„Mirabeau“ – Kein Freihaltebedürfnis für Personennamen zur Bezeichnung von Versandkatalogen

04. August 2008
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Amtlicher Leitsatz:

1. Personennamen sind für Versandkataloge weder Autorenbezeichnung noch Inhaltsangabe.

2. Der Name des französischen Revolutionärs und Schriftstellers „Mirabeau“, der über die historische Bedeutung und das literarische Werk hinaus keine Assoziationen auslöst, eignet sich nicht für eine Verwendung zu Werbezwecken.

Bundespatentgericht

Urteil vom 23.05.2007

Az.:  29 W (pat) 106/06

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 305 76 214.1

hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 23. Mai 2007 durch die Vorsitzende Richterin Grabrucker sowie die Richterinnen Fink und Dr. Mittenberger-Huber

beschlossen:

Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 12. Juni 2006 wird aufgehoben.

Gründe:

I.

Die Wortmarke

Mirabeau

soll für zahlreiche Waren und Dienstleistungen in das Register eingetragen werden.

Die Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und Markenamts hat das angemeldete Zeichen mit Beschluss vom 12. Juni 2006 teilweise zurückgewiesen für die Waren und Dienstleistungen

Kinematografische Filme (belichtet), elektronische Publikationen (herunterladbar), bespielte Datenträger; Videokassetten und -bänder; Magnetaufzeichnungsträger, Schallplatten; mit Programmen versehene maschinenlesbare Datenträger, Datenverarbeitungsprogramme; belichtete Filme; Druckereierzeugnisse; Fotografien; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate) in Form von Druckereierzeugnissen, Spielen.

Zur Begründung ist ausgeführt, dass der Begriff „Mirabeau“ als Name des französischen Politikers, Physiokraten und Publizisten Honoré Gabriel du Riqueti, Comte de Mirabeau, lexikalisch belegt sei, der u. a. durch seine Schriften und politischen Aktivitäten während der Französischen Revolution bekannt geworden sei. Als Name einer historischen Person ordne das angesprochene Publikum dem Begriff keine herkunftshinweisende Funktion zu und erfasse lediglich den Sachhinweis auf Waren, die sich thematisch mit der Person Mirabeaus befassten. Da den Mitbewerbern der Anmelderin die Möglichkeit erhalten bleiben müsse, auf Waren hinzuweisen, die das Leben und das Wirken Mirabeaus zum Inhalt hätten, bestehe auch ein Freihaltebedürfnis.

Die Anmelderin hat die Anmeldung hinsichtlich der nicht von der Zurückweisung erfassten Waren und Dienstleistungen nach § 40 MarkenG geteilt und gegen die Zurückweisung der Stammanmeldung Beschwerde eingelegt. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, dass es sich bei der angemeldeten Marke um eine Fantasiebezeichnung handele. Die Annahme, dass der angesprochene Durchschnittsverbraucher in der angemeldeten Marke den Namen des französischen Politikers Mirabeau erkenne, sei wirklichkeitsfremd. Da das Zeichenwort „Mirabeau“ keine Eigenschaft und kein Merkmal der beanspruchten Waren beschreibe, fehle auch ein Freihaltebedürfnis.

Im Beschwerdeverfahren hat die Anmelderin für die Waren der Klasse 9 „die Löschung der Marke“ erklärt und das Verzeichnis im Übrigen eingeschränkt auf die Waren „Druckereierzeugnisse, nämlich Versandkataloge“.

Die Anmelderin beantragt,

den angefochtenen Beschluss aufzuheben.

II.

Die nach § 66 Abs. 1 und 2 MarkenG zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Für die nach Einschränkung des Verzeichnisses noch beanspruchten Waren „Druckereierzeugnisse, nämlich Versandkataloge“ stehen der Eintragung keine absoluten Schutzhindernisse entgegen.

1. Die Anmelderin hat für die in Klasse 9 beanspruchten Waren wirksam die Rücknahme der Anmeldung erklärt. Die Erklärung „der Löschung“ der Marke mit Schriftsatz vom 21. Mai 2007 beruht offensichtlich auf der irrigen Annahme, dass es sich um eine bereits eingetragene Marke handelt und diese vom Markeninhaber für gelöscht erklärt werden kann. Da sich die Marke aber noch im Anmeldeverfahren befindet und die Löschung einer Marke nur vom Deutschen Patent- und Markenamt als der für die Führung des Registers zuständigen Verwaltungsbehörde angeordnet werden kann, ist die Erklärung der Markenanmelderin sinngemäß dahingehend auszulegen, dass sie die Anmeldung für die Waren der Klasse 9 nach § 39 Abs. 1 MarkenG zurücknimmt.

2. Der Begriff „Mirabeau“ ist lexikalisch belegt als Nachname des französischen Publizisten und Politikers Honoré Gabriel Riqueti Comte de Mirabeau (vgl. Brockhaus, Enzyklopädie, 21. Aufl. 2006, Bd. 18, S. 533; Larousse, encyclopédique universel, 1998, S. 3587; Die Zeit, Das Lexikon in 20 Bänden, 2005, Leum – Mits, S. 597). Mirabeau ist Verfasser verschiedener politischer und erotischer Schriften, die zum Teil noch verlegt werden, z. B. Honoré Gabriel Riqueti de Mirabeau, Lauras erotische Erziehung (September 2006); Honoré Gabriel Riqueti de Mirabeau/Nicolas Chorier von Area, Hic & Hec oder die Stufenleiter der Wollust/Die Gespräche der Aloisia Sigea (Oktober 2004). Als einer der bedeutendsten Männer der französischen Revolution ist er außerdem Thema verschiedener Biografien und Romane, z. B. Erdmanndörffer, Mirabeau, 1953; Welch/von Hutten, Mirabeau, 1958; Wittkopp, Graf Mirabeau, 1989. Verwendung findet der Begriff „Mirabeau“ aber nicht nur in der genannten Bedeutung eines Personennamens, sondern auch als Teilwort des Pont Mirabeau in Paris, des Cours Mirabeau in Aix-en-Provence, zur Bezeichnung eines Teilstücks der Autorennstrecke in Monaco und als Namensbestandteil verschiedener Hotels in Belgien, Frankreich, Italien, Monaco und der Schweiz.

