Irreführung durch „Branchenbuch“ und Formularaussendung

19. März 2010
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Eigener Leitsatz:

Der Begriff "Branchenbuch" für ein Sammelwerk ist dann aufgrund der Verkehrsauffassung dieses Begriffs irreführend, wenn nicht deutlich herausgestellt wird, dass das Verzeichnis keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Darüber hinaus ist bei der Versendung eines auf den Abschluss eines Vertrag gerichteten Formulars dann keine Irreführung zu befürchten, wenn dem Versand ein klarstellendes Telefongespräch über die Rechtsnatur des Formulars vorausging.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Urteil vom 25.02.2010

Az.: 6 U 237/08

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 24.10.2008 verkündete Urteil der 11. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main teilweise abgeändert.

Die Klageanträge zu 1. b) und c) werden abgewiesen. Auf den Klageantrag zu 2. bleiben die Beklagten verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin 807,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit 12.06.2008 zu zahlen; im Übrigen wird der Klageantrag zu 2. abgewiesen.

Die weitergehende Berufung der Beklagten und die Berufung der Klägerin werden zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 5/6 und die Beklagten 1/6 zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten können die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000,– EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen einer ihrer Ansicht nach jeweils irreführenden Verwendung des Begriffs „… Branchenbuch“ in vier konkreten Fällen (Klageantrag zu 1. a), wegen der Werbung mit Formularaussendungen (Anlagen K 6 und K 7), deren Angebotscharakter nicht ausreichend erkennbar sei (Klageantrag zu 1. b), und wegen des Versuchs der Durchsetzung auf diesem Weg zustande gekommener Verträge durch die Zusendung von Rechnungen und weiteren Schreiben (Klageantrag zu 1. c) auf Unterlassung und Erstattung der Abmahnkosten (Klageantrag zu 2.) in Anspruch.

Auf das angefochtene Urteil (Bl. 112 ff. d.A.) einschließlich der darin enthaltenen tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 I Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Das Landgericht hat dem Klageantrag zu 1. a) entsprochen, soweit dieser die Verwendung des Begriffs „… Branchenbuch“ in den Anlagen K 6 und K 7 betrifft; im Übrigen hat es den Klageantrag zu 1. a) abgewiesen. Den weiteren Klageanträgen zu 1. b), 1. c) und 2. hat das Landgericht stattgegeben.

Gegen dieses Urteil wenden sich beide Parteien mit ihren Berufungen, mit denen sie ihr erstinstanzliches Begehren jeweils in vollem Umfang weiterverfolgen.

Die Klägerin beantragt,
unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagten über den zuerkannten Umfang hinaus zu verurteilen,
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes i.H.v. bis zu 250.000,– EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, hinsichtlich der Beklagten zu 1) zu vollziehen an ihrem gesetzlichen Vertreter, zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs
ein als „www…..com“
und/oder
„… Branchenbuch“, wenn dies geschieht wie in der Anlage K 4,
bezeichnetes Adressen-Sammelwerk herauszugeben und/oder herausgeben zu lassen und/oder zu bewerben und/oder bewerben zu lassen und/ oder anzubieten und/oder anbieten zu lassen und/oder in Verkehr zu bringen und/oder in Verkehr bringen zu lassen, wenn in dem so bezeichneten Verzeichnis nicht alle oder nahezu alle Branchen und Betriebe der jeweils bezeichneten Region enthalten sind.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen und
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Beide Parteien wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Die Beklagten beanstanden insbesondere, dass das Landgericht die von ihnen behaupteten vorherigen Telefonanrufe bei den Empfängern der Aussendungen (K 6 und K 7) nicht gebührend berücksichtigt habe. Hierzu tragen die Beklagten unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen vor, dass direkt vor der Übersendung der jeweiligen Formularaussendung per Telefax ein Telefonat mit dem Empfänger geführt worden sei, bei dem u.a. auf die Kostenpflichtigkeit des Eintrags hingewiesen worden sei. Im Termin zur Berufungsverhandlung haben die Beklagten ihr Vorbringen dahingehend erläutert, dass es sich bei dem in den Anlagen K 6 und K 7 eingetragenen „Ansprechpartner“ (Anlage K 6: Frau A, Anlage K 7: Schw. B) um den beim Kunden beschäftigten Mitarbeiter handele, mit dem das vorangegangene Telefongespräch geführt worden sei.

