Verantwortung für das Handeln der „Reseller“

17. März 2009
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Eigener Leitsatz:

Bedient sich ein Telekommunikationsunternehmen für den Absatz ihrer Dienstleistungen eines "Resellers", dem die Netzdienstleistungen als Vorprodukt zur Verfügung gestellt werden, muss sie sich wettbewerbswidrige Handlungen zurechnen lassen, denn eine arbeitsteilige Organisation eines Unternehmens kann die Verantwortung nicht beseitigen. Entscheidend ist, dass der Betriebsinhaber die Möglichkeit hat, auf das beauftragte Unternehmen einen bestimmten Einfluss auszuüben.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Urteil vom 23.10.2008

Az.: 6 U 176/07

Urteil

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch die Richter … im schriftlichen Verfahren am 23.10.2008 für Recht erkannt:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 17.08.2007 verkündete Urteil der 11. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 33.000,– € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe:

I.

Wegen des Sach- und Streitstandes wird zunächst auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt und zur Begründung ausgeführt, der Klägerin stehe der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß §§ 3, 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 UWG zu, da jedenfalls der Telefonanschluss der Endkundin X ohne eine entsprechende Willenserklärung dieser Endkundin auf die von der Beklagten genutzte Verbindungsnetzbetreiberkennzahl dauerhaft voreingestellt wurde bzw. werden sollte und die Beklagte sich das Handeln des dafür verantwortlichen Resellers gemäß § 8 Abs. 2 UWG zurechnen lassen müsse.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Die Beklagte ist der Auffassung, ihr könne das Handeln der sogenannten „Reseller“, also der Telekommunikationsunternehmen, denen sie ihre Netzdienstleistungen als Vorprodukt zur Verfügung stellt, damit diese gegenüber den Endkunden Telefondienstleistungen anbieten kann, nicht zugerechnet werden. Es fehle an einer Beauftragung im Sinne von § 8 Abs. 2 UWG. Die Beklagte habe keine Möglichkeit, einen bestimmenden Einfluss auf die Reseller auszuüben. Diese hätten die Möglichkeit, mit dem gesamten Kundenstamm zu einem anderen Anbieter zu wechseln.

Im Übrigen liege in dem Verhalten der Beklagten keine Wettbewerbshandlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG. Die Beklagte wirke an den Kundenumstellungen, die von der Klägerin beanstandet worden sind, allein in der Weise mit, dass sie eine Datenschnittstelle bereithalte, über die die Reseller die Pre-Selection-Auftragsdaten an die Y weiterleiten. Überdies seien sämtliche Willenserklärungen, die darauf gerichtet sind, eine neue dauerhafte Voreinstellung auf die Beklagte vorzusehen, Maßnahmen im Rahmen eines bereits begründeten Vertragsverhältnisses, weshalb ihnen der erforderliche Marktbezug fehle.

Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Nachdem der Senat in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hat, dass Bedenken gegen die Klagebefugnis der Klägerin dann bestehen könnten, wenn durch das beanstandete Verhalten allein die Firma Y beeinträchtigt sein könnte, hat die Klägerin dargelegt, dass im Falle eines Wechsels von Kunden von der Firma Y zur Beklagten eine etwa bestehende Pre-Selection entfernt werde. Damit sei auch der Wettbewerb von Telekommunikationsunternehmen, zu deren Gunsten die Pre-Selection eingerichtet worden sei und gegebenenfalls auch der Wettbewerb von Resellern, derer sich diese Telekommunikationsunternehmen wiederum zum Teil bedienen, beeinträchtigt.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst ihren Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

Der Unterlassungsanspruch der Klägerin folgt aus §§ 3, 4 Nr. 10, 8 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 Nr. 2 UWG.

