Vorsicht bei Äußerungen in Pressemitteilungen!

25. März 2010
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Eigener Leitsatz:

Äußerungen über die geschäftlichen Verhältnisse eines konkurrierenden Unternehmens in Pressemitteilungen, die das eigene Angebot als überlegen darstellen, müssen sich wie andere Angaben im Rahmen vergleichender Werbung am wettbewerbsrechtlichen Irreführungsverbot messen lassen.

Oberlandesgericht Köln

Urteil vom 27.11.2009

Az.: 6 U 129/09

Tenor:      

Auf die Berufung der Antragstellerinnen wird das am 25.06.2009 verkün-dete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bonn – 12 O 50/09 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Antragsgegnerin wird im Wege der

einstweiligen Verfügung

verurteilt, es zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs handelnd den Eindruck zu erwecken,

a) die Antragstellerinnen würden an einen der Energieriesen verkauft,

b) durch den beabsichtigten Verkauf würden die Antragstellerinnen ihre unabhängige Stellung von den Energieriesen einbüßen,

wenn dies geschieht wie in folgender Pressemitteilung:

Berlin, 27. März 2009. Für Stromkunden wird es künftig schwerer, einen unabhängigen Energieversorger zu finden. Nach der Übernahme des niederländischen Anbieters Nuon durch den schwedischen Vattenfall-Konzern steht nach einem Bericht der F.A.Z. nun auch der Anbieter U zum Verkauf. Die Zahl der tatsächlich unabhängigen Versorger sinkt damit weiter.

Das dürfte sich auch auf das Preisniveau des deutschen Strommarkts auswirken: Je höher der Einfluss der Konzerne, umso unwahrscheinlicher ist ein faires Preisniveau für die privaten Haushalte in Deutschland. Schon heute gibt es eine große Konzentration auf dem deutschen Markt: Die Konzerne E.on, RWE, Vattenfall und Energie Baden-Württem-berg (EnBW) kontrollieren mehr als vier Fünftel der deutschen Stromproduktion.

Auch auf die neuen Versorger haben die Energieriesen Einfluss: Eprimo ist eine RWE-Tochter, Yello gehört zum EnBW-Konzern und E wie Einfach ist ein Tochterunternehmen von E.on. Der niederländische Anbieter Nuon wurde erst vor kurzem von Vattenfall übernommen. Geht nun auch U in den Besitz eines Energieriesen über, gibt es nur noch wenige unabhängige Anbieter.

"Es zeigt sich, dass die Kunden großen Wert auf die Unabhängigkeit ihres Versorgers legen", sagt S. N., Vorstandsvorsitzender der mittelständischen FlexStrom AG. Bei einer Umfrage der Stiftung Warentest im letzten Sommer hatte jeder Fünfte angegeben, die Unabhängigkeit von den Stromkonzernen sei besonders wichtig.

Die Unabhängigkeit des als Familienunternehmen gegründeten Energieversorgers soll künftig stärker betont werden. "Darauf werden wir die Kunden in den nächsten Monaten verstärkt hinweisen", so FlexStrom-Vorstandschef S. N.. "Wir gehen von einer großen Wechselbewegung der Nuon- und U-Kunden zugunsten von unabhängigen Versorgern aus."

Die seit 2003 existierende FlexStrom versorgt bundesweit rund 300.000 Kunden – der konzernunabhängige Versorger hat damit in etwa die gleiche Größe wie Nuon. FlexStrom ist zuletzt stark gewachsen und baut angesichts stetig steigender Kundenzahlen seine Beschäftigtenzahl am Stammsitz in Berlin weiter aus. Im Gegensatz zur erst seit zwei Jahren aktiven U Energy erwirtschaftet die FlexStrom AG ein positives Unternehmensergebnis.

Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen haben die Antragsgegnerin 7/8 und die Antragstellerinnen 1/8 (je 1/16) zu tragen.

G r ü n d e

I.

Die Parteien sind konkurrierende, von den vier großen Energiekonzernen des deutschen Strommarktes (E.on, RWE, Vattenfall und EnBW) bisher unabhängige Stromanbieter. In einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 15.03.2009 wurde der Geschäftsführer der Antragstellerin zu 1.) mit der Angabe zitiert, dass seine Unternehmensgruppe zum Verkauf stehe; Wunschkandidat sei ein ausländischer strategischer Investor mit eigenen Stromkapazitäten (Anlage ASt 3, Bl. 17 d.A.). Am 26./27.03.2009 veröffentlichte die Antragsgegnerin u.a. über verschiedene Internet-Dienste die in der Urteilsformel wiedergegebene Pressemitteilung. Die Antragstellerinnen sehen darin herabsetzende, irreführende und gezielt behindernde Angaben über sie als Mitbewerberin. Sie haben beantragt,

der Antragsgegnerin zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs handelnd zu behaupten und/oder den Eindruck zu erwecken,

a) die Antragstellerinnen würden an einen der Energieriesen verkauft,

b) durch den beabsichtigten Verkauf würden die Antragstellerinnen ihre unabhängige Stellung von den Energieriesen einbüßen,

insbesondere, wenn dies geschieht wie in der Pressemitteilung vom 26.03.2009.