Die Klägerin hat in ihrem nachgelassenen Schriftsatz vom 28.01.2010 eingeräumt, dass Frau A und Schwester B bei den Adressaten der Aussendungen, Herrn Dr. C und Frau Dr. D, beschäftigt waren und entsprechende Telefonanrufe der Beklagten zu 1) entgegengenommen haben könnten. Die Klägerin vertritt jedoch die Auffassung, ein Telefongespräch könne eine Irreführung durch die anschließende Aussendung per Telefax nur dann ausschließen, wenn es über einen irrtums- und unlauterkeitsausschließenden Charakter verfüge und mit der Person geführt worden sei, die das Formular letztlich erhalte und unterzeichne. Die zweite Voraussetzung sei hier unstreitig nicht erfüllt. Zum Inhalt der Telefongespräche hätten die Beklagten nicht substantiiert vorgetragen. Im Fall der Frau Dr. D habe sich der vorbereitende Anruf ohne weitere Erläuterung auf die Ankündigung eines Formulars beschränkt. Im Übrigen trägt die Klägerin zu dem Geschäftsgebaren der Beklagten weiter vor und sieht hierin einen Beleg dafür, dass die fraglichen Telefonanrufe nicht der Aufklärung gedient hätten.

Des weiteren hat die Klägerin eine besser lesbare Kopie der Anlage K 7 vorgelegt (Bl. 259 d.A.).

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen sowie die nachfolgenden Ausführungen unter Ziff. II. Bezug genommen.

II.

Die Berufungen beider Parteien sind zulässig. Die Berufung der Beklagten hat in der Sache teilweise Erfolg, während die Berufung der Klägerin unbegründet ist.

Dem Klageantrag zu 1. a) hat das Landgericht zu Recht (nur) teilweise entsprochen. Die Rechtsmittel beider Parteien bleiben insoweit erfolglos.

Der Senat nimmt auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil zu dem Klageantrag zu 1. a) Bezug und schließt sich ihnen an. Das jeweilige Berufungsvorbringen der Klägerin und der Beklagten rechtfertigt keine andere Beurteilung.

Die Klägerin sieht in der Verwendung des Domain-Namens „www.oertliches-branchenbuch.com“ und der Bezeichnung „… Branchenbuch“ wie in der Anlage K 4 unter zwei Gesichtspunkten eine wettbewerbswidrige Irreführung.

Zum einen werde hier der unzutreffende Eindruck erweckt, das so bezeichnete Adressen-Sammelwerk sei im wesentlichen vollständig, enthalte also nahezu alle Branchen und Betriebe der jeweils bezeichneten Region. Außerdem nimmt die Klägerin wegen der Verwendung des Wortes „…“ an, es werde ein in Wahrheit nicht bestehender Zusammenhang mit den dem Verkehr bekannten Publikationen der Klägerin suggeriert.

Der zweite Gesichtspunkt hat nach dem Wortlaut des Klageantrags allerdings keine eigenständige Bedeutung. Unabhängig davon führt der Umstand, dass die Klägerin in Kooperation mit ihren Partnerverlagen das Telefonverzeichnis „Das …“ herausbringt, nicht dazu, dass das Adjektiv „örtlich“ für eine (beschreibende) Bezeichnung von Adresssammelwerken nicht mehr verwendet werden dürfte. Das bekannte Branchenverzeichnis der Klägerin trägt die Bezeichnung „…“. Mit „Das …“ wird demgegenüber ein ortsbezogenes Telefonverzeichnis der Klägerin bezeichnet, kein reines Branchenverzeichnis. In der angegriffenen Bezeichnung „…(…) Branchenbuch“ ist das Wort „örtlich“ auf die Funktion eines beschreibenden Adjektivs beschränkt. Angesichts dessen entwickelt der durchschnittlich aufmerksame, informierte und verständige Gewerbetreibende, an den sich die Werbung der Beklagten richtet, allein aufgrund der Bezeichnung „…(…) Branchenbuch“ nicht die Vorstellung, es handele sich um ein Verzeichnis der Klägerin oder es bestehe ein Zusammenhang mit den Verzeichnissen der Klägerin. Kennzeichenrechtliche Ansprüche hat die Klägerin insoweit im Übrigen nicht geltend gemacht.

