und damit den (auch) in München liegenden Tatort zu berufen.
 
Nach der obigen Prämisse, dass die negative Feststellungsklage (auch) überall dort zulässig ist, wo die Leistungsklage mit umgekehrtem Rubrum erhoben werden könnte, bleibt damit als letzter (allgemeiner) Gerichtsstand (§§ 12, 13 ZPO) der des Wohnorts der Klägerin übrig. Anders als § 32 ZPO dienen §§ 12, 13 ZPO gerade nicht dem Schutz vorwiegend einer Partei, sodass eine teleologische Reduktion – unabhängig von der sonst eintretenden Folge des Leerlaufs obiger Prämisse – auch des allgemeinen Gerichtsstands nicht angezeigt ist. Damit wäre an sich das Amtsgericht Hildesheim örtlich zuständig, was auch wegen der schon beschriebenen Sachnähe im Hinblick auf eine etwaig durchzuführende Beweisaufnahme stimmig ist.
 
Da die Ansprüche der Beklagten, deren Nichtbestehen die Klägerin festgestellt haben möchte, (zumindest auch) solche aus dem Urheberrechtsgesetz (§ 97 UrhG) sind, greift jedoch die in Niedersachsen geregelte besondere funktionale Zuständigkeit des Amtsgerichts Hannover ein (§ 105 Abs. 2 UrhG i.V.m. Verordnung vom 26.07.1966, GVBl. S. 178 aufgrund Ermächtigung in Verordnung vom 23.06.1966, GVBl. S. 118; Schricker/ Wild , § 105 Rn. 1, 3 m.w.N.), weshalb dorthin zu verweisen war.

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