Dem Landgericht ist darin zuzustimmen, dass der Reseller A eine unlautere Wettbewerbshandlung begangen hat, als er die Preselection-Auftragsdaten der Kundin X an die Beklagte zur Weiterleitung an die Firma Y übermittelte. Denn zu diesem Zeitpunkt hatte die Endkundin X unstreitig ihren Preselection-Auftrag gegenüber dem Reseller rechtswirksam widerrufen. Die Weiterleitung der Auftragsdaten trotz Widerrufs stellt eine Wettbewerbshandlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar, denn sie dient dem Ziel, den Absatz des Resellers – und auch den der Beklagten – zu fördern. Dabei braucht der Frage nicht nachgegangen zu werden, ob der Reseller die Auftragsdaten im Bewusstsein des erfolgten rechtswirksamen Widerrufs weitergeleitet hat oder nicht. Der vorliegende Fall ist nicht vergleichbar mit dem, der der Entscheidung „Änderung der Voreinstellung“ des BGH (WRP 2007, 1341) zugrunde liegt. Der dortigen Beklagten ist der Vorwurf gemacht worden, gegen ihre Verpflichtung zu verstoßen, die Voreinstellung von Kunden, die bislang ihre Kunden waren, jedoch zur Klägerin wechseln wollen, auf die Klägerin umzustellen. Diese Vertragsverletzung gegenüber dem Kunden hat der Bundesgerichtshof nur für den Fall als Wettbewerbshandlung qualifiziert, dass es sich nicht um einen versehentlichen Verstoß handelt, wie er bei der Abwicklung eines Massengeschäfts vorkommen kann, sondern um eine bewusste Pflichtverletzung. Demgegenüber geht es im vorliegenden Fall darum, dass der Reseller A Auftragsdaten von Kunden der Firma Y über die Beklagte an diese weiterleitet und damit den Eindruck erweckt, diese wollten zur Firma A – und damit zur Beklagten – wechseln, obwohl dies nicht den Tatsachen entspricht. Hierin liegt keine bloße Vertragsverletzung, da ein Vertragsverhältnis zur Endkundin X gerade nicht zustande gekommen war. Dem Reseller A ist vielmehr der Vorwurf zu machen, über die Beklagte gegenüber der Firma Y Kunden für sich zu beanspruchen, die das Vertragsverhältnis mit der Y AG überhaupt nicht beenden wollen. Hierin liegt eine unlautere Behinderung gemäß § 4 Nr. 10 UWG, weil die Firma Y unter Vorspiegelung unwahrer Tatsachen dazu bewegt werden soll, Vertragsbeziehungen zu Kunden zu beenden, die tatsächlich weiterhin ihre Kunden bleiben wollen.

Dieses wettbewerbswidrige Verhalten ihres Resellers muss sich die Beklagte gemäß § 8 Abs. 2 UWG zurechnen lassen. Nach dieser Vorschrift werden dem Inhaber des Unternehmens Zuwiderhandlungen seiner Angestellten oder Beauftragten wie eigene Handlungen zugerechnet, weil die arbeitsteilige Organisation seines Unternehmens die Verantwortung für das Verhalten im Wettbewerb nicht beseitigen soll. Der Unternehmensinhaber, dem die Wettbewerbshandlungen seiner Angestellten oder Beauftragten zugute kommen, soll sich bei einer wettbewerbsrechtlichen Haftung nicht hinter den von ihm abhängigen Dritten verstecken können (BGH WRP 2008, 220 – Telefonaktion). Anerkannt ist auch, dass als Beauftragter im Sinne von § 8 Abs. 2 auch ein selbständiges Unternehmen in Betracht kommen kann, wenn es in die betriebliche Organisation des Betriebsinhabers in der Weise eingegliedert ist, dass einerseits der Betriebsinhaber auf das beauftragte Unternehmen einen bestimmenden, durchsetzbaren Einfluss hat und dass andererseits der Erfolg der Geschäftstätigkeit des beauftragten Unternehmens dem Betriebsinhaber zugute kommt (BGH WRP 2005, 1248 – Meissner Dekor II). Entscheidend ist es, dass der Betriebsinhaber die Möglichkeit hat, auf das beauftragte Unternehmen einen bestimmenden Einfluss auszuüben; macht er hiervon keinen Gebrauch, haftet er trotzdem nach § 8 Abs. 2 UWG.