Mit der Frage, ob und unter welchen Umständen der Begriff „Branchenbuch“ beim Verkehr die Erwartung weckt, das so bezeichnete Sammelwerk sei (nahezu) vollständig, hat sich der Senat zuletzt in seinem Beschluss vom 11.04.2006 – 6 W 23/06 – ausführlich befasst, den auch das Landgericht zur Grundlage seiner Beurteilung gemacht hat. Dort hat der Senat zum Verständnis der Nutzer derartiger Verzeichnisse – für die hier durch die Werbung angesprochenen Unternehmer, insbesondere niedergelassene Ärzte, gilt nichts anderes – folgendes ausgeführt:

„Das Verständnis dieses Verkehrskreises ist dadurch geprägt, dass die von der Klägerin herausgegebenen Branchenfernsprechbücher auf den bei der F AG vorliegenden Eintragungen beruhen und daher (praktisch) vollständig sind. Da es in der Vergangenheit jahrzehntelang keine vergleichbaren nach Branchen geordneten Unternehmensverzeichnisse gab, sind die in Rede stehenden Bezeichnungen „Branchenbuch“ und „Branchenverzeichnis“ umgangssprachlich üblicherweise allein für die von der Klägerin herausgegebenen (nahezu) vollständigen Verzeichnisse benutzt worden; sie rufen daher bei weiten Teilen des Verkehrs die Erwartung hervor, ein so bezeichnetes Sammelwerk sei (nahezu) vollständig. Der Senat verkennt allerdings nicht, dass mittlerweile eine Vielzahl von Unternehmensverzeichnissen – vor allem in elektronischer Form – existiert, bei denen die einzelnen Einträge nicht vom Herausgeber ermittelt worden sind, sondern allein auf einem entsprechenden Auftrag des betreffenden Unternehmens beruhen, wobei die Eintragung in der Regel kostenpflichtig ist, aber auch kostenfrei sein kann, weil das Verzeichnis beispielsweise durch – weitere – Werbung finanziert wird. Dass solche Verzeichnisse nicht (fast) vollständig sein können, ist jedem klar, der den Charakter des Verzeichnisses erkennt. Wenn – was sinnvoll ist – ein derartiges Verzeichnis nach Branchen geordnet ist, ist dessen Bezeichnung als „Branchenbuch“ oder „Branchenverzeichnis“ zumindest vom Wortsinn her ohne weiteres naheliegend. Die Irreführungsgefahr ergibt sich in diesem Zusammenhang allein aus der oben dargestellten, durch die faktische Monopolstellung der Klägerin geprägten besonderen Verkehrserwartung. Daraus folgt jedoch nicht, dass die Klägerin die fraglichen Begriffe auf Dauer und für jede denkbare Fallgestaltung für sich und ihre Erzeugnisse monopolisieren könnte. Zum einen beeinflusst das vermehrte Aufkommen der genannten „Auftragsverzeichnisse“ die Verkehrsauffassung insoweit, als hierdurch zunehmend die Annahme nahegelegt wird, hinter der Bezeichnung „Branchenbuch“ könne sich möglicherweise auch ein solches Verzeichnis verbergen. Zum anderen muss der Gesichtspunkt der Interessenabwägung (vgl. zuletzt BGH WRP 04, 904 – Schlauchbeutel) eine gewisse Berücksichtigung finden, weil es den Herausgebern von „Auftragsverzeichnissen“ jedenfalls nicht generell untersagt werden kann, für ihre Erzeugnisse eine griffige und vom Wortsinn her nicht unzutreffende Bezeichnung zu wählen. Ob die Verwendung der im Streit stehenden Bezeichnungen noch als irreführend eingestuft werden kann, hängt daher von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab.“

An dieser Einschätzung hält der Senat weiterhin fest. Maßgebend ist somit, ob sich die durch die Verwendung des Begriffs „Branchenbuch“ nahegelegte Irreführungsgefahr nach den konkreten Umständen des Einzelfalles noch in den von der Klägerin hinzunehmenden Grenzen hält.