Nachdem das Landgericht den Antrag durch Urteil zurückgewiesen hat, haben die Antragstellerinnen ihn mit ihrer – die fehlerhafte Anwendung materiellen Rechts auf den unstreitigen Sachverhalt rügenden – Berufung zunächst unverändert weiter verfolgt. Nach einem Hinweis des Senats beantragen sie sinngemäß nur noch,

wie erkannt.

Die Antragsgegnerin verteidigt das angefochtene Urteil.

II.
    
Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg, soweit über den Verfügungsantrag nach Teilrücknahme (bei unproblematischem Vorliegen eines Verfügungsgrunds) noch zu entscheiden war.

Das jetzt ausschließlich auf die konkrete Verletzungsform bezogene Unterlassungsbegehren der Antragstellerinnen erweist sich aus §§ 3 Abs. 1 und 2, 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 3, 8 Abs. 1 und 3 Nr. 1 UWG 2008 als begründet, weil die streitbefangene Pressemitteilung auf einen verständigen, informierten und aufmerksamen Durchschnittsverbraucher irreführend wirkt und insofern nicht (wie die unter Berufung auf das allgemeine Unternehmenspersönlichkeitsrecht angegriffene Äußerung in dem vom VI. Zivilsenat des BGH entschiedenen Fall NJW 2009, 1872 = ZIP 2009, 765 = WRP 2009, 631 – "Fraport-Manila") dem Schutz der Meinungsfreiheit nach Artikel 5 des Grundgesetzes unterfällt.

Als Äußerung der Antragsgegnerin über die geschäftlichen Verhältnisse eines mit ihr konkurrierenden Unternehmens muss sich die Pressemitteilung wie andere (das eigene Angebot als überlegen darstellende) Angaben im Rahmen vergleichender Werbung am wettbewerbsrechtlichen Irreführungsverbot messen lassen (§§ 5 Abs. 3, 6 Abs. 1 UWG; zur Abgrenzung vgl. BGH, GRUR 2008, 443 = WRP 2008, 666 [Rn. 15, 18, 21] – Saugeinlagen sowie Hefermehl / Köhler / Bornkamm, UWG, 27. Aufl., § 5 Rn. 2.34, 2.35, 2.62 m.w.N.). Diesem Maßstab wird sie nicht gerecht, denn denjenigen der angesprochenen Stromkunden, die den angeführten Bericht der F.A.Z. nicht kennen, wird durch die Pressemitteilung der Antragsgegnerin der Eindruck vermittelt, aus der Meldung einer als seriös und in Wirtschaftsfragen besonders kompetenten Tageszeitung ergebe sich, dass der Verkauf des Unternehmens der Antragstellerin an einen der "Energieriesen", also einen der vier am deutschen Markt führenden Stromkonzerne, unmittelbar bevorstehe und es danach so gut wie sicher sei, dass nach dem vom Vattenfall-Konzern übernommenen Mitbewerber Nuon nun auch die Antragstellerin aus dem Kreis der unabhängigen Stromanbieter ausscheide; dagegen fehlt der deutliche Hinweis, dass es sich bei dieser Annahme um eine vom Inhalt des F.A.Z.-Artikels keineswegs gedeckte weitergehende Spekulation der Antragsgegnerin handelt.

Vor allem die Sätze

"Nach der Übernahme des … Anbieters Nuon durch den … Vattenfall-Konzern steht nach einem Bericht der F.A.Z. nun auch der Anbieter U zum Verkauf. Die Zahl der tatsächlich unabhängigen Versorger sinkt damit weiter."

"… Nuon wurde erst vor kurzem von Vattenfall übernommen. Geht nun auch U in den Besitz eines Energieriesen über, gibt es nur noch wenige unabhängige Anbieter."