Die Beklagte hat mit ihren Resellern Verträge geschlossen wie aus der Anlage B 1 zur Klageerwiderung (Bl. 75 ff. d. A.) ersichtlich. Danach erbringt die Beklagte Telekommunikationsdienstleistungen gegenüber Endkunden, die einen Vertrag allerdings nicht mit der Beklagten, sondern mit einem Reseller abgeschlossen haben. Die Beklagte bedient sich der Reseller also, um ihre Dienstleistungen gegenüber dem Endkunden zu erbringen; die Reseller sind die Vertriebsorganisation der Beklagten. Die Reseller ihrerseits dürfen die Dienstleistungen der Beklagten nur solange gegenüber den Endkunden anbieten, wie die Beklagte ihnen dies erlaubt. Sie sind insofern Vertragshändlern vergleichbar, die ebenfalls als Beauftragte im Sinne von § 8 Abs. 2 UWG gelten (BGH GRUR 1971, 119, 120 – Branchenverzeichnis). Aufgrund des Umstandes, dass die Reseller den Endkunden gegenüber Dienstleistungen anbieten, die von der Beklagten erbracht werden, und dies nur dürfen, solange die Beklagte ihnen dies erlaubt, hat die Beklagte einen bestimmenden Einfluss auf die für sie tätigen Reseller. Es kann der Beklagten nicht zum Vorteil gereichen, dass sie für den Absatz ihrer Dienstleistungen rechtlich selbständige Unternehmen einschaltet und das Vertragsverhältnis mit diesen Unternehmen so ausgestaltet, dass sie die alleinigen Vertragspartner der Endkunden werden. Wirtschaftlich betrachtet handelt es sich um die Kunden der Beklagten. Sie ist für das Verhalten der Reseller in gleicher Weise verantwortlich wie ein Unternehmen, das den Vertrieb seiner Dienstleistungen selbst übernimmt.

Die Beklagte kann nicht damit gehört werden, es sei unzumutbar für sie, alle ihre Reseller zu überwachen. Vor diesem Problem steht jedes große Unternehmen, welches über eine Vielzahl von Mitarbeitern verfügt.

Die Beklagte kann sich dieser Verantwortung nicht durch die gewählte rechtliche Konstruktion entziehen, sondern muss von ihren Möglichkeiten der Einflussnahme in geeigneter Weise Gebrauch machen.

Die Klägerin ist gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG befugt, den streitgegenständlichen Wettbewerbsverstoß zu verfolgen. Bedenken diesbezüglich hätten allerdings bestanden, wenn die Firma Y der einzige Mitbewerber der Beklagten gewesen wäre, der von der unlauteren Behinderung der Beklagten betroffen gewesen wäre. Denn in einem solchen Fall sollte es grundsätzlich dem allein betroffenen Unternehmen überlassen bleiben, zu entscheiden, in welcher Weise es auf den Wettbewerbsverstoß reagiert. Die Klägerin hat jedoch überzeugend dargelegt, dass durch das beanstandete Verhalten nicht nur die Firma Y behindert wird, sondern in gleicher Weise all diejenigen Unternehmen, zu deren Gunsten die Firma Y eine Pre-Selection eingerichtet hat. Denn bei der Umstellung auf einen anderen Verbindungsnetzbetreiber wird diese Pre-Selection entfernt. Die Klägerin hat weiter unbestritten vorgetragen, dass ein Teil der Unternehmen, zu deren Gunsten die Firma Y eine Pre-Selection eingerichtet hat, sich ihrerseits Reseller-Unternehmen bedienen. Auch diese Unternehmen sind von der unlauteren Behinderung durch die Beklagte betroffen. In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob die Firma Y auch zugunsten der Endkundin X eine Pre-Selection eingerichtet hatte. Für die Klagebefugnis der Klägerin entscheidend ist es, dass das beanstandete Verhalten der Beklagten geeignet ist, neben den Interessen der Firma Y auch die Interessen einer Reihe weiterer Unternehmen zu beeinträchtigen. Ebenso wenig verfängt der Einwand der Beklagten, die Firma Y AG und diejenigen Unternehmen, zu deren Gunsten sie eine Pre-Selection einrichten musste, betätigten sich auf unterschiedlichen Märkten. Dem kann nicht gefolgt werden, weil die Firma Y mit denjenigen Unternehmen, zu deren Gunsten sie verpflichtet ist, eine Pre-Selection einzurichten, um dieselben Kunden bei dem Absatz von Telekommunikationsdienstleistungen kämpft.

Da mithin die unlautere Behinderung nicht nur die Interessen eines Unternehmens, sondern gleichzeitig Interessen anderer Branchenangehöriger berührt und durch die Maßnahme der Wettbewerb auch zum Nachteil der übrigen Marktteilnehmer beeinträchtigt wird, ist die Klägerin gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugt (vgl. Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG 26. Auflage, § 4 Rdz. 10.220).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die Entscheidung beruht, insbesondere auch hinsichtlich der Frage der Reichweite des § 8 Abs. 2 UWG, auf anerkannten Rechtsgrundsätzen.

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