Zu Recht hat das Landgericht die Verwendung des Begriffs in dem Internetauftritt gemäß der Anlage K 4 nicht als unzulässig angesehen, weil sich dort ein hinreichend deutlicher Hinweis darauf befindet, dass das Verzeichnis aufgrund der freiwilligen Eintragung von Unternehmen keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben könne. Dieser Hinweis genügt zum Ausschluss einer wettbewerbswidrigen Irreführung auch dann, wenn man der Bezeichnung „… Branchenbuch“ eine im Vergleich zu „Branchenbuch“ noch etwas stärkere Eignung zur Herbeiführung einer Vollständigkeitserwartung beimisst.

Bezüglich der Domain-Bezeichnung „www….-branchenbuch.com“ strebt die Klägerin ein generelles Verbot an, das auch eine Verwendung der Domainbezeichnung außerhalb des Internets erfassen soll. Dieses Begehren geht schon deshalb zu weit, weil den im Ergebnis ausschlaggebenden konkreten Umständen des Einzelfalles auf diesem Wege nicht Rechnung getragen werden kann. Des weiteren werden auch Internetnutzer, die die Domainbezeichnung eingeben, um zu dem unter dieser Domain geschalteten Internetauftritt zu gelangen, aus den vom Landgericht zutreffend dargelegten Gründen nicht irregeführt. Soweit die Klägerin auf die bei Google erscheinende Trefferliste (Anlage K 18) hinweist, ist zudem schon angesichts der aus den dortigen Textauszügen ersichtlichen Erläuterungen eine wettbewerbswidrige Irreführung zu verneinen.

Dem Antrag der Klägerin auf Einholung eines Sachverständigengutachtens (Verkehrsumfrage) zum Verständnis des Begriffs „Branchenbuch“ in den angesprochenen Verkehrskreisen war nicht zu entsprechen. Der Senat kann den Aussagegehalt der angegriffenen Werbung selbst beurteilen, auch wenn seine Mitglieder nicht zu dem hier angesprochenen Personenkreis der Gewerbetreibenden bzw. der niedergelassenen Ärzte gehören.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der Tatrichter die Verkehrsauffassung insbesondere dann aufgrund eigener Sachkunde und Lebenserfahrung feststellen, wenn sich die fragliche Werbung an die Allgemeinheit richtet (vgl. BGH, GRUR 2002, 550, 552 – Elternbriefe). Aber auch wenn keiner der erkennenden Richter durch die fragliche Werbung angesprochen wird, kann eine Beweiserhebung zur Ermittlung des Verkehrsverständnisses entbehrlich sein, wenn nicht ersichtlich ist, dass die Fachkreise für die Beurteilung der Werbeangabe über besondere Kenntnisse und Erfahrungen verfügen; außerdem können Gerichte, die wie der Senat ständig mit Wettbewerbssachen befasst sind, aufgrund ihres Erfahrungswissens in der Lage sein, eigenständig zu beurteilen, wie Fachkreise eine bestimmte Werbeaussage verstehen (vgl. BGH, GRUR 2004, 244, 245 – Marktführerschaft). Im vorliegenden Fall ist schon nicht ersichtlich, welche besonderen Kenntnisse und Erfahrungen der angesprochenen Verkehrskreise für die Beurteilung der beanstandeten Äußerungen von maßgebender Bedeutung sein könnten.

Der Senat teilt die Einschätzung des Landgerichts auch insoweit, als dieses dem Klageantrag zu 1 a) hinsichtlich der Verwendung der Bezeichnungen „… Branchenbuch.com“ und „… Branchenbuch.com“, wie in den Anlagen K 6 und K 7, stattgegeben hat. In diesem Punkt bleibt die Berufung der Beklagten daher ohne Erfolg.