3. Mit keiner dieser genannten Bedeutungen ist das Zeichen „Mirabeau“ geeignet, die beanspruchten Waren „Druckereierzeugnisse, nämlich Versandkataloge“ nach ihrer Art, Beschaffenheit, Bestimmung oder hinsichtlich sonstiger Merkmale i. S. des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zu beschreiben.

3.1. Für die Annahme einer beschreibenden Angabe nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG genügt es, wenn ein Zeichen in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen beschreibt (vgl. EuGH GRUR 2004, 146, Rn. 32 – DOUBLEMINT; GRUR 2004, 674, Rn. 97 – POSTKANTOOR). Der lexikalisch belegte Name einer Person stellt für die Waren „Druckereierzeugnisse“ in der Regel eine verständliche Inhaltsbeschreibung dar. Dies beruht auf der allgemeinen Übung, Biografien, die sich mit dem Leben bekannter Persönlichkeiten befassen, mit dem Namen der betreffenden Person zu betiteln und damit gleichzeitig eine Sachaussage über den thematischen Inhalt zu treffen. Handelt es sich bei der Person zugleich um einen Schriftsteller, dessen Werke – auch wenn er verstorben ist – unverändert am Markt erhältlich sind, kann der Personenname in Verbindung mit Druckereierzeugnissen außerdem als Autorenbezeichnung dienen (vgl. BPatG 29 W (pat) 35/06 – Ringelnatz). Als Namen des Grafen Mirabeau wäre das Zeichen damit für den Oberbegriff „Druckereierzeugnisse“ wegen des inhaltsbeschreibenden Aussagegehalts von der Eintragung ausgeschlossen.

3.2. Der Senat hat aber nicht feststellen können, dass Personennamen als inhaltsbeschreibende Angaben zur Bezeichnung von Versandkatalogen üblich sind. Derartige Kataloge enthalten regelmäßig eine nach Warengruppen bzw. Themenbereichen geordnete Zusammenstellung des über den Versandhandel
erhältlichen Warenangebots. Soweit dabei personenbezogene Angaben verwendet werden, beziehen diese sich regelmäßig auf eine bestimmte Zielgruppe, wie z. B. „Heimwerker, Tierfreund, Kinder, Damen, Herren“ usw., nicht hingegen auf eine individuelle Person. Die Annahme, der Verkehr könne in der Bezeichnung „Mirabeau“ einen Hinweis auf ein an der Person des Grafen Mirabeau ausgerichtetes Warensortiment erkennen, ist daher fernliegend.

3.3. Auch zur Bezeichnung des Verfassers der beanspruchten Versandkataloge kommt das angemeldete Zeichen nicht in Betracht. Zwar werden einzelne Schriften Mirabeaus noch verlegt, so dass sein Name grundsätzlich als Autorenbezeichnung dienen kann. Bei Versandkatalogen ist der Verkehr aber daran gewöhnt, dass sie vom jeweiligen Versandhandelsunternehmen und nicht von individuellen Personen erstellt werden und erfasst einen Personennamen daher nicht als Hinweis auf den Verfasser.

3.4. Nichts Anderes ergibt sich unter dem Gesichtspunkt, dass Namen bekannter Personen häufig außerhalb des Betätigungs- und Erscheinungsfeldes ihres Namensträgers in der Werbung eingesetzt werden, um im Wege des Imagetransfers die Attraktivität der beworbenen Produkte zu steigern (vgl. BGH GRUR 2000, 709, 713 – Marlene Dietrich; BPatG GRUR 2006, 333, 336 – Porträtfoto Marlene Dietrich). Diese Art der werblichen Verwendung von Personennamen beruht nämlich auf dem Versuch, beim Publikum eine Assoziation zwischen der bekannten Person und dem beworbenen Produkt herzustellen und diese positive Assoziation auf das Produkt zu übertragen (vgl. Magold, Personenmerchandising, 1994, S. 14 ff.). Insoweit fehlen aber jegliche Anhaltspunkte, dass der Personenname „Mirabeau“ über die Bedeutung eines französischen Revolutionärs und das schriftstellerische Werk hinaus bei den Verkehrskreisen eine Assoziation auslöst, die den Namen für eine Verwendung zu Werbezwecken geeignet erscheinen lässt.

3.5. Auch unter Berücksichtigung der oben unter Ziff. 2 ausgeführten anderen beschreibenden Verwendungen des Begriffs „Mirabeau“ ist nicht ersichtlich, welche Merkmale von Versandkatalogen mit dem Zeichen konkret beschrieben werden sollten.

4. Mangels eines klaren und eindeutigen Aussagegehalts in Bezug auf die beanspruchten Waren kann der angemeldeten Marke auch die erforderliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG nicht abgesprochen werden. Der angefochtene Beschluss war daher aufzuheben.

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