"Wir gehen von einer großen Wechselbewegung der Nuon- und U-Kunden zugunsten von unabhängigen Versorgern aus."

suggerieren dem unbefangenen Leser, dem Unternehmen der Antragstellerin stehe das gleiche Schicksal wie dem (zuvor zu einem anderen, niederländischen Konzern gehörenden) Anbieter Nuon bevor, der mit dem Verkauf an einen der vier Fünftel des deutschen Strommarktes kontrollierenden "Energieriesen" seine "Unabhängigkeit" verloren habe. Tatsächlich hatte die Frankfurter Allgemeine Zeitung aber davon berichtet, dass die Antragstellerinnen sich (ohne Verkaufsdruck) um einen ausländischen strategischen Investor mit eigenen Stromkapazitäten bemühten, bei dem es sich nach dem Gesamtzusammenhang des Berichts offenbar nicht um einen der (dort "etablierte Versorger" und "Platzhirsche" genannten) vier großen Energiekonzerne des deutschen Marktes handeln sollte; denn das Unternehmen der Antragstellerinnen wurde in dem Bericht (was die Pressemitteilung der Antragsgegnerin unterschlägt) gerade als einer der erfolgreichsten Konkurrenten dieser vier Konzerne apostrophiert.

Die hiernach nicht etwa naheliegende, sondern gewagte Spekulation der Antragsgegnerin, die im F.A.Z.-Bericht wiedergegebenen Äußerungen des Geschäftsführers der Antragstellerin zu 1.) sprächen für ein bevorstehendes Ende der "Unabhängigkeit" der Konkurrentin auf Grund ihrer Übernahme durch einen "Energieriesen", wird für das angesprochene Publikum nicht als Spekulation erkennbar. Abgesehen davon, dass die grammatische Form der im Indikativ und nicht im Konjunktiv (Potentialis) stehenden Aussage "Geht nun auch U in den Besitz eines Energieriesen über, gibt es nur noch wenige unabhängige Anbieter" weniger für einen Konditionalsatz ("was wäre, wenn") als für einen Temporalsatz ("sobald") zu sprechen scheint, erhält sie durch den Hinweis auf die Erwartung der Antragsgegnerin, an der Unabhängigkeit ihres Stromversorgers interessierte Kunden seien bald noch mehr auf ihr eigenes Angebot angewiesen, eher den Charakter einer auf sicheren tatsächlichen Grundlagen beruhenden Prognose als den einer vagen Vermutung ohne konkreten Anhalt in dem zitierten Zeitungsbericht. Offengelegt wird die ausgesprochen spekulative Tendenz des angegriffenen Textes also gerade nicht; ein relevanter Teil der angesprochenen Stromkunden wird die Pressemitteilung vielmehr als getreue Wiedergabe der Quintessenz des Berichtes der Frankfurter Allgemeinen Zeitung verstehen und geneigt sein, einen Wechsel zur Antragsgegnerin als einem der wenigen noch unabhängigen Anbieter – nicht aber zum Unternehmen der Antragstellerinen – ernsthaft in Betracht zu ziehen, woraus zugleich die Eignung der erweckten Fehlvorstellung zur spürbaren Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidungen dieser Verbraucher erhellt.

Ist nach alledem die konkrete Äußerung der Antragsgegnerin (zumindest in der für sie ungünstigsten – realistischen – Verständnismöglichkeit, die sie gegen sich gelten lassen muss) geeignet, die angesprochenen Verbraucher in die Irre zu führen und zu geschäftlichen Entscheidungen zu veranlassen, die sie sonst nicht treffen würden, so kann diese Art der Werbung auch nicht im Rahmen einer abschließenden Interessenabwägung und Verhältnismäßigkeitsprüfung mit der Meinungsäußerungsfreiheit der Antragsgegnerin gerechtfertigt werden; denn unabhängig davon, ob ihre Angaben ganz oder teilweise schon als bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen anzusehen sind und daher aus dem Schutzbereich des Grundrechts herausfallen (vgl. BGH, GRUR 2008, 81 [82] – Pharmakartell), fällt für den verschuldensunabhängigen Unterlassungsanspruch das vom Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb – einem allgemeinen Gesetz im Sinne von Artikel 5 Abs. 2 des Grundgesetzes – geschützte Interesse der Verbraucher an unverfälschter Information unter den Umständen des Streitfalles jedenfalls weit stärker ins Gewicht.

Auf die Frage eines Verstoßes gegen §§ 4 Nr. 7, 6 Abs. 2 Nr. 5 oder 4 Nr. 10 UWG kommt es für die Entscheidung nicht an.
    
III.
    

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, wobei auf die Teilrücknahme des Verfügungsantrags nur ein Bruchteil entfiel; denn obwohl die von den Antragstellerinnen ursprünglich erstrebte Verurteilung teilweise über ein Verbot der konkreten Verletzungsform hinausging, bestimmte dieses doch von Anfang an Zielrichtung und Schwergewicht ihres Angriffs.

Das Urteil ist gemäß § 542 Abs. 2 ZPO mit seiner Verkündung rechtskräftig.

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