Gegenüber den in den Anlagen K 6 und K 7 blickfangartig herausgestellten Bezeichnungen „… Branchenbuch“ und „… Branchenbuch“ hat der deutlich kleiner gedruckte Zusatz „com“ keinen Erklärungswert, der der Vollständigkeitserwartung des angesprochenen Verkehrs entgegenwirken könnte. Der gleichfalls vorhandene Hinweis darauf, dass das Verzeichnis aufgrund der freiwilligen Eintragung von Unternehmen keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben könne, ist viel zu klein und zu unauffällig gehalten, um von den Werbeadressaten zur Kenntnis genommen zu werden.

Auch insoweit war – entgegen der Auffassung der Beklagten – keine Beweiserhebung durch Einholung eines Umfragegutachtens erforderlich, weil der Senat aus den oben bereits dargestellten Gründen das Verständnis der Werbung durch die angesprochenen Verkehrskreise selbst beurteilen kann.

Unschädlich ist es daher auch, dass das in einem Rechtsstreit vor dem OLG München erstattete Gutachten aus dem Jahre 1996 (bei Anlage K 16) mittlerweile keine Aussagekraft mehr hat und dass auch das von der Klägerin vorgelegte Privatgutachten der E … GmbH vom Juli 2005 (Anlage K 17) die Behauptungen der Klägerin nicht beweiskräftig bestätigt. Durch das letztgenannte Gutachten wird die Einschätzung der Verkehrsvorstellung durch den Senat andererseits auch nicht entscheidend in Frage gestellt. Bemerkenswert ist zwar, dass bei offener Fragestellung lediglich 7,2% bzw. 7,9% der Befragten die Erwartung äußerten, ein „Branchenverzeichnis“ enthalte (nahezu) alle Firmen. Der Aussagewert dieses Teilergebnisses erscheint jedoch gering, da die Eingangsfrage, mit der eine Fülle von Antwortmöglichkeiten präsentiert wurde, durchgängig zu erstaunlich geringen Prozentsätzen bei der Bejahung der einzelnen Alternativen führte. So erwarteten beispielsweise auch nur 4,3% bzw. 3,9% der Befragten, in einem Branchenverzeichnis „Firmen nach Branchen sortiert“ vorzufinden.

Ebenfalls ohne Erfolg berufen sich die Beklagten auf § 47 I TKG. Die durch diese Vorschrift geschaffene Möglichkeit der Informationserlangung wäre eher geeignet, Vollständigkeitserwartungen des Verkehrs gegenüber „Branchenverzeichnissen“ zu nähren, als ihnen entgegenzuwirken. Es kann allerdings ohnehin nicht angenommen werden, dass die nach § 47 I TKG bestehende Möglichkeit der Informationsbeschaffung das Verkehrsverständnis bereits spürbar beeinflusst hat.

Der Erwartung des Verkehrs, es handele sich um ein (nahezu) vollständiges Unternehmensverzeichnis, wird das Adressen-Sammelwerk der Beklagten nicht gerecht. Dies war bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat unstreitig.

Im Senatstermin haben die Beklagten erklärt, sie hätten inzwischen 4 Mio. Einträge eingearbeitet. In ihrem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 17.02.2010 haben sie vorgebracht, wegen der nunmehr in ihrem Verzeichnis befindlichen Anzahl von Einträgen sei von einem vollständigen oder fast vollständigen Verzeichnis auszugehen. Darin liegt keine prozessordnungsgemäße Darlegung eines zwischenzeitlichen Wegfalls der zunächst unstreitigen und zugestandenen Unvollständigkeit des Verzeichnisses. Die Erklärungen im Termin waren schon nicht dahingehend zu verstehen, dass die Beklagten nunmehr die Vollständigkeit ihres Verzeichnisses behaupten wollten, auf die sie in ihrem eigenen Internetauftritt weiterhin ausdrücklich keinen Anspruch erheben. Das Vorbringen im Schriftsatz vom 17.02.2010 war nicht nachgelassen und gab auch keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.

Der Klageantrag zu 1. b) war auf die Berufung der Beklagten unter Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.

Die Klägerin hat insoweit geltend gemacht, dass die Formularaussendungen (Anlagen K 6 und K 7) den unzutreffenden Eindruck erweckten, es bestehe bereits ein Vertrag, für den die aufgenommenen Daten bestätigt werden sollten; dementsprechend werde der Charakter als Angebot verschleiert.

Für diese Einschätzung, der das Landgericht gefolgt ist, sprechen beachtliche Gründe, wenn die Aussendungen gemäß den Anlagen K 6 und K 7 für sich allein, aus der Sicht eines unvorbereiteten Empfängers, gewürdigt werden.

Zwar enthalten die Schreiben nichts Unrichtiges. Der aufmerksame Leser kann erkennen, dass es um die Erteilung eines kostenpflichtigen Auftrags geht. So findet sich in der Mitte des Blattes in Fettdruck als Überschrift das Wort „Eintragungsauftrag“, auch wenn dies im engzeiligen Schriftbild übersehen werden kann. Des weiteren stehen im oberen Teil des Formulars verschiedene Leistungsangebote zur Auswahl, bei denen Preise genannt sind. Wenn dort, wie hier in den Anlagen K 6 und K 7, „Basisauskunft Comfort“ angekreuzt ist, liegt für den Adressaten die Annahme nicht fern, dass er mit der erbetenen Unterschrift auch diese Auswahl bestätigen, also eine Willenserklärung abgeben soll, die Zahlungspflichten begründet.

Andererseits können, wie vom Landgericht dargelegt, das optisch herausgestellte Korrekturfeld und insbesondere auch die darunter mit „Wichtig !!“ beginnende und besonders herausgestellte Zeile den Eindruck erwecken, dass mit der erbetenen Unterschrift lediglich die oberhalb vorzunehmenden Ergänzungen „abgezeichnet“ würden.

Danach liegt für den Fall einer unvorbereiteten Übersendung derartiger Formulare die Annahme einer Irreführung nahe, zumal die Bereitschaft eines Empfängers, der aufgrund des ersten oberflächlichen Eindrucks davon ausgeht, er habe lediglich Daten für einen bereits abgeschlossenen Vertrag zu bestätigen, sich mit dem weiteren Inhalt der Zusendung zu befassen, eher gering sein wird. Erfahrungsgemäß stehen gerade Gewerbetreibende oder deren Mitarbeiter häufig unter Zeitdruck und lesen Schreiben der in Rede stehenden Art selbst dann oft nicht mit der an sich gebotenen Aufmerksamkeit, wenn ihnen eine Einverständniserklärung in Form einer Unterschrift abverlangt wird. Der wiederholt geäußerte Einwand der Beklagten, Unternehmer seien verpflichtet, Vertragsformulare erschöpfend zu lesen, kann eine nach dem Maßstab des § 5 UWG zu bejahende Irreführung ersichtlich nicht rechtfertigen.

Zu berücksichtigen ist schließlich auch, dass für eine Irreführung ( § 5 UWG) ausnahmsweise auch die Täuschung eines eher geringen Teils des angesprochenen Verkehrs ausreichen kann, wenn nach den Gesamtumständen die Werbung gezielt auf eine solche Täuschung angelegt ist (vgl. Urteil des Senats v. 26.03.2009 – 6 U 242/08 = MMR 2009, 553). Für einen gezielten Täuschungsversuch kann es sprechen, wenn der Werbende davon absieht, die Vorzüge seines Vertragsangebotes zu verdeutlichen, und davon auszugehen ist, dass diejenigen Werbeadressaten, die das Angebot richtig verstehen, keine erkennbare Veranlassung haben, eine Inanspruchnahme der angebotenen Leistung ernsthaft in Betracht zu ziehen (Senat, a.a.O.).

Die Aussendungen gemäß den Anlagen K 6 und K 7 sind indessen nicht unvorbereitet übersandt worden. Vielmehr ging nach dem unwiderlegten und inzwischen auch nicht mehr bestrittenen Vortrag der Beklagten den Telefaxschreiben an Herrn Dr. C und Frau Dr. D jeweils ein Telefongespräch voraus, das ein Mitarbeiter der Beklagten zu 1) mit einer Angestellten in der jeweiligen Arztpraxis führte. Nach dem Vortrag der Beklagten erfolgten die Telefonanrufe – naheliegenderweise – unmittelbar vor der Übersendung des jeweiligen Telefaxschreibens. Dem ist die Klägerin nicht entgegengetreten.

Das Telefongespräch und die darauf folgende Zusendung des Auftragsformulars per Telefax stellen eine im Zusammenhang zu würdigende werbliche Ansprache dar. Dem steht nicht entgegen, dass die Telefongespräche nicht mit den für die Erteilung des Auftrags zuständigen Personen geführt wurden. Die Beklagten haben sich mit den beanstandeten Werbeaktionen an niedergelassene Ärzte gewandt. Die Entscheidung über die Erteilung eines derartigen Auftrags ist im Normalfall, so auch hier, dem Arzt vorbehalten. Die in einer Arztpraxis eingehenden Anrufe nimmt hingegen in aller Regel, so auch hier, nicht der Arzt, sondern ein(e) Arzthelfer(in) entgegen. Die in dieser Weise tätige Arzthelferin ist jedoch entsprechend § 166 BGB Wissensvertreterin des Arztes. Grundsätzlich kann erwartet werden, dass sie den wesentlichen Inhalt des Telefongesprächs, insbesondere aufklärende Informationen, weitergibt, zumal sie auch mit der Entgegennahme und Weiterleitung des angekündigten Telefaxschreibens befasst sein wird. Zudem wurde in den Formularschreiben der Name der jeweiligen Ansprechpartnerin eingetragen.

Gleichwohl kann es Fälle geben, in denen die Werbeaktion darauf angelegt ist, ein etwaiges Kommunikationsdefizit zwischen dem Inhaber des Unternehmens und dem Ansprechpartner am Telefon auszunutzen. Dass ein solcher Fall hier vorläge, ist nicht dargetan.

Festzuhalten bleibt danach, dass die – in die Klageanträge einbezogenen – Anlagen K 6 und K 7 den jeweils maßgeblichen Kommunikationsvorgang nicht vollständig wiedergeben, weil der Vorgang jeweils mit einem Telefongespräch begann und mit der Übersendung des Telefaxschreibens seinen Abschluss fand.

Unter diesen Umständen kann nicht auf eine isolierte, für sich genommene, Bewertung der Anlagen K 6 und K 7 abgestellt werden. Die betreffenden Schreiben enthalten, wie bereits gesagt, keine Unrichtigkeiten. Die von ihnen (möglicherweise) ausgehende Irreführungsgefahr ergibt sich gerade daraus, dass der Werbeadressat sie unvorbereitet zur Kenntnis nimmt und die Bedeutung des Schreibens daher im Ansatz falsch einordnet. Wurde die Übersendung eines entsprechenden Telefaxschreibens durch einen Telefonanruf eingeleitet, so ist dieses vorbereitende Telefongespräch in die wettbewerbsrechtliche Bewertung nach § 5 UWG mit einzubeziehen.

Die Darlegungs- und Beweislast liegt insoweit, wie im Senatstermin erörtert, bei der Klägerin. Im Grundsatz hat der Kläger als Verletzter die rechtsbegründenden Tatsachen zu behaupten und zu beweisen, während der Beklagte (der Verletzer) diejenigen Umstände behaupten und beweisen muss, die den rechtsbegründenden Tatsachen ihre Bedeutung oder Grundlage nehmen (vgl. BGH, GRUR 1997, 229, 230 – Beratungskompetenz; GRUR 2004, 246, 247 – Mondpreise?; Köhler- Bornkamm , UWG, 28. Auflage, § 5 Rn 3.19). Im vorliegenden Fall genügten die Anlagen K 6 und K 7 zur Darlegung einer wettbewerbswidrigen Irreführung nur unter der Voraussetzung, dass es sich um unvorbereitete Aussendungen handelte. Da diese Voraussetzung nicht erfüllt ist, erstreckt sich der rechtsbegründende Tatbestand auf das vorgeschaltete Telefongespräch, das den Beginn eines einheitlich zu wertenden Kommunikationsvorgangs darstellt.

Zu dem Telefongespräch, das dem Schreiben gemäß Anlage K 6 vorausging, hat die Klägerin keinen konkreten Vortrag gehalten, da sich die betreffende Arzthelferin nicht mehr an den schon länger zurückliegenden Vorfall erinnern könne. Bezüglich des anderen, der Anlage K 7 zuzuordnenden Telefongesprächs behauptet die Klägerin durch Bezugnahme auf einen anwaltlichen Schriftsatz (Anlage K 25 / Bl. 282 f. d.A.), dass der Anrufer lediglich ohne jede Erläuterung das Formular angekündigt habe. Für diese Behauptung tritt die Klägerin jedoch keinen Beweis an.

Die Beklagten trifft bezüglich des Inhalts der Telefongespräche eine sekundäre Darlegungslast. Dieser Darlegungslast sind sie entgegen der Auffassung der Klägerin hinreichend nachgekommen.

Die Beklagten haben bereits in erster Instanz – rechtzeitig vor Ablauf der ihnen eingeräumten Schriftsatzfrist – vorgetragen, in den vorgeschalteten Telefonaten werde dargestellt, dass bezüglich eines Interneteintrags auf der Internetseite oertliche-branchenbuch.com angerufen werde und es sich dabei um einen kostenpflichtigen Eintrag handele; bezüglich der Kosten werde darauf verwiesen, dass diese sich aus dem Faxformular ergäben. Legt man diesen Vortrag zugrunde, so scheidet eine wettbewerbswidrige Irreführung, die zu der von der Klägerin geltend gemachten Fehlvorstellung führt, aus. Der Werbeadressat konnte unter diesen Umständen den Angebotscharakter der Aussendung nicht verkennen.

Welchen Inhalt die hier geführten Telefongespräche tatsächlich hatten, bleibt offen. Die von den Beklagten benannten Zeugen sind nicht zu vernehmen, da die Beweislast bei der Klägerin liegt. Aus den von der Klägerin in ihrem nachgelassenen Schriftsatz vorgetragenen Verhaltensweisen der Beklagten bzw. des Vorgängerunternehmens der Beklagten zu 1) können keine beweiskräftigen Schlüsse gezogen werden. Es obliegt dem Verletzten, einen von ihm angegriffenen Wettbewerbsverstoß vollständig darzulegen und sich rechtzeitig der verfügbaren Beweismöglichkeiten zu versichern. Ob die Beklagten durch die besagten Telefonanrufe gegen § 7 II Nr. 2 UWG verstoßen haben, ist hier nicht zu entscheiden, da sich das Klagebegehren auf einen solchen Wettbewerbsverstoß nicht bezieht.

Da der mit dem Klageantrag zu 1. b) beanstandete Wettbewerbsverstoß nicht festgestellt werden kann, ist auch der hieran anknüpfende Klageantrag zu 1. c) abzuweisen.

Die Verurteilung der Beklagten zur Bezahlung der Abmahnkosten hat teilweise Bestand. Die Abmahnung war, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, lediglich teilweise berechtigt. Der auf den berechtigten Teil bezogene Gegenstandswert beläuft sich auf 1/6 des Gesamtanspruchs, beträgt also 16.667 EUR. Auf dieser Grundlage ergibt sich ein Erstattungsanspruch in Höhe von 807,80 EUR (1,3 Geschäftsgebühr zuzüglich 20 EUR Unkostenpauschale).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 I 1, 92 I ZPO und berücksichtigt das Maß des wechselseitigen Obsiegens und Unterliegens. Der Senat hat – in offensichtlicher Übereinstimmung mit der Kostenentscheidung des Landgerichts – die drei Klageanträge zu 1. a), 1. b) und 1. c) jeweils gleich bewertet und berücksichtigt, dass der Antrag zu 1. a) zur Hälfte Erfolg hatte.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 II ZPO nicht vorliegen. Maßgebend für die getroffene Entscheidung waren die konkreten Umstände des vorliegenden Einzelfalles, die das Gericht auf der Grundlage anerkannter Rechtsgrundsätze bewertet hat.

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